Leipzig: Umgang mit Bauerbe

  • leipziger: Früher war halt alles besser! (zumindest architektonisch)


    Hab es irgendwie geahnt, dass für den Neubau an der Wundtstraße alte Häuser abgerissen wurden. Ich wollt das eigentlich auch nicht wissen. Man ärgert sich sonst nur jedesmal wieder aufs Neue. ;):(
    Im übrigen hab ich das mit dem ehemaligen Cafe nicht gewusst! Aber eigentlich nicht überraschend. Früher hat sich die Architektur halt den örtlichen Gegegenheiten angepasst. Das erkennt man eben heute noch. Heutzutage wird dem Umfeld eine eigenwillige Architektur aufoktroyiert.


    Danke für deine Ergänzungen zu meinen Bildern!



    DaseBLN:


    Ich gehe vom hier und heute aus, und da besteht nun noch die Chance diesen Schrott abzureißen. Nur weil man einmal Fehler begangen hat, muss man diese doch nicht weiter tun! Das Musikerviertel gehört für mich in den nächsten 50 Jahren frei von Plattenbauten. Draußen auf der grünen Wiese können sie von mir aus stehen bleiben bzw. umgebaut werden.


    Nachtrag:


    Alfred-Kästner-Str.: (ein etwas eigenwilliger Stadthausentwurf - bei der linken Haushälfte bin ich mir nicht sicher, was der Architekt damit bezwecken möchte :confused: )



    Ich nehme mal an, auf der linken Seite sind die Toiletten! Da kann man mal richtig schön... :D

  • Danke für die vielen neuen Bilder. Wollt auch noch mal schnell meinen Senf dazu abgeben.


    Zum Haus Wundstr Ecke Arndtstr: Ursprünglich ist das Gebäude als Fischerhaus gebaut wurden. Wenn man die Fassade genauer betrachtet findet man dort Krebse und Fische und noch so manch anderes Unterwassergetier. Die großen "Kellerfenster" waren einst die Bootsgaragen. Das Haus ist dann später zur Paddelbootverleihstation umgerüstet worden. Scheinbar nochmal später dann zum Cafe umgestaltet.


    Plattenbauten im Musikviertel: Schade, schade, schade dass es dieses Viertel im Krieg so erwischt hat. Im Grunde ist es aber mindestens genau so schade das die Lücken nach dem Krieg auf diese Art und Weise wieder aufgefüllt worden sind. Wobei ich auch der Meinung bin dass die Blöcke im Inneren bedeutend stärker die Struktur stören als die drei gezeigten am Rand. Leider sind auch die meisten Nachwendebauten alles andere als glorreich. Hat eigentlich jemand ne Ahnung warum an diesem blau weißen DDR Flachbau direkt neben den drei Typ Erfurt Platten gewerkelt wird? Ist auch auf dem vorletzten Bild von Legende zu sehen.


    Besonders schön finde ich die Rennbahnsanierung.

  • zu den 3 sechzehngeschossern im musikerviertel: natürlich werden die bleiben. oder rechne mal vor, wie die lwb bei mehreren hundert millionen schulden auf die einnahmen aus den 300 mietwohnungen verzichten soll.


    zum saba-eckhaus in der bernhard-göring-strasse:stünde es in jeder beliebigen anderen stadt, würde ein solcher kasten in diesem zustand und dieser lage abgerissen werden.


    zu den häusern am flossplatz: hier trifft im prinzip das selbe zu. wenn dort überhaupt die alte bausubstanz gerettet wird, wäre schon viel erreicht. es ist leicht zu sagen, dass weniger verkehr diese lage attraktiver machen würde. aber es ist nn mal unmöglich, flossplatz, bernhard-göring-strasse, pfaffendorfer straße, georg-schumann-strasse und wie die ganzen problemgebiete alle heissen, von verkehr frei zu halten.

  • dj tinitus: Hoffentlich ist der Verkehr für den Floßplatz kein K.O. Kriterium. Es wäre sehr schade um die zahlreichen unsanierten Bauten, die hier sehr repräsentativ fürs Stadtbild sind. Grund zur Hoffnung geben zumindest die Straßensanierung - sieht jetzt viel besser aus & ist bestimm auch leiser - und die Situation in der Ferdinand-Lasalle-Str., wo ebenfalls viel Verkehr aufkommt und doch nahezu durchgängig saniert ist.


