BMBF-Neubau am Kapelle-Ufer [realisiert]

  • "Elegant". Das muss man sich merken. Wir zitieren heute ja auch aus den 1960er Jahren die skurrilsten Meinung von Zeitgenossen.


    Bitte, merke es Dir und zitiere es anno 2030 Deinen Enkeln als Ausgeburt eines besonders krankhaften Modernisten-Gehirns. Kann ich mit leben...


    Womit ich, wie gesagt, das BMBF als Haus meine. Dass ich das Kapelle-Ufer nebst weiter Teile des Regierungs- und Bahnhofsviertels für eine städtebaulich tote Zone halte, habe ich hier schon mehrfach geschrieben.

  • ...oder aber zumindest einen recht unterentwickelten demokratischen Abgrenzungswillen bezüglich speersch-lebloser Gigantomaniemaßstäbe.


    Tristesse pur. Da wäre ja sogar der Libeskind´sche Dekonstruktivismus lebendiger.


    Wenn ich das Kapelleufer sehe, dann lobe ich mir "mein" Hohenzollernschloss! :lach:
    Man stelle sich vor: Soetwas wäre auf dem Schloßplatz entstanden! :nono:

  • Ich vermute, dass das ähnlich skurril wird wie dieses Blatt aus den 1970ern...


    Scherz beiseite: Dir ist schon klar, dass so etwas mit meiner Haltung nichts zu tun hat, ja? Und was ist das für ein absurder Vergleich – das BMBF wurde auf einer Brache errichtet; es ist kein umgebauter wilhelminischer Altbau. Wieso also ziehst Du diese Entstuckungsbildchen heran? Propaganda? Lass' mal bitte solche Bullshit-Beispiele bleiben und halte Dich an den Gegenstand! Merci.

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    Konstantin kann hier schlicht Privation und Negation nicht voneinander unterscheiden, was tief blicken lässt: Offenbar nimmt er die gesamte moderne Architektur nur als einen hundert Jahre währenden Entstuckungsalptraum oder eine stuckfreie Anomalie wahr. Das ist so, als ob jemand in Autos nur pferdelose Kutschen sehen kann und folglich denkt, ihnen fehlte etwas.


    Zur Sache: Ich muss sagen, dass ich nicht nur das BMBF recht elegant finde, sondern auch dem gesamten Kappelle-Ufer einiges abgewinnen kann, nicht trotz, sondern wegen der gewissen strengen und abweisenden "Unlebendigkeit". Lebendigkeit ist sicher wichtig und erstrebenswert, aber sie scheint mir eine heute überschätzte architektonisch-städtebauliche Kategorie zu sein. Nicht alle Bereiche einer Stadt müssen gleichermaßen "lebendig" sein, wo man abends ausgehen und ein Bierchen trinken gehen können muss.

  • stimmt...ist ja nur das Zentrum der Hauptstadt des bevölkerungsreichsten Landes Europas. In diesem Bereich stören Menschen nur! Lebendigkeit wird überschätzt :D


    In diesem Sinne ein Hoch auf die hier errichteten abweisenden Rasterkisten, die jede Urbanität zerstören!


    *Ironie off

  • ^ Ja, genau das bestätigt mein Eindruck der Überschätzung: Jede Relativierung oder Einschränkung der ubiquitären Geltung dieser Kategorie wird mit in Ironie verkleidetem blankem Unverständnis quittiert. Auffallend ist v.a. die dabei stets erfolgende implizite Gleichsetzung von "Lebendigkeit" und "Urbanität", als ob es sich von selbst verstünde, dass es sich um das Gleiche handelte.


    Dabei sind "Urbanität" und "Lebendigkeit" nicht gleichzusetzen. Auch im Dschungel geht es höchst "lebendig" zu, oder im Affengehege, ohne dass man behaupten wollte, dies seien urbane Orte par excellence. Urbanität bedeutete ursprünglich (siehe Wikipedia) "verfeinerte Eleganz des Stils, den subtilen, distanzierten Witz, den schlagenden, pikanten Ausdruck."


