Rekonstruktionen - Für und Wider

  • Bei der eingangs gezeigten Römeberg-Ostzeile in FFM handelt es sich strenggenommen nicht um eine Rekonstruktion, da die Konstruktion des zuvor unter Putz und Schiefer liegenden Fachwerks nicht genau bekannt war. Ältere Abbildungen oder Ansichten, die das Fachwerk ohne Verkleidung zeigen, sind nicht bekannt.
    Die Bauten wurden in Anlehnung an vergleichbare Fachwerkbauten aus dieser Zeit gestaltet.
    Man sollte daher eher von einer "Nachschöpfung" sprechen.

  • Hallo Iwano -


    zum Bildaufbau heute kommt auch hinzu, dass eben durch die nachgewachsene Bebauung ein Objekt nicht mehr frei steht und im Gesamtklang der Umgebung manchmal abfällt.



    Ich mag die alten Baustile - sehr sogar und bin für jederlei Erhalt nebst Rekonstruktion einzelner Elemente, wenn diese in Anfängen noch sichtbar sind, selbst wenn nur wenige Künste an den Wänden zu sehen sind. Erhalt aber auch nach modernen Gesichtspunkten - bezogen auf das Innere - also keine Etagentoilletten mehr - vielleicht eine, als Anschauungsobjekt.

    Aber ich muss sagen, wenn da ganze Dörfer, Städte wieder aufgebaut werden, wie sie einmal gewesen sein sollen, dann fühle ich mich als Tourist irgendwie verscheissert und auch um mein Geld betrogen. Denn, es wird ja mit der Historie geworben.


    Man stelle sich mal Rom vor, wo die untersten Grundmauern der mehrfach überbauten Kirchen freilegt - wäre das etwas,eine andere Epoche zum Vorschein zu bringen? Oder in Hamburg, die Hammaburg wieder aufbauen?
    Ich glaube da hat es seine Grenze - auch wenn Anschauungsmodell vielleicht seinen Reiz hat.


    Ausserdem - ich glaube nicht, dass diese Gesamt-Orte dann noch lebendig sind - weil selbst die restlichen Bewohner ja ausquartiert werden mussten - es geht also viel verloren. Es sind also begehbare offene tote Museen.


    In Hamburg gibt es auch ein Objekt, welches "wieder aufgebaut" sein soll.
    Es ist die Nikolaikirche - die sogar einmal 80 m weiter vom jetzigen Standort gestanden haben soll. Das jetzige Gebäude ist z.B. total anders, als das Ur-gebäude, welches eher an St. Katharinen denn als an den Kölner Dom erinnert. Der neue Bau ist nicht reizlos - und hat ja auch seinen neuen Wertewandel als Friedensdenkmal erfahren - aber ich finde solche historischen Änderungen gehören einfach dazu, dass man da auch ehrlich mit an die Öffentlichkeit geht.


    Schwierig ist wohl auch die Beschaffung der Materialien -
    Dubrovnik - ich glaube gehört zum Weltkulturerbe - die Aussenmauer wurde wieder aufgebaut - ich habe sie im Abstand von ca 30 Jahren gesehen und sie kam mir einfach nur fremd vor aufgrund der anderen Farbe -sie wirkt wie aus Beton - nicht nach dem dortigen Stein. Im Innenhof wars schon wieder vertrauter.


    Dann habe ich noch ein eher privates Beispiel. Ich besitze ein alte Fotografie von einem Haus, welches ich nicht einmal einem Ort zuordnen konnte. Nur der Fensterrahmen ist abgebildet. Nach durchflözen der Familienadressen stiess ich dann auf Hamburg, Marktstraße - ich finde die Elemente des Fensters, selbst den Innenhof den ich nun zuordnen konnte - das Haus ist von 1880 - wunderschön restauriert - aber die Hausnummer zeigt auf das Haus daneben - daran finden sich aber die Elemente an den Fenstern nicht wieder. (gehört eher in Restauration denn Rekonstuktion.)

  • Mal meine Meinung zu dem Thema Rekonstruktion:


    Rekonstruktionen halte ich für sehr wichtig, da sie einer im zweiten Weltkrieg stark zerstörten Stadt eine verlorene Identität zurückgeben können.


    Es ist einfach schade zu sehen das Städte wie Essen, die auf eine Jahrhunderte alte Geschichte zurückblicken können, durch Kriegszerstörungen heutzutage den Charakter einer Stadt besitzen, die scheinbar erst vor 50-100 Jahre gebaut wurde. Was nutzt die ganze Geschichte wenn sie nicht mehr real greifbar bzw. erlebbar ist. Mich stört das durch fehlende Rekonstruktionen den letzten 50 Jahren architektonisch ein Stellenwert eingeräumt wird, den in den Jahrhunderten davor womöglich nie eine Epoche bessen hat.


    Nehme ich mal als Beispiel New York. Dort wird zweifelsohne viel gebaut. Dennoch kann man anhand alter Fotos belegen, dass es immer noch Strassenzüge und Stadtquartiere gibt, die heutzutage nahezu identisch geblieben sind. Trotz aller Neubauten hat die Stadt ihren Charakter in den letzten 100 Jahren kaum verändert. Es zeigt sich auch das alte Fotos keine "Traumwelten" wiederspiegeln, denn das Gezeigte ist durchaus heute noch in der Realität so anzutreffen. Stark zerstörte deutsche Städte sind hingegen heutzutage kaum noch wiederzuerkennen. Geschichte wurde somit einfach ausradiert.


