Leipzig: Gentrifizierung (ehem. "Windmühle vs. Abschwiff")

  • Das Twitter-Dokument ist merkwürdig - "Objekt wurde als unvermietet übergeben". Entweder es gibt Mietverträge oder eben nicht. Wenn es Mietverträge gibt, bricht Kauf nicht Miete, die bestehen also fort. Solch drangsalierende Maßnahmen wie dort beschrieben sollte ein fähiger Anwalt dann eigentlich abwehren oder zumindest aufschieben können.
    Die Erläuterung darunter macht das Ganze nur noch dubioser.
    "Vermietung an Leute, die nur eine eher kurzfristige Wohngelegenheit suchten oder keinen Bock auf normale spießige Hausverwaltung hatten und immer mehr auch an solche, die keine andere Wahl hatten, Verträge unter offensichtlicher Umgehung des Wohnungsmietrechts („Atelier“ etc.)."
    Wenn es dann wirklich keine Wohnungsmietverträge gibt, wird es für die Bewohner sicher schwierig.


    Kündigungen wegen "angemessener wirtschaftlicher Verwertung" bei regulärem Mietvertrag sind wiederum afaik für den Eigentümer eine diffizile Geschichte. Aber es gibt natürlich schwarze Schafe, die jedes irgendwie förderliche Mittel zur Entmietung nutzen - und sei es nur, um Druck aufzubauen. Leider fehlen imho Möglichkeiten, Mieter vor schikanösen Vermietern wirksam zu schützen. Man muss sich mühsam der einzelnen Maßnahmen erwehren, viele werden mit der Zeit mürbe gemacht oder sind auch einfach nicht in der Situation, es auf endlose juristische Auseinandersetzungen ankommen zu lassen und die Schikanen auszuhalten. Hochachtung für all die, die sich in so einer Situation nicht kleinkriegen lassen. Wenn sie der Entmietung trotzen, ist das letztlich auch im Interesse aller anderen Mieter.

  • Soweit ich weiß, gibt es dort mindestens in einem Fall einen regulären Wohnungsmietvertrag für eine große Wohnung. Andere Bewohner_innen haben sich aus gutem Glauben, aus Unkenntnis der rechtlichen Situation in Deutschland, weil es sowieso nur eine Übergangslösung sein sollte, weil sie schlecht deutsch sprechen, weil sie woanders keine Wohnung bekommen hätten und anderen Gründen mehr auf sehr eigentümliche Verträge eingelassen wie besagte Atelierverträge/Gewerbemietverträge, Anmietung als Zimmer in einem "Hostel" etc. pp.


    Der alte Eigentümer/Verwalter war da über die Jahre sehr kreativ - nicht selten auch mit beträchtlichen Unterschieden zwischen der mündlichen Vereinbarung und dem unterschriebenen Vertrag. Aber natürlich war und ist ihm das völlig bewusst, dass die Leute dort die ganze Zeit gewohnt haben und auch jetzt noch wohnen. Unklar ist, was dem neuen Eigentümer mitgeteilt wurde - "Objekt wurde als unvermietet übergeben". Aber auch der weiß seit etwa zwei Jahren, dass Leute in dem Haus, das er erworben hat, wohnen und Miete zahlen.


    Das Problem will er nun offenbar lösen, in dem er ankündigt, dass seine Beauftragten den Strom abstellen, die Wohnungen räumen (also nicht etwa ein Gerichtsvollzieher), die darin befindlichen Möbel und andere Sachen vernichten und die Hauseingangstüren zumauern werden. Das ist eine Entmietung auf besonders krasse Art, aber auch nicht der erste Fall in Leipzig.


    Die betroffenen Mieter_innen setzt eine solche Ankündigung selbstverständlich enorm unter Druck, auch wenn sie offenbar rechtswidrig ist. Wenn er seine Drohung umsetzt, kann ich als Mieter später in einem Gerichtsverfahren feststellen lassen und vermutlich bekomme ich irgendwann nach vielen Monaten dafür Schadensersatz - meine Möbel und persönlichen Dinge liegen allerdings auf dem Müll.

