Bezahlbares Wohnen in der Stadt - ein Auslaufmodell?

  • [..] einer der größten türkischen Mischkonzerne
    [..] vielleicht sind Abschlagszahlungen nicht geleistet worden (wisse mer net) – und schon ist Schluss; keine Baufirma kann es sich leisten, weiterzuarbeiten, wenn sie ihr Geld nicht pünktlich bekommt. [..]


    Dazu passt folgender aktueller Artikel, wonach die Türkei drittschlechtester Zahler der Welt ist: http://www.faz.net/aktuell/fin…er-der-welt-15699391.html
    Demnach sind die türkischen Devisenreserven (also Euro etc.) massiv gefallen; der Wertverfall der türk. Lira setzt sich fort..

  • @UrbanFreak: Schön, dass du dich aufgrund von Straßenbeobachtungen so gut aus-, dabei aber völlig verkennst, dass der wirklich überwiegende Teil der Young Urban Professionals zwar überdurchschnittlich verdient und sich auch berlinweit verglichen überdurchschnittliche Mieten leisten kann, mit den Käufern solcher Objekte aber nichts zu tun hat.


    Das stimmt zu zwei Dritteln. Urban Freak hat recht, dass Max & Moritz nicht in der Liga der reinen Anlageobjekte angesiedelt ist. Living Levels (dass im Alltag tatsächlich fast leersteht) und erst recht die Luxusprojekte in Mitte sind schon noch was anderes. Dennoch: Auch bei Max & Moritz soll eine 60qm-Wohnung knapp 400.000 Euro kosten. Die jungen Leute, die sich a) sowas leisten können und dann b) mit 60qm zufrieden sind, dürften rar gesäht sein.


    Man darf nicht vergessen, dass young und urban häufig auch mit prekär verbunden ist: 25-jährige, die zwar 6000 Euro im Monat verdienen, sich aber von einem Zweijahresvertrag zum nächsten hangeln. Die sind nicht kreditwürdig, es sei denn Mama und Papa haben den nötigen Hintergrund. Und dann sind wir schon wieder nicht mehr beim Wohnen, sondern bei der Anlagestrategie – nämlich der Eltern. Nach zwei, drei Jahren zieht der Filius aus, weil er einen neuen Kurzzeitposten in London, New York oder Shanghai antritt, und die Wohnung wird mit sattem Gewinn vertickt. Z.B. auf diese Weise führen schicke Neubau-Appartements nicht zu einer Entlastung des Marktes, sondern wirken als Preistreiber.


    Davon ab würde es mir aber wirklich leidtun, wenn das Projekt schon wieder in Schieflage wäre. Ich mag den Entwurf, und er ist inzwischen soweit vorangeschritten, dass eine Alternative auf dem Grundstück kaum noch denkbar ist. Der worst case wäre eine Pleite des Investors, die zu einer Bauruine mitten im neuen Viertel führen würde. Ein Zurück ist kaum noch denkbar, ein Vorwärts aber nicht in Sicht (aka BER-Problem).

  • ^ Ähnliche Preise in zentralen Lagen gibt es auch z.B. in München - ich sehe nicht den Sinn, noch einmal die Themen um Bevölkerungszuwachs (besonders in den Metropolen), Wachstum, Nachfrage usw. zu wälzen. Die Nachfrage nach Wohnraum hat aber eine gute Seite - egal, welche Probleme der jetzige Investor hat, notfalls findet sich ein anderer, der das Projekt übernehmen könnte. Auch woanders gibt es Wohnungsbau-Projekte, die längere Zeit ruhten und dann doch noch fortgeführt wurden.

  • Banken wissen ja inzwischen auch, dass befristete Arbeitsverträge in vielen Branchen der Normalfall sind.
    Dass ich den fünften befristeten Vertrag (derzeit 2 Jahre) hintereinander hatte, war bei mir kein Problem bei der Immobilienfinanzierung.