    Ich nehme mal an, auf der linken Seite sind die Toiletten! Da kann man mal richtig schön...


    LEgende: Das ganze Haus in der Alfred Kästner Str. wirkt für mich wie ein schildbürgerliches Wohnklo - man erreicht die eine Haushälfte nur über den Freigang und es sind auch nur 2 Etagen. Also ist das untere Zimmer klein aber dafür sehr hoch. Super für alle Züchter von Stangenbohnen oder für Sammler von extrem langen Plüschtieren :D .

  • Hat eigentlich jemand ne Ahnung warum an diesem blau weißen DDR Flachbau direkt neben den drei Typ Erfurt Platten gewerkelt wird? Ist auch auf dem vorletzten Bild von Legende zu sehen.
    .


    Das ist das Stromhäusle und das wird schonmal saniert.

  • Existiert in den Weiten des Internets eigentlich eine Vorkriegsaufnahme des "Bootshauses" auf dem man die historischen Balkone sieht und event. anliegende Boote?


  • Unbelievable!!! Phänomenal! Das glaubt man ja nicht mal im Traum, dass es dort mal so aussah. Aber schade, dass man die Balkone rechts des Hauses nicht erkennt. Interessant, dass links daneben sogar mal noch ein schicker Anbau stand. Reko-würdig! Ein wiederhergestellter Bau dieser Art wäre ein richtiges Leipziger Wahrzeichen, sprich: Touristenmagnet!

  • zu den 3 sechzehngeschossern im musikerviertel: natürlich werden die bleiben. oder rechne mal vor, wie die lwb bei mehreren hundert millionen schulden auf die einnahmen aus den 300 mietwohnungen verzichten soll.


    Diese Aussage stellt mich persönlich irgendwie nicht so recht zufrieden. Ich denke man sollte auch andere Dinge mit einbeziehen.


    Gehören der LWB nicht auch eine Vielzahl von Plattenbauten in Grünau, die teilweise leer stehen? Die 300 Mieter würden doch nicht verloren gehen, wenn sie unbedingt billig in der Platte wohnen wollen.
    Wohnen sie aber wegen der Lage dort, dann ist es doch nur gerecht, dass sie wie alle anderen auch, mehr zahlen müssen. Und das bedeutet eben in Leipzig Umzug in einen (sanierten) Altbau. Solche besitzt selbst die LWB. Aber diese lässt sie lieber unsaniert bzw. reißt sie sogar ab, um die Abrissprämie zu kassieren.


    Wir können uns doch nicht auf der einen Seite beschweren, dass immer noch Gründerzeitler abgerissen bzw. unsaniert bleiben, und auf der anderen Seite dann die Sanierung von maroden Plattenbauten begrüßen. Das ist Konkurrenz in imensem Ausmaß für jede potenzielle Sanierung der Vielzahl an noch vorhandenen denkmalgeschützten Häusern.


    Ist es nicht im allgemeinen Interesse und auch sinnvoller, solche zentrumsnahen Grundstücke zu veräußern? Das würde die Schulden der LWB sicherlich auch mindern. Allein von den poppeligen Mieten wird dies sowieso nie möglich sein.
    Und wer bezahlt eigentlich die sicherlich erheblichen Sanierungsarbeiten? Die erhöhen doch letztlich auch nur den Schuldenstand. Von den leicht gestiegenen Mieten werden die sicherlich nicht in vollem Umfang finanziert.


    Qualitative Sanierungen, die wir hier ja immer wieder fordern und auch gern begutachten, haben nunmal ihren Marktpreis. Durch den Eingriff staatlicher Wohnungsgesellschaften mit ihrem großen Bestand an Plattenbauten wird dieser Markt m.M.n. empfindlich gestört bzw. in seinem Ausmaß erheblich eingeschränkt. Die aktuelle Sanierungswelle könnte sonst sicherlich noch einiges umfangreicher sein. Klar, für Häuser im Waldstraßenviertel stellen diese Platten keine Gefahr da, da die Mieter aus der Platte sich solche teils Luxuswohnungen nicht leisten könnten. Aber sie würden event. in heute weniger durchsanierte Gebiete wie Leutzsch, Eutritzsch, Lindenau, etc. ziehen, die es bekanntlich am notwendigsten hätten.

