Auf den Spuren sächsischer Straßenbahnen

  • Auf den Spuren sächsischer Straßenbahnen

    ---Prolog---


    Nachdem ich mich in den letzten Jahren recht ausführlich den Gegebenheiten rund um einstige Straßenbahnstrecken in der Stadt Dresden gewidmet habe wurde es langsam Zeit, das Thema etwas zu erweitern. Ich möchte daher hier zukünftig auch Straßenbahnbetriebe, vornehmlich im sächsischen Raum, vorstellen, die meist eine recht kurzlebige Existenz verbuchten und der Allgemeinheit daher weitgehend wenig bis unbekannt sein dürften. Der thematische Aufhänger wird auch hier in bewährter Weise dazu dienen, die örtlichen architektonischen und städtebaulichen Gegebenheiten zu beleuchten und eher ungewöhnliche Einblicke bezüglich des eigentlichen Themas dieses Forums zu ermöglichen.


  • Auf den Spuren der Riesaer Pferdebahn (Teil I)

    Den Anfang macht der kleine und bereits 1924 entschwundene Betrieb in Riesa. Das Projekt trieb mich bereits einige Zeit um, zum Einen, da ich seit sechs Jahren in der besagten Stadt meine Brötchen verdiene, zum Anderen, da die Stahlstadt in der allgemeinen Wahrnehmung sächsischer Städte eine eher untergeordnete Rolle spielt und dabei doch einige weitgehend unbekannte interessante Seiten offenbart.


    Die Stadt Riesa geht auf ein 1119 erstmals urkundlich erwähntes Kloster zurück, erlebte aber erst nach der durchgehenden Eröffnung der ersten deutschen Ferneisenbahn, der Leipzig-Dresdner Eisenbahn (LDE), im Jahre 1839 einen wirklichen wirtschaftlichen Aufschwung. Der Eisenbahn geschuldet ist auch eine recht merkwürdige Stadtstruktur, liegt der mittelalterliche Ortskern rund um das einstige Kloster doch bis heute direkt am Ostrand des urbanisierten Gebietes, während sich die gründerzeitlichen Viertel des 19. Jahrhunderts parallel zur Elbe gen Norden in Richtung des Bahnhofes ausdehnen.




    Gleisplan und Streckendiagramm der Riesaer Pferdebahn, Stand 1917. In jenem Jahr wurden feste Haltestellen eingeführt, die aus der Skizze ersichtlich werden. Bei der Moltkestraße handelt es sich um die heutige Berliner Straße, der Kaiser-Wilhelm-Platz ist der heutige Puschkinplatz, die Carolastraße die John-Schehr-Straße, der Albertplatz hieß zu DDR-Zeiten Leninplatz und nennt sich heute Rathausplatz.



    Somit lag der Wunsch nach einem leistungsfähigen Verkehrsmittel zwischen dem alten Stadtkern und dem etwa zwei Kilometer nördlich gelegenen Bahnhof nahe. Im Jahre 1889 eröffnete der erste Teilabschnitt der Riesaer Pferdebahn zwischen Bahnhof und Pausitzer Straße, dem ein Jahr später eine südliche Verlängerung bis zum Albertplatz (heute Rathausplatz) folgte. Bis zum Ersten Weltkrieg war die Bahn ein kleines, aber wirtschaftlich solides Unternehmen – erst die Inflationszeit setzte ihr schwer zu, so dass nach diversen Einstellungen und Betreiberwechseln sie 1924 durch einen Busverkehr unter städtischer Ägide ersetzt wurde. Heute erinnert nichts mehr an diesen hochinteressanten kleinen Straßenbahnbetrieb, der trotz diverser Projekte bis zum bitteren Ende mit Pferdekraft durchgeführt wurde. Heute verfügt Riesa über einen für eine Stadt dieser Größe sehr akzeptablen Busverkehr, dessen Hauptachse noch heute zwischen Bahnhof und Innenstadt besteht – wenngleich nicht mehr durch die weitgehend in eine Fußgängerzone umgewandelte Hauptstraße.



    Wir beginnen unsere Reise am Riesaer Bahnhof, der in dieser Form seit 1879 besteht. Bereits seit 1838 verfügte Riese über einen Halt der Leipzig-Dresdner Eisenbahn. Ohne diese wäre die Existenz sowohl der Stadt in ihrer heutigen Form als auch unserer Pferdebahn undenkbar.




    Vor dem noch immer fast unverändert bestehenden Empfangsgebäude von 1879 fuhr dereinst die Pferdebahn ab. Wir sehen hier einen der drei Wagen im ursprünglichen Zustand – die Wagennummer wird durch die Werbung verdeckt. (Stadtmuseum Riesa)




    An der Stelle der einstigen Pferdebahn-Endstelle befindet sich seit 2009 das Aufenthaltshäuschen der örtlichen Taxichauffeure.




    Die Pferdebahnwagen wurden in der Zeit des Ersten Weltkrieges einem grundlegenden Umbau unterzogen. Die Seitenwände wurden neu verkleidet, außerdem erhielten sie neue Plattformbleche. Hier sehen wir zwei Wagen am Endpunkt Bahnhof. Ende der zehner Jahre wurden sie als Zweispänner betrieben. (Stadtmuseum Riesa)




    Heutiges Vergleichsbild. Der Hang im Hintergrund wurde beim Bau des Busbahnhofs und der Bundesstraße 169 durch die Chemnitzer Hohle (dazu später) Ende der 2000er völlig ummodelliert. Erneut sehen wir das Taxihäuschen.




    Blick von besagtem Hügel zwischen Bahnhof und Chemnitzer Hohle auf das Empfangsgebäude. Dessen Eingangshalle mit Geschäften ist eine Zutat der zwanziger Jahre.




    Heutiger zentraler Anlaufpunkt der örtlichen Stadtbus- und Regionallinien ist der erst 2009 entstandene neue Busbahnhof direkt am Bahnhof der Strecke Leipzig – Dresden.




    Als das folgende Bild Ende der zwanziger Jahre entstand war die Pferdebahn bereits Geschichte. Stattdessen besetzen Busse des Typs Presto Dux der KVG Sachsen die einstige Endstelle. Auch hierzu ein aktuelles Vergleichsbild. Noch neunzig Jahre später ist die Szenerie gut nachzuvollziehen.





    Busbahnhof, im Hintergrund die heute weitgehend verwaisten umfangreichen Anlagen des Riesaer Bahnhofs. Heute verkehren hier nur noch die Personenzüge der Relationen Leipzig – Dresden und Chemnitz – Elsterwerda. Der Zugverkehr nach Nossen und der Personenverkehr der Strecke Riesa – Falkenberg (Elster) haben den Kahlschlag der Nachwendezeit nicht überlebt. Nördlich des Bahnhofes schlossen sich bereits auf Gröbaer Flur die gewaltigen Anlagen des Stahl- und Walzwerkes an, von dem heute nur noch klägliche Reste vorhanden sind. Ja, Riesa hat schon bessere Zeiten gesehen…




    Blick zurück zum Busbahnhof und dem Endpunkt der Pferdebahn. Für die Anlage der Gleise auf der fiskalischen Bahnhofszufahrtsstraße war dereinst eine besondere Genehmigung der Königlich-Sächsischen Staats-Eisenbahn vonnöten. In den letzten Betriebsjahren wurde die Bahn um etwa 100 Meter gekürzt und endete bereits in Höhe des heutigen Busbahnhofes.




    Ein echtes Kleinod aus der Frühzeit der Eisenbahngeschichte gammelt derweil südlich des Busbahnhofes vor sich hin. Es handelt sich um das originale Empfangsgebäude des Chemnitzer Bahnhofs – die Strecke Riesa – Chemnitz wurde 1858 eröffnet und erhielt einen eigenen Haltepunkt schräg zum Bahnhof der damals noch privaten LDE.




    Unmittelbar hinter der Elbbrücke verzweigte sich die Chemnitzer Strecke in ihren eigenen Bahnhof. Erst 1879 wurden die beiden Haltepunkte zu der heutigen Bahnhofsanlage zusammengelegt, indem die Chemnitzer Strecke über den Leipzig-Dresdner Güterbahnhof umgelegt wurde. Noch heute, fast 140 Jahre später, verrät die Bebauung die einstige Lage der Gleisanlage des Chemnitzer Bahnhofs! Rechts das Postgebäude, dahinter das Bahnhofshotel – beide halten immer noch akribisch die Trasse zur Brücke frei! In unserem Rücken das frühere Gleisfeld des Chemnitzer Bahnhofs.




    Der Gegenblick in Richtung Chemnitz folgt der Gleisanlage des Chemnitzer Bahnhofs. Rechts das einstige Empfangsgebäude, dem hoffentlich noch irgendjemand rechtzeitig Rettung angedeihen lässt. Es wäre wirklich schade um das spätklassizistische Kleinod.