  • Das Problem will er nun offenbar lösen, in dem er ankündigt, dass seine Beauftragten den Strom abstellen, die Wohnungen räumen (also nicht etwa ein Gerichtsvollzieher), die darin befindlichen Möbel und andere Sachen vernichten und die Hauseingangstüren zumauern werden. Das ist eine Entmietung auf besonders krasse Art, aber auch nicht der erste Fall in Leipzig.


    Ein eigenmächtiges Öffnen und Ausräumen von Wohnungen ohne Räumungsurteil geht rechtlich eigentlich gar nicht und wird in der Praxis bei nun vorgewarnten Bewohnern (die laut Twitter zumindest teilweise anwaltliche Vertretung haben) schwer realisierbar sein.
    Selbst bei Erfolg verspricht es für den Vermieter kuriose Folgen - laut BGH trifft ihn nämlich die Beweislast, wenn betroffene Mieter auf Schadensersatz klagen.
    https://openjur.de/u/67561.html
    Liest sich letztlich, als würde da erst einmal eine total überzogene Drohkulisse aufgebaut. Für die Betroffenen aber natürlich trotzdem Horror.

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    Die hier genannten Fälle sind nur einige von vielen, den Großteil bekommt der Normalleipziger gar nicht mit und selbst wir im DAF nicht. Wo kein Herr Kasek oder Frau Nagel hinter stehen und öffentlichkeitswirksam agieren, ziehen Mieter i.d.R. einfach relativ schnell kampflos aus.
    Zu beobachten ist der Prozess vor allem im Waldstraßenviertel und allgemein da, wo man halbwegs innenstadtnah wohnt. Und für die, die sich so gern empören, es gäbe keine Gentrifizierung: Doch, die gibt es zunehmend und es sind keine Einzelfälle mehr. Es ist nur verdammt schwer, die betroffenen Objekte zu finden, die eben nicht im MDR oder der LVZ auftauchen.

  • ^ Nicht dass es falsch verstanden wird - ich will die genannten Fälle ganz bestimmt nicht als Einzelfälle abtun. Nur hat jeder Fall seine Besonderheiten und sollte schon auch einzeln betrachtet werden.
    Dass mich verlässliche Zahlen zu Eigenbedarfskündigungen und sonstigen "Gentrifizierungswerkzeugen" in Leipzig sehr interessieren würden, hatte ich irgendwo hier ja schon geschrieben. Vermuten würde ich ebenfalls (auch aus direkter eigener Erfahrung), dass da vieles völlig jenseits der öffentlichen Wahrnehmung läuft. Entsprechende Zahlen scheinen aber schlichtweg nicht erhoben zu werden.

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    Ich meinte auch nicht dich ;).
    Die Zahlen werden nicht erhoben, da sie nur schwer greifbar sind. Nicht jeder wird wegen Eigenbedarf gekündigt. Manche werden durch Strom abschalten etc. rausgemobbt. Woanders wird einfach nicht mehr vermietet und das Haus leert sich still (siehe LWB in der SüVo). Es ist schlicht nicht möglich, Gentrifizierung klar zu fassen ... manches Objekt ist so heruntergewohnt, dass alle ausziehen müssen, um es zu sanieren. Gentrifizierung ist es dann, wenn man es luxussaniert und nicht nur das macht, was zwigend nötig ist. Aber selbst dann kann die Kaltmiete von 2 auf 6 Euro steigen, weil der Aufwand so groß ist.
    Gentifizierung ist und bleibt ein schwer greifbares Thema. ist aber, dass es zunehmend Fälle gibt, die darunter eindeutig klassifiziert werden können.

