Shanghai: Architektur & Impressionen aus Chinas hipper Boomtown

  • Danke micro, die Nightviews sind Dir hervor ragend gelungen. Die surreale Fahrt mit der Minibahn nach Pudong habe ich damals auch versucht, einzufangen, mit ähnlichem Erfolg...
    Schön auch die Bilder aus Suzhou :)


    pflo777
    Frage an alle: Wie ist Shanghai vom "feeling" im vergleich zu Tokyo und New York?
    Ich habe mich in Shanghai bisher nur 4 Tage aufgehalten, aber nach meinen Eindrücken ist die Entwicklung der Metropole zwar rasant, aber auf den Stand von Tokyo (sei es Infrastruktur, Hygiene, Qualität von Waren und Dienstleistungen etc.) zu kommen, braucht sie gefühlsmäßig noch mindestens 20 Jahre. Auch wirkte Shanghai um Einiges kleiner als Tokyo und natürlich viel weniger modern, wenn man von Pudong und von Teilen von Puxi absieht.
    Viel krasser aber ist der offensichtliche Gegensatz zwischen Arm und Reich. Da prallen High-Tech, Gucci und einfachstes Entwicklungslandsleben auf engstem Raum zusammen, auch wenn sich in einem Atem beraubendem Tempo eine größere Mittelschicht etabliert.


    Klar ist: Shanghai ist die spannendste Stadt, die wir aktuell auf dem Planeten haben.

  • pflo777, @Molinari
    Es war mein erstes und einziges Mal in Shanghai. Tokio und New York sind vom Feeling her anders. Teile von Shanghai wirken "etabliert", vor allem das Französiche Viertel. Shanghai war ja schon vor über hundert Jahren eine bedeutende Stadt. Aber Aufbruchstimmung bemerkt man auch. Die Großbaustellen in Pudong und den extensiven U-Bahnbau habe ich ja schon erwähnt, die Stadtplanungsausstellung auf mehreren Stockwerken im Shanghai-Museum spricht auch eine eindeutige Sprache. Gewaltkriminalität ist kein Thema in Shanghai, wohl aber Betrügereien durch Verkäufer von Plagiaten und Fälschungen.


    Ich stimme Wagahai zu, dass das Wohlstandsgefälle groß ist. Wenn man als europäisch aussehender Tourist an den Stellen rumläuft, wo viele Touristen vorbeikommen (Nanjing Donglu oder auf Märkten), kommen ständig Leute auf einen zugeschossen, die was verkaufen wollen. Neben Postkarten und Schuhputzdienstleistungen sind das oft billige Plagiate oder Fälschungen (in Shanghai war ich schon vorsichtig, nachdem ich in Shenzhen, einer Stadt vor der Grenze von Hongkong, u.a. mit gefälschten Speicherchips betrogen wurde, 16 MB mit Aufschrift 4 GB, es wurde mir sogar an einem PC demonstriert, dass die Dinger angeblich 4 GB haben sollten, aber sie waren manipuliert). Man muss ja im Urlaub nicht unbedingt Konsumgüter kaufen, aber die extrem billigen Preise sind manchmal verlockend. Die Plagiate müssen auch nicht unbedingt schlecht sein. In Hongkong geht es dagegen auf solchen Märkten so ehrlich zu wie wir es zu Hause gewohnt sind. Wenn ich mich entscheiden müsste, entweder Hongkong oder Shanghai in ein paar Jahren ein zweites Mal zu besuchen, hätte ich Schwierigkeiten, mich zu entscheiden. Hongkong war mir sympathischer, aber Shanghai wäre vielleicht wegen der schnellen Veränderungen interessanter.

  • Ich komme gerade von meinem 12tägigen Shanghai-Aufenthalt zurück. Analog zu der hier stattgefundenen Diskussion kann ich im Moment nur so viel beitragen, dass Städte-Vergleiche immer klar eine rein subjektive Sache sind. Wer viel Wert auf die kulturelle Tiefe europäischer Städte legt, wird Shanghai erst einmal für sehr abschreckend halten. Dennoch ist Shanghai vielfältiger als gedacht. Im direkten Vergleich mit Bangkok und Hongkong, die ich die Jahre zuvor besucht habe, hat mir Shanghai mit Abstand am Besten gefallen. Warum und weshalb, werde ich selbst in ein paar Shanghai-Galerien näher erläutern (wird aber noch ein Weilchen dauern).