    Das alte Postgebäude dürfte zeitgleich mit dem Chemnitzer Bahnhof entstanden sein. Nur so erklärt sich seine Lage, außerdem weist es deutliche architektonische Ähnlichkeiten auf. Davor befand sich übrigens bis 2009 der alte Busbahnhof, heute ein P+R Platz für die zahlreichen Pendler nach Dresden oder Leipzig.




    Wir lösen uns und folgen weiter der fiskalischen Zufahrtsstraße, die hier sogar noch ein Stück gepflastert ist (leider ohne Gleisspuren). Im Hintergrund das einstige Bahnhofshotel „Sächsischer Hof“. Hier lag ab 1917 die erste Zwischenhaltestelle.




    Das Hotel, heute „Saxonia“ genannt, hat auch schon bessere Zeiten gesehen. Zuletzt diente es als Flüchlingsunterkunft.




    Wir verlasssen kurz unsere Bahn. Die Riesaer Elbbrücken wären ein eigenes Kapitel wert. Eine separate Straßenbrücke gibt es erst seit 1956, zuvor teilten sich Eisenbahn und Straße ein Bauwerk. Nach Sprengung der Straßenbrückenfelder in den letzten Kriegsjahren musste sich das verbliebene Eisenbahngleis sein Segment mit der Straße teilen. Ein Neubau der Eisenbahnbrücke auf den alten Pfeilerschäften erfolgte erst in den sechziger Jahren. Wir stehen also in der Achse der alten Brückenzufahrtsstraße.




    So sah die kombinierte Straßen-/Eisenbahnbrücke bis 1945 aus.




    Blick auf die Kurve der Bahnhofszufahrt und das Hotel „Sächsischer Hof“ aus der alten Straßenachse.




    Als Spielothek genutzter Anbau des Bahnhofshotels. Anfänglich befand sich links daneben bis 1892 das erste Depot der Pferdebahn auf dem Gelände des Fuhrunternehmers August Schneider, nach Streitigkeiten errichtete die Bahn ihr eigenes auf der Niederlagstraße (dazu später).





    Wir erreichen die Kreuzung der Bundesstraße 169, entstanden mit der neuen Elbbrücke ab 2001. Die Bahnhofstraße ist hier unterbrochen – überhaupt wurde die anschließende Gegend in den Nachkriegsjahrzehnten völlig umgestaltet. Wir müssen einen Umweg über die Chemnitzer Hohle nehmen.




    Oder man nimmt den Bus. Die Bedürfnisse von Fußgängern spielten bei dieser Verkehrsplanung im besten Sechziger-Jahre-Stil offensichtlich keinerlei Rolle.




    Jörg Immendorffs „Elbquelle“ dient als Orientierung, steht sie doch als Blickfang mitten auf der alten Achse der Bahnhofstraße.




    Auf dem Weg zur Fußgängerbrücke über die Chemnitzer Hohle blicken wir auf die seit 1879 nutzlose Gleisseite des Chemnitzer Bahnhofs.



    Die Chemnitzer Hohle entstand als Einschnitt für die Bahntrasse nach Chemnitz Ende der 1850er Jahre. Nach Umlegung der Strecke blieb sie jahrzehntelang ungenutzt und wurde erst vor wenigen Jahren für den Bau der Bundesstraße zweitgenutzt.




    Wir biegen auf die Moltkestraße, heute Berliner Straße, ein und wenden uns gen „Elbquelle“ zurück zur Bahntrasse.




    An der Moltkestraße lag einst die zweite Zwischenhaltestelle der Bahn.




    Nun zu Immendorff. Ich lasse die Bilder sprechen.








    Daneben der „Riesenhügel“ und das Mercure-Hotel.


  • Beginnen wir Teil 2 mit dieser lauschigen Lithografie. Fast kindlich-naiv mutet der Pferdewagen vor dem Bahnhofsgebäude an!




    Nicht wiederzuerkennen ist heute der Bereich zwischen Bahnhof und dem Beginn der gründerzeitlichen Bebauung um den jetzigen Puschkinplatz. Bis in die Nachkriegsjahre führte die Bahnhofstraße hier durch die ausgedehnten Anlagen der Dampfsägemühlen der Firma C.C. Brandt bzw. Nachfolgern, hier aus einer alten Geschäftsanzeige. Suchaufgabe: Wer findet den Pferdebahnwagen?




    Heutiger Blick von der „Elbquelle“ in Richtung Stadt.




    Das Foto (Quelle: Stadtmuseum Riesa) zeigt die Bahnhofstraße in den zwanziger Jahren mit Blickrichtung Innenstadt. Die Gründerzeitler im Hintergrund sind fast alle noch vorhanden. Das Gebiet der einstigen Sägemühlen wurde in den 1970er Jahren mit einem Plattenbaugebiet überbaut – auch das Mercure und der Riesenhügel befinden sich auf dem Areal.




    Heute ist der Bereich nicht mehr wiederzuerkennen. Bahnhofstraße, Blickrichtung Stadt. Der Standort dürfte in etwa dem auf dem Foto vorher entsprechen.




    Ja, Riesa ist eine Stahlstadt…




    Blick zurück zur „Elbquelle“, die als Blickfang direkt in die Achse der Bahnhofstraße gesetzt wurde.




    Langsam wird Riesa zu einer echten Stadt, hält jedoch noch immer recht ungewöhnliche Einblicke bereit. Die ehemaligen Muskator-Futtermittelwerke am Elbufer, gepaart mit fast großstädtisch anmutender Bebauung.






    Kurz vor dem Puschkinplatz blicken wir noch einmal nach Nordwesten durch die Bahnhofstraße.




    Fast identischer Blick mit Pferdebahn (Stadtmuseum Riesa). Manche Baulücken haben bis heute überlebt.




    Und dann haben wir die einstige Ausweiche am Kaiser-Wilhelm-Platz, heute Puschkinplatz, erreicht.





    Historische Postkartenansicht des Platzes.




    Gleiche Blickrichtung (nach Südosten) durch den winterlichen Park heute.




    Im Sommer fungiert der großstädtisch anmutende Park der großen gründerzeitlichen Platzanlage als Riesas grüne Lunge. Aktuell schwer vorstellbar…




    Am 6. Januar 1923 posieren die beiden verbliebenen Wagen samt Pferdchen und Personal am Wilhelmplatz (der Name war zu Weimarer Zeiten wie allerorten demokratisiert worden). Es sollte der letzte Betriebstag des Bähnchens sein. Keiner ahnte, dass es über ein Jahr später noch einmal einen letzten Sommer erleben sollte, bis es endgültig durch den städtischen Kraftomnibusbetrieb abgelöst wurde. Dazu ein Vergleichsbild von heute.





    Blick zurück in die Bahnhofstraße…




    …und voran in die Wettinerstraße, deren nördlicher Teil heute zur Hauptstraße gehört, angeblich Sachsens längste Fußgängerzone.




    Wir befinden uns unmittelbar am Abhang des hier sehr flachen Elbtals, wie dieser Blick elbwärts in die Breite Straße verrät.




    Das prächtige Gründerzeit-Eckhaus zum Puschkinplatz könnte man auch in Leipzig oder Dresden verorten.




    In der Hauptstraße, hier einst Wettinerstraße.





    Filmpalast Capitol und Sparkassenneubau, hier öffnet sich die Straße zur Elbe.




    Über der Elbe im winterlichen Dunst verfällt das Schloss Promnitz. Wahrlich kein Einzelfall im deutschen Osten….




    An der heutigen John-Schehr-Straße, einst Carolastraße, lag die nächste Straßenbahnhaltestelle.





    Geschäftiges Treiben in der Wettinerstraße, schon um die Jahrhunderwende.




    Der Versatz im Hintergrund markiert den Eingang der Pausitzer Straße, wo sich 1889 für ein reichliches halbes Jahr der Endpunkt der Strecke befand.




    Am ersten stadtseitigen Endpunkt. Rechts die Pausitzer Straße, links schräg eingehend die Niederlagstraße, in der sich ab 1892 das neue Depot mit Anschlussgleis befand.




    Der Versatz auf einer historischen Postkarte. Auf dem Bild scheint der Abzweig in die Niederlagstraße links noch zu fehlen, das Bild muss also 1890 oder 1891 entstanden sein.




    Blick zurück vom ersten Streckenende in die vormalige Wettinerstraße, heute Teil der Hauptstraße. Der Wagen Zwei (von drei) ist auf dem Weg zum Bahnhof. Die Riesaer Pferdebahn war in erster Linie ein Verkehrsmittel für die betuchtere Bevölkerung, Geschäftsleute und Gäste der Stadt – die einfachen Arbeiter und die Landbevölkerung sparten sich die relativ teure Ausgabe. Nutzt man heute den Riesaer Busverkehr, so scheinen sich die Verhältnisse mittlerweile grundlegend verändert zu haben…





    Statten wir zunächst dem Depot in der Niederlagstraße einen Besuch ab, bzw.dessen ehemaligem Standort. Am Zwickel Niederlagstraße/Hauptstraße traf die Betriebs- auf die Stammstrecke und war in Richtung Albertplatz eingebunden.




