Bestandsaufnahme Campus Bockenheim

  • Campus Westend fügt sich besser ein, ist heller und grüner

    Ich urteile nie von oben herab. Beruflich bin ich jetzt noch sehr oft in den Räumen am Uni Campus Bockenheim unterwegs, im Schnitt mindestens einmal die Woche.


    Ok, ich habe auch eher auf die "rote Laterne" geantwortet, auf die ich grundsätzlich allergisch reagiere. Aber Schwamm drüber, denn Du hast ja einige Einschränkungen in Deiner Betrachtung des Bockenheim Campus dargelegt. Genauso wenig will ich den Campus über einen Kamm scheren, denn das KOZ ist ja eine angenehme Ausnahme zum grauen Einerlei. Um es also genauer auszudrücken: Mit 5-10% des Campus bin ich einverstanden und dieser Teil wird ja auch völlig zurecht so erhalten werden.


    Trotzdem ist es nicht nur dem schlechten Zustand der Gebäude geschuldet, dass sie so verkommen aussehen, sondern eben auch der mangelnden Gegenliebe bei Politik und Endnutzern. Während sich die 68er letztlich erfolgreich für die Gründerzeit im Westend einsetzten, sehe ich nun keine "Pro-Brutalismus" Demos. Das ist auch Ausdruck der Ambivalenz mit dieser architektonischen Periode (Mitte 60er bis Mitte 80er), die sich meist völlig überdimensioniert und erschlagend auf seine Umgebung ausgewirkt hat. Mit der filigranen Architektur der 50er sieht die Situation schon wieder ganz anders aus. Architekten wie Mäckler setzen mit dem OpernTurm mittlerweile wieder auf Kontinuität, Retro-Zitate (besonders 50er Jahre Bezug) und Einbeziehung anstatt effekthascherische Konfrontation, das ist eine wohltuende Entwicklung.


    Eine Erhaltung der "Bockenheimer Spuren", wie Du sie forderst, ist übrigens gerade in Frankfurt mehr als gegeben. Das Interconti Hotel, die Uniklinik, das Unisport-Gelände oder große Teile von Niederrad, Merton und Kaiserlei sind nur einige prominente Beispiele. In der direkten Innenstadt wären diese "bunkerähnlichen Brummer" (bestes Beispiel TR-Areal) aber eher entwicklungshemmend, abschreckend und letztlich auch nutzerunfreundlich. Das ist zahlungswilligen Investoren, die besonders in Frankfurt auf Lage und architektonische Qualität der Umgebung achten, nicht zuzumuten. Es ist kaum verwunderlich, dass gerade um das Interconti, dem Bundesrechnungshof und den genannten Gewerbegebieten herum seit Jahrzehnten Stagnation und eine regelrechte Investorenflucht zu beobachten ist.


    Noch ein Wort zum Campus Westend: Ich lege gerne alle Karten auf den Tisch, ich bin ein großer Fan des Campus und halte ihn für äußerst gelungen. Er ist heller, grüner, nutzerfreundlicher und verdient die Bezeichnung eines "verbindenden" Campus viel eher. Ähnlich wie die LMU in München, die am Englischen Garten sitzt, gibt es zwischen Westend Campus und Grüneburgpark einen fließenden Übergang. Genial ist zum Beispiel der Campus-eigene Biergarten unter sattem Grün, der für mich zu den besten Public Viewing Plätzen der Stadt gehört und von den Studenten voll angenommen wird. Zudem gefallen mir die Gebäude mit ihrer Farbgebung, ihren großen vertikalen Fenstern und klassischen Proportionen extrem gut: Das House of Finance ist ein perfekter Repräsentant der „neuen steinernen Sachlichkeit“, die mit einer unaufdringlichen Struktur überzeugt. Auch das RuW Gebäude mit einem hellen Innenhof beherbergt eine der besseren Bibliotheken, die ich hierzulande kenne. Noch ein schöner Aspekt: Die Fassaden leuchten und schimmern bei Sonneneinstrahlung.

    Die angeblichen „Studentenproteste“ gegen den Westend Campus halte ich übrigens für ein ziemlich schlecht gewähltes Beispiel. Ich habe die Demos, die vom AStA mitgetragen wurden, selber miterlebt. Zunächst ist es reine Spekulation, dass es sich überhaupt mehrheitlich um Studenten gehalten hat. Die Proteste kamen in zwei Phasen: Einmal wurde das House of Finance überrannt und von innen mit Graffiti überzogen und das andere Mal das Casino-Gebäude samt Kunstgalerie für eine Woche lang besetzt und verwüstet. Als Quittung erntete man von der Studentenschaft vor allem Unverständnis und der AStA manövrierte sich ins Abseits und knabbert immer noch an den Langzeitfolgen seiner Isolation. Wie sich zeigte, fiel gerade den Globalisierungsgegnern das „soziale Miteinander“ und die „Toleranz gegenüber den anders Denkenden“ besonders schwer. So outet man sich als genauso autoritär und selbstverliebt wie die angeblichen Bonzen, die man am liebsten vertreiben möchte. Der AStA hat bewusst die Stammtisch-Pauschalisierung gesucht und dadurch Bevormundung billigend in Kauf genommen. Die Aussage „Campus für oberflächliche, gestylte Banker“ fällt übrigens auch in diese Kategorie. Warum es immer nur ein entweder/oder, aber kein sowohl als auch geben kann, will sich mir nicht erschließen.

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  • Zur Abrundung dieses Strangs ein Blick von oben auf den Campus aus selten gesehener Perspektive: (Klicken für die Originalauflösung)



    Bild: epizentrum


    Im Vordergrund befindet sich das sanierte Gebäude an der Georg-Voigt-Straße, das jetzt als LOEWE-Zentrum seinen Dienst tut. Dahinter geht es weiter mit den Institutsgebäuden an der Robert-Mayer-Straße inkl. den Senckenberg-Gebäuden rechts. Der große Juridikum-Riegel bildet in etwa den Abschluss des Campusteiles vor der Bockenheimer Landstraße. Links dahinter sieht man die Unibibliothek. Und noch weiter links an der Gräfstraße, die von vorne links nach hinten in Richtung Fernsehturm durch das Bild geht, sogar die Stirnseite des in diesen Tagen heiß diskutierten Kramer-Baus (siehe zuletzt hier und folgende Beiträge).


    Beim Riegel, der sich hinter dem Schornstein zu verstecken sucht, handelt es sich um die Bundesbank an der Miquelanlage.