Du hast schon recht, Ben. Etwas häßlich und abstoßend zu finden ist völlig legitim. Ich würde auch die halbe Stadt platt machen wollen, wenn's nur nach meinem Geschmack und eventuell noch nach den gesellschaftsutopischen Idealvorstellungen ginge (und mein Geschmack weicht nicht so wesentlich von dem ab, den andere hier gerne vortragen). Und man kann natürlich auch nicht erwarten, dass sich ein Passant vor jedem Urteil erstmal eine Expertise einholt. Wenn ich jemanden auf der Straße torkeln sehe, dann denke ich auch: aha, ein Besoffener am hellichten Tag. Ein Arzt hingegen würde vielleicht erkennen, dass derjenige statt dessen krank ist und im besten Fall sogar die Diagnose parat haben.
Was mich aber tierisch nervt ist, wenn Leute meinen, es würde irgendwie weiter helfen an allem rumzukritteln was nunmal vorhanden ist und halbwegs seinen Zweck erfüllt, aber leider nicht ihrem subjektiven Ideal entspricht (was sie komischerweise, da sie ein paar Gleichgesinnte kennen, gerne für objektiv halten, obwohl das mit Leichtigkeit widerlegbar ist), wenn permanent der Abriss von diesem und jenem gefordert wird und dabei auf essentielle Fragen im besten Fall alberne Antworten folgen, wenn mithin so getan wird, als seien alle, die in Vergangenheit und Gegenwart andere Prioritäten gesetzt haben, Idioten. Logisch, dass immer Fehler gemacht werden, entsprechend der Umstände auch mal mehr, mal weniger. Aber daraus zu schlussfolgern, 500.000 Bauherren und 70.000 Architekten hätten nur Mist gemacht (was an sich, begrenzt auf die realen Stadtbilder im Vergleich zu den heutigen Wertvorstellungen, durchaus legitim zu behaupten wäre) und deshalb müssten jetzt mal ausgerechnet Herr X oder Frau Y (die, denen elementare Grundlagen fehlen) sagen, wo es lang gehen soll, regt mich nunmal wahnsinnig auf.
Ansonsten denke ich wie Du, dass Glasanbauten keine vernünftige Lösung sind und dass sie einer Kapitulation gleichkommen - allerdings nicht unbedingt der des Architekten vor der Baugeschichte, sondern der der Gesellschaft vor ihren verkorksten Wertvorstellungen, die letztlich das Korsett bilden, in dem der Architekt agieren kann. Und vielleicht bin ich bei der ganzen Thematik deshalb so erregt, weil ich persönlich glaube, dass genau die Leute, die seit eh und je bei allem mitreden und alles mitgestalten wollen, für die heutige Misere zu großen Teilen verantwortlich sind ("viele Köche ..." und so). Deren Einwände und Forderungen waren zu jeder Zeit opportun, es sollte sich also niemand einbilden, man wäre jetzt am Punkt der absoluten Weisheit angelangt.
Dass der Wunsch nach Hochhäusern für die eigene Stadt seinen Ursprung auch in einer Art Minderwertigkeitskomplex besitzt, steht ausser Frage. So lange diese Bauten gerade in punktueller Häufung ein beliebtes Background-Motiv für Werbebotschaften oder Hollywoodgeschichten abgeben und so lange jeder, der es sich leisten kann versucht, solch ein Hochhaus anzumieten oder gar zu bauen, so lange diese Dinger in Gegenden mit starkem Wirtschaftswachstum wie Pilze aus dem Boden schießen und somit ganz allgemein als Symbole für die Prosperität einer Stadt oder einer Gesellschaft stehen, so lange wird sich daran auch nichts ändern.
Edit: wenn ich dann auch noch lesen darf, welcher ausgemachte Stumpfsinn im Gossenjargon anonym in einer Beitragsbewertung steht: Bist Du Architektur-Assi an der TU oder ein ganz normaler Troll? Woher dieser Haß auf deine eigene Kultur? Woher dieser Pessimismus? Dortmund wäre doch auch ein schöner Wohnort mit ganz viel Spritzbetonarchitektur. *Troll* *Troll* Troll*, dann bestärkt mich das in der Annahme, dass zumindest einige der eingefleischtesten Historismus-Befürworter tatsächlich zum Schei**en zu dämlich sind :D. Als ob ich irgendwo Beton erwähnt oder die (tatsächliche!) Kultur herabgewürdigt hätte.