Leipzig: Gentrifizierung (ehem. "Windmühle vs. Abschwiff")

  • ^ 8 Euro/qm sind sehr wahrscheinlich die unterste Grenze in Leipzig, wo sich Neubau überhaupt finanziell trägt. Vor Jahren, so um 2005, als Leipzig schon rasant wuchs, antwortete irgendwer auf die Frage, warum in Leipzig so wenig Geschosswohnungsbau erfolge, dass es sich erst bei einer Zielmiete von 7 Euro/qm lohne und dies der Leipziger Wohnungsmarkt bei dem Überangebot kaum hergeben würde. Inzwischen normalisiert sich der Wohnungsmarkt, die Sanierungen sind vielerorts abgeschlossen, so dass ich davon ausgehe, dass sich der Geschosswohnungsbau künftig rasant beschleunigt. Was das angeht, ist Leipzig ja noch genug von Lücken und Brachen gesegnet.


    Und nochmal: Makler gehören sicher zu jener Berufsgruppe, die am wenigsten Mitleid bedarf und im Gegensatz zu Anlegern kaum finanzielles Risiko trägt.

  • Ein weiteres Beispiel aus Sachsen: Die Dresdner Wohngenossenschaft Johannstadt (WGJ) plant einen Neubau mit 58 Wohnungen in einer Nachkriegslücke an der Ecke Haydnstraße und Krenkelstraße. Ab Jahresende soll dann ein zweiter Wohnblock mit 43 Wohnungen auf der Tiergartenstraße folgen. WGJ-Bau-Vorstand Alrik Mutze (38): „Die einfache, funktionale Architektur erlaubt modernes und preiswertes Wohnen.“ Darunter wird allerdings eine Kaltmiete von etwa 9 Euro pro qm verstanden. „Das bestreitet gerade die Bauausgaben“, so die Sprecherin. „Wir bauen nach KfW 55-Standard.“ http://www.deutsches-architekt…m/showthread.php?p=418740


    In Berlin baut "LaVidaVerde", ein Projekt innerhalb des Verbundes des Mietshäuser Syndikats, in der Sophienstr. 35 in Lichtenberg das bundesweit erste innerstädtische Energie-Plus-Mehrgenerationenhaus. Es entstehen 18 (teilweise rollstuhlgerechte) Wohnungen von der 1-Raum-Wohnung bis zur Groß-WG auf 1.230 m² für 30 Menschen. Die Mieten werden 8,00 bis 9,00 Euro/m² kalt betragen: http://lavidaver.de/

    In Hamburg kalkulieren Baugenossenschaften mit einer Kaltmiete von mindestens 12,50 Euro/m², damit sich das Gebäude überhaupt finanzieren lasse, weil die Bau- und Grundstückskosten so groß geworden sind in der Stadt.
    Hamburger Abendblatt, 03.01.14
    Hamburger Baugenossen beklagen hohe Preise
    http://www.abendblatt.de/hambu…beklagen-hohe-Preise.html


    In München sollen in den kommenden Jahren mehr als 2500 genossenschaftliche Wohnungen gebaut werden. Dafür will die Stadt künftig 20 bis 40 Prozent der Flächen eines neuen Quartiers Genossenschaften zum Verkehrswert zur Verfügung stellen, also billiger als zu Marktpreisen. Müsste man Grundstücke auf dem freien Markt erwerben, läge der Mietpreis am Ende bei 16 bis 18 Euro/m².
    Süddeutsche Zeitung, 25. Februar 2014
    Wohnen in München. Mehr Bauraum für Genossenschaften
    http://www.sueddeutsche.de/mue…enossenschaften-1.1897356


    Um in Leipzig bei deutlich niedrigeren Mieten als 8 bis 9 Euro kalt zu landen, sollten also mit Hilfe von öffentlichen Geldern Bestandsbauten angekauft und saniert werden, z.B. mit Hilfe eines revolvierenden Fonds. Und die noch in kommunalem Besitz oder dem Besitz der LWB befindlichen Häuser sollten gar nicht mehr oder zumindest nicht immer nur an den Meistbietenden verkauft werden. Das könnte EIN Weg sein, weiterhin günstige Mieten auch in den innerstädtischen Gebieten, vor allem in den Gründerzeitvierteln, zu haben.


    Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten der Politik, auf den Wohnungsmarkt einzuwirken:


    - den Wohnungsneubau bzw. in Leipzig und anderen Städten mit nichtmarktaktivem Leerstand die Sanierung dieser Bestände, um die überhaupt erst einmal wieder dem Wohnungsmarkt zur Verfügung zu stellen. Dabei geht es allerdings um die Schaffung von preisgünstigen Wohnungen und nicht ausschließlich um Neubauten und Sanierungen im sogenannten gehobenen und im Luxussegment.


    - den Schutz der bestehenden Wohnungen und ihrer Mieter_innen: Mietpreisbremse, Milieuschutzsatzungen, Umwandlungsverbote in Eigentumswohnungen etc.


    Siehe hierzu unter anderem den aktuellen Kommunalwahlkampf in München, wo das Thema Mieten ja eine ganz besondere Rolle spielt:


    SZ, 2. Februar 2014 12:01
    Kommunalwahl in München
    Wie die Parteien die Wohnungsnot lindern wollen
    http://www.sueddeutsche.de/mue…-lindern-wollen-1.1877663

  • Dabei geht es allerdings um die Schaffung von preisgünstigen Wohnungen und nicht ausschließlich um Neubauten und Sanierungen im sogenannten gehobenen und im Luxussegment.


    Mit den Wohnungen ist es genauso wie mit Autos und vielen anderen Dingen - die neuen sind teuer, die gebrauchten werden mit dem Alter immer preiswerter (wenn sie nicht gründlichst überholt werden). Die preisgünstigen Wohnungen schaffen sich dadurch, dass sie ein gewisses Alter erreicht haben (so wie meine, irgendwann zwischen 1949 und 1962 gebaut, 5 EUR/Qm kalt) - nicht dadurch, dass sie ganz neu gebaut werden. Trotzdem dreht sich in so vielen Städten die Diskussion um die Verteilung der Neubauwohnungen weit unter den tatsächlichen Kosten. Die Zusammenführung der Bedürftigen mit den nicht mehr so neuen (und nicht als Gründerzeitler besonders begehrten) Bestandsbauten sollte der wirtschaftlich sinnvolle Weg sein.