    Links die Wettiner-(Haupt-)Straße, rechts die Niederlagstraße, die zur Elbe hinunterführt.




    Standort des Depots, das leider die Zeiten nicht überdauert hat. Mit etwas Fantasie kann man anhand der schönen Fabrikbauten links noch erahnen, wie die Halle einst schräg zur Straße gestanden haben muss. Bilder sind leider keine überliefert.




    Blick aus der Niederlagstraße im Zuge der Betriebsstrecke zum Eckhaus Pausitzer/Hauptstraße. Das Reststück folgt im letzten Teil.


  • Auf den Spuren der Riesaer Pferdebahn (Teil III und Schluss)

    Der letzte Teil betrachtet die Streckenverlängerung von 1890 und die historische Klosteranlage am Rathausplatz. Daher zurück auf die Hauptstrecke. Noch einmal ein Blick zurück in die ehemalige Wettinerstraße.




    Hauptstraße voraus!




    Blick zurück zur Pausitzer Straße.




    Manches Kleinod lässt sich hier entdecken, wie dieses klassizistische Häuschen.




    In leichtem Bogen strebt die Hauptstraße dem Rathausplatz entgegen.




    „Am Durchgang“, letzte Haltestelle vor dem Endpunkt. Von hier erreicht man die parallele Goethestraße. Über diese (Richtung Bahnhof) und die parallele Friedrich-Engels-Straße noch weiter südlich (Richtung Stadt) wird heute im Richtungssinn jener Stadtverkehr abgewickelt, der einst durch die Hauptstraße strömte. Auch die Stadt- und Regionalbuslinien folgen jener Route.




    Kurz vor dem Rathausplatz schauen wir noch einmal zurück. Viel hat sich an der Szenerie nicht geändert.





    Kreuzung Parkstraße, im Hintergrund der Rathausplatz.




    Ende der Hauptstraße am Rathausplatz.




    Ein historischer Blick aus der Hauptstraße auf den Endpunkt, dessen Ausweiche gut zu erkennen ist.




    Vergleichsbild.




    Ein Blick auf Riesas Partnerstädte.




    Blick zurück vom Rathausplatz in die Hauptstraße, einst und jetzt.





    Der Rathausplatz, einst Albertplatz, entstand auf dem Grund der mittelalterlichen Klosteranlage. Obwohl er so anmuten mag, ist er also kein klassischer Marktplatz einer geplanten mittelalterlichen Ansiedlung. Aus dem Südflügel der Klausur entstand das Riesaer Rathaus. Rechts die schöne gründerzeitliche Parkschule von 1889, heute als Grundschule genutzt.




    In den letzten Betriebsjahren waren die Wagen zwecks Verbesserung der katastrophalen Einnahmesituation mit Werbung förmlich übersät. Hier sehen wir Wagen 1 (oder 2?) im letzten Betriebszustand am Endpunkt Albertplatz. Taufrisch wirkt er trotz Neuverblechung nicht mehr. (Stadtmuseum Riesa)




    Das schöne Ensemble aus Rathaus (Kloster-Südflügel), Klosterkirchenturm und Parkschule auf einer historischen Postkarte…




    …und heute.




    Noch einmal:





    Schauen wir uns noch ein wenig am Rathausplatz um. Blick auf die Südseite mit Zunftbaum und ehemaliger Straßenbahn-Endstelle. Das große Gefälle des Platzes zur Elbe hin wird deutlich.




    Ostseite mit Parkschule.




    Historische Geschäftsanschrift am unsanierten Eckhaus.




    Rathaus und Klosterkirche.





    Rathaus mit Ratskeller, heute ein griechisches Restaurant.




    Nord- und Westflügel der Klosteranlage sind ebenfalls noch erhalten und wurden jüngst saniert.
    Man sollte sich dem Ganzen bei schönerem Wetter noch einmal gesondert widmen.





    Im Hof eine Informationstafel zur Geschichte der Anlage, die den Kern der heutigen Stadt bildet. Sie beherbergt neben dem Rathaus auch ein Museum und den Riesaer Tierpark.




    Rathausturm und Klosterkirchenturm aus besonderer Perspektive.





    Durch den Torbogen verlassen wir das Kloster und streben dem Bus zum Bahnhof zu. Diesen erreicht man nicht mehr am Albert- bzw. Rathausplatz, sondern etwas 100 Meter weiter an der Goethestraße.




    Dabei kreuzen wir die Klosterstraße, die auf die einstige Nutzung des Rathaus- und Tierparkkomplexes verweist. Riesaer Straßenschilder waren einst, wie fast überall in Sachsen, dunkelblau mit weißer Schrift. Heute verwendet man, leider, weiß-schwarze Stangenware.




    Noch einmal ein letzter Blick vom ehemaligen Streckenende der Pferdebahn in Richtung Bahnhof. Es wurde wirklich kalt!




    Zu guter Letzt noch einige Naturalien aus meiner Sammlung.


    1924 löste der städtische Kraftomnibusverkehr die Pferdebahn endgültig ab, bis zur Umwidmung der Hauptstraße in eine Fußgängerzone in den siebziger Jahren sogar auf bewährter Strecke. Aus der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre stammen die recht kurzzeitig verwendeten Zahlmarken des Busbetriebs, der nun auch Gröba nördlich der Bahnlinie mit seinen zahlreichen Industriebetrieben in das Verkehrssystem einband.


    Das Avers zeigt im Kreis die Inschrift „STÄDT. KRAFTVERKEHR“ und waagerecht „RIESA“ in Majuskeln, auf dem Revers ist zweizeilig in gleicher Weise „ZAHL- MARKE“ zu lesen. Interessant sind sicher die verschiedenen Formen der Rohlinge!




    Auch wenn sie nicht mehr von der Pferdebahn stammen, so mögen sie doch abschließend als Zeugen einer längst vergessenen Zeit dienen – zumal von der Bahn selbst keinerlei bauliche oder sonstige physische Zeugnisse überliefert sind.


    Sollte der Themenstrang gefallen, habe ich bereits weitere Projekte im Auge. Schönes Wochenende!

  • Danke für die sehr anschauliche Galerie. Riesa war wohl vor dem Krieg schon keine Schönheit gewesen, und das trübe Wetter zum Zeitpunkt der Aufnahmen trägt dazu bei, dass es heute nicht anders ist. Auf den Fotos sieht man zudem, dass industrieller Niedergang und Abwanderung der Stadt schwer zugesetzt haben.


    Was mir noch auffällt: Das Straßenpflaster auf der Hauptstraße sieht bis auf den Abschnitt zwischen Dr.-Schneider-Straße und Rathausplatz erbärmlich aus und der Rathausplatz selbst ist lediglich ein mit Flicken übersäter Parkplatz. Eine Unsitte, wie ich finde, die man in sächsischen Kleinstädten oft antrifft.

  • Nun ja, betonöses Industriepflaster ist ästhetisch wirklich eher bedenklich. Insgesamt erinnert die Außengestaltung, Stadtmöblierung etc. aus dem Katalog eher an eine westdeutsche Fußgängerzone der 70er Jahre - mit der genormten Qualität der Freiflächengestaltung bspw. in Dresden, aber auch touristisch deutlich wertvolleren kleinen Städten wie Freiberg oder Meißen nicht zu vergleichen.


    Die Stadt hat seit 1990 etwa 20.000 Einwohner verloren, heute dürfte es sich bei um die 30.000 eingepegelt haben. Hauptgrund ist natürlich der fast völlige Zusammenbruch von Schwer- und Stahlindustrie, die die Stadt seit Mitte des 19. Jahrhunderts geprägt haben. Die Lage genau zwischen Dresden und Leipzig macht es nicht besser - die Jugend wandert nach bestandenem Schulabschluss in großen Zahlen in eine der beiden genannten Großstädte ab oder studiert in Freiberg, viele pendeln auch, vor allem nach Dresden. Um vom Speckgürtel einer der beiden großen Städte wirklich zu profitieren, dafür liegt Riesa zu weit ab vom Schuss, und mit hervorstechenden touristischen Reizen kann es auch nicht wirklich dienen.


    Wenn man diesen Aderlass tagaus, tagein mit einer gewissen Außenperspektive erlebt, dann kann man schon verstehen, warum in gewissen Regionen in der sächsischen Pampa sich gewisse Probleme summieren.


    Aber dennoch: Eine wahre Schönheit war Riesa sicherlich nie, hat aber durchaus auch nette kleinstädtisch-dörfliche Ecken, von denen allerdings auf den Bildern wetterbedingt in der Tat wenig zu sehen ist. Man sollte es nicht schlechter reden, als es tatsächlich ist.

  • Durchaus interessant finde ich, dass sich zwischen den hochaufragenden Gründerzeitlern die kleinen Häuschen, die wohl meist aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts stammen, fast überall erhalten haben. Die hat man bei uns zu DDR Zeiten ganz gern für Parkplätze oder Durchgänge weggekegelt, bzw. dann nach der Wende abgerissen, weil sie hinüber waren.

