Dirk, interessanter Beitrag, den Du da zitierst. Meine Meinung zu den Punkten.
Zitat von Dirk1975Vorrangig sollte der bestehende Kopfbahnhof im Zuge der Neubaustrecke von Mannheim nach Ulm beseitigt und damit die Betriebsabläufe verbessert und die Reisezeit verkürzt werden.
Gute Zielvorstellung: +
Zitat von Dirk1975Die völlige Untertunnelung der Bahnanlagen schafft zwar für Stuttgart städtebaulich die größte Planungsfreiheit
Ist doch gut! +
Zitat von Dirk1975die Kosten der Tunnellösung wurden aber unterschätzt
Die Investitionskosten zumindest werden aktualisiert zur Entscheidung vorgelegt und können von daher nicht im Status unterschätzt sein.
Zitat von Dirk1975Die Kapazität des Tunnelbahnhofs ist geringer als die des Kopfbahnhofs heute. Die Vorteile eines Durchgangsbahnhofs werden durch die Kapazitätsprobleme im Bahnhof und auf den Zulaufstrecken zunichte gemacht.
Ich lese immer wieder von erhöhter Kapazität. Wem soll ich jetzt glauben?
Das mit den Kapazitätsprobleme auf den Zulaufstrecken hört sich schon plausibler an. Aber auch hier sollte man davon ausgehen, daß die Bahn das in ihren millionenschweren Planungen berücksichtigt. Warum sollte sie jetzt massiv investieren, um am Ende weniger zahlende Kunden befördern zu können?
Außerdem ist es evtl. nicht unmöglich eines Tages einen z.B. zweiten Fildertunnel zu bauen, sollte die Nachfrage stark ansteigen. Ich rede nicht von in 5 oder 10 Jahren, sondern eher von in 40 Jahren. Keine Lösung ist für die Ewigkeit. Natürlich wäre das mit erhöhten Kosten unter Betrieb verbunden. Dennoch heißen heute investierte Milliarden nicht, daß nie wieder erweitert werden darf, wenn es sinnvoll wird.
Zitat von Dirk1975Die Anbindung des Flughafens an den Fernverkehr verschlingt zusätzlich Kosten und wirkt sich negativ auf den durchgehenden Verkehr auf.
Streckenführungen sind i.d.R. immer ein Kompromiß zwischen Durchgangsverkehr und Nahanbindung. Das Problem kann man ja selbst auf gleicher Strecke haben, s. ICE-Halt Montabaur...
Natürlich sind es extra Kosten. Man wird diese nur aufbringen, wenn man sich auch extra Einnahmen erwartet. Und daß Flughafen und Messe ein wesentlicher Endpunkt von Zugreisen sind, wird ja wohl kaum bestreiten lassen. Insgesamt bleibt dem Durchgangsverkehr immerhin eine Zeitersparnis und wie erwähnt sollte genau an diesem Knoten den Zielverkehr nicht unterschätzen. Eine Strecke Hamburg-München rechnet sich auch nicht allein durch in Hamburg Zusteigende und in München Austeigende.
Zitat von Dirk1975Die H-Trasse schließlich bringt keinerlei Vorteile für die Bedienung des Filstals
H-Trasse ist das Cannstatt-Geislingen, parallele Filderneubaustrecke und Querverbindung Wendlingen-Neckartal?
Falls ja, dann dürfte dieser Umweg wirklich die ICE-Strecken-Zeitersparnis wieder auffressen. Okay, das Filstal profitiert nicht, allenfalls durch weniger Zuglärm.
Vielleicht gibt es eines fernen Tages eine Filstal-S-Bahn, wobei zunächst die S1 nach Kirchheim ansteht.
Zitat von Dirk1975Zeitvorteile in der Relation Frankfurt – München sind gegenüber der Linienführung über Nürnberg nicht mehr gegeben.
Kommt drauf an für wen:
- Für Norddeutsche nicht
- Für Karlsruher, Freiburger, Reutlinger, Mannheimer oder Elsäßer (Magistrale-Gedanke) schon. das ist auch nicht gerade Nahverkehr.
