Umbau Bahnhof Ostkreuz (realisiert)

  • Wer heute noch so bauen will, wie zur Zeit der Eisenbahnpioniere, der lebt nicht in der heutigen Zeit. Schon damals war die Prunkfassade ein "Zugeständnis" an das Stadtbild. Heute können wir ästhetisch und zweckmässig bauen; das beweist der Hauptbahnhof.


    Hier geht es aber nun mal ums Ostkreuz. Und das ist eben kein Neubau im Brachland, sondern ein durchaus stadthistorisch wichtiges Ensemble.
    Der Kiez ringsum hat die Zeiten weitgehend unbeschadet überstanden - was spricht also dagegen, spezifische visuelle Merkmale des Bahnhofs zu erhalten? Von Prunkfassaden kann gerade in diesem Fall ja überhaupt nicht die Rede sein.
    Aber einfach nur Kahlschlag und Beton-Brutalismus zeugt nicht wirklich von Ästhetik oder gar städtebaulichem Verantwortungsbewusstsein.
    Und in Anbetracht der halben Milliarde die dort bereitwillig versenkt wird, dürfte sich die Frage nach der 'Bezahlbarkeit' wohl erübrigen...

  • ^ Auch du solltest langsam geblickt haben, dass dort eben nicht "einfach nur Kahlschlag und Beton-Brutalismus" stattfinden. Ein nicht geringer Teil der 500 Mio. werden für Maßnahmen ausgegeben, die rein verkehrstechnisch unnötig sind und dem Denkmalschutzstatus geschuldet sind. Ansonsten wird da ein Bauwerk geschaffen, dass für zehntausende Pendler täglich eine Verbesserung ihrer Verkehrswege bringen soll, dafür wird das Geld ausgegeben. Der größte Teil der Umgebung ist übrigens Brachland, auch die Häuser im Sonntagsstraßenkiez liegten nicht direkt am Bahnhof.


    @ Scritch: danke für die Info, man muss dann wohl wirklich auf dem Regionalbahnsteig 'nur' von einem Dach ausgehen :(

  • Ich verstehe nicht so recht??? Es wird doch das erhalten, was erhaltenswert ist. Die Fußgängerbrücke und die Säulenkonstruktion der Dächer. Und "Kahlschlag" und "Betonbrutalismus" kann ich auch nicht erkennen. Schlichte und zweckmäßige Bahnhofsarchitektur vielleicht. Aber falls wir mal wieder einen Krieg gewinnen, können wir ja mit den Reparationsleistungen wieder schicke, neogotische "Kathedralen des Fortschritts" bauen aber das kommt wohl nicht mehr vor, lieber Tel33...

  • Die Diskussion "Erhalt historischer Substanz versus Neubau modern und funktional" hat generell für Bahnhöfe ihre Berechtigung, m. E. ist sie aber für das Ostkreuz etwas übertrieben.


    Ich selbst mochte das alte Ostkreuz, so wie es sich bis zum Beginn der derzeitigen Umbaumaßnahmen präsentierte, sehr gern und habe dies auch mehrfach in diesem Thread erwähnt. Allerdings mochte ich es auch wegen seinem morbiden Charme, dem Chaos von -zig verschiedenen Kiosken und Läden auf den Bahnsteigen usw. - aber ich musste es nicht täglich und erst recht nicht in den Hauptverkehrszeiten benutzen.


    Ein "historische" original altes Ostkreuz aus der Entstehungszeit bzw. Vorkriegszeit dürfte keiner mehr von uns kennen - und kann man von einem solchen Originalzustand überhaupt sprechen? Das Ostkreuz wurde auch damals nicht in einem Guss erbaut, sondern immer wieder umgebaut und erweitert. Was war denn wirklich repräsentativ im Sinne von Technik-Kathedrale? Die Fußgängerbrücke aus den 20ern noch am ehesten, und die soll ja wieder aufgebaut werden - und wenn die Renderings stimmen, dann vielleicht sogar auch der Eingangspavillon in Richtung Sonntagstraße.


    Ansonsten muss man ehrlich sein: Das Ostkreuz bestand bis 2009 aus teils zusammengeflickten Bahnsteigdächern auf den unteren Linienbahnsteigen. Aus einem viel zu schmalen Ringbahnsteig, der zudem ein zu kurzes Dach hatte und im Berufsverkehr aus allen Nähten platzte. Aus zahlreichen Treppen und sehr langen Wegen. Aus einer ungünstigen Umsteigesituation aufgrund der Linienbahnsteige. Rolltreppen und Aufzüge: Fehlanzeige. Aus unebenem und löchrigem Pflaster als Bodenbelag usw. usw.