  • Also ich kenne viele Leute die in Start ups arbeiten und von denen man sagen könnte, dass sie dem Klischee eines urbans entsprechen würden. 6000 € im Monat sind da eher die Ausnahme denn die Regel. Das Einkommen, die die allerwenigsten mit unbefristeten Arbeitsverträgen verdienen. Das entspricht nicht der Realität.

  • Ach, nee! ;) Natürlich ist das nicht die Regel, aber es gibt diese Leute. Habe zwei davon im erweiterten Familienkreis: BWL in irgendeiner privaten business school studiert und nach dem Abschluss direkt in eine Unternehmensberatung gewechselt. 12-Stunden-Tag und Riesengehalt. Wohnen aber beide zur Miete.

  • ... die Wohnungen von im Ausland lebenden Käufern werden vermietet. Vermietete Eigentumswohnung nennt sich sowas, dass kennt doch jeder hier im Forum.
    Die Wohnungen werden 5-8 Jahre von den Erstkäufern / Kapitalanleger gehalten und dann abgestoßen. Im Zweiterwerb greifen dann prozentual deutlich mehr Ortsansässige zu. Insofern haben auch diese Wohnungen eine entlastende Funktion auf Teilsegmente des Wohnungsmarktes.


    Die aufgerufenen Preise sind Angebotspreise, die zahlt so gut wie niemand. Und wir wissen auch nicht, welche Leistungen sie enthalten, z.B. Notarkosten / Grundbucheintrag, Vermietungsservice, Mietgarantien, etc. . Selbstnutzer erhalten meist größere Rabatte, da sie als ordnendes Instrument gelten. Sie haben halt mehr Interesse am Gedeih der Anlage, als der Mieter, der dort zeitlich begrenzt wohnt.

  • Die zahlreichen Berichte über vermögende Südeuropäer wurden dann in den letzten Jahren durch Berichte über vermögende Russen, Araber und Chinesen abgelöst, ergoogeln darfst du dir die selbst, hat bei mir keine Minute gedauert. Gemeinsam haben diese Käufer, dass sie in den seltensten Fällen ihren Lebensmittelpunkt nach Berlin verlegen.


    Du solltest nicht so viel googeln, sondern dir auch mal die Realität vor Ort ansehen.


    @ALL: Schon mal was von Mieten gehört? Auch wenn Bauprojekte als Eigentumswohnungen verkauft werden, können diese tatsächlich als Anlageobjekt gekauft und dann wiederum vermietet werden und das tatsächlich an Menschen die dann dort auch wohnen. Vielleicht nur 2-3 Jahre im Schnitt, aber so jemand muss eben auch irgendwo wohnen.


    Und wenn er nicht im Max und Moritz wohnt, wohnt er dann eben im Altbau: Wer Geld hat, wird definitiv fündig. Daher bringt es durchaus etwas wenn man auch Wohnraum für wohlhabende schafft.

  • Dafürgibt es nach wie vor keine Belege. Man könnte also langsam mal eine andere Platte auflegen. Bestes Gegenbeispiel ist dasgegenüberliegende Living Levels. Und warum die Herrschaften dann in Altbauten wohnen sollen, ist mal wieder eine unbewiesene Behauptung.

  • Ich frage mal anders: Wenn Living Levels nicht gebaut worden wäre, bist du allen ernstes der Meinung, die Herrschaften die dort gekauft haben, hätte sonst nicht in Berlin gekauft?

  • Die Wohnungs-Problematik hat bestimmt viele Facetten. Ein großer, aber kaum zu beeinflussender Aspekt ist sicher die steigende Zahl von 1-Personenhaushalten, was noch erschwert wird durch die überdurchschnittliche Größe mancher so minderbelegter Wohnung.
    Würde man hier, reglementierend eingreifen, was ich nicht befürworte, könnte die Wohnungssituation deutlich verbessert werden. Aber das wäre Planwirtschaft.