  • ^Schon klar, dass die Erhebung nicht trivial ist. Man könnte das aber doch theoretisch noch sehr viel stärker in die kommunale Bürgerumfrage einbauen.
    Dort werden (laut der von 2016; hier abrufbar: https://www.leipzig.de/fileadm…ng/Buergerumfrage2016.pdf) immerhin schon Fragen zu Mieterhöhung und Modernisierungsmaßnahmen sowie zu Hauptgründen für einen Umzug gestellt. Und bei den Hauptgründen für einen geplanten Umzug wird zumindest vage "Entmietung, Abriss des eigenen Gebäudes oder benachbarter Gebäude" aufgeführt. Wird im Schnitt von 1 Prozent als Hauptumzugsgrund genannt. 11 Prozent geben als Hauptgrund für einen (evntl.) Umzug eine zu hohe Miete an.


    Ergänzend zu den Fragen nach Umzugsplänen könnte man auch rückblickend fragen, wie viel Prozent in den letzten Jahren von Eigenbedarfskündigungen, Verwertungskündigungen, sonstigen Entmietungsmaßnahmen betroffen waren. Wieviel Prozent mussten ausziehen, weil sie sich die Wohnung nicht mehr leisten konnten, welcher Prozentsatz konnte sich das angestammte Viertel nicht mehr leisten und wurde verdrängt usw.

  • Ist Leipzig noch das Paradies?

    Wollen wir wetten, dass sich die meisten hier wieder an den 1,50 €/m² Kaltmiete in der unsanierten Rumpelbude Karl-Heine-Str. 43/45 und den unverschämten Mieter_innen abarbeiten werden und fast keine_r über die Zielmiete nach der Sanierung durch die Stadtbau AG oder über die geplanten Ferienwohnungen spricht? Von der allgemeinen Situation auf dem Leipziger Wohnungsmarkt mal ganz zu schweigen:


    Ist Leipzig noch das Paradies?
    Von Valerie Schönian
    Die Zeit im Osten, 23. Juni 2018
    https://www.zeit.de/2018/26/le…mmobilienmarkt-mietpreise

  • ^ Da wird in dem Artikel „rasant steigende Mietpreise“ als Tatsache verkauft und ein paar Zeilen später steht dann, dass die durchschnittliche Nettokaltmiete „noch immer bei etwa 5,62 Euro“ liegt. Das ist doch lächerlich. In meinem Freundes-, Bekannten-, Verwandtenkreis haben vielleicht 2 von 10 Leuten in den letzten 15 Jahren überhaupt mal eine Mieterhöhung von vielleicht 3 oder 5 Euro gesamt im Monat erhalten.


    Wenn wir von sozialer Segregation sprechen, dann wird es Zeit, doch mal über die Rolle der Stadt und ihrer Wohnungsbaugesellschaft zu sprechen. Zuerst hat die LWB ihre günstigen innerstädtischen Wohnungsbestände an private Immobilienunternehmen verkauft, angeblich um ihre Schulden abzubauen. Heute saniert die LWB ihre Wohnungen in Bestlage selbst, vermietet sie im Anschluss für 10 Euro kalt pro Quadratmeter oder mehr und „verpflanzt“ Altmieter, die vorher von der Stütze drin gelebt haben, an den Stadtrand nach Grünau oder Paunsdorf. Das macht sie ganz offiziell, um ihre defizitären Bestände am Stadtrand quer zu finanzieren. Stattdessen soll uns die Geschichte eines gutsituierten Paares auf der hippen Karl-Heine-Straße zu Tränen rühren, weil die Zeit der 1,50€-Minimiete zu Ende geht.


    Das wäre doch mal ein Artikel wert, der der Wahrheit viel näher kommt, statt über Swimmingpools auf Dächern und anderen Luxusquatsch zu schreiben sowie auslaufende Minimieten in unsanierten Altbauten gegenüberzustellen. Beides ist nicht repräsentativ für die Stadt und spiegelt in keinster Weise die Lebenswirklichkeit der hier lebenden Menschen wider.