    Wäre genügend Geld und Willen da: Was wäre dann möglich? Ein Neubau aller Bahnsteige in veränderter Lage und Breite wäre trotzdem vonnöten. Diese könnte man dann mit Kleinpflaster belegen und gelben Ziegeln verblenden. Aber wäre das dann historisch? Oder doch nur ein disneylandesker Fake?
    Rolltreppen und Fahrstühle müssten trotzdem eingebaut werden. Ein komplettes Dach für den Ringbahnsteig auch. Auf die neuen Regionalbahnsteige will auch niemand verzichten. Dürfen die dann als Kontrast modern werden oder sollen die auch "historisch" verkleidet werden?


    Anderswo finde ich den Neu- bzw. Umbau von meist kleineren Bahnhöfen auch beklagenswert, so z. B. an der Hamburger Bahn, wo zahlreiche Bahnhofsgebäude aus der Entstehungszeit der Eisenbahn vergammeln und die Bahnsteige zugige und hässliche Betonplattformen sind, wie die Rampen an der Anlieferung eines Supermarktes. Lieblos, minimal ausgestattet und ungemütlich.


    Am Ostkreuz hingegen, wie durchaus oft in Berlin (wenn auch nicht immer), wird im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten ein guter Kompromiss geschaffen. Ein moderner, zeitgemäßer Umsteigebahnhof, der das Fahrgastaufkommen auch gut bewältigen kann, unter Berücksichtigung und Respektierung einiger erhaltenswerter und erhaltungsfähiger alter Bauelemente (Dächer, Brücke, Wasserturm neben dem Bf. u. a.) Mit einem großzügigen Ringbahnsteig samt heller Halle. Wie das in der Realität mal aussieht, muss man natürlich abwarten, die Renderings lassen z. B. nicht sehr gut erkennen, ob und in wieweit die alten Bahnsteigdächer auf den unteren Bahnsteigen wirklich übernommen werden.


    Fairerweise muss ich auch darauf hinweisen, dass ich eigentlich keine deutsche Großstadt kenne, wo in ähnlichem Umfang Bahnhöfe bzw. S-Bahnhöfe mit "historischem Flair" vorhanden sind wie in Berlin. Nicht in Hamburg, nicht in München, nicht in Frankfurt, ganz zu schweigen von den Ruhrpott-Städten...

  • ^^
    Deinem letzten Satz will ich voll und ganz zustimmen. In München etwa gibts gar keine historischen Nahverkehrs-Bahnhöfe (ich spreche im folgenden nicht von den HBFs der Städte), nicht einen! Kunststück: S- und U-Bahn kamen erst 1972 im Zuge der Olympiade (trotz erster Planungen in den 1930ern). Hamburg kann noch am ehesten mithalten, da es eine traditionelle Hochbahn hat mit zumindest einigen schönen Bahnhöfen. Etwas skurill, aber alt und m.E. ziemlich cool sind die Schwebebahnhöfe in Wuppertal. Aber in der Masse muss man dann schon London und Paris als Vergleichsbeispiele heranziehen. Hier ist Berlin eben doch mal weit "über" dem normalen deutschen Standard und seine U- und S-Bahnwelt ist wahrhaft (ohne Größenwahn oder Hauptstadtattitüde an den Tag legen zu wollen) weltstädtisch! An ihnen sieht man, was für ne Stadt Berlin mal war und wann sie das war, nämlich die viertgrößte der Welt und größte Industriestadt Europas, die schon früh ein leistungsfähiges Nahverkehrsnetz brauchte. Ich liebe die Berliner U- und S-Bahn. Da können die "Aufsteiger" ;) aus dem Süden ausnahmsweise mal nicht schneller höher weiter sein....

  • DaseBLN:
    Da du ja voll im Bilde zu sein scheinst, wirst du jetzt sicher den 'nicht geringen Teil der 500 Mio. für Denkmalschutzmaßnahmen' konkretisieren können. Ich warte gespannt. Die existierenden gusseisernen Säulen wiederaufzurichten dürfte wohl finanziell kaum messbar sein. Wenn es denn überhaupt geschehen sollte. Die Brücke wird komplett neu gebaut.
    Tatsächlich erhalten wird so gut wie nichts.
    In meinen Augen ist es durchaus eine Frage von Kultur, wie man mit architektonischen Zeitzeugen umgeht. Und da ist man leider in Berlin nicht wirklich beispielgebend.
    Am Ostkreuz kann man es derzeit live miterleben.
    Gerade mit Blick auf die Baumaßnahmen der Bahn in jüngerer Zeit kann ich den Optimismus, den ja einige hier zu haben scheinen, nicht teilen.