Zitat von Dirk1975Aus diesem Grunde muß die Gesamtkonzeption in Frage gestellt und nach Möglichkeiten gesucht werden, bei deutlich geringeren Investitionen den Gesamtverkehr zu optimieren. Im Vordergrund steht dabei nicht mehr der maximale Zeitgewinn für die durchgehenden Relationen, sondern eine Optimierung aller Verkehrsrelationen zwischen Stuttgart und Ulm.
Das Problem ist, daß das ganze System Deutschland ein riesiges Töpfesystem ist. Wenn eine Region aufgrund ihrer sprichwörtlichen Sparsamkeit und (übertriebenen) Anstands immer darauf verzichtet, sich aus diesen Töpfen angemessen (halbwegs proportional im System) zu bedienen, also Gelder abzurufen, dann wandert dieses Geld woanders hin (zu eher unwirtschaftlicheren Projekten) und wird im Leben nicht gespart. Konkurenz um knappe Mittel nennt man das. Besonders heikel, wenn der Topf zu großen Teilen aus Mitteln des sparsamen Landes besteht. Man muß heute konstatieren, daß die Verkehrsinfrastruktur in und um Stuttgart unterentwickelt ist verglichen mit den benachbarten (Konkurrenz-)Zentren. Eigentlich vom Bedarf her unerklärlich, da die Region Stuttgart DIE Industrie-Export-Region schlechthin ist.
Mit der Haltung aus Deinem Text wird die Region schließlich und endlich auch noch auf der Schiene abgehängt. Und die anderen Knoten lachen sich ins Fäustchen ob der hiesigen großprojektkritischen Anständigkeit. Meinetwegen bestehen dann sehr gute Verbindungen auf der Mitteldistanz. Es gibt aber eben auch einen Bedarf auf der Fernstrecke. Und da werden wir dann langfristig Anschlußzüge nach F, M oder N erleben...
Zitat von Dirk1975Der Kopfbahnhof kann so modernisiert werden, daß er die gleiche Leistungsfähigkeit erreicht wie ein Streckenbahnhof.
Das allein soll aber auch schon ca. 1 Mrd kosten, wobei dann Grundstückserlöse nicht anfallen.
Zitat von Dirk1975Wichtiger als der Bau eines Durchgangsbahnhofs ist die Beseitigung von Engpässen auf den Zulaufstrecken. Eine Entmischung der Verkehre von Fern-, Regional- und S-Bahn ist für einen reibungslosen Betriebsablauf wichtiger als geringfügige Zeitersparnisse bei einem Durchgangsbahnhof.
Das wäre wohl eine investitionsgünstigere, aber weiterhin betriebskostenhöhere Lösung innerhalb des bestehenden Systems, also eine kleine Lösung. Man gewinnt als Befürworter den Eindruck: Immer gerade das, was von offizieller Seite gemacht werden soll, ist schlecht und soll das Etikett Arroganz der Macht bekommen.
Warum nicht einmal ein neues System probieren, wenn es so detailliert untersucht ist, daß das Risiko sehr begrenzt ist. So könnte Stuttgart nicht nur als Geburtsort des Automobils, sondern auch als innovative Bahnstadt von sich positiv reden machen. Und ich wette: 10 Jahre nach dem Tiefbahnhof wird sich manch Kritiker ehrlich sagen: Gut, daß man es gemacht hat.
Zitat von Dirk1975Zudem ermöglicht der Kopfbahnhof genügend Bahnsteigkapazitäten zur Einrichtung eines integralen Taktfahrplans, wozu der geplante Durchgangsbahnhof nicht ausreichend dimensioniert wäre.
Das könnte ein Nachteil des Tiefbahnhofs sein: -
Zitat von Dirk1975Auch bei Ausbau der Filstaltrasse ist der Anschluß des Flughafens an die Magistrale Stuttgart - Ulm möglich.