  • halte deinen vortrag doch einfach vor den mietern dieser häuser oder vor lwb-mitarbeitern. könnte allerdings passieren, dass dich deren antworten auch persönlich irgendwie nicht so recht zufrieden stellen werden.

  • dj tinitus
    mal andersherum gefragt, was machen Mieteinnahmen von 300 Plattenbau Wohnungen (geringe Miete) bei einen Schuldenstand von mehren hundert Millonen Euro eigentlich noch aus. Die LWB hat meiner Meinung nach Jahrzente lang mißgewirtschaftet und es kann nicht sein das sie das jetzt auf Kosten der historischen Bausubstanz austragt. In Gegenteil es muss eine Wende her weg vom Plattenbau hin zur Sanierung des Gründerzeitbestandes der LWB der ja immer noch reichlich vorhanden ist. Durch Abriss eines Platten Blocks lassen sich viel höhere Abrißprämien einnehmen. Das frei gewordene Grundstück wird verkauft und das neue Kapital in die Begleichung der Schulden gesteckt.
    Naturlich ist das alles auch kein Zaubermittel aber so wie es jetzt seid Jahren bei der LWB läuft geht es jedenfalls nicht weiter.
    Ach ja es ist nicht so das der Schuldenstand der LWB durch ihr jetztiges Verhalten (Abrisse in den Gründerzeitvierteln/Sanierung von Plattenbauten) sinkt, nein er steigt sogar noch Jahr um Jahr wenn das kein Argument ist mal umzudenken liebe LWB Mitarbeiter?

  • zu den schulden: die hauptgründe hierfür sind die investitionen in sanierungen seit der wende, kosten durch leerstände in unsanierten häusern und die ddr-altschulden. (die plattenbauten wurden mit "krediten" der ddr-staatsbank "finanziert". damals in der planwirtschaft reine luftbuchungen, wurden sie nach der wende zur realen belastung).


    zur sogenannten "abrissprämie": wenn wohnraum abgerissen wird, werden diese altschulden vom bund erlassen. macht pro qm rund 60 euro.


    da kann man sich überlegen, wie oft die lwb ihren gesamten bestand abreissen müsste, um ihre schulden zu tilgen. kein gangbarer weg. um auf die beine zu kommen, hilft nur ein mix aus abrissen von gebäuden, für die es dauerhaft keinen markt geben wird (z. b. grosse plattenbauten in grünau), verkauf unsanierter altbauten (deren sanierung die lwb nicht stemmen kann) und sanierung attraktiver wohnanlagen, um die einnahmen zu erhöhen.


    zu denen gehören die drei hochhäuser direkt am johannapark.


    auch aus anderer perspektive macht ein abriss dieser hochhäuser keinen sinn:
    mit ihren 300 wohnungen und in dieser lage haben sie einen beträchtlichen wert. die häuser und grundstücke zu kaufen, abreissen zu lassen und anschliessend mit drei "gründerzeitvillen" (oder was euch sonst so vorschweben mag) zu bebauen, würde anschliessend zu mietpreisen führen, die am markt überhaupt nicht zu erzielen sind.
    (kurzer blick nach dresden: das dortige lwb-pendant wurde komplett an ein privates konsortium veräussert. fallen nun dort etwa die platten, um süsse gründerzeitromantik wieder aufleben zu lassen? natürlich nicht.)


    wer kauft oder verkauft, saniert oder abreisst, blickt dabei auf den taschenrechner - und nicht einfach auf alte ansichtskarten.


    (und nebenbei: wo lässt denn die lwb altbauten abreissen? man kann doch nicht irgendwas schreiben, nur weil es einem gerade in den kram passt.)