    In diesem Sinne kann die Architektur am Kapelle-Ufer sogar als "urban" bezeichnet werden, nämlich als (relativ) elegant und zurückhaltend, "subtil distanziert". Ich will hier diese Archtektur nicht überschätzen oder verklären, und gewiss ist der heutige Begriff der "Urbanität" reicher, aber vielleicht sollte man sich einmal die Mühe machen, diesen Begriff für sich zu klären, denn sonst landet man, siehe DickesB, bei unterkomplexen und unbefriedigenden Gleichsetzungen von Urbanität und einer vollkommen unbestimmt bleibenden "Lebendigkeit".

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    Sorry, aber da muss ich jetzt mal das Wort für DickesB ergreifen.


    In einem Architektur Forum, in dem es jeden Tag über die Attraktivität von europäischen Stadtstrukturen geht, weiß eigentlich jeder genau was gemeint ist.


    Wir wollen das ganze ja nicht hier an dieser Stelle wissenschaftlich abgrenzen - wir reden hier unter interessierten Personen die sich mit Stadtentwicklung und Architektur beschäftigen.


    Sinnloses Vollzitat gelöscht.
    Bato

  • Es werden hier leider viel zu viele Erwartungen und Wünsche an die Berliner Architektur gestellt. Sie soll zuallererst "schön" sein. Was nicht für alle gelingen kann, da Schönheit ja relativ ist. Dann soll sie Lebendigkeit und Urabanität erzeugen, was genauso kompliziert ist. Dazu soll alles auch noch abwechslungsreich sein (aber bitte nur in Berlin, bloß nicht in Potsdam, da soll es schön homogen sein), farbenfroh aber nicht bunt, außerdem muß es schnell gehen, etc, etc, ...


    Das Kappelleufer ist zuerst mal ein Bürostandort, diesen Zweck erfüllt es beinahe perfekt. Es ist nicht das Zentrum Berlins, sondern höchstens ein Teil eines Stadtteilzentrums einer polyzentrischen Stadt.


    Natürlich könnte da mehr Abwechslung sein, die Terrakottafarben fehlen bei den Neubuten rund um den Hauptbahnhof praktisch völlig. Auch die Formensprache ist sehr eineitig, im Grunde sind fast alle Gebäude nur Quader bzw aufeinandergestapelte Quader.

  • Was du da aus Wikipedia zitierst, Elle, ist keine städtebauliche Definition, sondern um den Begriff in der Sprachwissenschaft, also sprachliche Unterschiede zw. Städtern und "Landeiern".


    Diese Bauten mögen zwar eine gewisse Eleganz aufweisen. Die Aufenthaltsqualität, die sich aus den Gebäuden und der Freiflächengestaltung ergibt, entspricht allerdings der eines Gewerbehofs. Ich finde bei dem Ministerium vielleicht weniger die Gestaltung problematisch, als eher die Größe im Zusammenhang mit der Monotonie; auf 200m dieselbe Fassade...Diese sieht auch noch aus, wie die Bundespressekonferenz (die ich sehr schick finde).


    Fernwirkung sollte deswegen auch eine Rolle spielen. Wir sind ja hier schließlich nicht in einer urbanen Altstadtgasse. Andere/historische Regierungs- und Verwaltungsbauten haben zwar auch diese Ausmaße, aber haben Erker, Risalite, Türme, Kuppeln, Giebel und sonst. plastische Gestaltungsmerkmale. Diese muss man ja nicht nach Vorbildern von vor 150 Jahren zitieren, aber es wäre nicht verboten, etwas mehr "Spielerei" ins Gesamtbild zu bringen. Die Staatskanzlei und das Finanzministerium in Dresden liegen ja auch so am Wasser (auch wenn die Elbe etwas andfere Ausmaße hat), aber haben ne andere Ausstrahlung. Sie liegen auch nicht in der Innenstadt, aber man kann sie ja auch von weitem sehen.