  • tel33: ich will dir im Grunde gar nicht widersprechen, da ich deine Meinung teile. Nur in diesem einen Punkt wage ich Widerspruch:

    [...] Frage von Kultur, wie man mit architektonischen Zeitzeugen umgeht. Und da ist man leider in Berlin nicht wirklich beispielgebend.

    Ich bezieh das mal auf Profanbauten (nicht auf Bauten der DB):
    Da solltest du mal nach München oder Hamburg sehen - da wird vielleicht abgerissen, dass es nur so kracht! Dagegen finde ich Berlin immer ein wenig würdevoller im Umgang mit alten Bauten. Liegt sicher an der mangelnden Kohle, vielleicht aber auch an einem Faible für altes (?) Was das Ostkreuz betrifft, brauchen wirs nicht wieder aufrollen, ich freu mich wie schon erwähnt über die Säulen, aber es hätte auch wirklich mehr Erhaltung bzw. weniger Technokratenarchitektur drin sein können...naja, hat ick ja schon jesacht.

  • Wir reden hier von einem zusammengeschusterten, siffigen Umsteigebahnhof, der schon seit seiner Entstehung umgebaut werden sollte. Warum wird da so ein Gewese gemacht? Wegen einiger Gußeisensäulen aus den Typenkatalogen des späten 19 Jahrhunderts? Man muss nicht alles erhalten, was alt ist. Diese Diskussionen hier sind einfach nur überflüssig. Keinen Menschen schert es, wenn dort ein paar alte Säulen abgeräumt werden. Es ist das (R)ostkreuz, nicht unter den Linden!

  • Eben, dieser History-Fetischismus ist langsam echt befremdlich, vor allem wenn man sich das Sanierungskonzept des Ostkreuzes anschaut, da werden symbolische Elemente übernommen und aufpoliert.

  • NewUrban: Der Witz an so einem Forum sind DISKUSSIONEN. Zu sagen, die Diskussion wäre überflüssig, zeugt zumindest hier - bei allem Respekt (keine Floskel!) - nicht von einem pluralistischen Verständnis der Meinungsbildung, wie sie gerade hier gepflegt wird/ werden sollte. Backstein etwa sagte:

    Die Diskussion "Erhalt historischer Substanz versus Neubau modern und funktional" hat generell für Bahnhöfe ihre Berechtigung, m. E. ist sie aber für das Ostkreuz etwas übertrieben.

    So kann mans doch auch ausdrücken, ohne die Meinung der anderen einfach von oben herab wegzuwischen.


    Im übrigen scheren die paar alten Säulen schon einige Menschen, lies doch mal die letzten Beiträge. Wobei die Säulen vielleicht eher ein "Pars pro toto" sind und einfach gerne den Betonpfeilern gegenübergestellt werden, um den stetigen Niedergang der Eleganz beim Bahnhofsbau zu unterstreichen.


    @RichardNeutra: Bist du denn gegen den Moderne-Fetischismus gefeit? ;) War nur Spaß!
    Eleganz und Schönheit hat nicht zwingend mit History zu tun, das sieht jeder, der etwa die tollen BBI-Entwürfe ansieht. Und jeder noch so Konservative hier wird dem wahrscheinlich zustimmen. Es ist lediglich das Plumpe, was viele am Ostkreuz stört. Die Moderne kann es sehr viel besser!

    3 Mal editiert, zuletzt von Baukunst ()

  • Eleganz und Schönheit ist auch kein Alleinstellungsmerkmal des Historismus bzw. vergangener Archiotekturepochen, jede Epoche hat ihre schönen und ihre schlechten Beispiele geliefert. Ich persönlich lege mich überhaupt nicht generell auf Stile fest, grundsätzlich kann mir jeder gefallen, wenn er zu meinem Schönheitsanspruch passt und das geht wohl jedem so. Was ich nicht leiden kann sind Ideologiediskussionen, will heißen das zwanghafte festhalten an bestimmten Stilepochen und diese als absolutes Maß für Schönheit zu setzen. Die Krönung ist dann noch die Frechheit anderen das eigene Absolutum der Schönheit und Eleganz aufzwingen zu wollen und dies meine ich nicht nur hier, sondern gelegentlich auch in anderen Beiträgen von bestimmten Personen entdeckt zu haben.
    Dies ist ein Forum und ein Forum dient dem Austausch von Meinungen und Ideen, gerne in Form von Diskussionen und da sollte ein Mindestmaß an Regeln des Umgangs gewahrt bleiben und das bedeutet vor allem Respekt vor der Meinung/dem Geschmack anderer.
    Ich wende mich auch nicht gegen den Geschmack mancher, die die Stile des 19./ frühen 20. Jahrhundert besonders toll finden, das sei jedem überlassen, aber dieses entsetzte Aufstöhnen und dieses fast schon an Panikmache grenzende Gezeter über ein paar Säulen oder den für einige unglaublichen Einsatz von Beton und Glas in einem heute gebauten Gebäude gehen mir tierisch auf den Zeiger.