    Daneben ist es sicher das Mittel der Wahl möglichst viele Wohnungen egal welcher Qualität, also auch hochpreisige Wohnungen, zu errichten. Die hochpreisigen Wohnungen werden einerseits womöglich bereits in 20-30 Jahren wieder zu relativ niedrigeren Preisen vermarktet, andererseits und da stimme ich Urban Freak zu, gibt es nunmal zur Zeit eine enorme Nachfrage bei der jede hochpreisige Wohnung zählt, egal ob vermietet oder selbsgenutzt.
    Würde es die neuen "Luxuswohnungen" nicht geben, würde sich die Nachfrage nur noch stärker in bestehenden Kiezen austoben und angestammte Bewohner verdrängen.


    Das ist sicher noch nicht die gesamte Problematik. Auch die resignierte politische Meinung, das viele Bauen würde kaum nutzen, da die Nachfrage einfach zu hoch sei, halte ich für berechtigt, wenn auch nicht für Lösungsorientiert.


    Wir erleben halt gerade etwas, was es in der Berliner Geschichte zu unseren Lebzeiten so noch nicht gegeben hat:
    Berlin ist eine boomende Metropole mit hohem Bedeutungszuwachs und das mit allen Vor- und Nachteilen.

  • ^^ Ich bin der Meinung, dass die Herrschaften sich in Berlin ein anderes Objekt gesucht hätten. Wahrscheinlich mehrheitlich Neubau. Ja. Und von mir aus sollen sie das auch. Max und Moritz sollen bitteschön zu Ende gebaut werden. Aber man soll bitte nicht so tun, als würde man damit den Wohnungsmarkt für Notmalverdienende entlasten. Das ist, gelinde gesagt, Bullshit.

  • ^Ich würde es auch nicht gerade als "samaritischen Akt" bezeichnen sich dort eine Wohnung zu kaufen. Aber das Gegenteil ist es auch nicht. Wir sind schließlich liberal (wobei man das hier im Forum manchmal bezweifelt) d.h. jeder der will kann und darf nach Berlin ziehen und ist dann auch dort willkommen (hoffe ich, manchmal hat man ja nicht den Eindruck...).


    Dieses "Berlin den Berlinern", kann ich jedenfalls nicht mehr hören, vor allem in einer Stadt, in der praktisch jeder zweite irgendwann mal von irgendeinem Bumsdorf zugezogen ist.

  • Es ist so billig sich in welchen Klischees auch immer über die bösen Kapitalisten zu ereifern, die in teuflischer Absicht mit der Gentrifizierung - die natürlich auch ein diabolisches Werkzeug ebendieser - alles Wahre, Edle und schöne allein aus Profitgier vereinnahmen.
    Es muss schön sein mit einem solch schlichten Weltbild durchs Leben zu wandern und dabei wissentlich zu ignorieren, dass ohne diese Kapitalisten Berlin sich nach 1990 zum grössten Slum entwickelt hätte. Ohne die Mentalität der Zugezogenen seit 1990 und dem Kapital der bösen Kapitalisten wäre Berlin bestimmt nicht zu dem geworden was es heute ist. Die Mentalität vieler in dieser Stadt war entweder von einer Versorgungsmentalität durch jahrelange Subventionen und wohliger Inselabgeschottetheit im Westen und sozialistisch anerzogener Passivität und Rundumversorgung geprägt, denkbar schlechte Voraussetzung um eine Stadt wie Berlin aus der Lethargie zu reißen und etwas Wohlstand zu erwirtschaften und eine dringend dynamische Entwicklung zu ermöglichen, die - auch das wird immer vergessen - im schärfster Konkurrenz innerhalb und außerhalb Deutschlands zu anderen Metropolen steht.
    Seit tausenden von Jahren ist Genftrifizierung ein Faktor Entwicklungen voranzutreiben und diese per se abzulehnen meines Erachtens völlig unberechtigt. Und die meisten, die sich über Gentrifizierung aufregen, sind es selber gewesen, als sie in diese Stadt kamen, was sie natürlich weit von sich weisen.