  • ^ Ich habe ja gesagt, dass der Begriff heute reicher ist. Aber die Ursprünge aus der Rhetorik sind dennoch erhellend, denn sie verdeutlichen, dass die Gleichsetzung von "Urbanität" und "Lebendigkeit" zu kurz greift. Etwas ähnliches gilt für die von Dir vorgebrachte "Aufenthaltsqualität". Auch das ist gewiss eine wichtige Kategorie, aber auch hier finde ich es unbefriedigend, wenn man von jedem Ort gleichermaßen verlangt, er solle eine solche Qualität aufweisen. So sollte man z.B. auch die "Bewegungsqualität" nicht unterschätzen. Es gibt eine Reihe von Orten, in denen ich mich nicht unbedingt gerne länger aufhalten möchte, die ich aber dennoch gerne frequentiere, z.B. wenn ich einkaufen gehe oder mit dem Rad unterwegs bin. Manche Straßen, wie der Kaisedamm Richtung Innenstadt oder die Karl-Marx-Allee oder selbst die Leipziger Straße, können, v.a. mit dem Auto, regelrecht erhebend wirkend, und jedenfalls den Eindruck einer "Urbanität" erwecken, ohne dass deren Aufenthaltsqualität deswegen besonders hoch sein muss.


    Im Übrigen finde ich persönlich nicht, dass das Kapelle-Ufer die Aufenthaltsqualität "eines Gewerbehofs" hätte. Ich selbst fühle mich hier (am Fluss) durchaus wohl und ich liebe es regelrecht, hier mit dem Fahrrad zu fahren. Aber hier sind wohl auch subjektive Eindrücke im Spiel, die sich nicht ohne Weiteres verallgemeinern lassen.

  • ...aber haben Erker, Risalite, Türme, Kuppeln, Giebel und sonst. plastische Gestaltungsmerkmale.
    Diese muss man ja nicht nach Vorbildern von vor 150 Jahren zitieren, aber es wäre nicht verboten, etwas mehr "Spielerei" ins Gesamtbild zu bringen.


    Absolut meine Meinung! :daumen:


    Ein Gebäude wirkt vor allem dann interessant, wenn man um so mehr Details entdeckt, je näher man kommt.
    Bei modernistischen Bauten ist es aber so, dass man aus 10 Metern Entfernung genau das - und nicht mehr - sieht, was man aus 500 Metern Entfernung erwartet hat.
    Das macht für mich das Flanieren oder das mit-dem Rad-Vorbeifahren an solchen Bauten so langweilig. ;)

  • Kein Grund zu streiten. 😉 Irgendwie hat ja jeder ein bisschen recht. Die Gebäude sind keine spektakulären Highlights, aber auch nicht extrem schlecht. Ich persönlich finde sie als Büro/Ministeriumsbauten durchaus passabel - da gibt es wirklich schlimmeres. Dass leider keine Geschäfte und/oder Gastronomie vorhanden ist, liegt auch an den leidigen Sicherheitsanforderungen. Klar, die Straße ist nicht besonders belebt im Sinne eines lebhaften Kiezes oder einer Touristenattraktion, aber auch nicht tot. Ich komme da häufig vorbei und es sind eigentlich immer Passanten unterwegs, auch wenn diese verständlicherweise nur vorbeigehen - es sind nun einmal keine öffentlichen Einrichtungen. Und die Flaneure gehen i. d. R. eher unten am Spreeufer entlang, das meistens auch ziemlich bis sehr belebt wirkt - auch ohne Cafés und Läden.


    Es ist nun einmal ein Teil des Regierungsviertels. Wenn das Futurium für die Öffentlichkeit öffnet, wird es "hier oben" vielleicht auch etwas lebhafter werden.