    Und nein: Das heißt nicht, dass ich alles toll finde was heute gebaut wird, bei weitem nicht, aber beim Ostkreuz bin ich mit den Planungen sehr zufrieden und halte diese für einen sehr guten Kompromiss zwischen Funktionalität, Kostenplanung und historischer Reminiszenz.

  • ^^
    Zu historischer Remineszenz: In gewisser Weise wird die Halle letztlich die Vollendung einer Uraltplanung. Vgl. Westkreuz, das schon seit 80 Jahren (?) eine Bahnsteighalle besitzt. Ich meine, dass am Ostkreuz schon zur Erbauungszeit ne Halle geplant war, kann mich aber bei bestem Willen nicht an die Quelle erinnern. Solange bleibt meine Aussage natürlich "unseriös".
    Ich frage mich nur, warum in DDR-Zeiten nichts bzgl. Halle geschehen ist. Immerhin war es der Umsteigebahnhof (neben dem Alex) und jeder Zug zum Ostberliner Hauptbahnhof (vormals Schlesischer-, jetzt Ost-) passierte diesen Bahnhof. Vielleicht findet eine Recherche ja alte Pläne.

  • Etwaige Umbau- oder Sanierungspläne werden in der DDR an dem gescheitert sein, woran viele solcher Projekte gescheitert sind: Am Geld.

  • Diese Diskussionen hier sind einfach nur überflüssig. Keinen Menschen schert es, wenn dort ein paar alte Säulen abgeräumt werden. Es ist das (R)ostkreuz, nicht unter den Linden!


    Aha. Man sollte meinen, dass es wohl doch ein paar Leute schert, insbesondere wenn es ihr unmittelbares Umfeld betrifft. Befremdlich ist allenfalls, wenn dann irgendwo aus der Ferne (und dies betrifft offensichtlich nicht nur die Entscheidungsträger der Deutschen Bahn) fragwürdige Empfehlungen zum Umgang mit regionalen Zeitzeugen abgegeben werden... Wenn du derlei Diskussionen für überflüssig hälst, beteilige dich doch einfach nicht dran.

  • So versifft, hässlich und unkomfortabel das alte Ostkreuz auch war, irgendwie fehlt es mir doch, war eben ein Stück eingefrorenes Berlin, was bei der rasanten Veränderung der Stadt in den letzten 20 Jahren auch seinen Charme hatte.

  • Vor ca. 2 Wochen hörte ich im Verkehrsfunk, dass die Boxhagener Straße gesperrt worden sei. Der Grund dafür sei die Einhängung einer neuen Eisenbahnbrücke. Es konnte sich dabei nur um die Brücke handeln, welche die S-Bahn zwischen S Ostkreuz und S Frankfurter Allee überfährt. Als ich jedoch die letzten Tage vorbeifuhr, konnte ich immernoch die alte Brückensubstanz sehen. Es wurden weder Brückenteile aus- noch eingehangen, die Straße war zum genannten Zeitpunkt dennoch 48h gesperrt. Weiß jemand von euch, was da gemacht wurde? Ich konnte dazu leider noch keine Antwort finden.

  • Ungefähr zu der Zeit wurden meines Wissens Brückenelemente für die Ringbahn über der HAUPTstraße gelegt. Vielleicht war der im Radio genannte Straßenname daher eine Verwechslung.
    Hast du die Sperrung der BOXHAGENER selbst gesehen? Ich selbst war vor kurzem an der Boxhagener/Marktstr. und kann mich dort an keine Sperrung oder Vorbereitung einer solchen erinnern, weiß aber auch nicht mehr genau, an welchem Tag ich da war.

  • Da das letzte hier gezeigte Fotoupdate ja schon etwas her ist (05.03.), können ein paar aktuelle Bilder von der Baustelle Ostkreuz sicher nicht schaden.






















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