    Danke für die schönen Eindrücke, micro. Der Jin Mao Tower gehört ohne Zweifel zu den herausragendsten Hochhäusern dieser Erde. Nicht minder gelungen finde ich das in direkter Nachbarschaft befindliche World Financial Center, das auf deinen Bildern noch nicht zu sehen ist. Es schrammt knapp die 500-Meter-Marke und besticht in meinen Augen - im krassen Gegensatz zum Jin Mao Tower - durch seine konsequent kühl und funktional gestaltete Außenhaut.


    Übrigens war bei mir der Himmel über Shanghai die meiste Zeit über strahlendblau. Muss ich wohl Glück gehabt haben...

  • Shanghai war ja schon vor über hundert Jahren eine bedeutende Stadt.


    Richtig, doch dann kam die Kulturrevolution und mit ihr nicht nur Not, Elend und Vertreibung, sondern auch jahrzehntelanger Stillstand. Erst 1989 wurde Shanghai von der Obrigkeit als Sonderwirtschaftszone ausgewiesen. Die Folge ist ein Boom, der seines Gleichen sucht. Allein im Stadtteil Pudong entstanden zwischen 1989 und 2003 mehr als 600 Hochhäuser. Bis heute dürften noch deutlich mehr hinzugekommen sein. Wobei zu erwähnen sei, dass in Shanghai nicht nach Bedarf, sondern auf Verdacht gebaut wird.


    Gewaltkriminalität ist kein Thema in Shanghai


    Gewaltkriminalität scheint wirklich keine Rolle zu spielen, sagt nicht nur die gleichgeschaltete Presse, sondern auch die Chinesen in Shanghai. Darüber hinaus gibt es auch wenig Bettler, wobei ich hier gehört habe, dass die Staatsmacht seit ein paar Jahren auch strikt gegen Bettlertum durchgreift; getreu dem Motto: Was nicht sein kann (Armut im Kommunismus), das nicht sein darf. Darüber hinaus habe ich bei den Massen an Menschen auch keine "Bekloppten" entdeckt. Die Straßen und U-Bahn-Stationen sehen aus wie geleckt, an jeder Ecke stehen Straßenkehrer. Es gibt in Shanghai weder Graffiti an den Häusern, noch zerkratzte Scheiben in den U-Bahnen. In den vielen Restaurants (sehr leckere Küche übrigens) stehen mind. 10 Kellner zur Verfügung, egal, wie voll es drin ist. Die Luft war übrigens auch besser als gedacht (und besser als in Hongkong und Bangkok allemal), weil, zumindest im Frühjahr, noch relativ trockenes Kontinentalklima vorherrscht. Durch die günstige topographische Lage Shanghais, kam mir die Stadt auch nicht so beengt vor, sondern weitläufig. Hongkong hingegen, das durch Berge (und bis vor einiger Zeit durch eine Staatsgrenze) sehr eingeschränkt ist, wirkte viel erdrückender. Absolut abschreckend auf mich wirkte z.B., dass in Hongkong die Berge mit einer Betonschicht zugedeckt werden, um drohende Erdrutsche zu verhindern. Hinzu kommt, dass in Hongkong die Qualität der Hochhäuser mit denen in Shanghai nicht mithalten kann (geschweige denn die von Bangkok).


    Ein Münchner Autor schrieb als Fazit über seinen Besuch in Shanghai, dass sich dort Kapitalismus und staatliche Kontrolle wunderbar zu ergänzen scheinen. Nun ja...

  • In Shanghai gibt es auch komische Leute, besonders um den Hauptbahnhof herum. In Schwellenländern gibt es nur selten den Luxus, U-Bahnscheiben zerkratzen oder anderen Vandalismus ausüben zu dürfen. Die Bevölkerung ist froh über die Errungenschaften, und Personalkosten für Aufpasser sind gering.