  • Die Freiberger Straßenbahn (Teil I)

    Heute geht es ins beschauliche Freiberg. Ja, auch die traditionsreiche Bergstadt, etwa mittig zwischen Dresden und Chemnitz gelegen, gehörte einst zum erlauchten Kreis der Städte mit eigenem Straßenbahnbetrieb. Dass diese Tatsache so wenig bekannt ist, dürfte auf die sehr kurze Lebensdauer des örtlichen Bähnchens von gerade einmal reichlich siebzehn Jahren zurückzuführen sein.


    Schon um die Jahrhundertwende bemühten sich die Stadtväter um einen besseren Anschluss des etwas abseits südlich des historischen Stadtkerns gelegenen Bahnhofs. Einen Partner glaubte man in der AEG gefunden zu haben, die landauf, landab mit dem Einrichten elektrischer Straßenbahnnetze beschäftigt war und in der kleinen Stadt ein weiteres lukratives Betätigungsfeld gefunden zu haben glaubte. Sie sollte sich gewaltig irren, denn alles in allem war der 1902 feierlich eröffnete Straßenbahnbetrieb nebst Elektrizitätswerk von Anfang an ein finanzielles Desaster.




    Liniennetz der Freiberger Straßenbahn, wie es von der Betriebseröffnung 1902 bis 1914 bestand. Die Rote Linie wurde ein Opfer des Ersten Weltkrieges, die Weiße Linie noch bis 1919 betrieben.



    Kein Wunder, betrug die Streckenlänge insgesamt gerade einmal 2,5 Kilometer, und besonders die Rote Linie musste beim Durchkurven der Altstadt eine geradezu abenteuerlich herummäandernde Streckenführung mit entsprechend niedriger Reisegeschwindigkeit in Kauf nehmen, um vom Ober- zum Untermarkt zu gelangen. Da konnte man auch gleich laufen, und die meisten Freiberger taten auch genau das. Heute wäre das Bähnchen mit seinen malerischen Routen durch die engen mittelalterlichen Gassen des schönen Städtchens sicher ein Touristenmagnet, doch derlei Betrachtungen zwecks Förderung des Fremdenverkehrs waren dazumal eher von untergeordneter Bedeutung. Die Bahn sollte der einheimischen Bevölkerung dienen, und sie tat dies, mit Verlaub, nur bedingt.


    So übernahm die Stadt den defizitären Betrieb bereits 1905 in eigene Verantwortung und betrieb die beiden bestehenden Linien und das E-Werk nunmehr unter eigener Regie. Versuche, mittels Rationalisierung und Reklame an den Wagen die Einnahmesituatkion zu verbessern, waren von geringem Erfolg geprägt. Die Weltlage trug ihrerseits nicht zu einer Gesundung der Umstände bei: Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges brachte das (angeblich vorläufige) Aus für die „Rote Linie“ zum Meißner Tor, da es zunächst an Personal mangelte, später Gleismaterial dieser Linie zum Flicken des Restnetzes ausgebaut werden musste.


    Das endgültige Aus kam am 31.12.1919. Unter den gegebenen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nach dem verlorenen Krieg und der ständig zunehmenden Inflation war an einen Weiterbetrieb nicht zu denken. Die sieben vorhandenen AEG-Personentriebwagen wurden nach Zwickau verkauft, Beiwagen waren nie vorhanden. Das Personal wurde mit anderen Aufgaben in der städtischen Verwaltung betraut.


    Aktuell zeugen noch zahlreiche Oberleitungsrosetten von der Existenz des kleinen Unternehmens, das die in es gesetzten Erwartungen nie erfüllen konnte. Heute verfügt die Universitätsstadt Freiberg trotz ihrer gerade einmal 42000 Einwohner über ein recht leistungsfähiges Stadtbusnetz – die Innenstadt selbst allerdings ist nahverkehrsfrei und weitgehend den Flaneuren, Shoppeusen und Touristen vorbehalten.


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    Begeben wir uns auf Erkundungstour. Am Bahnhof, auf den Schildern der Bahn großspurig als „Hauptbahnhof“ vermarktet, steht ein Straßenbahnwagen der Roten Linie, erkennbar an dem dunklen Stirnschild, und wartet auf Fahrgäste. Das Bild muss nach 1911 entstanden sein, denn der Wagen verfügt bereits über eine Glaswand zum Schutz des Fahrpersonals.




    Heute präsentiert sich der Bereich als großer Pendlerparkplatz. Noch bis in die 1990er Jahre befanden sich die Bushaltestellen vor dem großen, aber heruntergekommenen Empfangsgebäude von 1862, heute liegen sie etwas abseits.




    Ein weiteres Vergleichsbild. Das einst prachtvoll neogotisch verzierte Empfangsgebäude präsentiert sich heute weitgehend entschmückt und mit einer unansehnlich p*ssgelben Fassadenfarbe. Freiberg erhielt erst 1862 einen Bahnanschluss durch die Verlängerung der Albertsbahn von Tharandt. Später fuhren von hier Züge nach Moldau, Halsbrücke, Brand-Erbisdorf, Hartmannsdorf und Nossen. Von all dieser Nebenbahnpracht ist nur noch ein recht kläglicher und immer mal wieder einstellungsbedrohter Restverkehr nach Holzhau verblieben, dafür besteht zumindest im Berufsverkehr seit einigen Jahren Anschluss an das Dresdner S-Bahn-Netz. Auch sonst herrscht auf der Sachsenmagistrale von Dresden nach Chemnitz und Hof reger Betrieb.





    Kurz darauf bog die Straßenbahn vom Bahnhof in die Bahnhofstraße ab, um bergab die Innenstadt zu erreichen. Der Streckenabschnitt bis zum einstigen Stadtmauerring ist wenig spektakulär, doch wir genügen der Chronistenpflicht.




    Die erste Haltestelle lag gleich ums Eck in der Bahnhofstraße Höhe Humboldtstraße.




    Die Gründerzeithäuser sind noch vorhanden, haben jedoch viel von ihrem Charme eingebüßt.




    Impression der mit hohen Schneehaufen geschmückten Bahnhofstraße, Blick stadtwärts.




    Blick zurück in Höhe des Sachsenkollegs. Die Baulücken sind Folge eines Bombenangriffs am 7. Oktober 1944.



    Am „Dreibäckereck“, wie der markante Versatz an der Langen Straße wegen der hier ansässigen örtlichen Backeinrichtungen Gottlebe, Walther (später Hund) und Liebscher auch genannt wurde. Bei genauem Hinsehen sieht man den Gleisbogen aus der rechts einmündenden Langen Straße in Richtung Stadt – hier band das Betriebsgleis vom Depot an der Ehernen Schlange ein, wo sich auch das Elektrizitätswerk befand.




    Vergleichsbild. Der Versatz ist noch da, das Haus rechts fehlt, und links angeschnitten sieht man Freibergs erstes Hochhaus von 1928.




    Zur Verdeutlichung der Situation der Gleisplan der Freiberger Straßenbahn. In rot die Betriebsstrecke, die uns als nächstes interessieren wird.




    Das Hochhaus in voller Pracht. Die Mobilfunkantenne wirkt fast wie eine expressionistische Zutat der Erbauungszeit.




    Wir verlassen die Strecke für einen Augenblick und folgen der steil bergab führenden Betriebsstrecke zum Depot. Hier in der Langen Straße.




    An der Buchstraße. Hier hängt noch eines der sehr selten gewordenen original freibergischen Straßenschilder in Dunkelblau.





    Anschließend überquerte die Betriebsstrecke den Roßplatz, um kurvenreich in die Schönlebestraße einzufädeln. Am Zwickel derselben mit der Ehernen Schlange lagen Depot und Elektrizitätswerk.




    Elektrizitätswerk rechts, Wagenhalle an der Ehernen Schlange links. Bis in die siebziger Jahre soll es hier die letzten Gleisreste der Freiberger Straßenbahn gegeben haben.




    Dieser ernüchternde Anblick ist alles, was uns bleibt. Die repräsentativen Anlagen sind restlos verschwunden und mussten einem Lebensmitteleinzelhändler weichen. Machen wir schnell kehrt!




    Lange Straße, Blick in Richtung Bahnhofstraße mit dem Hochhaus aus einer anderen Perspektive.




    Fahrleitungsrosette an einem Gründerzeithaus in der Bahnhofstraße in Höhe der Ausweiche Bauschule. Es wird nicht die letzte bleiben.




    Ein Bild aus der Deutschen Fotothek: Haltestelle Wernerplatz. Die emaillierten Haltestellenschilder waren an Gaslaternen angebracht, die zur besseren Kenntlichmachung einen roten Ring trugen. So waren die Haltestellen auch in der Dunkelheit gut sichtbar.




    Ein Vergleichsbild. Die kleinen Häuschen fielen wohl erst vor einigen Jahren der Abrissbirne anheim, zumindest waren noch deutlich Reste auszumachen.