  • In meinem Freundes-, Bekannten-, Verwandtenkreis haben vielleicht 2 von 10 Leuten in den letzten 15 Jahren überhaupt mal eine Mieterhöhung von vielleicht 3 oder 5 Euro gesamt im Monat erhalten.


    Da sind die Vermieter scheinbar schlafmützig. Kann man sich als Mieter drüber freuen, darf man aber nicht erwarten. Und dürfte auch sehr vom Objekt abhängen - bei WEG-Objekten wird die Hausverwaltung im Verwaltervertrag beispielsweise idR verpflichtet, regelmäßig Mietanpassungen zu überprüfen und umzusetzen. Nach sogar schon etwas länger zurückliegenden Eindrücken hält sich auch die LWB mit Mieterhöhungen nicht zurück, auch im Plattenbau nicht.


    Interessant finde ich im Artikel noch:


    Stefan Heinig sieht die größte Herausforderung nicht im fehlenden Sozialbau oder im Zuzug – sondern in internationalen Investoren, die Gebäude und Grundstücke nur kaufen, um sie teurer weiterzuverkaufen. "Damit verdient man mehr als mit Bauen", sagt Heinig. "Und das ist für uns ein großes Problem."
    Die Kaufpreise sind mittlerweile so hoch, dass selbst private Immobilienbesitzer nicht mehr mithalten können. Stefan Naether etwa, der Leipziger Unternehmer, kauft seit drei Jahren keine Häuser mehr, weil es sich nicht rechnet.


    CG-Chef Gröner hat sich in der Ungleichland-Doku ganz ähnlich geäußert, selbst die CG-Gruppe würde bei Verkäufen zunehmend nicht zum Zug kommen, sondern von Spekulanten ausgestochen (bei ihm aber nicht explizit auf LE bezogen). War so ziemlich die einzige Stelle, an der er tatsächlich mal etwas unsicher, ja fast etwas ängstlich wirkte.
    In den letzten Jahren haben die Grundstückspreise wohl in gefragten Regionen noch schneller zugelegt als die Immobilienpreise, Spekulation mit Grundstücken also besonders lukrativ gemacht. Aus einem ARD-Artikel von 2017:

    Die Bodenpreise in Berlin sind in den vergangenen fünf Jahren um 345 Prozent gestiegen. Die Verkaufspreise für Neubauwohnungen nur um 60 Prozent. Auch in Frankfurt stiegen die Bodenpreise um 105 Prozent, die für Neubauwohnungen um 48 Prozent. Spekulieren lohnt sich oft mehr als Bauen.


    https://daserste.ndr.de/panora…tuecksspekulation100.html
    Abhilfe könnte eine Baulandsteuer schaffen, ist aber aktuell wohl nicht groß in der Diskussion.

  • In einer Radiodiskussion zum Thema hatte einer der Protagonisten darauf hingewiesen, dass die Anzahl der jährlich neu gebauten Wohnungen im Vergleich zum Bestand doch sehr gering ist; die Gesamterneuerung des Wohnungsbestandes sich also hinziehen kann.


    Weiter hat er auf ein Phänomen hingewiesen: Die Segregation war in Leipzig besonders groß als besonders wenig gebaut und modernisiert wurde.


    Angefügt sei noch: Der Verfalll der Bausubstanz war besonders groß als die Mieten besonderrs niedrig waren.


    Bei ZEIT ONLINE wird das Thema auch heftig diskutiert. Eine Frage finde ich interessant: Warum kauft die Familie nicht selbst eine Wohnung oder ein Haus? Stattdessen spielt sie sich als Quasieigentümerin und Opfer auf. Aus Angst vor der Verantwortung?