  • Hallo,


    dj tinitus: Zunächst einmal vollkommene Zustimmung. Die Hochhäuser sind voll vermietet und das m.W., sofern man keinen DDR-Mietvertrag mehr hat, keineswegs zu Ramschpreisen. Man zaht eben für die Lage und den Blick. Ich wiederhole mich ja schon bis zum Erbrechen - städtebaulich finde ich die langen, bereits sanierten Blöcke weitaus problematischer als dieses kleine Cluster.



    (und nebenbei: wo lässt denn die lwb altbauten abreissen? man kann doch nicht irgendwas schreiben, nur weil es einem gerade in den kram passt.)


    Aus einem sehr interessanten Artikel in der Lizzy:


    Quartalsbericht 2/2008, die dritte Kelle: Wohnungsmarkt belebt sich, Diebstähle haben Konjunktur


    Das Thema Abriss ist für die LWB vorerst abgehakt. Sie hat mit 9.294 Wohneinheiten etwa drei Viertel der Leipziger Wohnungsabrisse bewältigt, wie Ute Schäfer und Peter Stubbe in ihrem Beitrag zum Quartalsbericht erzählen. Das hat natürlich den eigenen Bestand gesunden lassen und auch für die Mitbewerber den Markt stabilisiert. Zwei Drittel der Abrisse geschahen übrigens im Plattenbau.


    ~ 3000 Wohneinheiten wurden also in Nicht-Plattenbauten abgerissen, rechnet man mal die abgerissenen 20er-50er Gebäude weg, dürfte man es immer noch mit 1500-2000 Wohneinheiten im Altbaubereich zu tun haben. Eines der prominentesten Beispiel ist sicherlich das Haus an der Ecke Karl-Heine-Strasse/Zschochersche Strasse, dass bei den heutigen Marktbedingungen und dem aufkeimenden Plagwitz-Boom sicherlich schon saniert wäre:


    Karl-Heine-Strasse 30 im Bildindex


    Bild im Lipsikon (rechtes Gebäude)


    Prachtbau illegal abgerissen


    Nur ein Beispiel für diverse städtebaulich vollkommen unverantwortliche Handlungen seitens der LWB in den vergangenen 15 Jahren. Auf der Website des Stadtforums finden sich noch viele weitere Beispiele und oft heisst der vernachlässigende Eigentümer LWB. Generell ist die momentane Entwicklung sehr erfreulich, aber wenn man sich bewusst macht, was für schöne und wichtige Gebäude trotzdem in den letzten 15 Jahren verloren gegangen sind, wird einem schlecht.


    Der Artikel enthält übrigens weitere interessante Fakten:


    - Es gibt einen Trend zur Rückkehr aus den Randlagen in die Stadt, gerade von Seiten der Jugend


    - die Zahl der Sanierungen steigt


    - 78% der Immobilienkäufer sind aus den alten Bundesländern


    - der Leerstand soll 2012 nur noch 3-5% betragen - auf die ganze Stadt gerechnet


    - in der Südvorstadt, im Musikerviertel, in der Ostvorstadt und in Connewitz beträgt die Anzahl der Singlehaushalte 60%


    - die ehemaligen Arbeiterwohnquartiere leiden am meisten unter Langzeitarbeitslosigkeit


    Ausführlicher Report: http://www.leipzig.de/statistik


    Grüße,
    *D

  • @dase:
    ja, da hast du völlig recht.
    darum fragte ich auch, wo die lwb abreissen lässt - und nicht, wo sie liess.
    in der vergangenheit wurden einige fehler gemacht - und noch mehr, die uns nur aus heutiger sicht so scheinen. die musikerviertel-blöcke gehören zu den letzteren. als entschieden wurde, diese zu sanieren, herrschte in leipzig noch knappheit an saniertem wohnraum. (damals zahlte ich 23,50 dm pro qm.) die leute zogen zu tausenden in neubauquartiere auf die grüne wiese. in dieser situation die blöcke und damit günstigen wohnraum abzureissen, hätte die stadtflucht nur verstärkt. (falls es jemand vergessen hat: bereits bei der "1. volksbaukonferenz" mitten in wendezeiten standen diese blöcke zur diskussion. es gab anschliessend einen workshop, bei dem nur gemischte teams aus ost und west teilnehmen durften. gerade die teilnehmer aus westdeutschland plädierten dafür, die dinger unbedingt zu erhalten, um die soziale mischung des viertels sicherzustellen.) so waren die zeiten. entscheidungen von damals muss man auch aus dem damaligen blickwinkel betrachten.