    Ein weiteres Bild vom Wernerplatz. Wir sehen den nachträglich beschafften Wagen 7 (Baujahr 1903) auf der Roten Linie auf der Fahrt zum „Hauptbahnhof“. Im Hintergrund der Turm der Jakobikirche.




    Die gleiche Situation heute. Erkennbar, welch deutliche Lücke die Abrisse im Stadtbild hinterlassen haben.




    Ein Blick seitwärts zum aktuellen Busbahnhof. Im Hintergrund sehen wir den Hauptturm der Petrikirche, nicht zum letzten Mal.




    Nach dem Wernerplatz bog die Straßenbahn in die Poststraße ein, die sich noch heute durch eine geschlossene gründerzeitliche Bebauung auszeichnet.




    Ein letzter Blick zurück zur Bahnhofstraße. Ab jetzt lassen wir die vorstädtische Tristesse hinter uns.




    In der Poststraße. Die Weihnachtsdeko soll wahrscheinlich bis Ostern hängenbleiben.




    Mit Straßenbahn sah es hier so aus.




    In der Poststraße finden sich noch zahlreiche Oberleitungsrosetten, fast 100 Jahre nach der Stilllegung!





    Hier findet sich so manch interessante Fassade.




    Moderner Stadtverkehr in der Poststraße.




    Wir blicken über den Promenadenring in die Erbische Straße, durch die die Bahn die Innenstadt erreichte.




    Erst mal Pause!

  • Die Freiberger Straßenbahn (Teil II)

    Den zweiten Teil möchte ich mit dem Fahrplan der Freiberger Straßenbahn eröffnen, wie er in den ersten Betriebsjahren unverändert galt. Wir folgen zunächst dem gemeinsamen Abschnitt in der Erbischen Straße zur Weingasse. Auf beiden Linien bestand tagsüber ein Zwölf-Minuten-Takt, der sich auf dem gemeinsam befahrenen Abschnitt auf eine Wagenfolge aller sechs Minuten verdichtete! Inwieweit wohl dieses für eine so kleine Stadt doch mehr als üppige Fahrtenangebot zu den wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Unternehmens beitrug? Andererseits: Wäre man seltener gefahren, hätte man den Weg in derselben Zeit bequem auch erlaufen…




    Das sanierte Kornhaus, das heute als Stadtbibliothek dient.




    Kurz nach der Jahrhundertwende trug das Postamt noch einen markanten Telegrafenturm. Im Hintergrund kreuzt eine Straßenbahn den ohne Halt durchfahrenen Postplatz.




    Das Postamt zeigt sich mustergültig saniert, der Turm ist aber schon lange entschwunden.




    Fernblick zum Donatsturm, dem markantesten erhaltenen Turm der mittelalterlichen Stadtbefestigung. Einst schützte er das gleichnamige Tor.




    Blick in die Bahnhofstraße, rechts das namensgebende Postamt. Vor der Einmündung, noch in der Poststraße, lag eine Ausweiche, die aber nicht als Haltestelle diente.





    Einmündung der Erbischen Straße. Diesmal mit Wagen 5 der Erstausstattung von 1902 auf der Weißen Linie in Richtung Bahnhof.




    Vergleichsbild. Hier befand sich die Haltestelle Erbische Straße.




    Ein Freiberger Gaslaterne als Replik. Der Schaft entspricht eins zu eins der „dünnfüßigen“ Dresdner Variante. Die Leuchtkörper jedoch sind als konisch zulaufende runde Glaskörper gestaltet. Derartige Laternen, wir haben es im ersten Teil beschrieben, dienten auch der Haltestellenmarkierung.




    Anders als in Riesa wird in Freiberg sehr viel Wert auf eine authentische und hochwertige Gestaltung der Außenanlagen gelegt: Granitpflaster, Plattenfußwege, historisierende Beleuchtung. Das erinnert stark an das Dresdner Gestaltungshandbuch. In der Altstadt finden sich fast durchweg Hauskandelaber.




    In der Erbischen Straße.




    Erbische Straße, Blick zurück zum Postamt.




    Am Obermarkt flankiert die Erbische Straße die Rückseite des Rathauses. Hier befand sich die Haltestelle Obermarkt, auf der Postkarte gut an der entsprechend ausgerüsteten Laterne (links) erkennbar.




    Vergleichsbild mit dem schönen Renaissancegiebel des ab 1410 errichteten Rathauses.




    Wir machen einen Abstecher auf den Obermarkt. Rathausturm, links Renaissanceerker von 1578.




    Die Nordseite des Marktes. Typisch sind die mehrgeschossigen Dachgauben der Häuser, die zumeist nach dem großen Stadtbrand 1484 entstanden.




    Westseite mit Petrikirchturm. Straßenbahnen befuhren den Markt selbst nie.




    Renaissancehäuser der Südwestecke.




    Schmuckportal am Haus Obermarkt 1.




    Zurück zur Strecke. Wir blicken die Erbische Straße hinunter zurück zum Bahnhof.





    Auch an den Häusern gegenüber des Rathauses finden sich noch eine Fahrleitungsrosette.




    Enge Gasse, deren Name sich leicht erschließt, im Hintergrund die heute als Konzert- und Tagungshalle genutzte romanische Nikolaikirche in der Unterstadt. Die Entweihung der ab dem Beginn des 12. Jahrhunderts errichteten Kirche erfolgte 1975.




    Wir nähern uns dem Abzweig der Roten Linie in die Weingasse. Die Weiße Linie fuhr weiter geradeaus in die Burgstraße, die die Verlängerung der Erbischen Straße bildet.




    Der Wagen der Roten Linie quietscht durch die enge Kurve in die Weingasse.




    Eckhaus Burgstraße/Obermarkt mit seinem prachtvollen Renaissanceerker. Im Vordergrund der Gleisbogen der Roten Linie in die Weingasse.




    An dem Renaissanceeckhaus befinden sich noch mehrere Fahrleitungsrosetten, inklusive einer vergoldeten am Erker! Die Weiße Linie kreuzte im Hintergrund. Ihr folgen wir im nächsten Teil.


  • Die Freiberger Straßenbahn (Teil III)

    Im dritten Teil folgen wir der Weißen Linie bis zur Hainichener Straße. Die Wagen waren mit weißen Schildern versehen, die schwarz beschriftet waren. Diese Linie wurde bis Silvester 1919 betrieben.




    Ein Blick zum Obermarkt, wieder der Hauptturm der Petrikirche im Hintergrund.




    Weiter geht es in die Burgstraße, die schnurstracks zum Schloss Freudenstein führt.




    Auch hier ist noch die eine oder andere Oberleitungsaufhängung zu bewundern, manchmal auch erst auf den zweiten Blick.





    Der Blick schweift in die Erbische Straße zurück.




    Höhe Haltestelle Akademiestraße.




    Kirchgasse am Schloßplatz, im Hintergrund das romanische Westwerk des Freiberger Domes.




    Vor uns breitet sich Schloss Freudenstein aus. Die Renaissance-Schlossanlage entstand ab 1566 unter Federführung von Rochus von Lynar und Hans Irmisch, beide sind auch in Dresden nicht unbekannt. In ihrem Kern steckt eine mittelalterliche Burg, die sich bis ins 12. Jahrhundert zurückverfolgen lässt. Völlig entstellt wurde der einst prachtvolle Bau durch den Umbau zur Magazinanlage Ende des 18. Jahrhunderts. Seit einigen Jahren wird er museal genutzt, unter anderem auch durch die „Terra Mineralia“.





    Typischer Freiberger Kandelaberkopf am Schloßplatz.




    Am Schlossplatz lag keine Haltestelle (die Bahn hielt noch in der unteren Burgstraße), anschließend flankierte die Strecke der Weißen Linie das Schloss und fuhr zwischen den Kreuzteichen hindurch.




    Vergleichsbild. Der Stadtbus flankiert das mittelalterliche Zentrum.




    Blicke zurück zum Schloßplatz.





    Kurz hinter dem Schloßplatz passierte die Straßenbahn das nicht mehr vorhandene Kreuztor und die danach benannten Teiche.




    Vergleichsbild mit Lage der Haltestelle Kreuzteiche. An der Kreuzung bog die Straßenbahn rechts ab zum Endpunkt.




    Die letzten Meter flankierte die Weiße Linie den oberen Kreuzteich an der Leipziger Straße.




    Durch den Bewuchs ist das Schloss Freudenstein zu erahnen.




    Lage der einstigen Endstelle. Im Hintergrund das Schwanenschlösschen.




    Dieses ist auch auf der alten Postkarte rechts zwischen den Bäumen zu erkennen. Der AEG-Standardwagen Nummer Zwo mit den charakteristischen fünf Bogenfenstern ist bereits großflächig mit Werbung versehen, hat aber noch offene Plattformen. Sehr ungewöhnlich für eine AEG-Anlage waren die Bügelstromabnehmer – Rollenstromabnehmer waren im Königreich Sachsen ab Ende der 1890er Jahre verboten.