    Themenspezifisch von dort hierher verschoben.
    Bato

  • ^ Ach herrje, soviel Empörung wegen eines kleinen Scherzes – der zudem (auch) selbstironisch gemeint war. Hatte mich gefreut, dass UrbanFreak die Sache mal locker genommen hat, und bin drauf eingestiegen.


    Mit den Mechanismen der Gentrifizierung habe ich mich ziemlich genau auseinandergesetzt und weiß um deren Komplexität. Dass ich als zugezogener Mittelschichtler selbst ein Teil des Phänomens bin, ist mir wohl bekannt. Auch mit dem Kapital habe ich mich beschäftigt und weiß daher, dass es weniger von Profitgier oder "teuflischen Absichten" getrieben ist als von einer Logik, der die Akteure unterworfen sind, ob sie wollen oder nicht.


    Aber es fällt einem natürlich viel leichter, sich in Rage zu bringen, wenn man dem Gegenüber (in diesem Falle mir) irgendwelche klischeehaften Denkweisen unterstellt, von denen überhaupt nicht die Rede war. Auf einen Pappkameraden drischt es sich halt einfacher ein.


    (Die Sache mit der "schärfsten Konkurrenz" und den "tausenden von Jahren Gentrifizierung" lasse ich auf sich beruhen, was nicht als Einverständnis gemeint ist.)

  • Also wenn tatsächlich ein echter Künstler hinter dem Pferd steht und es nicht nur ein lustiger Zufall sein sollte, habe ich damit kein Problem.


    Gentrifizierung ist ein Prozess der vor allem in einer Mieterstadt, erhebliche Probleme nach sich zieht. Das würde ich niemals bestreiten. Mein Kommentar sollte aber keinerlei Wertung desselbigen sein. In einem funktionierenden System, sollte Gentrifizierung eigentlich von allen begrüßt werden.


    Nicht die Gentrifizierung ist krank, sondern das Deutschland ein Mieterland ist und damit in großem Maße von Genossenschaften oder wohlwollenden Vermietern abhängig. Dieses Problem wurde in der Vergangenheit einfach zu wenig angegangen.


    Teilweise ist es auch ein kulturelles Problem, denn meine Großeltern Generation (Krieg), wollte gar keinen Besitz haben ("geht im nächsten Krieg eh wieder verloren"). Der Krieg hat die Einstellung ganzer Generationen zu Besitz und Eigentum verändert. Hinzu kommt der Sozialismus im Osten.

  • In einem funktionierenden System, sollte Gentrifizierung eigentlich von allen begrüßt werden.


    Gentrifizierung ist ein Begriff, der für Verdrängungsprozesse steht. Wie müsste ein System funktionieren, indem auch die Verdrängten diese Prozesse begrüßen?


    Nicht die Gentrifizierung ist krank, sondern das Deutschland ein Mieterland ist und damit in großem Maße von Genossenschaften oder wohlwollenden Vermietern abhängig.


    Mieten ist "krank" und Eigentum ist "gesund"? Bitte begründen, auch die pathologisierende Wortwahl. Und von Genossenschaften ist man nicht "abhängig". Als Mitglied einer Genossenschaft wohnt man weit unter Marktpreis in meist sehr guten Wohnungen. Man ist dort auch kein Mieter, sondern Teilhaber an Gemeinschaftseigentum. Aber vermutlich ist für Dich auch Gemeinschaftseigentum "krank"...


    Teilweise ist es auch ein kulturelles Problem, denn meine Großeltern Generation (Krieg), wollte gar keinen Besitz haben ("geht im nächsten Krieg eh wieder verloren"). Der Krieg hat die Einstellung ganzer Generationen zu Besitz und Eigentum verändert.