  • Wollen wir wetten, dass sich die meisten hier wieder an den 1,50 €/m² Kaltmiete in der unsanierten Rumpelbude Karl-Heine-Str. 43/45 und den unverschämten Mieter_innen abarbeiten werden und fast keine_r über die Zielmiete nach der Sanierung durch die Stadtbau AG oder über die geplanten Ferienwohnungen spricht? Von der allgemeinen Situation auf dem Leipziger Wohnungsmarkt mal ganz zu schweigen:


    Ist Leipzig noch das Paradies?
    Von Valerie Schönian
    Die Zeit im Osten, 23. Juni 2018
    https://www.zeit.de/2018/26/le…mmobilienmarkt-mietpreise


    Das stimmt zumindest mit dem Artikel von Stadt für alle überein:


    http://leipzig-stadtfueralle.d…bei-leipziger-bautraeger/
    oder hier beim mdr:
    https://www.mdr.de/investigati…m-noch-bezahlbar-100.html


    Aber das geht nicht nur so in Leipzig, sondern in allen Schwarmstädten.


    https://www.stern.de/wirtschaf…ten-menschen-7971056.html

    Einmal editiert, zuletzt von Leonidas ()

  • Wenn man den Artikel aufmerksam liest, dreht sich die Klage nicht um die Sanierung an sich, sondern um deren Bestandteile, die von der Familie als unnötige Luxussanierung empfunden werden. Genannt werden hochwertige Fliesen in Küche und Bad, wandhängende Toiletten, Raufasertapeten und eine Videogegensprechanlage. Wenn man mal davon ausgeht, dass das Bad bei einer Sanierung eines maroden Altbaus ohnehin neu gefliest und die uralte Toilette ausgetauscht werden muss, dürfte es sich um eher überschaubare Mehrkosten handeln, die strittig sind. Diese dürfen zudem nur zu 11 % auf die Jahresmiete umgelegt werden dürfen. Der Streitwert dürfte sich also vermutlich auf etwa einen Euro Monatsmiete pro Quadratmeter belaufen. Das scheint mir nicht unbedingt ein geeignetes Beispiel für grundsätzliche Diskussionen zur Gentrifizierung zu sein.

  • Ist Leipzig noch das Paradies?


    CG-Chef Gröner hat sich in der Ungleichland-Doku ganz ähnlich geäußert, selbst die CG-Gruppe würde bei Verkäufen zunehmend nicht zum Zug kommen, sondern von Spekulanten ausgestochen (bei ihm aber nicht explizit auf LE bezogen). War so ziemlich die einzige Stelle, an der er tatsächlich mal etwas unsicher, ja fast etwas ängstlich wirkte.


    Daran sieht man auch, dass Leipzig nicht nur für eine gewisse Mieterschaft aufgehört hat ein Paradies zu sein, sondern auch nicht mehr das Paradies aller Investoren ist: Wie PhilippLE schon vorher den Artikel der Zeit "Ist Leipzig noch das Paradies? " zitierte:


    Die Kaufpreise sind mittlerweile so hoch, dass selbst private Immobilienbesitzer nicht mehr mithalten können. Stefan Naether etwa, der Leipziger Unternehmer, kauft seit drei Jahren keine Häuser mehr, weil es sich nicht rechnet.


    Es betrifft kurioserweise beide Seiten...


    Kann man sich als Mieter drüber freuen, darf man aber nicht erwarten. Und dürfte auch sehr vom Objekt abhängen - bei WEG-Objekten wird die Hausverwaltung im Verwaltervertrag beispielsweise idR verpflichtet, regelmäßig Mietanpassungen zu überprüfen und umzusetzen.