    Unmittelbar hinter dem einstigen Straßenbahn-Endpunkt Hainichener Straße liegt heute eine Bushaltestelle.




    Blick zurück über den oberen Kreuzteich zum Schloss Freudenstein.




    Wir begeben uns zurück zur Kreuzgasse, um der Roten Linie einen Besuch abzustatten. Dabei bietet sich dieser schöne Blick auf die Petrikirche.





    Zur Roten Linie in die Unterstadt geht es im nächsten Teil – dieser folgt morgen.

  • Die Freiberger Straßenbahn (Teil IV und Schluss)

    Im letzten Teil geht es in die Unterstadt zum Meißner Tor.


    Die Wagen der Roten Linie trugen rote Ziel- und Seitenbeschilderungen mit weißer Schrift. Somit war eine Verwechslung der Wagen beider Routen nahezu unmöglich, abgesehen natürlich davon, dass sie sich zwei Drittel des Weges zwischen Bahnhof und Weingasse ohnehin teilten. Die Rote Linie verschwand bereits 1914, als das meiste (bis dahin ausschließlich männliche) Personal zum Kriegsdienst einberufen wurde. Zunächst war die Stilllegung provisorischer Natur, der Verkehr wurde jedoch nie wieder aufgenommen.




    Wieder an der Weingasse, der Blick geht zum Obermarkt mit dem Kirchturm von St. Petri. Im Vordergrund der sehr enge Bogen der Roten Linie aus der Erbischen Straße in die Weingasse.




    Heute präsentiert sich die Situation dergestalt. Viel geändert hat sich im Laufe der letzten einhundert Jahre nicht.




    Am Eckhaus sind noch immer Fahrleitungshaken erkennbar.




    Weingasse. Das Gleis der Roten Linie mäanderte einmal quer über die komplette Fahrbahn, um sowohl die angesprochene Kurve am Abzweig als auch die kurz darauf folgende in die Rittergasse bewältigen zu können.




    Hier sehen wir die angesprochene abenteuerliche Gleislage. Der bereits verglaste anonyme Triebwagen wartet auf den Gegenwagen der Weißen Linie Richtung Hainichener Straße und biegt gleich in die Erbische Straße ein. Im Vordergrund die Kurve in die Rittergasse. Links am Fahrbahnrand ist die rotberänderte Laterne mit Schild der Haltestelle Weingasse erkennbar.




    Bildvergleich anno 2017.




    Leider etwas beschattet: Kurve in die Rittergasse, heute Heubnerstraße. Am Eckhaus links oben sehen wir eine weitere Fahrleitungsrosette. Schön, dass sich offenbar viele Hausbesitzer des historischen Wertes dieser kleinen technischen Denkmale bewusst sind und sie trotz Sanierung bewahrt haben.




    Wir folgen der Heubnerstraße, ehemals Rittergasse, die einen scharfen Knick vollführt, bis zur Herderstraße.






    Gleich geht es wieder mal scharf links in die Herderstraße. Ob den wenigen Fahrgästen der Linie Papiertüten ausgeteilt wurden? Die ständige Kurverei war sicher wenig erbaulich…




    Blick zurück: Position der Haltestelle Rittergasse. Vor dem hübschen kleinen Eckhaus die Kurve der Rittergasse/Heubnerstraße zur Weingasse, geradeaus bzw. rechts die enge Thielestraße.




    Freiberger Impression am Eckhaus zur Herderstraße: Straßenschild und Hauslaterne sind historisierend neu, die Oberleitungsrosette am Haus gegenüber spannte die angesprochene Kurve ab und ist ein Original.




    Die Herderstraße führt gerade auf den spätgotischen Chor des Domes zu.




    Wir sind fast am Untermarkt. Der Dom entstand als romanische Basilika Unser Lieben Frauen ab 1180. Von diesem Bau haben sich nach dem großen Stadtbrand 1484 unter anderem die berühmte Goldene Pforte und Teile des Westwerks erhalten. Der Wiederaufbau erfolgte als spätgotische Hallenkirche. Das Ende der Herderstraße bietet diesen grandiosen Blick auf den Chor.




    Untermarkt, Blick nach Osten zur Meißner Gasse. Links der Chor des Domes. Das Streckengleis der Roten Linie lag unmittelbar an der südlichen Platzkante des Untermarktes.





    Ähnliche Perspektive, diesmal mit Straßenbahn.




    Ostseite des weitläufigen Untermarktes.




    Blick zurück zur Herderstraße. Rechts die Einhausung der Goldenen Pforte.




    Der Dom St. Marien beherrscht die Südwestseite des Untermarktes. Charakteristisch ist der hohe Giebel mit Blendnischen und Dachreiter – die Hauptschauseite des Domes ist also nicht wie üblich die Westseite (die ohnehin in engen Gassen eingebaut ist), sondern die Ostseite mit dem Chor. Für einen Besuch war leider keine Zeit, das Innere ist wesentlich repräsentativer als das recht schlichte Äußere. Die wahren Werte liegen halt oft im Verborgenen…





    DAS Freiberg-Motiv schlechthin: Dom und Domherrenhof rechts, heute Stadt- und Bergbaumuseum. Das spätgotische prächtige Gebäude entstand ebenfalls nach dem Brand 1484 und bildet mit dem Giebel des Domes fast eine bauliche Einheit, auch wenn der Blendnischengiebel in der heutigen Form erst beim Umbau zum Museum 1902 entstand.




    Das Ganze als Postkartenmotiv mit fantasievoll hineinretuschierter Straßenbahn. Zumindest die Farbe Grün (die Wagen waren in den sächsischen Landesfarben lackiert) stimmt halbwegs.




    Westseite des Platzes, links das Stadt- und Bergbaumuseum.




    Der letzte Abschnitt der Roten Linie führte durch die Meißner Gasse zum gleichnamigen Tor. Dieses existierte aber nur noch als Bezeichnung im Stadtplan, denn die Befestigungswerke waren an jener Stelle längst geschleift.




    Blick aus der Meißner Gasse auf den Dom.




    Auch in der Meißner Gasse findet sich noch die eine oder andere Rosette. Auffällig, wie hoch die Oberleitung der Freiberger Straßenbahn angebracht war.




    Und ich vermeinte ein weiteres physisches Überbleibsel der Straßenbahn zu erkennen: Das Gleis lag stadtauswärts gesehen rechts – die originale Pflasterung offenbart etwa mittig eine unregelmäßige Verlegekante. Sollten dies Spuren der zum Ende des Ersten Weltkriegs hastig entfernten Gleisanlagen sein? Es wäre die einzige Stelle, an der bodenbündig noch Reste der Straßenbahn auszumachen wären…




    Meißner Gasse, auf der Postkarte fälschlich als Meißner Straße bezeichnet, Blick nach Westen zum Dom. Auch hierzu ein Vergleichsbild.





    Wir nähern uns dem Endpunkt – in der Sonne der einstige Standort des Meißner Tores.




    Ein letzter Blick zurück. In der Meißner Gasse sind zahlreiche gastronomische Einrichtungen angesiedelt. Die studentische Population der Bergakademie verfügt also durchaus über mancherlei Ausgehmöglichkeiten.




    Am Meißner Tor sind wir am Endpunkt angelangt. Heute markiert die Stelle die Replik einer kursächsischen Postmeilensäule.




    Mit diesem lauschigen Motiv möchte ich mich verabschieden – fast…




    …denn auch von der Freiberger Straßenbahn habe ich einige Fahrmarken aufzuweisen. Links die Standardmarke zu 10 Pfennig, rechts die Kindermarke – bei beiden zeigt das Revers einen hübsch gestalteten Straßenbahnwagen. Mittig eine Zinkmarke zu 15 Pfennig – gegen Ende des Straßenbahnbetriebs mussten die Fahrpreise angehoben werden. Fälschlicherweise wurde hier eine „15“ auf das Revers geprägt.




    Damit möchte ich mich aus einer der wohl schönsten und interessantesten sächsischen Städte und von ihrem kleinen Straßenbahnbetrieb verabschieden – und das sage ich nicht nur, da ich familiär zu Freiberg stets eine sehr enge Beziehung hatte. Die Bergstadt lohnt einen Besuch zu jeder Jahreszeit. Vielleicht nehme ich mir im Sommer ja mal die Stadtbefestigung etwas näher vor…

    Einmal editiert, zuletzt von antonstädter () aus folgendem Grund: Bildlink korrigiert

  • ^ Deine letzten Sätze kann ich nur unterschreiben. Auch ich habe bis heute familiäre Bindungen nach Freiberg und beim Anblick der Bilder überkommen mich schönste Kindheitserinnerungen. Dabei hatte Freiberg rückblickend aus meiner Sicht doppelt Glück: Sozialistische Stadterneuerungen blieben in der Kernstadt weitestgehend aus und gleichzeitig wurde in den Erhalt der Altstadt mehr investiert als anderswo im Osten.