  • Wenn das der Weg sein soll, dann muß es Segregation geben, da nach dieser Logik in den weitestgehend geschlossenen Gründerzeitvierteln etwa im Süden und Westen von Leipzig so gut wie keine Geringverdiener_innen mehr leben können. Im Norden und Osten ginge es nur noch in den eingestreuten Plattenbaugebieten wie dem Kreuzstraßenviertel, südlich der Eisenbahnstraße und um die Straße des 18. Oktober herum. Platz für Geringverdiener_innen wäre dann fast nur noch in den Stadtrandgebieten, insbesondere Grünau und Paunsdorf.


    http://www.leipzig.de/bauen-un…_frontend_push&docID=4732
    grün - Wohnungsbestände der 50er und 60er Jahre
    blau - Großwohnsiedlungen der 70er und 80er Jahre


    Wollen wir das als Stadtgesellschaft?


    Zu berücksichtigen ist die spezielle Situation des Wohnungsbaus in der DDR und in den Neuen Bundesländern. Neubauten sind ab den 1970er Jahren fast nur noch in Plattenbauweise am Stadtrand und in geringerer Zahl nach Flächenabbrüchen entstanden. Sanierungen von älteren Beständen waren bis auf einige sogenannten Komplexsanierungen etwa im heute sogenannten Brunnenviertel sehr selten. Nach der Wende wurde in erster Linie die Gründerzeitviertel saniert, aber auch Plattenbauten. Marktaktiver, aber gänzlich un- oder nur im geringen Maße sanierter Leerstand ist selten.


    Die Gesamtsituation etwa in Leipzig, aber auch anderen ostdeutschen Städten und Ostberlin unterscheidet sich aufgrund dieser deutlichen Piks im Neubau- und Sanierungsgeschehen von einer "normalen Entwicklung" mit eher kontinuierlichem Baugeschehen über das letzte halbe Jahrhundert.


    Angesichts des enormen Bevölkerungszuwachses von über 10.000 Menschen pro Jahr können wir nicht warten, bis die neueren Bestände irgendwann in zwanzig Jahren wieder so oll sind, dass sie eventuell günstiger werden.


    Wir brauchen als Stadt auch neue preisgünstige Wohnungen, da durch die Zuwanderung der Bedarf für diese insgesamt steigt und gleichzeitig durch (Nach)-Sanierungen von noch preisgünstigen Wohnungen deren Zahl sinkt.

  • ^ BaU-lCFR
    Wenn ich deine Ausführung jetzt auf den Punkt bringe: Alle Bedürftigen wohnen künftig in 1949 bis 1962 gebauten Wohnungen?!
    Und was ist mit den teils billigeren Plattenbaubeständen von 1970 bis 1990? Oder unsanierten Gründerzeitlern? Oder Nebauten der 90er?


    Diese Aussage klingt für mich nach nicht zu Ende gedacht.
    Auch ist es Unsinn, dass "abgewohnte Wohnungen" günstiger werden würden. Wenn eine WE mal bei 9 Euro im Waldstraßenviertel kalt startet und 15 Jahre alt ist, wird sie vermutlich dann sogar 12 oder 14 Euro kosten durch allgemeinen Mietniveauanstieg und nicht auf 6 EUro kalt fallen. Das ist eine Milchmädchenrechnung, da Lage und allgemeiner Anstieg des Mietniveaus dagegen stehen.

  • Und was ist mit den teils billigeren Plattenbaubeständen von 1970 bis 1990? Oder unsanierten Gründerzeitlern? Oder Nebauten der 90er?


    Wenn sie billig sind, gehören sie selbstredend zum potentiellen Pool der Sozialwohnungen-Kandidaten. Ich glaube nicht, dass ich zum besseren Verständnis jedes Jahrgang und jeden Wohnungstyp einzeln auflisten muss.


    Bei den Neubauten habe ich kürzlich einen Artikel über 8-10 EUR/Qm als kostendeckende Miete gelesen (nach diesem heutigen Medienbericht könne kaum unter 12,00 EUR neu gebaut werden) - die Baukosten dürften bundesweit recht ähnlich sein, die Grundstückskosten dürften auch in Leipzig mittlerweile jenen einer westlichen Großstadt entsprechen. Wer soll massenweise den Unterschied zwischen gewünschtem X (5 EUR/Qm?) und 8-10-12 EUR/Qm decken? Die Stadt und das Land haben leere Kassen. Die weniger begehrten Bestandsbauten sind hingegen bereits da, abgeschrieben, auf natürliche Weise billiger.


    Angesichts des enormen Bevölkerungszuwachses von über 10.000 Menschen pro Jahr können wir nicht warten, bis die neueren Bestände irgendwann in zwanzig Jahren wieder so oll sind, dass sie eventuell günstiger werden. Wir brauchen als Stadt auch neue preisgünstige Wohnungen, da durch die Zuwanderung der Bedarf für diese insgesamt steigt und gleichzeitig durch (Nach)-Sanierungen von noch preisgünstigen Wohnungen deren Zahl sinkt


    Wenn jemand in eine (teure) Neubauwohnung zieht, macht er eine preiswertere Wohnung frei - es entstehen ganze Ketten, die am Ende sehr preiswerte Wohnungen freimachen. Leipzig braucht wie einige Metropolen mit Bevölkerungszuwachs zahlreiche Neubauprojekte, die jedoch nicht zwingend selbst Sozialwohnungen sein müssen - es reicht, wenn die in Gang gesetzten Umzugsketten preiswerte Wohnungen frei machen.
    Man braucht übrigens nicht warten - war hier nicht erst kürzlich von Leerständen in Plattenbausiedlungen die Rede?

    Einmal editiert, zuletzt von Bau-Lcfr ()

  • Die Baukosten sind im Osten immer noch deutlich geringer, da zum einen die Baulandpreise doch noch niedriger sind ( http://www.leipzig.de/bauen-un…usschuss/bodenrichtwerte/ ) und zum anderen die Handwerker immer noch deutlich weniger verdienen (und sich deswegen auch nur geringere Mieten leisten können):


    Mauer: 2377 Euro brutto im Monat im Westen im Osten 1857 Euro.
    Zimmerer: kommen im Westen auf 2353 Euro, im Osten auf 1895 Euro.
    Dachdecker: 2892 Euro gibt es monatlich im Westen, im Osten 2268 Euro.
    Tischler: 2077 Euro im Westen, 1514 Euro im Osten.
    Elektriker: verdienen durchschnittlich 2061 Euro im Westen, im Osten 1504 Euro.
    Gerüstbauer: 2226 Euro erhalten sie pro Monat im Westen, im Osten 1606 Euro.
    ...
    http://www.n-tv.de/mediathek/b…3790241.html?imageIndex=4



    Wer soll massenweise den Unterschied zwischen gewünschtem X (5 EUR/Qm?) und 8-10-12 EUR/Qm decken? Die Stadt und das Land haben leere Kassen. Die weniger begehrten Bestandsbauten sind hingegen bereits da, abgeschrieben, auf natürliche Weise billiger.