    heute ist alles viel ausdifferenzierter. wenn an allem überangebot herrscht, zählt vor allem die lage. und die lässt sich in altlindenau oder volkmarsdorf nicht so einfach ändern. auch nicht dadurch, indem man hervorragend gelegene plattenbauten am johannapark abreisst.
    oder um es positiv zu wenden: der nachfragemarkt hat sich zum angebotsmarkt entwickelt. um mieter oder käufer zu locken, müssen heute schon erstklassige sanierungen vollbracht werden. damit relativiert sich auch der einfluss des plattenbaubestandes auf den markt: er verhindert vielleicht den zuzug in schlecht sanierte altbauten mit teppichböden ohne balkone - aber andererseits bewirkt er auch, dass solche projekte zum glück überhaupt nicht mehr in angriff genommen werden. was jetzt saniert wird, ist in der regel qualitätvoller als noch vor ein paar jahren. die städtischen wohnungen können kein ersatz für private investoren sein. aber quasi als korrektiv wirken. "grünauer an die käthe-kollwitz-strasse zwangsverfrachten" würde nicht funktionieren. aber wenn in dieser gegend hervorragend sanierte altbauten zu günstigen konditionen mieter gelockt, oder familien in zentrumsnähe stadthäuser errichtet haben, dann werden weitere plattenbauabrisse in grünau die folge sein.
    aber erst dann. man sollte nicht den zweiten schritt vor dem ersten tun.

  • @dase:
    ja, da hast du völlig recht.
    darum fragte ich auch, wo die lwb abreissen lässt - und nicht, wo sie liess.


    Die LWB veröffentlichte in der LVZ vom 25.7. eine Ausschreibung für den Abbruch der Häuser Schladitzer Straße 78-86.


    @ dj tinitus: sehr guter Beitrag, Danke!

  • ja. aber das sind doch keine gründerzeitler, sondern häuser aus der zwischenkriegszeit irgendwo im nirgendwo zwischen stadtautobahn und gewerbegebieten. für die schladitzer strasse 74 sucht die lwb übrigens auch (vergeblich) einen käufer.

  • dj tinitus:


    Da du ja so darauf rumreitest, ich hätte behauptet die LWB würde aktuell Altbauten abreißen, so war das von mir gar nicht auf aktuelle Fälle bestimmt. Nein, viel schlimmer, ich beziehe mich generell darauf das sie Altbauten abreißen lässt! Und wie von DaseBLN wunderschön aufgezeit, wurden in der Vergangenheit schon in erheblichem Ausmaß äußerst wichtige Gebäude trotz Protesten aus der Bevölkerung abgerissen und man höre und staune, selbst aktuell immer noch, wie DrZott zu berichten weiß.


    Für mich ist das eine Grundsatz-Debatte! Ich suche hier nicht jedes Haar in der Suppe von Leuten die anderer Meinung sind, sondern ich versuche deren Sichtweisen zu verstehen. Und hier Stelle ich eben fest, das wir zwei grundsätzlich völlig andere Visionen und somit auch Strategien haben, wie wir in Leipzig mit unserem offensichtlich und von allen geschätztem wertvollen Gründerzeiterbe und den missratenen, weil in Finanznöten entstandenen, Plattenbauten, umgehen.
    Wie du selber sagtest: Wenn die "süße Gründerzeitromantik" erstmal weg ist, ist sie weg und kommt auch nie wieder. Und das gilt es unter allen Umständen zu verhindern! Und hier nehmen die Plattenbauten mir ihrer hohen Anzahl an billigem Mietraum eine entscheidene Rolle ein! Je weniger von denen vorhanden ist, desto mehr Altbauten müssen saniert werden. Und wieso kann der Wettbewerb auf dem Mietmarkt, den wir laut deiner Meinung ja eigentlich nur den Platten verdanken, nicht auch nur in den Altbauvierteln stattfinden? Wir leben in einer Marktwirtschaft! Auf dem Vermietermarkt gibts soviel Konkurrenz, da kann sichs mittlerweile auch in LE keiner mehr leisten, nicht zu sanieren; oder er bekommt seine Wohnungen eben nicht vermietet. Die Mieter sind doch nicht blöd, oder siehst du das so? Es lässt sich doch heute keiner mehr mit 'nem maroden Altbau abspeisen! Das was stimmt ist, das die Sanierungen teils miserabel sind. Aber selbst 'ne sanierte Platte hat sicherlich nich viel mehr Lebensqualität.
    Nur wenn man den vielen potenziellen Vermietern nicht genug Nachfrage verschafft, werden eben auch die Altbauten nicht saniert.


