Auf- und Abwertung von Stadtteilen, "Gentrifizierungs"-Debatten

  • Die Stadt soll mit Vorschriften Sanierungen "über Gebühr" verhindern. Ein Beamter soll entscheiden, was die zulässige Aufwertung ist. Ich sehe darin Elemente der Planwirtschaft, die als Ergebnis haben kann, dass viele Stadtteile gar nicht saniert werden. In Deutschland sorgt der Mieterschutz dafür, dass alteingesessene Mieter nicht zu leicht auf die Straße gesetzt werden, selbst wenn im Nachbarhaus die doppelte Miete gezahlt wird. Für Mietsteigerungen gibt es Kappungsgrenzen. Der Schutz soll vor dem Neid auf neue Nachbarn, denen es besser geht, bewahren.


    Was heisst überhaupt "Steppe"? Wird ein Mensch nach ein paar Gehaltserhöhungen zum unerwünschten Gesindel, vor dem unbedingt geschützt werden muss? Den Titel des Artikels finde ich abwertend und beleidigend.

  • Also mich störts nicht wenn die Menschen in meiner Umgebung mehr Kohle verdienen als ich, dann gibts wenigstens Abends in der Hofpfisterei noch volle Auswahl beim Schlußverkauf :D


    Meiner Meinung nach wird ein Viertel nicht durch Homogenität der Einkommensschichten leblos, sondern eher durch weitgehende Homogenität von Alter und Lebenssituation der Bewohner.
    Ein gutes Beispiel sind die tristen Reihenhaus-Familiensiedlungen am Stadtrand, wo fast ausschließlich Bewohner mittleren Alters mit Kindern leben und wo außer nem Supermarkt und ner Grundschule nichts in der Nähe ist. Dort findet ihr dann je nach Wohnanlage auch eure SUV-Ansammlungen.
    Das ist natürlich der krasse Gegensatz zur Vielfalt der Urbanität.


    Das Bild, das im Rahmen der "Gentrifikation" von den Besserverdienenden gezeichnet wird, trifft aber mMn eher auf die Leute in Münchner Promi-Vorortghettos zu.
    Die Bewohner der Innenstadt könnten selbst bei gleicher finanzieller Ausgangssituation verschiedener nicht sein, vielleicht auch weil hier nicht der Anpassungszwang ländlicher Regionen besteht (Stichwort Auto, Kirche, freiwillige Feuerwehr, Schützenverein etc. pp).
    Ein Auto etwa stellt hier in der Stadt kein Statussymbol dar, zumindest nicht dort wo man eh mit dem Radl oder zu Fuß schneller unterwegs ist.


    Ich kann bestenfalls aus architektonischer Sicht ein Problem bei der Sanierung zerfallener Baracken sehen.
    Und die These vom Stadtsoziologen Detlev Sträter, dass meistens Studenten oder Künstler (und von denen auch blos die chronisch mittellosen), für das positive Flairs eines Viertels verantwortlich sind, halte ich im Jahre 2011 für sehr gewagt.
    Meine Erfahrung ist eher, dass ein Viertel an Attraktivität gewinnt wenn sich die Bewohner (egal welcher Schicht) mit Herzblut drum kümmern weil sie sich damit identifizieren können, wie etwa sehr gut in Neuhausen zu sehen.


    Wer jedenfalls glaubt dass sich das Flair eines Stadtteils wie Schwabing nur über eine Hand voll historischer Läden um die Münchner Freiheit definiert, in die - seid doch ehrlich - seit Jahrzehnten kein Schwein mehr geht, der ist gedanklich in der Vergangenheit hängengeblieben.


  • Ein Auto etwa stellt hier in der Stadt kein Statussymbol dar, zumindest nicht dort wo man eh mit dem Radl oder zu Fuß schneller unterwegs ist.


    Und ich dachte, das wäre so, weil man keine Einfahrt hat, die es den Nachbarn erlaubt, das teure Schlachtross einwandfrei dem Besitzer zuordnen zu können :D .

  • Na dann passts doch! Das Kino ist nun in der Schleißheimer Str., die 7 ein paar Häuser weiter und eine Dönerbude gibts gleich gegenüber ohnehin schon. So ein künstliches Strohfeuer von ein paar Wichtigtuern und Neidhammeln.:nono:

  • In anderen Städten nennt man das Weiterentwicklung, Wachstum und Fortschritt. In München wird das gleich mit einem negativem Wort belegt. Am besten alles bleibt, wie es war.


    Eben, mit schönen dunklen Boazn mit Geldspielautomaten und Frühschoppen, versifften Döner- und Gemüseimportbuden wo sich die Obststeigen auf dem Gehsteig türmen und verdreckte Planen rumhängen und Leuten, die auf dem Weg zur U-Bahn "Alder, gib mir Jacke du Opfer sonst Messer" bellen, so wünschen sich die Gentrification-Heulsusen unsere Stadt.

  • Eben, mit schönen dunklen Boazn mit Geldspielautomaten und Frühschoppen, versifften Döner- und Gemüseimportbuden wo sich die Obststeigen auf dem Gehsteig türmen und verdreckte Planen rumhängen und Leuten, die auf dem Weg zur U-Bahn "Alder, gib mir Jacke du Opfer sonst Messer" bellen, so wünschen sich die Gentrification-Heulsusen unsere Stadt.