    Die Wohnungen unter 4,48 oder ca. 5 Euro/m² Kaltmiete sind nicht nur gewünscht, sondern werden benötigt. Hier kann man nicht wie ein Kind heulen, schreien und dann irgendwann weiterspielen, weil der Wunsch mal nicht in Erfüllung geht. Wer steigende Mieten nicht zahlen kann, fliegt irgendwann aus der Wohnung.


    Und wenn die Mietzuschüsse der öffentlichen Hand für Bedürftige nicht ausreichen, dann ist es ihr gutes Recht, die Städte auf eine Anpassung zu verklagen. Dieser Tage hat erst wieder das Sozialgericht Dresden in einem Urteil entschieden, dass die Deckelung der Unterkunftskosten für Hartz IV-Empfänger_innen in Riesa rechtswidrig ist. Die vom Landkreis Meißen für Empfänger_innen von Grundsicherungsleistungen ("Hartz IV") erstatteten Unterkunftskosten sind zu niedrig. Der Klägerin, einer 29-jährigen, alleinerziehende Mutter eines vier Jahre alten Jungen aus Riesa, hatte der Landkreis monatlich 321,60 Euro für die Kosten der Unterkunft bewilligt. Das Sozialgericht Dresden hat den Klägern nun Kosten in Höhe von 442,20 Euro zugesprochen ( Aktenzeichen: S 38 AS 3442/13 ).


    Dresdner Neueste Nachrichten, 20.02.2014
    Kosten der Unterkunft: Gericht stoppt Hartz-IV-Regel im Kreis Meißen
    http://www.dnn-online.de/radeb…m-Kreis-Meissen-778064815


    Ähnliche Urteile gab es in jüngster Zeit auch in Dresden ( http://www.deutsches-architekt…m/showthread.php?p=411442 ) und Leipzig ( http://www.bild.de/regional/le…eipzig-32569734.bild.html ).


    In Leipzig gab es in den Jahren 2012 und 2013 insgesamt 5879 Widersprüche von Hartz-IV-Empfänger_innen gegen die von der Stadt festgesetzten Mietgrenzen. Von diesen kamen ca. 1000 Fälle bis zur Klage. Die Verfahrenskosten betrugen gut 1 Millionen Euro, von denen die Stadt etwa ein Achtel (134 000 Euro) und sieben Achtel das Jobcenter zahlen mussten. http://www.deutsches-architekt…m/showthread.php?p=417661


    war hier nicht erst kürzlich von Leerständen in Plattenbausiedlungen die Rede?


    Ja, für Grünau reichen die aktuellen Angaben zu den Leerstandszahlen von "mehr als 4000 Wohnungen" bis zu "etwa 4500 von insgesamt 30.000 Wohnungen" ( http://www.deutsches-architekt…m/showthread.php?p=418551 ). Es dürfte sich auch hier um die Zensuszahlen von Mai 2011 handeln. Und dabei ist nicht gesagt, ob die Wohnungen alle vermietet werden und ob sie im Hinblick auf Größe und Preis innerhalb der KdU-Bemessungsgrenzen liegen.


    Über 10.000, also fast ein Drittel der rund 36.000 Wohnungen von Hartz-IV-Empfänger_innen sind größer und teurer als die aktuellen Richtwerte für die „Kosten der Unterkunft“. Können also maximal 4000, eher deutlich weniger Wohnungen in Grünau das Problem lösen?


    Und hieß es nicht, es würde in Leipzig keine Verdrängung von Geringverdiener_innen an den Stadtrand geben?


    Zum Mythos der "Umzugsketten" bzw. des "Filtereffektes" oder "Sickereffektes" möchte ich mich später noch einmal länger auslassen. Auf die Schnelle nur soviel: Die leergezogenen Wohnungen kommen nie im preiswerten Sektor an. Das sind ganz andere Segmente, in denen Wohnungen frei werden. Wer zieht schon von Grünau oder aus dem unsanierten Altbau in Volkmarsdorf nun plötzlich ins Waldstraßenviertel oder Musikviertel? Werden die alten Wohnungen der Umgezogenen dann dann neu vermietet, wird die Miete entweder ohne größere Baumaßnahmen erhöht oder die Wohnung mehr oder weniger aufwendig (nach-)saniert und dann auch entsprechend mehr Miete verlangt. Der Effekt für "sehr preiswerte Wohnungen" ist irgendwo knapp über Null oder wird maximal nach 20 Kettengliedern in 10 Jahren spürbar sein.

  • ^
    Die Umzugsketten sind in der Theorie schön, das war es dann aber meist auch. Dass das so einfach nicht funktioniert, zumindest in wachsenden Städten, wurde in der Wissenschaft bereits nachgewiesen.
    Wenn eine Wohnung frei wird, wird diese automatisch teurer, oft auch ohne Sanierung, ergo nicht preisgünstiger oder gar KdU-gerecht.

  • sozialer wohnungsbau für bedürftige funktioniert doch auch nur in der theorie.


    was passiert denn mit den mietern, wenn sie einen job finden? fliegen die dann aus der wohnung oder müssen die dann marktübliche mieten zahlen? nein. und selbst wenn solche regelungen durchsetzbar wären, wäre das eine totale fehlsteuerung: wo bliebe denn da der anreiz, sich arbeit zu suchen?


    in westdeutschen großstädten gab's in den 70ern massiven sozialen wohnungsbau. eine generation später lag die "fehlbelegungsquote" in solchen quartieren bei bis zu 80%. auf diese weise wurde ein haufen steuergeld für leute verbrannt, die gar nicht bedürftig waren. gleichzeitig war es für private investoren zu wenig lukrativ, neue wohnungen zu errichten oder bestandswohnungen stetig zu modernisieren. das ende des liedes ist bekannt: wohnungsknappheit in allen segmenten und jetzt dazu noch finanzielle schieflagen bei kommunen und deren wohnungsgesellschaften.
    geld futsch und kein problem gelöst - es gibt keinen grund, diesen fehler zu wiederholen.


    es bleibt dabei: die beste sozialpolitik ist wirtschaftsförderung. statt beispielsweise für 50 millionen 500 sozialwohnungen zu bauen, ist es allemal besser, mit dieser summe die werkserweiterung von porsche zu subventionieren. dadurch entstanden 1500 neue jobs. diese leute können jetzt ihre mieten selbst bezahlen. und die mehreinnahmen aus der gewerbesteuer werden gebraucht, um tatsächlich bedürftigen überhaupt ihre mieten bezahlen zu können.


    zusammengefasst: das ziel kann nicht sein, dass sich möglichst viele leute in möglichst tollen wohnungen in möglichst schönen wohngegenden ihre mieten subventionieren lassen. sondern das ziel sollte sein, dass möglichst viele leute ihre mieten selbst bezahlen können. sozialer wohnungsbau ist kein mittel, um dieses ziel zu erreichen.