    Das betrifft aber eher die Mietverwaltungsverträge, die von Vermietern separat mit einer Hausverwaltung abgeschlossen werden müssen, unabhängig von der Verwaltung des Gemeinschaftseigentums und das hat sich, weil die Mieten in Leipzig früher so gering ausfielen, für private Kleinanleger als Wohnungseigentümer nicht immer gerechnet da noch monatlich einen festen Betrag an eine Verwaltung zu zahlen. Viele waren auch froh, wenn ihre Wohnung stabil vermietet blieb und kümmerten sich deswegen auch um ein gutes Verhältnis mit ihren Mietern. Das erklärt auch die „Schlafmützigkeit“ der von Cowboy erwähnten Vermieter. Doch für einige ist es zur Zeit gerade, wegen des Immobilienhypes lukrativ zu verkaufen und dass da die neuen Käufer dann auch profitieren wollen und müssen liegt auf der Hand…


    Bedrohlicher als WEG-Vermieter und deren Verwaltungsverträge, die zur regelmäßigen Mietanpassung verpflichten, sind die Firmen die für ihre Anleger die höchstmögliche Rendite rausholen müssen aus Mietwohnungen und auch deswegen weitestgehend auf Investitionen verzichten.


    Ich glaube diese Faktoren versucht der Artikel auch zu beleuchten, denn wie die Mieter, im obengenannten Artikel, geht es auch anderen, deren Wohnungen in den letzten Jahren verkauft wurden. Der Wandel wird nicht nur vom Bauboom und Luxussanierungen befeuert, sondern zusätzlich auch dadurch, dass im sanierten Leipziger Wohnungsbestand der 90er und 2000/10er Jahre nun auch vermehrt Eigentümerwechsel stattfinden, auch weil da nach ca. 20/25 Jahren wieder Sanierungsmaßnahmen erfolgen müssten, und dadurch auch langjährige stillschweigende Vereinbarungen und Duldungen, wie im Fall der Mieter aus dem Zeitartikel, aufgekündigt wurden und eben auch dass der Sozialwohnungsbau der LWB, besonders in den angespannten Vierteln Leipzigs, also eben diejenigen, die im besagten Zeitraum weitestgehend durchsaniert waren, nur schleppend voran kommt.

    4 Mal editiert, zuletzt von Leonidas ()

  • allgemein:
    In der Doku "Ungleichland" hiess es doch auch, dass die Mieten in Leipzig von 2012 bis 2017 um ca. 25% gestiegen sind. Man meinte sicher die Angebotsmieten, der Bestand passt in keiner Statistik zu +25%.
    Kein Gehalt (ok, das von Managern vielleicht) kann da mithalten und somit kann man sehr wohl nicht mehr von "billigem Wohnen" sprechen. Wer umzieht, überlegt es sich heute drei mal, ob er 200 Euro mehr zahlen will oder 10 qm weniger hat.


    Im aktuellen Capital Immobilienreport (Heft in jedem großen Zeitschriftenhandel) stehen bei Kaufpreisen sogar Werte von +200% und mehr (!), also jenseits jeglicher Vernunft. Ein "Urleipziger" kann sich das nicht leisten, selbst auf dem Wiederverkaufsmarkt sind in guten Lagen schon Beispiele von 3000 Euro pro qm zu finden. Wohlgemerkt also kein Erstbezug.
    Selbst GRK (Instone) verkauft jetzt WE für über 5000 Euro pro qm (Friedrich-Ebert 112, Dachgeschoss), das war vor nur zwei Jahren noch undenkbar!

  • Die L-IZ berichtet über die Lage der Bewohner in der Thierbacher Straße 6 (Connewitz). Großer Sanierungsstau soll dort als Modernisierung umdeklariert behoben und auf die Mieter umgelegt werden, pro Wohnung soll es um Mehrkosten von über 500 Euro im Monat gehen. Die Mieter reagieren mit Klagen, Öffentlichkeitsarbeit und Kundgebungen.
    https://www.l-iz.de/leben/gese…e-gegen-Entmietung-224737


    EDIT: Hier auch in der LVZ:
    http://www.lvz.de/Leipzig/Loka…n-erneut-gegen-Entmietung

    Einmal editiert, zuletzt von PhilippLE ()

  • ^
    Na ja, in diesem Falle wurde das Haus wohl absichtlich verfallen gelassen. Insofern nachvollziehbar, auch wenn eine Erhöhung wirtschaftlich nötig wäre, von 2 Euro kalt kann kein Vermieter überleben.