Kennst Du die Investitionskosten? Werden bestimmt auch ein paar hundert Millionen, wobei diese Kosten fast allein aus Richtung Ulm zu rechtfertigen wären, während der angedachte Filderbahnhof samt Fildertunnel stärker Richtung Heilbronn und Nordbaden greift.
Im übrigen: Ich kenne die Bahnstrecke nach Ulm recht gut und fahre sie auch gern. Sonntags. Ohne Zeitdruck. Käme ich aus Bremen und wollte zügig nach Salzburg oder wäre ich Pendler würde mich die Strecke auf Dauer weniger begeistern.
Ansonsten wirklich schönes Geislingen und die Steige die m.E. steilste deutsche Bahntrasse oder?
Zitat von Dirk1975Ein ICE-Halt wäre aber nicht sinnvoll, weil dadurch das Einzugsgebiet des Stuttgarter Flughafens nicht erschlossen wird.
Das sehe ich ganz anders:
- Entlastung des Stuttgarter Hbf bzw. der S-City durch zweiten Fernbahnknoten am Flughafen samt Parkkapazität.
- Die Filder selbst ist recht dicht besiedelt.
- Die neue Gäubahn-Verbindung zum Flughafenbahnhof bringt Kundschaft aus südwestlicher Richtung
- und für Reisende aus RT/Tü läge dieser Halt auch geschickt.
Zitat von Dirk1975Die städtebaulichen Ziele der Stadt Stuttgart können im wesentlichen alle erreicht werden.
Okay, wobei die angesprochenen Maßnahmen wie Gäubahntieferlegung und Verlagerung Abstellbahnhof auch wieder etwas kosten und eben die bleibenden Bahngleise doch einiges Fläche nehmen und die Wohn-/Arbeitsqualität im Restgebiet wg. Lärm etwas mindern dürften.
Zitat von Dirk1975Die reizvolle Einfahrt der Züge nach Stuttgart mit dem unverwechselbaren Blick auf die Stuttgarter Talhänge bleibt erhalten."
Das würde ich persönlich am meisten missen -
Allerdings als Spaziergänger im Unteren Schloßgarten sehe ich die Sache genau umgekehrt. Wer dort schon mit "offenen Ohren" entlanglaufen durfte, weiß was ich meine.
Ich mag übrigens die Gäubahn auf Stuttgarter Markung und staune immer wieder, welchen Höhenunterschied diese Strecke eigentlich komplett noch in Innenstadtlage bewältigt.
Nur das ist hpts. Nostalgie und Nebenschauplatz, auch wenn es mich gegen eine bahnfremde Verwertung der Gäubahn sein läßt. Ich halte vielleicht stärker als die Gegner, S21 für strategisch kritisch. Gerade weil das Fernstraßennetz um Stuttgart, von Flughäfen gar nicht zu sprechen, hinter den Nachbarzentren Frankfurt, München und auch Zürich zurücksteht. Und das obwohl S davon die zweitgrößte Metro Area nach Rhein-Main ist. Und nachdem D Exportweltmeister, BaWü innerhalb D Exportmeister und S innerhalb BaWü Exportmeister, die Exportregion schlechthin. Weltweit, relativ zur Bevölkerung gesehen!
Wenn aber Firmen erst einmal anwandern und insbesondere keine neuen ansiedeln, dann ist es selbst in der Region eines Tages vorbei mit der Herrlichkeit. Überlege selbst, wo würdest Du hin investieren: Dorthin wo ein funktionierendes Regionalbahnsystem ist oder dorthin wo auch schnelle Fernbahnen mit Flughafenanschluß verkehren?
Fazit nach allem bleibt für mich: Man sollte die Chance nutzen. Auch wenn gerade wir den meisten Ärger damit durch die jahrelangen Bauarbeiten haben werden.
Und zum Schluß darf ich auch einmal ökonomisch nachfrageorientiert argumentieren und auf die notleidende Bauindustrie sowie Multiplikatoreffekte des investierten Geldes hinweisen.