    Hey bitte nichts gegen die guten alten Zeiten auf der Feilitzschstraße, wo man Abends am Eingang vom Mäcci noch vom Sicherheitspersonal und einem grimmigem Wachhund begrüßt wurde, nachdem man auf dem Weg von der U-Bahn dorthin das zehnte Mal nach einem Euro angeschnorrt wurde :rcain:


    Wunderbare Jahre, in dieser Zeit will ich wieder sein :nono:

  • Laut Haus-und Grundbesitzerverein weisen 300.000 der 500.000 Münchner Wohneinheiten Sanierungsbedarf auf. Da derzeit Sanierungsprogramme des Bundes laufen und die Immobilie an sich eine Renaissance erlebt, wird halt an einigen Ecken angepackt. Wieso sollte die kapitalistische Hochburg München auch ein unsaniertes Lebenskünstler-Biotop sein, passt nicht zusammen, die Zwänge des Marktes stehen dagegen. Dass derzeit Instandhaltungen angepackt werden, hat also nichts mit (Lebens-)Künstlern und Dauerstudenten zu tun. :lach:

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  • Die-guten-Seiten-der-Gentrifizierung


    Bedauerlicherweise wird solch ein Projekt wieder die Genossen auf den Plan rufen mit ihrem Gentrifizierungsschreckgespenst ... naja, nicht alle Stadtteile können so reizend sein wie Giesing.


    Die Gentrifizierungsdebatte ist in Wirklichkeit eine Mischung aus Neid und Kapitalismuskritik. Vorgeschoben wird der Erhalt der angestammten Bevölkerung, aber was die Kritiker nicht zugeben ist, dass es ihnen viel mehr um ihren eigenen Hintern geht. Denn meist sind es ja Lebenskünstler und Dauerstudenten, die gegen Stadterneuerung zu Felde ziehen. Sie sehen zurecht ihre eigene „Existenz“ in Münchner Innenstadt- oder Innenstadtrandlagen in Gefahr. Ohne geregeltes Einkommen sieht es dort für Wohnungssuchende nämlich zappenduster aus. Und für das Hasenbergl hält man sich ja viel zu hip. Aufhalten lässt sich das ganze ohnehin nicht.


    Und wenn eben alles verschlafen bliebe oder gar einem Niedergang ausgesetzt wäre, ist es doch auch nicht wünschenswert.


    Hier ein Artikel über die guten Seiten der Gentrifizierung.


    http://www.welt.de/print/wams/…ertel-ohne-Konflikte.html


    --

  • Anm.d.Mod.: Fortsetzung des Austausches aus dem Westend-Thread: http://www.deutsches-architekt…hread.php?t=12405&page=10


    Ich gebe nur meine Beobachtungen wieder. Mag sein, dass die Schwanthaler Höhe immer noch etwas billiger ist, wie eine entsprechende Lage in Haidhausen oder Neuhausen. Aber der Abstand zu den anderen innenstadtnahen Vierteln ist schon gewachsen. Zu Luxus zähle ich auch den Hipster oder das Understatement-Akademiker-Pärchen. Wenn man 16, 18 oder mehr Euro für den Quadratmeter zahlt oder sich ein Eigenheim für 7000 Euro pro Quadratmeter kauft zählt das doch wohl schon zur Grenze Normal - Luxus. Oder?


    Deutlich ist auch der Wandel bei den Geschäften und Büros zu sehen. Wenn ich gerade die Leute, die um die Schwanthaler, Ligsalz und Gollierstraße abhängen sehe, könnte ich weinen, lachen oder kotzen: Rennradfachgeschäft, Fuck the Backmischung Cafe, Hipsterboutique, Espressomaschinenfachgeschäft, Designbüro hier und Innenarchitekt da usw. usw... An jeder Ecke lehnt ein Fixi-Fahrrad und Mädls sitzen Abends mit Vollbartträgern auf Treppenstufen zum Philosophieren. Das waren alles früher mal Gammelkneipen und Türkenläden.


  • Deutlich ist auch der Wandel bei den Geschäften und Büros zu sehen. Wenn ich gerade die Leute, die um die Schwanthaler, Ligsalz und Gollierstraße abhängen sehe, könnte ich weinen, lachen oder kotzen: Rennradfachgeschäft, Fuck the Backmischung Cafe, Hipsterboutique, Espressomaschinenfachgeschäft, Designbüro hier und Innenarchitekt da usw. usw...


    Auf der anderen Seite der Gleise, in Neuhausen, gab es auch mal den Trend mit Architekturbüros, Espressobars und Kiez-Mittagessen. Seit einem guten Jahr kippt die Entwicklung aber in genau die andere Richtung: Wettbüros, Automatenspiel, Döner, Ramschladen, Nagelstudio oder gleich längerer Ladenleerstand. :46:


    http://www.merkur.de/lokales/m…-nagelstudio-2336819.html


    ...

  • Mich würde mal interessieren wie das Wort "Gentrifizierung" überhaupt entstanden ist. Eine gesunde Gentrifizierung, ich hasse das Wort, kann auch ein Seegen sein.