    Heute muss man konstatieren, dass die Stadt in städtebaulicher Hinsicht vieles richtig gemacht hat. Die Ausstellung terra mineralia war zudem nicht nur ein Glücksfall für die Sanierung von Schloss Freudenstein, sondern für den ganzen nordwestlichen Zipfel der Altstadt, der bis vor wenigen Jahren noch arg unter Verfall und Leerstand litt. Auf der südlichen Seite des Schlossplatzes, damals schon zum Abriss vorgesehen, wird jetzt gelehrt und geforscht.


    Ebenso nachhaltig die städtebaulichen Maßnahmen in den beiden Plattenbaugebieten Wasserberg und Friedeburg gleich nach der Wende, bei denen die oberen Geschosse der Plattenbauten zurückgebaut und umgestaltet wurden. Zwar nicht schön, aber es trifft einen nicht gleich der Schlag wie in anderen Großwohnsiedlungen.


    Nachholebedarf gibt es m.E. noch in der Gegend um die Bahnhofsstraße. Das ist m.E. die einzige Gegend, die Kriegsverluste hinnehmen musste. Seitdem existieren hier viele Lücken zwischen meist schlecht sanierten Altbauten. Aber da die Bergstadt die einzige Kleinstadt in Sachsen ist, die von Soziologen inzwischen als "Schwarmstadt" bezeichnet wird, könnte sich hier alsbald was ändern.

  • ^ So ist es. Allerdings muss man den Erhaltungszustand zum Ende der DDR etwas differenziert betrachten: Die Fassaden rund um die Hauptstraßen und den Obermarkt waren fast alle in gutem Zustand, oft durfte man aber nicht in die Höfe schauen. Potemkin ließ grüßen.


    Größere Substanzverluste durch Verfall und Abriss gab es vor allem am Rand der Altstadt, oft sind die Baulücken heute durch kleine, angepasste Neubauten gefüllt, so z.B. das Sparkassengebäude an der Ostseite des Untermarktes.


    Das Schloss Freudenstein in seiner aktuellen Form ist eine Wucht. Wie Du beschrieben hast, kann auch ich mich an noch gar nicht so lange verflossene Zeiten erinnern, als der Bereich um den Schlossplatz munter vor sich hin verfiel. Heute herrscht hier das pralle Leben. Ähnliches gilt für die Gegend um die Nikolaikirche und das Theater (abseits der Straßenbahn, daher hier nicht berührt;-) ), auch wenn es hier abseits der Veranstaltungen wesentlich geruhsamer zugeht. Die Nikolaikirche ist übrigens ein ähnlicher Glücksfall wie das Schloss: Wegen Baufälligkeit geschlossen und entwidmet, jahrelang vor sich hin gammelnd und mit Notreparaturen vor dem Schlimmsten bewahrt, ist sie heute ein absolutes Kleinod.


    Es dürfte, vielleicht abgesehen von Meißen, keine sächsische Stadt geben, in der auf derart engem Raum eine solche Vielfalt an mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Architektur zu finden wäre - und mittlerweile fast durchgehend in tadellosem Zustand. Eine wirklich sehr erfreuliche Entwicklung.


    Freiberg profitiert dabei natürlich ungemein von der Bergakademie und der damit verbundenen studentischen Zuwanderung. Eine ostdeutsche Klein- oder (bald wieder) Mittelstadt, in der man in Scharen zivilisierte junge Menschen auf den Straßen sieht, eine intakte Einzelhandels- und Gastronomielandschaft ohne großen Leerstand findet, außerdem offenbar wirklich ein seltenes Gespür für Fragen der Stadtentwicklung und -ästhetik, all das hebt das Städtchen heraus. Die Lage im Zentrum Sachsens und mittig zwischen den Metropolen gelegen kann es ja allein kaum sein, dann müsste Riesa ja in ähnlicher Weise von Dresden oder Leipzig profitieren. Auch die Terra Mineralia hätte sich wohl ohne die Bergakademie nie in Freiberg angesiedelt.


    Da kann man auch den etwas herben Charme der Bahnhofsvorstadt verknusen. Der Rest entschädigt umso mehr.

  • Sehr informativ. Ich besitze nicht annähernd so viel Wissen zur Straßenbahnhistorie wie du offenbar, doch hat sich mein Blick durch deine Beiträge etwas geschult. Die ein oder andere historische Oberleitungsrosette ist mir in Erfurt so in letzter Zeit aufgefallen. :)


    Zum wirklich tollen Zustand Freibergs habt ihr schon einiges gesagt. Die Stadt hat zweifelsohne von der wichtigen Bedeutung des Bergbaus zu DDR-Zeiten profitiert. Allerdings anders als das Westerzgebirge und Ostthüringen im positiven Sinne durch Ausbau der Bergakademie mit sehr schönen Gebäuden aus den 50ern und frühen 60er Jahren. Die benötigte Infrastruktur stand also im Wesentlichen, als andere Städte in der Zone durch sozialistische Baukunst beglückt werden sollten.


    Wenn man dem Wikipedia-Artikel zur Nikolaikirche glauben darf, ist an der Stadt dennoch ein Kelch vorrübergegangen:

    Am 31. März 1975 schrieb Bürgermeister Ullmann (LDPD): „Sowohl Bauzustand, Lage, architektonischer und kultureller oder baudenkmalwürdiger Zustand rechtfertigen in keiner Weise, dieses Gebäude grundlegend zu erhalten“. Weiter betont er, „dass mit der Fortsetzung des Baugeschehens in der Stadt Freiberg mit hoher Wahrscheinlichkeit etwa Mitte der 80er Jahre dieses Gebiet zum Bebauungsgebiet erklärt wird. Dann wird der Übergang des Grundstücks in Volkseigentum kaum mehr vermeidbar, aber mit höheren Ablösungskosten als dem gegenwärtigen zu erreichenden Kaufpreis verbunden sein“.[4]
    https://de.wikipedia.org/wiki/Nikolaikirche_(Freiberg)

  • ^ Allerdings anders als das Westerzgebirge und Ostthüringen im positiven Sinne durch Ausbau der Bergakademie mit sehr schönen Gebäuden aus den 50ern und frühen 60er Jahren.


    Definitiv ein sehr schönes Ensemble, das in den letzten Jahren umfassend saniert worden ist. In den 1950er-Jahren hat man in der DDR noch sehr traditionell gebaut. Die zu dieser Zeit neu entstandenen Gebäude würde ich dem Heimatstil zuordnen. Hier mal ein Luftbild. Zentrales Gebäude der Bergakademie ist der sog. Karl-Kegel-Bau, wobei ich nicht weiß, ob der Rundbau vielleicht schon früheren Datums errichtet wurde.

  • Laut Wiki ist der Flügel an der Agricolastraße mit dem Rundbau aus den 20ern. Der Flügel an der Leipziger Straße, der sog. Erich-Rammler-Bau, dagegen von 1955/56. Da hat man sich seinerzeit wirrklich nicht Lumpen lassen. Das Areal der Erfurter Uni stammt ja auch aus der Zeit.

  • zu: Riesa - Empfangsgebäude des einstigen Chemnitzer Bahnhofs von 1858


    Kürzlich hatte Antonstädter auch dieses Gebäude gezeigt, es ist von Verfall und wohl auch noch von Perspektivlosigkeit gezeichnet.
    Dabei könnte es eine aufwertende Schönheit des Bahnhofsumfeldes sein und glücklicherweise ist es auch noch nicht abgerissen worden.
    Man muß eben auch wollen, eine Nutzung zu finden. Bauwillige Laien mag gar nicht bewußt sein, wieviel Potenzial in solchen Gebäuden steckt - zudem wenn es sich um einen palaisartigen Altbau aus klassisch-harmonischer Vorgründerzeit handelt.
    Ich war mal so frei, denn Bilder sprechen für sich und wirken bisweilen Wunder. Ich hoffe so für hiesigen Fall.


    Quelle aller Bilder: Bildgrundlage ist folgendes Foto Antonstädters:


    Saniert mit Bestandsdach ergäbe sich (angedeutet) folgende Ansicht.


    Mittels primitivester paint-Bastelei zeigen sich Möglichkeiten für einen den Bau noch weiter aufwertenden Dachaufbau.


    Nebenbei durfte ich mal wieder feststellen, wieviel Arbeit schon solch hier nur teilweise erfolgte Bildbearbeitung mit sich bringt. Ne gute Stunde rumgemale war schon dabei. :D Man möge mir manch dilletantisches Detail nachsehen, es geht ja ums Prinzip.
    Jetzt sollte es auch die Nudelmetrolpole vernehmen, besten Dank.