    Nichts desto trotz finde ich einige Gedankengänge von dir sehr gut. Die von dir damals beschriebenen Zustände im Musikerviertel mögen zu damals sinnvollen Entscheidungen geführt haben. Das kann man sehen, wie man will, und ist abgeschlossen. Aber muss man nicht Strategien auch mal anpassen und Entscheidungen hinterfragen? Ich persönliche lebe im hier und heute, und will zukunftssichere Entscheidungen für ganz Leipzig! Ich will nicht später einmal durch Leipzig fahren, und sagen müssen: "Gut, Südvorstadt, Schleußig, Waldstraßenviertel und Musikviertel sind schön saniert...aber Lindenau, Volkmarsdorf, Eutritzsch, etc. haben damals eben Pech gehabt, und sind jetzt völlig perforiert, oder mit billigen Neubauten durchzogen." Verstehst du, worauf ich hinauswill?



    in der vergangenheit wurden einige fehler gemacht - und noch mehr, die uns nur aus heutiger sicht so scheinen.


    Das ist für mich falsch! Wie von DaseBLN und Anderen erwähnt, wurden die Abrisse schon in der Vergangenheit von der Bevölkerung scharf kritisiert, und waren von erheblichen Protesten begleitet! Ich empfehle dir den Film "Ist Leipzig noch zu retten?"! Darin wird deutlich, dass die regide Abrisspolitik von Altbauten die Leipziger seit jeher äußerst erzürnt hat. Übrigens auch einer von vielen Gründen, warum man anno '89 gegen die Zustände in der DDR protestiert hat.
    Das man die Fehler nach der Wende weitermacht, ist nicht zu verstehen, und zeugt von Missmanagement bzw. mangelnder Kompetenz!


    Ich sehe auf Seiten der LWB eben ganz klare Strategiefehler, die scheinbar bis zum heutigen Tage anhalten! Statt einmaliger Abrissprämien von Altbauten, hätte man mit sanierten Gründerzeitlern dauerhafte Mieteinnahmen gehabt. Und bei entsprechender Sanierungsqualität hätte man sicher ähnlich hohe Mieteinnahmen realisieren können, wie andere Firmen oder Vermieter auch. Die LWB ist doch auch ein Marktteilnehmer. Wenn sie das liefert was der Markt will, dann bekommt sie dafür genauso ihre Rendite, wie andere private Konkurrenten. Ich denke eher, dass bei der LWB in bestimmten Bereichen personelles Know-How fehlt.
    Ich kenne einige die in der Platte wohnen...weils so schön billig ist! In der Platte wohnen nicht nur alte und arme Leute, da wohnen auch noch recht wohlhabende Leute. Die LWB hat zwar sicher keine Einkommensinformationen ihrer jeweiligen Mieter, aber man könnte ja eine Befragung machen. Dann besäße man die Information an möglichen Mietern, die es sich leisten könnten, auch in einem sanierten Altbau zu wohnen. In dieser Hinsicht könnte man auch bei der Befragung abzielen.
    Die LWB hat einen riesigen Kundenstamm, dazu noch große Bestände an Altbauten. Was da für Potential schlummert! Und wenn man schon kein Know-How in dieser Richtung im eigenen Haus hat, dann kann man sich externes Know-How auch ins Haus holen!