    Nein. Du solltest nicht von Deinen Großeltern auf deren Generation schließen. Vor dem Krieg war Wohneigentum in der Stadt vor allem dem gehobenen Bürgertum vorbehalten; Arbeiter, Angestellte und Kleinbürger lebten zur Miete (Ausnahmen: Die Gartenstadtbewegung in den Zwanzigern und die Nazi-Siedlungen in den Dreißigern). Nach dem Krieg wurden die "eigenen vier Wände" für die "neuen Mittelschichten" im Westen zum Muss. Der Bausparvertrag war jahrzehntelang die Sparanlage für diese Leute. Ergebnis sind die ständig wachsenden Häuslebauer-Vorstädte, die ab den 60er-Jahren aus dem Boden wuchsen.


    Dass der Trend zum "Eigenheim" seit Jahren rückläufig ist, hat weniger kulturelle als ökonomische Gründe:


    Erstens ist das die Flexibilisierung seit den Neunzigern: Man muss häufiger als früher den Arbeitsplatz wechseln – und wer nicht weiß, ob er in fünf Jahren noch in der Stadt ist, bindet sich keinen Hausbau ans Bein. Zudem sind Arbeitsverträge heute oft auf wenige Jahre befristet, weshalb man einen Kredit, den man über 20 Jahre abzahlen müsste, erst gar nicht bekommt.


    Zweitens (aber damit zusammenhängend) ist die Unsicherheit der Mittelschicht allgemein gewachsen. In der alten Bundesrepublik waren sich diese Leute sicher, dass es ihnen in der Zukunft besser geht als in der Gegenwart. Mit den Hartzreformen und der Finanzkrise vor zehn Jahren ist diese Sicherheit geschwunden.


    Drittens sind die Bau- und Immobilienpreise derart exorbitant gestiegen, dass viele sich ein Haus oder eine Wohnung auch dann gar nicht mehr leisten könnten, wenn sie eine unbefristete Stelle im öffentlichen Dienst und eine sichere Rente haben. (Ein Freund von mir, Besitzer einer mittelständischen Softwarefirma, hat sich kürzlich ein Haus gebaut. Ich weiß, dass er in mäßigen Dimensionen Millionär ist – aber das Haus ist nicht größer oder schicker als eines, dass sich vor 30 Jahren ein Lehrer-Ehepaar hätte leisten können.)


    Und viertens gibt es einen großen Anteil in der Bevölkerung, der schon zu besten Wohlstandszeiten nicht einmal davon träumen konnte, ein Haus zu kaufen. Früher waren das Arbeiter und kleine Angestellte, heute ist es das sogenannte Dienstleistungs-Proletariat – Leute, die einen wichtigen Dienst für die Gesellschaft leisten, es aber zumindest in Ballungszentren kaum noch schaffen, auch nur ihre Miete aufzubringen.


    Also: Die Gesellschaft ist "krank", weil sie ein "Einstellungsproblem" hat? "Gesund" wäre es, wenn sich alle auf Teufel komm raus verschuldeten, um ein "funktionierendes System" zu schaffen, in dem Gentrififizierung von allen "begrüßt" wird? Wohl kaum...

  • ^und ^^


    Italien hat seit Kriegsende x-Regierungen erlebt, hat ziemlich heftige politische Umwälzungen erfahren, staginierte in den letzten Jahrzehnten auch ökonomisch, und man fragt sich, warum dennoch die Gesellschaft relativ ruhig geblieben ist. Eine Antwort, die ich hierzu hörte und die mir ziemlich überzeugend schien, lautete: Wegen des hohen Anteils an Wohneigentum in der Bevölkerung. Das schafft eine gewisse Grundsicherheit und Unabhängigkeit.