  • Die Mühe für die Veranschaulichung hat sich echt gelohnt! Da wirkt das Haus gleich viel ansprechender. Tatsächlich werden alte Bahnhofsgebäude oft zu Wohneinheiten umgebaut. Das würde hier mehrere Vorteile bringen:
    Erstens wäre dadurch neuer Wohnraum vorhanden und zweitens würde ein "Schandfleck" wieder in neuen Glanz erstrahlen.
    Nur einen Investor bräuchte man noch. Da ich allerdings davon ausgehe, dass das historische Gebäude unter Denkmalsschutz steht, kann ich mir durchaus vorstellen, dass eine Änderung der Dachform nicht zugelassen wird, auch wenn es möglicherweise die Attraktivität noch einmal steigern könnte.
    Aber die Hauptsache ist doch, dass es nicht abgerissen wird.:)

  • Unterwegs im Lockwitztal (Teil 4)

    Dies ist die Fortsetzung der im einschlägigen Dresden-Strang begonnenen Beitragskette zur Lockwitztalbahn. Da sich die folgenden Abschnitte nicht mehr auf Dresdner Stadtgebiet befinden und die Bahn zum Zeitpunkt der Eröffnung vollständig nicht auf Dresdner Gebiet lag passen die folgenden Passagen m. E. besser in diesen Strang.


    Link zu Teil 1


    Link zu Teil 2


    Link zu Teil 3


    Gesamtstrang


    Nun aber weiter im Text:




    Teil 4 eröffnen wir mit zwei Fahrscheinen der Lockwitztalbahn aus den ersten Betriebsjahren. Langsam aber sicher werden wir das Stadtgebiet verlassen und in die Natur des Lockwitzgrundes eintauchen.






    Die letzten Lockwitzer Häuser im Tal.




    Wir erreichen die vorletzte Haltestelle auf Stadtgebiet, Sobrigauer Weg. Im Hintergrund setzt sich die Autobahnbrücke über den Lockwitzgrund majestätisch in Szene.




    Die Lockwitztalbrücke in Zahlen: 723 Meter lang, maximale Höhe 64 Meter, Spannweiten zwischen 48 und 125 Metern.




    Die Bahn ist letztes Jahr aus dem RVD ausgestiegen. Eigentlich schade, denn das Bahnrot steht den Bussen gut…




    Haltestelle „Fußweg nach Borthen“ bis 1957 „Makkaronifabrik“. Jene Eierteigwaren wurden in den Gebäuden im Hintergrund produziert.





    Die Makkaronifabrik liegt direkt an der seit 1930 gültigen Stadtgrenze. Diese haben wir hier erreicht.



    Gebäude der Makkaronifabrik, im Hintergrund noch einmal die Lockwitztalbrücke der A17.




    Nächster Ort ist Sobrigau. Das eigentliche Dorf ist hoch droben über dem Lockwitzgrund erkennbar.





    Lockwitztalbrücke von Süden. Die Lauschigkeit des Tales hat durch den doch recht mächtigen Bau merklich gelitten.




    Sechserhaus mitten im Tal. Die zugehörige Bushaltestelle ist eine neuzeitliche Erfindung. Bei der hier eigentlich durchfahrenden Bahn wird wohl das Personal so manches Mal auf Zuruf gehalten haben…




    Wir tauchen in die Engstelle des bewaldeten Tales ein und gelangen zur ehemaligen Rügerschen Schokoladenfabrik, die sich mustergültig saniert als Wohnanlage präsentiert.







    Die Haltestelle „Rügers Fabrik“ heißt seit 1957 „Fußweg nach Sobrigau“.




    Wir verlassen Sobrigauer Flur und laufen weiter Richtung Kreischa.




    Landidyll im schönen Lockwitztal. Leider existiert kein Wanderweg, so dass man als Fußgänger gezwungen ist, sich entlang der Leitplanken zu bewegen. Eine wirkliche Zumutung und bei den zahllosen Kurven auch nicht ungefährlich…




    Kurz vor der Hummelmühle kommt uns mal wieder ein Schienenersatzverkehr des RD entgegen.




    An der Hummelmühle gab es einst auch eine Ausweiche.




    Haltestelle Hummelmühle. In den 1990er Jahren hatte sich ein Verein das Ziel gesetzt, die Strecke von Kreischa aus bis hierhin als Museumsbahn zu reaktivieren. Zu dieser Zeit lag in Kreischa noch ein Großteil der Gleise. Man holte hierfür sogar zwei ehemalige Triebwagen aus Bad Schandau zurück! Die hochtrabenden Pläne zerstoben aber schnell, und die beiden Wagen fanden ihren Weg zurück in die alte Heimat nach Erfurt bzw. das Dresdner Straßenbahnmuseum.




    Blick ins Tal bei Kreischa.




    Wegweiser an der Hummelmühle.




    Hummelmühle, Blick zurück.




    Im Lockwitzgrund. Das Gleis lag rechts auf der damals gepflasterten Straße.




    Felsige Passage unterhalb des Blauberges.




    Höhe Hartsteinwerk. Die hiesige Haltestelle wurde 1969 nach Stilllegung des Steinbruchs eingezogen – es gab keine Arbeiter mehr zu befördern. Hier existierte zeitweilig sogar ein Anschlussgleis der Straßenbahn!




    Wir nähern uns Gombsen und verlassen den bewaldeten engen Teil des Tales.





    Fabrikantenvilla am Ortseingang von Gombsen.




    Haltestelle Gombsen, Blickrichtung Kreischa.




    Haltestelle Gombsen, Blick zurück in den engen Grund.




    Kreischa grüßt am Wegesrand.




    Zum Abschluss des vierten Teils noch einmal ein Zeitdokument, der Fahrplan vom 1. September 1949.


  • Unterwegs im Lockwitztal (Teil 5)

    Den fünften Teil möchte ich gern mit einem weiteren Fahrplan der Linie 31 eröffnen, diesmal dem von 1963.





    Ortseingang Kreischa.




    Haltestelle Neugombsen mit fast kleinstädtisch anmutender Bebauung.





    Wir überqueren den Lockwitzbach.




    Abzweig zum Klinikum Kreischa. Man beachte die neongrüne Farbgebung des Hauses im Hintergrund.




    Wieder mal eine 86 auf de Weg Richtung Dresden, kurz vor dem Sanatorium Kreischa.




    Das alte Sanatorium rottet leider vor sich hin, der heutige Klinikbetrieb spielt sich im Neubau auf dem Berge ab.





    Ein Bild aus besseren Zeiten. Dies gilt sowohl für das Sanatorium als auch die Straßenbahn.




    Historische Parkpforte.




    Zwei Blicke entlang der westlichen Straßenbebauung zurück in Richtung Sanatorium. In wenigen Minuten erreichen wir die Endstelle Kreischa.





    Eine letzte Kurve,…




    …und wir erreichen den Haußmannplatz. Im Hintergrund verfällt das mächtige Erbgericht, einst erstes Haus am Platze.




    Haltestelle Haußmannplatz. Die Freiflächengestaltung ist etwas over the top und erinnert an Idar-Oberstein in den Siebzigern. Für diesen ästhetischen Humbug mit unendlich vielen Pflanzkübeln, noch mehr hässlichem Betonpflaster und einem sprudelnden Bächlein mussten leider die letzten intakten Gleise der guten alten Lockwitztalbahn weichen.




    Da entschädigt der Anblick des netten Blumengeschäftes nur minimal.




    Anstelle des sinnfreien Kreisverkehrs, der die hier verkehrenden Busse zu waghalsigen Manövern zwingt, begann einst in der Kurve der Straßenbahnendpunkt. Eine Umsetzanlage gab es in Kreischa nicht, nur ein Stumpfgleis, oder es wurde direkt in den Straßenbahnhof gefahren.




    Das Erbgericht aus der Nähe. Zwar wurde mal immer wieder dran herumgebastelt, doch so richtig tut sich nichts. Davor lag die Endhaltestelle der Straßenbahn. Dabei wartete ein Triebwagen auf einen aus Niedersedlitz kommenden Zug, setzte sich dann vom Stumpfgleis oder direkt aus dem Straßenbahnhof vor den Zug und übernahm den Beiwagen. Nach Abfahrt des Zuges konnte der nun freie Triebwagen auf das Stumpfgleis oder in den Bahnhof rangiert werden und wartete auf den nächsten Zug. Eine interessante Wechseltechnologie, die man bis zur Einstellung aufrecht erhielt.




    Blick zurück zum Haußmannplatz.




    Der ehemalige Straßenbahnhof. Beim Umbau zur Bibliothek wurde das Gebäude verlängert und aus meiner bescheidenen Sicht völlig entstellt. Links daneben die Post, die auch als Bürogebäude des Straßenbahnhofs diente.





    Der Bahnhof zur Eröffnungszeit. Die Rundbögen waren äußerst unpraktisch und hatten kein langes Leben. Zuletzt war die Bahnhofshalle vorn völlig offen.




    Wagenhalle aus der Nähe.




    Endpunktbereich vor dem Erbgericht heute.




    An der ramponierten Fassade findet sich noch immer eine verirrte Oberleitungsrosette.




    Unweit des Endpunkts: der Gänselieselbrunnen.




    Straßenschild am Haußmannplatz.




    Ein abschließender Blick auf den Endpunkt. Damit verabschieden wir uns von Dresdens letzter Schmalspurstraßenbahn, aber nicht ohne einige Nachbetrachtungen.