    Daher versteh ich auch nicht, wieso du hier die LWB so verteidigst? Bist du Fan von Plattenbauten oder arbeitest für die LWB? Soll kein persönlicher Angriff sein, aber mir kommt es eben so vor, da von dir keinerlei Kritik zu hören ist. Sorry, falls dem nicht so ist.

  • LEgende:
    mal im ernst: es wurden und werden doch keine sanierten bauten abgerissen. nur heruntergekommene, für die sich keine mieter/käufer finden. bei dieser sogenannten "abrissprämie" von 60 euro/qm leuchtet es doch ein, dass auch die lwb besser fährt, wenn sie ihre altbauten zu einem halbwegs vernünftigen preis verkaufen kann. wenn das geschieht (zörbigker strasse, wahrener rundling, ...), dann ist das wunderbar. wenn sich niemand findet, wird das auch seine gründe haben. beim vorhandenen überangebot an wohnraum ist nun mal die lage ein entscheidendes kriterium. und ja: ich halte es für keinen zielführenden weg, plattenbauten in guten wohnlagen am park in der irrigen hoffnung abzureissen, dass deren mieter dann in altbauten an der georg-schumann-strasse ziehen würden.
    wer den dritten schritt vor dem ersten macht, wird straucheln. konkret: um problemzonen wie gerade die einfallstrassen wieder für zuwanderung aufzuwerten, ist es sinnvoller, diese im ersten schritt durch strassenneubauten vom durchgangsverkehr zu entlasten. nicht einmal dieser schritt ist aufgrund knapper finanzen abgeschlossen. im zweiten schritt wird sich daraus - im besten fall - eine sanierungswelle in bisherigen problemgebieten entwickeln. erst im dritten schritt werden dadurch die noch vorhandenen plattenbauten an attraktivität verlieren, sodass sich wiederum deren abriss und gegebenenfalss die neubebauung lohnen würde.


    aber einfach mieter (auch wähler/steuerzahler) aus ihren ruhigen wohnungen zu vertreiben um sie an irgendeiner kreuzung auszusetzen, weil da alte häuser auf kundschaft warten - das wäre nun auch nicht gerade das ideal von ´89. man sollte akzeptieren, wenn sich menschen in ihren plattenbauten wohl fühlen. man sollte daran arbeiten, dass die altbauquartiere weiter an lebensqualität gewinnen. wahrscheinlich muss man sogar aushalten, dass nicht alle seit 6 jahrzehnten vernachlässigten altbauten diesen übergang überstehen werden.
    klingt vielleicht hart. aber andererseits: wer würde sich denn bereit erklären, in die schladitzer strasse zu ziehen? und wenn man es selbst nicht möchte - woher könnte man dann das moralische recht nehmen, andere dorthin zu verfrachten?
    sicher geht es hier um häuser. aber in erster linie sollte es doch um menschen gehen.


    p.s.: kritik an der lwb? ihre offiziellen preisvorstellungen für altbauten sind jenseits vom mond. bei tatsächlichen abschlüssen wird allerdings immer wieder "stillschweigen vereinbart". mehr transparenz wäre sinnvoll.

  • Das Problem ist doch, daß sehr viele Plattenbauten dito mit Fördergeldern saniert wurden. Dazu kommen die Investitionen in die Infrastruktur der äußeren Plattenbaugebiete. Die Wohnungsgesellschaften haben freilich zuerst ihre Platten saniert, weil das einfacher und billiger war, als marode Altbauten wieder in Schuß zu bringen. Das darf, kann und muß man kritisieren.
    In den Randlagen rächst sich diese Politik inzwischen. Dumm nur, daß sowohl öffentliche Hand als auch Wohnungsgesellschaft hier immer noch Geld reinstecken wollen. Wir haben in Grünau modern ausgebaute Straßenbahntrassen, auf denen die neuesetn Wagen rollen, während teilweise in den Altbauquartieren noch der alte, unsanierte Mist rumdonnert und gammelt. Hier machte und macht Leipzig auch Fehler.
    Selbstverständlich kann und soll man die Mieter aus den Platten im Musikerviertel nicht vertreiben!!! Daß die Eigentümer damit Geld verdienen, geht dito in Ordnung. Eine städtebauliche Katastrophe, die abgerissen gehört, bleiben sie trotzdem.
    Die Baustelle in Leipzig ist aber eher die Konstellation äußere Plattenbaugebiete versus Altbauquartiere. In die öden Plattenviertel sollte nicht mehr investiert werden. Das könnte langfristig den Bestand der Altbauten stabilisieren. Öffentliche Gelder gehören momentan in die Magistralen: Förderung der Sanierung und Beruhigung der Magistralen. Eine Stadt ist weder für Autos da noch für Leute, die nur hier durchfahren - sondern für die, die hier wohnen!!!