    Allerdings stimmt der LVZ Artikel mal wieder nicht, die Jahnallee 14 durfte bleiben, ja... aber die Entmietung ging kurz danach rabiat weiter mit abgestelltem Strom, kaltem Wasser im Winter usw. - mittlerweile sind wohl alle raus (oder max. noch eine Wohnung belegt), die Nr. 21 schräg gegenüber hat den Kampf schon verloren.
    Und fast überall wird das schöne Flair der Altbauten mit den immer gleichen Standards der Bauträgerkolonnen (Echtholzparkett, Fußbodenheizung, neue Innentüren) kaputtsaniert. Eine Schande, dass man Dielen und die Originaltüren oftmals nicht aufarbeitet, sondern entfernt und tlw. sogar der Innenstuck abgekloppt oder durch billige Kopien ersetzt wird oder die Zimmer so verändert werden, dass der Stuck dann wirkt wie ein Fremdkörper... besonders verrckt ist es aber, wenn man Decken abhängt und der Stuck dann nur noch bei 2,30/2,50m statt original bis zu 4m hängt. Das habe ich schonmal gesehen und war richtig surreal.
    Diverse Bsp. dieser Standard hochwertigen 0815-Sanierungen (Widerspruch in sich) gibt es momentan im Leipziger Osten, wo ja teilweise ganze Straßenzüge bis 2010 leer standen und von der DDR kaum angefasst wurden.

  • ^Na ja, in diesem Falle wurde das Haus wohl absichtlich verfallen gelassen. Insofern nachvollziehbar, auch wenn eine Erhöhung wirtschaftlich nötig wäre, von 2 Euro kalt kann kein Vermieter überleben.


    Ist letztlich eine Frage für spitzfindige Juristen. Instandhaltung und Instandsetzung sind nicht umlagefähig. Was zur "Erhaltung des bestimmungsmäßigen Gebrauchs" nötig ist, hat der Vermieter zu tragen - Wirtschaftlichkeit hin oder her. Die im Artikel angesprochene Erneuerung maroder Balken sollte da eigentlich ein klarer Fall sein - das sah dann ja auch das Gericht so.
    Umlegen kann der Vermieter nur - das dafür aber in fragwürdiger Höhe - Kosten für Modernisierungen, also praktisch für wirkliche Verbesserungen. Bei einem Mix aus Instandhaltung/Instandsetzung und Modernisierung darf nur der Anteil der Modernisierungskosten umgelegt werden.
    Im Einzelfall sind die Grenzziehungen nicht immer einfach - und diese komplizierte Situation lädt natürlich zu Tricksereien mit Modernisierungsmaßnahmen regelrecht ein.

  • Die Situation in der Thierbacher Straße 6 (Connewitz) wird auch in einem sp-on-Video thematisiert. Der Vermieter operiert mit Drohszenarien und zugleich arg unprofessionell. Die Modernisierungsankündigungen informieren wohl noch nicht einmal über die voraussichtliche Dauer der Maßnahmen. Die Schornsteine für die Heizung abzubauen mag zwar als Drohkulisse eignen, letztlich ist der Vermieter aber dann doch verantwortlich, für ausreichende Beheizungsmöglichkeiten zu sorgen.
    Was mich bei solchen Extremfällen mit offensichtlichem Fehlverhalten des Vermieters immer ärgert, sind die fehlenden Möglichkeiten, den Vermieter zügig und wirkungsvoll zur Räson zu bringen. Jahrelanger Kleinkrieg macht auch die robustesten Mieter mürbe und wird letztlich früher oder später wohl dazu führen, dass der Vermieter seinen Willen doch durchgesetzt bekommt. Rücksichtsloses, unsoziales und rechtlich höchst fragwürdiges Verhalten wird dann am Ende durch maximalen Profit auch noch belohnt.


    http://www.spiegel.de/video/le…ngung-video-99020234.html