    Insofern scheint mir das Problem letztlich weniger, wie jetzt diskutiert wird, in der Frage zu liegen, ob Abertausende von Wohnungen in öffentlicher Hand oder in renditegetriebenen privaten Gesellschaften akkumuliert werden. Das erste ist m.E. deutlich besser als das zweite, aber es war, wie gerade Berlin zeigt, auch eine Ursache dafür, dass überhaupt Zehntausende von Wohnungen in einer Krisenlage verscherbelt und in die Hand weniger privater Wohnungsgesellschaften überführt werden konnten.


    Der Prozess der Wohneigentumsbildung als "Gentrifizierung" zu bezeichnen, scheint mir irreführend; die Ausdrücke "krank" und die Abwertung des genossenschaftlichen Modells sind abzulehnen. Aber wenn man UrbanFreak so umdeutet, dass es wünschenswert wäre, wenn möglichst viele Menschen in die Lage versetzt wären, zu Wohneigentum zu kommen, könnten man sich hier vielleicht näher kommen, und die Frage wäre dann: Wie könnte man das am besten gewährleisten?

  • ^ Interessantes Thema. Vielleicht sollte Bato es in den passenden Strang verschieben.


    Mir ging es oben um die Abwertung des Mietens als Ausdruck "kranker" Zustände und die Preisung des Eigentums als Wundermittel – ich habe nichts gegen Wohneigentum an sich. Denn natürlich schafft es Sicherheit, wenn es keinen Vermieter gibt, der einen vor die Tür setzen kann. Das Verhältnis von ökonomischer Sicherheit und Wohneigentum muss man aber auch von der anderen Seite her betrachten: Erst, wer finanziell einigermaßen unabhängig und sicher dasteht, sollte über den Kauf von Wohneigentum nachdenken – und das ist heute (siehe oben) für viele schwierig geworden.


    Wer eine eigene Wohnung (z.B. geerbt) hat, lebt auch als Geringverdiener in halbwegs stabilen Verhältnissen. Andersherum ist es für geringverdienende Mieter aber meist keine gute Lösung, es krampfhaft auf einen Wohnungskauf anzulegen – die Gefahr von Überschuldung bis hin zur Privatinsolvenz und zur Pfändung der Immobilie ist groß.


    Es politisch auf eine Umwandlung von Miet- in Eigentumsverhältnisse anzulegen, kann auch volkswirtschaftlich nach hinten losgehen: Vergessen wir nicht, dass die Finanzkrise von 2008 mit einer Immobilienkrise in den USA begann. Die Banken hatten massenweise Hauskredite an Leute vergeben, die es sich eigentlich nicht leisten konnten, und die Schuldverschreibungen als Risikopapiere an der Börse gehandelt. Am Ende brach bekanntlich der Finanzmarkt zusammen und in den ganzen USA verwandelten sich Neubausiedlungen in verlassene Ruinenstädte. Ein echter Albtraum und ein guter Hinweis, dass die Formel "Mieter zu Hausbesitzern" keineswegs ein "funktierendes System" garantiert – auch das Gegenteil kann die Folge sein. Ich bin mir jedenfalls sicher, dass man die Gentrifizierung in Berlin nicht dadurch in humanere Bahnen lenkt, dass man von Verdrängung bedrohten Mietern wackelige Hauskredite aufschwatzt.


    Etwas anderes wäre es, die Gründung von Genossenschaften zu fördern und Mieter aufzufordern, beizutreten – die Genossenschaften können Häuser kaufen und bauen und ihren Mitgliedern so mittelfristig zu Wohnungen in Gemeinschaftsbesitz verhelfen. Die Sicherheit wäre wesentlich größer als bei Mietwohnungen, die Belastung geringer als beim Privatkauf, die Gefahr einer Überschuldung gleich null. Vor 100 Jahren hat das schon einmal im großen Maßstab funktioniert. Man muss es nur versuchen. (Ich habe übrigens Anteile bei einer Genossenschaft. Bis eine Wohnung frei wird, dauert es noch Jahre, aber danach kriegt mich dort keiner mehr raus. Und schon heute bekomme ich im Jahr eine Dividende von immerhin 4 Prozent.)