Leverkusen: Bauprojekte und Stadtplanung
Die Bayer AG in Leverkusen hat einen Altbau zu viel und einen Neubau
von Helmut Jahn
Das ehemals größte Bürogebäude Deutschlands hat ausgedient. Jahrzehntelang war das Bayer-Hochhaus von 1962, geplant von HPP Architekten, der unübersehbare Orientierungspunkt in Leverkusen. Jetzt soll der Stahlskelettbau abgerissen werden. Die sieben Dörfer, aus denen die Stadt Leverkusen einst zusammengewachsen ist, verlieren damit ihr Wahrzeichen.
Das alte Hochhaus ist typisch für den "International Style", eine vulgäre Variante des berühmten Seagram-Hauses in New York, das Ludwig Mies van der Rohe entworfen hat und das weltweit tausendfach nachgeahmt wurde. Das Bayer-Haus war für Großraumbüros geplant worden, und als die aus der Mode kamen, wurden sie in Zellenbüros zerlegt.
Die Firma Bayer identifiziert sich nicht mehr mit dem Gebäude, weil seine Architektur nicht mehr in das Markenbild passt. Die architektonische Aussage scheint für das heutige Image nicht mehr adäquat. Der Bau sei "in die Jahre gekommen und technisch wie wirtschaftlich nicht mehr zeitgemäß". Die neue Bayer Konzernzentrale wird von Helmut Jahn geplant und ist nur noch 15 Meter hoch, was die Firma als Symbol für schlanke Hierarchien verstanden wissen will. Als halbes Oval öffnet sie sich zum angrenzenden Carl-Duisberg-Park.
Dieses Zeichen des deutschen
Wirtschaftswunders soll nun
abgerissen werden.
Symbol des rheinischen Kapitalismus: Proportionen einer Aspirin-Schachtel
Das spätmoderne Hochhaus war ein Geschenk Bayers an sich selbst, anlässlich des hundertsten Firmenjubiläums. Das 32-geschossige Scheibenhaus zeugte vom weltweiten Erfolg des Chemiekonzerns und galt als Symbol des rheinischen Kapitalismus, der nach dem Zweiten Weltkrieg zur Erfolgsformel der Bundesrepublik wurde. Dieses Zeichen des deutschen Wirtschaftswunders soll nun abgerissen werden - wie viele andere auch. Das Zürich- und das Hochtief-Hochhaus in Frankfurt sind nur zwei weitere Beispiele.
Das Bayer-Haus steht nicht unter Denkmalschutz und ist der bisher höchste Bau in Europa, der entsorgt werden soll. Angeblich wäre die erforderliche Sanierung zu teuer geworden, Abriss und Neubau im Vergleich dazu günstiger. Eine Sanierung wäre zweifellos aufwändig, aber möglich. Das ungleich elegantere Thyssen-Hochhaus in Düsseldorf, das dieselben Architekten zwei Jahre zuvor entwarfen, und das ehemalige Abgeordnetenhochhaus von Egon Eiermann genügen der Denkmalschutzbehörde als regionale Zeugen der sechziger Jahre. Ihr reicht das abends hell erleuchtete Bayer-Kreuz als Blickfang aus. Es ist allerdings nur bei Dunkelheit zu sehen.
HPP: International Style made in Germany
Das Bayer-Hochhaus war von den Architekten Hentrich Petschnigg und Partner (HPP) aus Düsseldorf entworfen worden. Kurz zuvor hatten sie das elegante Verwaltungsgebäude der Phoenix-Rheinrohr AG in Düsseldorf fertiggestellt, das viel Aufmerksamkeit bekommen hatte.
Der unlängst verstorbene Helmut Hentrich gründete im Jahr 1953 mit Hubert Petschnigg das Büro HPP in Düsseldorf. Der "International Style" war in Deutschland damals auf seinem Höhepunkt und die feingliedrige Stahl-Glas-Architektur von HPP machte das Büro in Deutschland so erfolgreich wie vergleichbare amerikanische Großbüros. Das noch heute aktive Büro war zeitweilig das größte Architekturbüro in Deutschland und über Jahrzehnte das deutsche Hochhausbüro. Es gibt kaum eine westdeutsche Großstadt, in der nicht mindestens ein HPP-Turm steht: In Hamburg haben HPP das Unileverhaus und fünf weitere Hochhäuser entworfen. In Frankfurt stammen das Trianon und das Colonia-Center von ihnen, in Berlin das Europa-Center und das Bürohaus am Spittelmarkt. Auch die Standard Bank in Johannesburg/Südafrika, das TÜV-Rheinland-Haus in Köln, das Victoria-Haus in Düsseldorf und das BASF-Hochhaus in Ludwigshafen stammen von HPP.
Werksgelände Bayer
An Stelle des Hochhauses stand zuvor die Villa von Carl Duisberg, der aus Bayer einen Weltkonzern machte. Sie wurde in den sechziger Jahren abgerissen - ein Verlust, aus dem Bayer anscheinend nicht gelernt hat. Duisberg hatte ein Faible für den fernen Osten. Die Trouvalien und Asiatika, die er von seinen Reisen mitbrachte, stellte er in seinem Leverkusener Garten auf, genau dort, wo heute das Hochhaus steht, für dessen Bau der Garten verlegt werden musste. Der japanische Garten ist heute Teil des öffentlich zugänglichen Carl-Duisberg-Privatparks.
Das Verwaltungshochhaus von Bayer hat die Proportion einer Aspirin-Schachtel, ist also für seine große Höhe ungewöhnlich flach. Erst im letzten Jahr war aus Anlass des hundertsten Geburtstags der Marke Aspirin das Haus in über 20.000 Quadratmeter Netzgewebe eingehüllt worden und erstrahlte zwei Wochen lang in dem allen Schmerzgeplagten wohlbekannten zarten Grünton. Aber auch der kurze und eindrucksvolle Auftritt der Konzernzentrale als größte Aspirin-Schachtel der Welt, kann sie nicht vor dem Abriss bewahren.
Die Massenproduktion in der chemischen Industrie ist nicht zuletzt in Duisbergs Lieblingsregion Ostasien abgewandert, während in Deutschland überwiegend Verwaltung, Forschung und Management übrig bleiben, die mit deutlich kleineren Gebäuden auskommen.
Das Werksgelände von Bayer ist eine "Stadt in der Stadt" und die Gebäude der Bayer-Hauptverwaltung wirken wie ein kleines Architekturmuseum des zwanzigsten Jahrhunderts: Die alte Konzernzentrale von 1912, das liebenswerte Kasino aus der Gründerzeit, das Pharmahaus aus den dreissiger Jahren, das Hochhaus aus den sechziger Jahren und das Kommunikationszentrum von Schneider-Wessling aus den Neunzigern. Niemand würde es wagen, über einen Abriss des schweren Sandsteinbaus der alten Hauptverwaltung überhaupt nur nachzudenken.
Quelle:http://www.a-matter.de/ger/pro…r-Hochhaus-pr060-06-o.asp
Das Bayerhochhaus muß man unter Denkmalschutz stellen! Unfaßbar, daß es abgerissen werden soll!