  • Ich habe die Diskussion nur am Rander verfolgt, werde aber das Gefühl nicht los, dass man sich hier um ungelegte Eier Gedanken macht. Es ist in meinen Augen mühsig, hier irgendwelche Hätte-Wäre-Wenn-Szenarien zu spinnen. Fakt ist doch, die Gebäude sind belegt und die Bausubstanz ist in einigermassen ordentlichem Zustand. Warum sollte man diese Gebäude beseitigen? Natürlich schmerzt mich der Verlust eines historischen Gebäudes. Doch wenn diese Gebäude seit Jahrzehnten ungenutzt rumstehen, der Schwamm und Schimmel die Bausubstanz so mürbe gemacht haben, dass Sanierung nicht mehr möglich ist, warum diese Gebäude dann erhalten? Erhaltung um der Schönheit willen, kann (und vor allem will) sich unsere Gesellschaft nicht leisten – wir leben nun einmal im Kapitalismus und da regiert der Taschenrechner.


    Natürlich kann ich das Argument verstehen, dass die Plattenbauten die Sanierung von "Gründerzeitlern" verhindern. Doch was wäre gewonnen, wenn Platten in großem Umfang abgerissen werden? Der Markt wird künstlich verknappt – mal davon abgesehen, dass für die Mieter erstmal Ersatzwohnraum zu schaffen ist – und dem Spekulantentum Tür und Tor geöffnet. Wohnungsbaugesellschaften wären in der Lage am Markt mit billigen Null-Acht-Fünfzehn-Sanierungen zu bestehen. Das hätte nicht nur Rückwirkungen auf die Wohnqualität, sondern auch auf das Stadtbild. Hier kann ich djtinitus nur zu stimmen: Qualität ist das A und O.


    Was ist eigentlich, wenn in zehn Jahren (hoffentlich) die Situation eintritt, dass Leipzig nicht mehr in die Substanz wachsen kann, sondern neue Wohnlösungen her müssen? Die Mieten werden steigen – egal in welchem Quartier. Dann wird jede unsinnig abgerissene Wohnung schmerzlich vermisst werden und dann ist es nur allzu wahrscheinlich, dass an der Stelle der (gehen wir mal davon aus) abgerissenen Punkthochhäuser, einfallslose Invenstorenlösungen hingesetzt werden – viel gewonnen für den Johanna-Park.


    Tatsache ist doch, dass es an einer ästhetischen Zielsetzung für die Zukunft mangelt. Wie soll denn unsere Stadt in Zukunft aussehen? Einheits-Rauputz-Wohnbutzen oder stimmige Architektur im Einklang mit dem Bestehenden? In diesem Zusammenhang sehe ich die Plattenbauten als tatsächlich Erhaltenswert, denn nur wenn genügend Anreiz an Bauherren gegeben ist, sich für hochwertige Lösungen zu entscheiden, werden auch hochwertige Lösungen entstehen. Und auch da kann ich djtinitus nur recht geben, erst den einen Schritt und dann den anderen machen. Die Gebäude müssen ersteinmal entstehen. Hier im Westen wird jeder Schweinekoben als Wohnung angeboten und das könnens ich die Herren auch nur deshalb leisten, weil es ein ordentlich verknapptes Angebot und die Mieter sowieso keine Wahl haben, da eh nur Einheitsbutzen gebaut werden. In diesem Sinne sehe ich die Platte als deutliches Druckmittel. Als Druckmittel für Bauherren zu qualitätsvolleren Lösungen und als Druckmittel für die Kommunen die dringend notwendig Infrastrukturanpassungen zügig in die Wege zu leiten.