  • Wenn eine Wohnung frei wird, wird diese automatisch teurer, oft auch ohne Sanierung, ergo nicht preisgünstiger oder gar KdU-gerecht.


    Selbst wenn die öffentliche Hand bei einer Gebrauchtwohnung den Unterschied zwischen der Marktmiete und KdU decken sollte, wäre dies immer noch preiswerter als der Unterschied zwischen KdU und den Kosten einer brandneuen Sozialwohnung. Was der Vorredner mit Fehlbelegung schrieb, stimmt ebenso (selbst die eher symbolische sog. Fehlbelegungsabgabe macht die Sache nicht wirtschaftlich - wie ich in der Wikipedia sehe, in vielen Bundesländern wurde sie sogar abgeschafft) - auch wenn ich daraus keinesfalls ableiten würde, Porsche noch ein neues Werk zu sponsern.

  • zusammengefasst: das ziel kann nicht sein, dass sich möglichst viele leute in möglichst tollen wohnungen in möglichst schönen wohngegenden ihre mieten subventionieren lassen. sondern das ziel sollte sein, dass möglichst viele leute ihre mieten selbst bezahlen können. sozialer wohnungsbau ist kein mittel, um dieses ziel zu erreichen.


    Besser hätte ich es auch nicht formulieren können. Ich hatte weiter oben bereits erwähnt, dass ich die diskussion hier für unausgewogen halte weil wir nur das "unten" der Gesellschaft diskutieren, gesamtwirtschaftliche Zusammenhänge aber ausser Acht gelassen werden. Sozialwohnungsbau halte ich für eine historisch belegte Fehlallokation von Geldern. Diese müssen ihrerseits von zahlenden, arbeitenden Teilen der Gesellschaft erwirtschaftet werden und so wie hier stellenweise argumentiert wird, ist das nicht mehr bezahlbar. Ich halte es für klüger, durch eine durchdachte Wirtschaftsförderung die Einkommen generell zu steigern und somit Mieten bezahlbar zu machen. Die Welt wird schließlich nicht gerechter, wenn alle etwas ärmer bleiben. Auch spricht daraus ein gefährlicher Gleichheitsfetischismus. Es wird immer Arm und Reich geben, auch im krassen Gegensatz zueinander. Versuche, diese Unterschiede einzuebenem finden jährlich in Deutschland zu Hunderten von Staatsseite statt - alimentiert mit weit über 100 Mrd. EUR. Dennoch wird beklagt, dass es zunehmend ungerecht in der Gesellschaft zugehe. Die Herren LE Mon. Hist. und Altbaufan machen sich gerade in diesem Punkt lauthals verdient. Sehe ich diese Versuche, kann ich eigentlich nur die breite Wirkungslosigkeit und das großflächige Scheitern dieser Maßnahmen einräumen. Es folgt der gefährliche Trugschluss: Wir brauchen "Mehr": mehr Sozialwohnungen, höhere KdU-Sätze, mehr Geld bei der Öffentlichen Hand, mehr Regulierung und so weiter. Ich für meinen Teil setze mich seit langem für eine Rückführung der öffentlichen Zuwendungen in den Wohnungsbausektor ein.


    Kann mir jemand der anwesenden Herren einmal darlegen, welche positiven Effekte die derzeitigen bereits bestehenden Programme im Vergleich zu ihrer Abwesenheit zeitigen? Gern am Beispiel Leipzigs, damit es anschaulich wird. Der Grenznutzen weiterer Unterstützungsleistungen ist doch sehr gering aus meiner Sicht und eher sollte man das Angebot und Nachfrage regeln lassen.

  • Entschuldigung, aber die hinter solchen Äußerungen stehende, in meinen Augen im Wortsinne asoziale ( http://de.wikipedia.org/wiki/Asozialit%C3%A4t ; http://www.spiegel.de/wirtscha…en-menschen-a-887045.html ) Grundhaltung widert mich an.


    Eine aktuelle Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) hat ergeben, dass nirgendwo in der EU das Vermögen so ungleich verteilt ist wie in Deutschland. Gut ein Fünftel aller Erwachsenen in Deutschland verfügt über kein persönliches Vermögen. Bei sieben Prozent waren die Schulden sogar höher als das Bruttovermögen. Insgesamt habe sich bei den 30 Prozent Einkommensschwächsten das Vermögen in diesem Zeitraum nicht verändert, die Arbeitslosen haben als einzige soziale Gruppe in den vergangenen zehn Jahren sogar signifikant an Vermögen eingebüßt.


    Dagegen konnten die oberen Einkommensgruppen zwischen 2002 und 2012 "ihren Vermögensbestand weiter ausbauen". "Es kann vermutet werden, dass es in den vergangenen zehn Jahren zu einem Anstieg der Vermögensungleichheit gekommen ist, da (...) die Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen im Vergleich zu den Arbeitnehmerentgelten überdurchschnittlich gestiegen sind".


    Pressemitteilung DIW Berlin, 26.02.2014
    Vermögen in Deutschland: Durchschnittlich 83.000 Euro für jeden - aber höchst ungleich verteilt
    https://www.diw.de/de/diw_01.c…st_ungleich_verteilt.html


    Süddeutsche Zeitung, 26. Februar 2014
    Vermögensschere in Deutschland
    Arme bleiben arm, Reiche werden reicher
    http://www.sueddeutsche.de/wir…-werden-reicher-1.1898685


    Die Versuche, diese Entwicklungen zumindest ein wenig abzupuffern und auch den Ärmeren und Chancenlosen ein halbwegs lebenswertes Leben zu ermöglichen, werden als "gefährlicher Gleichheitsfetischismus" diskreditiert. Warum zitiert ihr nicht gleich den bekannten Spruch von Marie Antoinette, den sie nie getan hat: »S'ils n'ont pas de pain, qu'ils mangent de la brioche«?