    Bin gespannt auf Deine Fotos, Cowboy. Das World Financial Center gefällt mir nicht so. Die glatte Außenhaut und die Höhe sind nett, aber die Form und der "Griff" oben dran sehen so nach Damenhandtasche aus, das finde ich nicht schön bei so einem Gebäude.


    Hongkong fand ich netter und weltstädtischer als Shanghai. Shanghai ist trotz der riesenhaften Größe etwas dörflich, weil es weniger Vielfalt, weniger Freiheit und mehr Armut gibt. Aber bei dem Entwicklungstempo ändert sich das vielleicht bald.

  • ^ Die mangelnde Internationalität Shanghais kann ich bestätigen. Die Stadt präsentiert sich zwar nach außen gern weltstädtisch, sie ist es aber nicht. Die Zahl der Ausländer beträgt etwa 300000 (Stand 2003). Bei 16 Mio Ew dürfte die Quote somit sogar noch niedriger sein als In Mecklenburg-Vorpommern. Hinzu kommt, dass das Gros der Ausländer in ganz bestimmten Vierteln lebt, meist abgeschirmt von der Außenwelt. In dem Viertel, wo wir wohnten, bin ich in den 12 Tagen vielleicht 5 Europäern begegnet. Mit Englisch kommt man selbst im Zentrum nicht sehr weit (spätestens dann, wenn's ins Detail geht). Keine Frage, Hongkong und auch Bangkok wirken viel internationaler, und sind es dann auch. In Shanghai wirkt eben die Kulturrevolution nach, genauso wie in Ostdeutschland 40 Jahre Sozialismus...

  • Ich hatte im Frühjahr ebenfalls die Gelegenheit fast einen Monat in Shanghai und Peking (da nur 3 Tage) zu weilen.


    Die geringe Internationalität Shanghai - im Vergleich zu Hongkong, Bangkok oder gar New York - mag schon stimmen. Trotzdem ist die Stadt deutlich kosmopolitischer, bunter und vielfältiger als Peking und kommt unserem europäischen Stadtverständnis weitaus näher.


    Auffällig ist, dass Shanghai schon jetzt über ein sehr gutes ÖPNV-Netz verfügt und das auch sehr fleissig ausbaut. Hier orientiert man sich klar an den Netzen europäischer oder japanischer Großstädte. Bis auf die Hochautobahnen sind die Straßen im Inneren der Stadt auch vergleichsweise schmal und auch unregelmäßig. Es gibt sogar Bezirke (etwa die French Concession) in denen aufgrund der historischen Struktur keine Hochhäuser (chinesischer Maßstab - nich deutscher!) mehr gebaut werden dürfen/sollen. Interessanterweise werden scheinbar nur die historischen "europäischen" Gebäude geschützt, ursprünglichere, mit alter chinesischer Architektur bebaute Stadtgebiete (z.B. die Shanghaier "Altstadt") werden immernoch in der Fläche abgerissen.


    In Peking gibt es dagegen gerade mal 2 U-Bahn-Linien, wegen Olympia kommen nochmal 2-3 dazu, was angesichts der Größe der Stadt ein Witz ist. Dafür führen riesige Autobahnen und Paradestraßen, wegen der regelmäßigen Stadtanlage auch schnur-gerade, durch die ehemalige mittelalterliche Altstadt, die noch bis in 70er Jahre inklusive Stadtmauer fast komplett erhalten war. Bestehende Altstadtquartiere werden auch im Moment noch abgerissen und für die Touristen dann in einer Disneyland-Variante wieder aufgebaut oder einfach von gigantischer Konsum- und Macht-Architektur überformt.


    Sofern man das nach ein paar Wochen Aufenthalt sagen kann: Peking verdeutlich für mich den autokratischen Charakter der chinesischen Gesellschaft und Politik, während Shanghai eher an eine Schwester von Singapur oder Hongkong erinnert, die jetzt noch ordentlich was nachholen muss.


    Ich hoffe ich komme mal dazu ein paar Fotos online zu stellen.