    Aber es bringt tatsächlich nichts, wenn wir das jetzt diskutieren. Wir werden uns da nicht annähern, denn wir haben ganz offenbar ein fundamental anderes Verständnis von Gesellschaft und von Solidarität. Und diese Diskussion würde endgültig die Grenzen eines Architektur-Forums sprengen. Daher werde ich versuchen, mich auf die Aussagen zum Wohnungsbau zu konzentrieren.



    es bleibt dabei: die beste sozialpolitik ist wirtschaftsförderung. statt beispielsweise für 50 millionen 500 sozialwohnungen zu bauen, ist es allemal besser, mit dieser summe die werkserweiterung von porsche zu subventionieren. dadurch entstanden 1500 neue jobs. diese leute können jetzt ihre mieten selbst bezahlen. und die mehreinnahmen aus der gewerbesteuer werden gebraucht, um tatsächlich bedürftigen überhaupt ihre mieten bezahlen zu können.


    Wir könnten jetzt erst mal ins Detail gehen und fragen, ob Porsche für die jüngste Erweiterung seines Werkes "nur" 44 Millionen Euro staatliche Subvention eingestrichen hat oder ob es nicht doch deutlich mehr waren. Teilweise war auch schon von bis zu 100 Millionen Euro Fördergeld die Rede ( http://www.mdr.de/sachsen/chemnitz/steuerzahlerbund108.html ). Wir könnten auch fragen, wo Porsche nach der Übernahme durch VW seine Gewerbesteuer abführt bzw. wieviel davon statt in Leipzig in Wolfsburg landet ( http://www.stuttgarter-nachric…2e-8019-7658b0965097.html ; http://www.waz-online.de/Wolfs…en-Steuern-fuer-Wolfsburg ). Aber auch damit würden wir wieder abschweifen. Also lassen wir es lieber.


    Vielmehr soll es mir die Milchmädchenrechnung von dj tinitus gehen. Es ist die selbe falsche Grundannahme wie bei der Sickertheorie der exklusiven Neubauwohnungen. Eine wachsende Stadt ist kein geschlossenes System miteinander kommunizierender Röhren. Wenn ich irgendwo Wasser reingebe oder abpumpe, kann es sein, dass es woanders gar keine Effekte gibt, weil es Filter gibt oder Unterbrechungen im System, weil das Wasser nur in eine Richtung laufen kann oder ganz still steht.


    Porsche hat für seine Werkserweiterung rund 1000 Produktionsarbeiter vom Karosseriebauer bis zum Lackierer und etwa 400 Planungsingenieure eingestellt bzw. wird sie bis Jahresende 2014 noch einstellen. Doch sind unter diesen nur einen relativ geringer Teil zuvor schon in Leipzig lebende Arbeitslose. Unter denen mit als ersten rekrutierten Mitarbeitern sind von der Werkschließung in Bochum betroffene Opel-Mitarbeiter, die die entsprechenden Qualifizierungen bereits mitbrachten. Porsche hat z.B. ein komplettes Opel-Team für seine neue Lackiererei in Leipzig übernommen. Mitte März 2013 hatte Porsche die Stellensuche die begonnen und erhielt daraufhin eine Flut von Bewerbungen aus ganz Deutschland sowie anderen europäischen Ländern. Bis Ende April hatten sich 32.000 Interessenten gemeldet. Ingesamt bewarben sich mehr als 50 000 Menschen um einen Arbeitsplatz bei Porsche, die Mehrzahl aus Deutschland, darunter auch einige, die nach der Wende in den Westen gegangen waren und nun zurückkehren. Es habe aber auch Bewerber aus Polen, Portugal oder Spanien gegeben ( http://m.stuttgarter-zeitung.d…58-b734-1aa65e68c9b6.html ). Wir weisen ja alle immer wider gern darauf hin, dass 2012 und 2013 jeweils 10.000 Menschen nach Leipzig gezogen sind. Darunter sind sicherlich auch neue viele Beschäftigte von Porsche.


    Ich will auf keinen Fall mißverstanden werden. Mit geht es nicht um "Einheimische zuerst!" oder "Die sind doch gar keine richtigen Leipziger und werden es auch nie!". Von mir aus kann jeder Mensch gern nach Leipzig kommen, um hier zu leben und zu arbeiten oder zu studieren oder was auch immer. Ich bin ja selbst auch ein Zugezogener.


    Aber neue, z.T. hochspezialisierte Arbeitsplätze etwa bei Porsche haben so gut wie keinen Einfluß auf die Einkommen von Arbeitslosen und Geringverdienerinnen und ihre Wohnungssituation. Die nach Leipzig zuziehenden (Porsche)-Mitarbeiter_innen steigern die Nachfrage im geringen Maße im gehobenen und in erster Linie im mittleren Segment. Einige von ihnen verdienen vielleicht nicht mal dafür gut genug, so dass sie auch die im preisgünstigen Segment suchen.


    Bei einer Sache sind wir allerdings nicht so weit von einander entfernt. Sozialen Wohnungsbau in der herkömmlichen Form halte ich ebenso für wenig zielführend, wenn auch aus anderen Gründen. Können wir an der Stelle mit der Diskussion fortsetzen?


    Wie können auch künftig in größerer Zahl benötigte Wohnungen unterhalb des Mietdurchschnitts erhalten und/oder neu geschaffen werden?

    Einmal editiert, zuletzt von LE Mon. hist. () aus folgendem Grund: Rechtschreibung korrigiert

  • Und ich zitiere nochmal von oben "Eine aktuelle Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) hat erheben, dass nirgendwo in der EU das Vermögen so ungleich verteilt ist wie in Deutschland. Gut ein Fünftel (20%!) aller Erwachsenen in Deutschland verfügt über kein persönliches Vermögen." In Leipzig sind das wohl noch deutlich mehr.
    Das DIW ist ganz gewiss keine der "LINKEn" nahestehende Einrichtung und verbreitet also keine "Pro Sozialstaat Propaganda"...


    Wer investiert denn in Altbau und Neubau (Kauf)? Richtig, die, die genug Geld haben und nicht wissen, wohin damit und dann auch noch ordentlich Rendite von 5 oderr 6% erwarten und dann jammern, wenn es nur 2% werden, weil die Bauträger zu viel versprochen haben. Das sind aber die wenigsten. Selbst viele Mittelständler aus der Region können sich Kaufpreise von über 3.500 Euro in Leipzig kaum leisten, ca. 90% der Käufer sind Leute aus den westl. Bundesländern. Bei den Neuvermietungen ist es dann genauso, ich erlebe es SEHR oft, dass die Neumieter dann aus München, Hamburg etc. stammen und meinen, die Mietpreise seien ja hier noch billig. Mag sein, aber eben nur im Vergleich zu M oder HH. Die Mehrheit kann sich kaum mehr als 6 Euro kalt leisten, weil es das Einkommen schlicht nicht hergibt. Dieses Angebot schrumpft aber und die Mietbelastungsquote steigt bei vielen auf ungesunde 35 bis 45%.

    Einmal editiert, zuletzt von Altbaufan_ ()

  • Entschuldigung, aber die hinter solchen Äußerungen stehende, in meinen Augen im Wortsinne asoziale ( http://de.wikipedia.org/wiki/Asozialit%C3%A4t ; http://www.spiegel.de/wirtscha…en-menschen-a-887045.html ) Grundhaltung widert mich an.


    Mit Beleidugungen als "Asoziale" um sich werfen ist ein Zeichen überlegener Sozialkompetenz?


    Wie können auch künftig in größerer Zahl benötigte Wohnungen unterhalb des Mietdurchschnitts erhalten und/oder neu geschaffen werden?


    Neu erschaffene sind per se teurer als der Durchschnitt. Die Kosten könnte man u.U. senken - interessant übrigens, dass jene, die billige Wohnungen haben wollen, meist gerne nach möglichst hohen Baulöhnen rufen. Dann gibt es noch diverse Vorschriften - ich konnte z.B. mal in einer PM aus dem Ruhrgebiet nicht verstehen, wieso neu gebaute Sozialwohnungen für jede einen Stellplatz (für fünfstellige Kosten pro Stück) haben müssen - normalerweise gehört ein Auto kaum zu KdU.


    Wer sagt, dass die subventionierten Wohnungen gut und toll und gehoben ausgestattet sein sollen?!?


    Neubau ist stets viel gehobener und teurer als gebrauchte Altbauten (wenn sie nicht gerade eben komplett saniert wurden). Ich glaube übrigens nicht, dass meine Solidarität so weit gehen muss, auf Amt einem etwas zu gönnen, was ich mir selbst in eher heruntergekommenen, aber billigen Wohnung nicht gönne.

  • Oh je, offenbar bin ich hier jemandem persönlich zu nahe getreten. Das war nicht meine Absicht, lustig welche Textschwälle das gleich auslöst.


    Dennoch hat aus meiner Sicht, die Gleich- oder Ungleichverteilung von Vermögen nichts mit der Wohnsituation zu tun. Vermögen und Preise haben erstmal recht wenig mit einander zu tun. Wenn einer verschuldet ist, dann ist das doch nicht die Bürde der Allgemeinheit. Auch muss hier niemand gleich das Wort "asozial" im Munde führen. Was das ist, weiss ich, das brauche ich mir nicht von jemandem definieren lassen, der kommunenhafte Altbau-Subbotniks mit Immobilienwirtschaft verwechselt :D. Sich hier als Moralapostel und Gesellschaftsbeglücker geben, bei der leisesten Kritik wird aber gleich ganz intolerant lösgepöbelt. Sehr unfeine Manieren.


    Nein, meine Frage war auch eine ganz andere, die in dem reflexhaften Gezeter untergegangen ist. Ich möchte sie aber nicht ausblenden sondern erneut zur Diskussion stellen: Welchen meßbaren Effekt haben die vorgeschlagenen und bereits bestehenden Maßnahmen zur Beschaffung billigen Wohnraums? Lässt sich das nicht messen, ist das in meinen Augen Ideologie und keine Ökonomie. Extrem gesprochen: dann kann man die Förderei auch sein lassen bei gleichem Marktergebnis und hätte freie Mittel um entweder Bürger zu entlasten oder in die weitere wirtschaftliche Expansion der Stadt Leipzig zu investieren.

  • Welche Maßnahmen zur Beschaffung billigen Wohnraums bestehen in Leipzig bereits? Um ihre Effektivität einschätzen zu können, würde ich gern wissen, welche gemeint sind.

  • -Höhe des KdU-Satzes. Was bringt dieser heute an Lenkungswirkung?
    -Die Existenz der quasi-öffentlichen LWB. Welche Steuerwirkung hat sie? Hat sie überhaupt eine?


    Zukünftig: Mietpreisbremse

  • Zur LWB liegen mir leider nur Presseberichte über die Geschäftsbilanz 2012 vor, nicht aber die Bilanz selbst. Die nach meiner Kenntnis letzte veröffentlichte Bilanz ist die von 2011: http://www.lwb.de/unternehmen/die-lwb/zahlen-und-fakten.


    Im Juni 2013 sagte Dr. Gabriele Haase, die als Geschäftsführerin der LWB direkt für die Wohnungsbestände zuständig ist, im Zusammenhang mit der Reduzierung des Bestandes von 46.412 Wohnungen im Jahr 2007 durch Abriß und Verkäufe von 6.500 Wohnungen: "Aber wir haben noch immer 10 Prozent des Leipziger Wohnungsbestandes." Von den verbliebenen 35.551 Wohnungen (etwas über 1.000 standen 2012 noch zur Verwertung), stellt die LWB rund 11.000 zu Konditionen zur Verfügung, die sich auch Empfänger von KdU (Kosten der Unterkunft) leisten können. "Zu 7.000 hat uns die Stadt verpflichtet", so Haase.


    L-IZ, 22.06.2013
    Leipziger Wohnungsunternehmen: LWB schafft 2012 zum zweiten Mal ein Plus in der Bilanz
    http://www.l-iz.de/Wirtschaft/…012-LWB-Bilanz-49282.html


    Im Stadtrat wurden am 24.08.2011 die neuen Eigentümerziele beschlossen:
    http://notes.leipzig.de/appl/l…6438609B5C1257873002F6C71


    Leider wird es nun etwas etwas chaotisch, da über einzelne Änderungen auch einzeln abgestimmt wurde und mir nicht bekannt ist, dass das endgültig beschlossene Dokument danach veröffentlicht wurde.



    Die ursprünglich vorgeschlagene Festlegung auf den Erhalt und die Bereitstellung von stadtweit preiswertem Wohnraum in allen Wohnungsgrößen im Umfang von ca. 20.000 Wohnungen wurde auf Antrag der CDU-Fraktion geändert. Begründung: Die von der Verwaltung vorgeschlagene Zahl von 20.000 Wohnungen bietet zu wenig Flexibilität. Die LWB muss in der Lage sein, auf Veränderungen am Wohnungsmarkt und in der Sozialstruktur reagieren zu können. Daher ist eine flexiblen Prozentzahl, die sich am Marktanteil der LWB orientiert, der Festlegung einer absoluten Wohnungsanzahl vorzuziehen.



    Noch mal herausgezogen der Punkt 1.1.1


    Die LWB wird hierfür mindestens einen Anteil einkommensschwacher Haushalte mit vergleichsweise preiswertem Wohnraum versorgen, der dem zweifachen ihres Marktanteiles entspricht (gemessen an der Gesamtzahl der Leipziger Haushalte).
    Als preiswerte Wohnraum gelten Wohnungen bis zu einem Mietzins gemäß der jeweiligen KdU-Richtlinie zuzüglich 10%.


    Die Gesamtzahl der Leipziger Haushalte aktuell ist mir nicht bekannt. Bei 539.348 Einwohner_innen nach der kommunalen Zählung Ende 2013 und einer durchschnittlichen Haushaltsgröße von 1,78 Personen müßten wir bei etwa 303.000 Haushalten liegen. Bei einem Kernbestand von etwa 35.000 Wohnungen liegt der Marktanteil der LWB bei 11,6%. Sie müßte also 23 % ihrer Wohnungen zu einem Mietzins gemäß der jeweiligen KdU-Richtlinie zuzüglich 10% (4,93 Euro/m² Kaltmiete) anbieten, das wären 8050 Wohnungen.


    Zur Zahl der Haushalte und Personen, für die die Bemessungsgrenzen der KdU in besonderer Weise relevant sind.


    Nun schon mehrfach in den letzten Tagen wurde die Zahl von 39.100 "hilfsbedürftigen Haushalten" genannt, davon 82 Prozent 1- oder 2-Personen-Haushalte. Offenbar umfaßt es aber nur "die Leistungsberechtigten auf Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II". http://notes.leipzig.de/appl/laura/wp5/kais02.nsf/docid/5EE03FA5BEF0FA84C1257C5C0028951F/$FILE/V-ds-3553-text.pdf


    Stadtrat Tino Bucksch, arbeitsmarktpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, nannte bei der Ratsversammlung am 11. Dezember 2013 diese Zahlen. "Wir haben ca. 72.000 Leistungsempfänger im SGB II-Bereich, ca. 43.000 Bedarfsgemeinschaften, ca. 54.000 ALG II-Empfänger, ca. 32.000 Aufstocker und ca. 22.000 Arbeitslose im SGB II."
    http://www.spd-fraktion-leipzi…pzig-engelsdorf-2014.html


    Der Widerspruch zwischen den 39.100 Haushalten laut Fabian und 43.000 Bedarfsgemeinschaften laut Buksch erklärt sich dadurch, dass in dem "Bericht zur jährlichen Überprüfung der Höhe der Kosten der Unterkunft und Heizung 2013" nur Fälle mit Miete betrachtet. Daher umfasst die Auswertung ca. 90% aller Bedarfsgemeinschaften.


    Die Arbeitsagentur Leipzig teilte mit, dass im Februar 2014 30.650 (Vormonat 30.535) Männer und Frauen in der Stadt Leipzig arbeitslos waren, davon 7.290 Menschen im Rechtskreis SGB III (Arbeitslosengeld I) und 23.360 Menschen im Rechtskreis SGB II (ALG II). Im Februar waren es 43.480 Bedarfsgemeinschaften ( http://de.wikipedia.org/wiki/Bedarfsgemeinschaft ).
    http://www.l-iz.de/Politik/Kas…r-Arbeitsmarkt-54023.html


    Wenn es im SGB II-Bereich 72.000 Leistungsempfänger_innen gibt, von denen 23.360 erwerbsfähige Leistungsberechtigte (ALG II) sind, dann bekommen 48.640 Menschen Sozialgeld nach § 19 Abs. 1 Satz 2 SGB II. Dies ist die Fürsorgeleistung für hilfebedürftige Personen, die nicht erwerbsfähig sind – und somit keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld II haben -, die aber mit einer erwerbsfähigen Person in einer Bedarfsgemeinschaft im Sinne des § 7 Abs. 3 SGB II leben, die selbst dem Grunde nach ALG II beanspruchen kann ( http://de.wikipedia.org/wiki/Sozialgeld).


    Hinzukommen müßten ja auch noch die Menschen "im Rechtskreis des Sozialgesetzbuches XII", also die die klassische Sozialhilfe bzw. "Hilfe zum Lebensunterhalt (laufende Sozialhilfe zur Sicherung des soziokulturellen Existenzminimums), (§§ 27 – 40 SGB-XII)" beziehen bzw. die "Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (laufende Sozialhilfe für Menschen ab 65 Jahren sowie für dauerhaft voll Erwerbsgeminderte zwischen 18 und 65 Jahren) (§§ 41–46 SGB-XII).
    http://de.wikipedia.org/wiki/Z…tes_Buch_Sozialgesetzbuch

  • Immobilienwirtschaft: Die Mietpreisbremse ist ein zahnloser Tiger


    Zukünftig: Mietpreisbremse


    1.) Ich halte sie in dem Zusammenhang mit preisgünstigen Wohnen für wenig hilfreich. Hier kann ich mal wieder auf Andrej Holm verweisen, der auf die Frage der taz, ob die Mietbremse gegen die Vertreibung von ärmeren Gesellschaftsschichten aus den Innenstädten hilft, antwortete: "Nicht wirklich. Eine Deckelung knapp über dem Mietspiegel nützt den Mittelschichten, aber nicht den Armen. Geringverdiener brauchen Mieten unter dem Mietspiegel. Das hat die Mietpreisbremse nicht zu bieten."


    taz, 4.12.2013
    Stadtsoziologe über die Mietpreisbremse
    „Eigentümer werden Wege finden“
    http://www.taz.de/!128743/


    Ganz ähnlich schätzen es - abseits vom lauten Weinen und Klagen der Verbände - auch Vertreter der Immobilienwirtschaft ein. Als ein Beispiel sei Michael Kiefer zu nennen, Chefanalyst bei Immobilienscout24, öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Immobilienbewertung und Mitglied der Royal Institution of Chartered Surveyors (Frics). Seit Februar 2013 ist er zudem Mitglied im Rat der Weisen der Immobilienwirtschaft. Er meint in einer Kolumne in Cash online : Profitieren werden vor allem die Besserverdienenden, die jetzt in den besten Standorten der Stadt keine Mieterhöhung mehr zu befürchten haben.


    Cash online, 20. Februar 2014
    Die Mietpreisbremse kommt – Droht der “Kuba-Effekt” am Mietmarkt?
    http://www.cash-online.de/immobilien/2014/mietspiegel/169777

    2.) Andrej Holm hat weiterhin schon daraufhingewiesen, dass die Eigentümer ihre Wege für das Geschäft mit den Wohnungen finden werden. Interessanterweise stossen Vertreter der Immobilienwirtschaft in genau das gleiche Horn, zum Teil kursieren auch schon konkrete Tipps. Auch hierzu wieder Kiefer: Auch der Vermieter wird versucht sein, über andere Wege Zusatzeinnahmen zu generieren.


    In München und anderswo werden schon jetzt immer mehr Staffelmieten oder Indexmieten vereinbart, um den Mietspiegel oder mit entsprechenden Staffelmieten künftig auch die Kappungsgrenze auszuhebeln:


    Abendzeitung München, 02.02.2014
    Indexmiete: "Legal aber nicht gerecht"
    Vermieter hebeln Mietspiegel aus
    http://www.abendzeitung-muench…c6-a472-48d8beac453e.html


    Eine andere Taktik sind Zeitmietverträge, auch wenn sie meist rechtlich gar nicht mehr zulässig sind:


    Bayerische Staatszeitung, 08.11.2013
    Mietpreisbremse ohne Wirkung
    Immobilienbesitzer im Freistaat versuchen mit Tricks, die neue Mietpreisbremse zu umgehen – in den schwarz-roten Koalitionsgesprächen wird jetzt nach Lösungen gesucht
    http://www.bayerische-staatsze…sbremse-ohne-wirkung.html

    Und in Ballungsräumen schon jetzt immer üblicher sind absurd hohe Abstandszahlen etwa für alte Einbauküchen oder sonstige Einbauten - im Moment eher noch, um die Maklercourtage wieder reinzuholen. Aber da ist noch mehr in der Trickkiste:


    WDR 1, 2.2.2014
    Fakten zur geplanten Mietpreisbremse:
    Tipps zur Wohnungssuche ohne Makler
    http://www1.wdr.de/fernsehen/a…wohnungohnemakler100.html


    3.) Die Kappungsgrenze bei den Bestandsmieten wird in ihrer Wirksamkeit möglicherweise überschätzt. Die Welt zitiert den ungenannten Manager einer Wohnungsgesellschaft: "Auch in der Vergangenheit sind die Mieten in mindestens 95 Prozent aller Quartiere in geringerem Umfang gestiegen, als die neue Gesetzesregelung zulässt.". Günter Vornholz, Professor für Immobilienökonomie an der EBZ Business School in Bochum, meint: "Die Mietpreisbremse schränkt die Wohnungsunternehmen [und die privaten Vermieter] faktisch in ihrem Geschäft nicht ein. [...] Selbst in den begehrten Großstadtquartieren, in denen die Nachfrage das Wohnungsangebot übersteigt, werden Eigentümer auch weiterhin die Mieten anheben können."
    Georg Kanders, Immobilienaktienanalyst beim Bankhaus Lampe, sieht es ähnlich: "Die Mietpreisbremse wird auf absehbare Zeit keinerlei negativen Effekt auf die Gewinne der Unternehmen haben." Und derselben Ansicht ist JP-Morgan-Analyst Tim Leckie: "Deutsche Wohnungsgesellschaften werden auch weiterhin ihre Gewinne oberhalb der Inflationsrate steigern können."


    Die Welt, 22.02.14
    Immobilienwirtschaft
    Die Mietpreisbremse ist ein zahnloser Tiger
    http://www.welt.de/finanzen/ar…-ein-zahnloser-Tiger.html


    4.) Leipzig liegt im Freistaat Sachsen. Die Einführung der Kappungsgrenze ist Ländersache. Der sächsische Innenminister Markus Ulbig (CDU) wurde am 09.08.2013 in einem Interview im Deutschlandfunk gefragt:


    Müller: Wenn die Mieten, Herr Ulbig, dann doch steigen sollten, kann man mit Ihnen denn darüber reden, dann zu sagen, dann müssen wir die Mietsteigerungen, die Mietpreise begrenzen?


    Ulbig: Das ist eine Sache, die natürlich von uns beobachtet wird. Wir haben gerade in Sachsen bei unseren ungefähr 450 Städten und Gemeinden eine Abfrage gestartet, wer braucht denn eine solche Verordnung, wo die Mietpreisobergrenze gekappt wird, und auch da ist herausgekommen, dass in Sachsen die drei Städte, Dresden, Leipzig und Chemnitz, derzeit beobachten, ob sie in Zukunft eine solche Verordnung brauchen. Im Moment wird das noch nicht als erforderlich angesehen.


    Deutschlandfunk, 09.08.2013
    Ulbig: Geld für sozialen Wohnungsbau wird nicht zweckentfremdet
    Sachsens Innenminister wehrt sich gegen Kritik von Bundesbauminister Ramsauer
    Markus Ulbig im Gespräch mit Dirk Müller
    http://www.deutschlandfunk.de/…ml?dram:article_id=257246


    Auf der zehnten Chemnitzer Baumesse Anfang Februar sang er lauthals die neue Hymne der Immobilienwirtschaft: „Bauen statt Bremse – unsere Antwort auf die Mietpreisentwicklung. Nur wer Angebote schafft, hilft den Menschen in Dresden und Leipzig langfristig."


    PM, 07.02.2014
    Sachsen fördert Wohnungsbau und energetische Sanierung
    Ulbig: „Bauen statt Bremse“
    Besuch der Baumesse Chemnitz
    http://www.medienservice.sachsen.de/medien/news/189999


    Und in dieser Woche hat Ulbig nun das wohnungspolitische Konzept der Regierung vorgelegt. Auch in diesem Papier sieht er keine Notwendigkeit für Kappungsgrenzen bei Mieten. Stattdessen sollen Förderprogramme für Wohneigentum und Sanierungen, die dann sinkende Energie- und Heizkosten bewirken, für Abhilfe sorgen.


    Auch sollen keine weiteren Sozialwohnungen mit Belegungsrechten und Mietpreisbindung im Freistaat. „Wir haben ausreichend preiswerten Wohnraum“, sagte Ulbig und regte andere Hilfen für Einkommensschwache an. Wohngeldempfänger sollen durch eine Änderung auf Bundesebene wieder einen Heizkostenzuschuss erhalten.


    PM, 04.03.2014
    Wohnen sozial und vernünftig fördern
    Ulbig: „Ausreichend Wohnungen für jeden Anspruch“
    http://www.medienservice.sachsen.de/medien/news/190551


    Sächsische Zeitung, 05.03.2014
    1.500 altengerechte Wohnungen pro Jahr
    Das Land will barrierefreies Bauen weiter fördern. Kappungsgrenzen bei Mieten sind nicht geplant.
    http://www.sz-online.de/sachse…gen-pro-jahr-2788845.html


    Ist es unter diesen politischen Rahmenbedingungen sinnvoll, über die theoretische Auswirkung einer Kappungsgrenze für Bestandsmieten in Leipzig zu diskutieren?