    Warum sollte man also nicht einfach mal ein Stadtquartier mit Bauten im Stile der Gründerzeit neu bebauen. Man hätte sicher keine Probleme die Wohnungen an den Mann bzw. an die Frau zu bekommen. In 50 Jahren interessiert es niemanden mehr ob die Häuser 50 oder 150 Jahre alt sind, aber die Sehnsucht nach dieser Epoche wird wahrscheinlich unvermidert vorhanden sein.


    Eine Stadt die hingegen ausschliesslich aus Gründerzeitbauten oder Fachwerkhäusern bestehen würde, fände ich hingegen eher langweilig und uninteressant. Die Mischung macht es und vorallem die erlebbare Geschichte bzw. Identität einer Stadt.

  • easton:


    Unsere Städte sind über viele 100 Jahre gewachsen und waren deswegen so interessant, einheitlich aussehende Viertel waren/sind die Aussnahme. Man muss einfach noch 100-200 Jahre warten und man hat wieder diese historisch gewachsene Struktur. Während des 2. WK wurde quasi der 'Reset-Knopf' gedrückt...


    Meiner Meinung nach sollte man nicht einfach wild drauf los rekonstruiereren - die Vertreter dieses Ansatzes sind teilweise genauso fundamentalistisch wie diejenigen, die Altbau-Quartiere ohne Not abreissen lassen.


    Fazit: Rekonstruktionen für wenige Gebäude, dann aber mit viel Aufwand in den Details... als einfach in Billigbauweise ganze Viertel frei nach Tante Trudes Bilderbuch abzukupfern...

  • Rekonstruktionen guter Gebäude - ja! :daumen:
    Die "Seele" des Gebäudes und das Gehirnschmalz des Architekten steckt ja im Bauplan. Wenn der noch da ist, aber das Gebäude durch einen dummen Zufall nicht, kann man es gerne wieder aufbauen.

  • Dass ich hier bisher noch nicht abgestimmt habe?!
    Jetzt jedenfalls nachgeholt: und auch ohne originale Bauteile.
    Das Gebäude soll ja nicht als Ständer bzw. Museum für paar Originalbauteile dienen. Es geht natürlich um das Gebäude selbst bzw. mir hauptsächlich um die städtebauliche Wirkung. Und da bin und bleibe ich ein Freund des sogenannten Historischen, egal ob Neubau oder nicht. Die Gebrüder Patschke gehören damit konsequenterweise zu meinen Favoriten.

  • Achtung Sommerloch

    Vor einiger Zeit bekam ich in dem Strang "Neubau Historisches Museum - Info- und Wettbewerbs-Thread", für einen Beitrag (#229), ein dunkelrotes Lämpchen, als ich schrieb, ".... halte ich schon auf Grund der hier scheinbar geringen Prozentzahl von Reko-Befürwortern für eher unwahrscheinlich...", mit dem Kommentar "Nicht bei der Sache. Und wie kommen Sie denn auf das dünne Brett, dass die Prozentzahl der "Reko-Befürworter" hier gering sei?", von einem Kritiker, der wohl mehr zu wissen scheint oder sich vielleicht auf diese Umfrage stützt.

    Bei meiner damaligen Einschätzungen habe ich mich von den bis dahin gelesenen Beiträgen leiten lassen. Deshalb auch das eingefügte Wort "scheinbar". Immer wieder habe ich diese Einschätzung bisher überdacht, bin aber noch zu keiner abschließenden Meinung gekommen.

    Wenn diese Umfrage hier repräsentativ wäre, dann wären allerdings sensationelle 81,82% hier im Forum, ohne wenn und aber, für Rekonstruktionen. Dies würde sich dann auch in etwa mit meiner Einschätzung für die gesamte deutsche, erwachsene Bevölkerung decken.

    Aber, nur 110 von derzeit 998 Aktiven Benutzern haben überhaupt abgestimmt. Wie viel Prozent im Forum sind also tatsächlich für Rekonstruktionen? Und, warum haben so wenige abgestimmt?

    - Ist das Thema zu uninteressant?
    - Liegt dieser Abstimmungs-Thread zu versteckt abseits?
    - Die meisten neuen Mitglieder nach 2004 kennen diesen Strang vielleicht gar nicht, obwohl der letzte Beitrag erst von Oktober 2008 ist?
    - Ist es der generell fehlende Mut zu irgendeiner Abstimmung?
    - Ist es die Befürchtung, dass der Mod eventuell sehen könnte wer was abgestimmt hat?
    - Will man lieber gar nicht abstimmen, wenn man nun mal "keine Meinung" dazu hat?
    - Hält man diese Abstimmung für Zeitverschwendung, oder was könnte es noch sein?

    Was sagt uns dieses vorläufige Abstimmungsergebnis also wirklich?

  • Ich bin erst heute auf diese Abstimmung gestoßen, weil das Thema durch Deinen Beitrag mal wieder oben steht.
    Meiner Meinung nach können hier noch viele abstimmen, die Prozentzahl wird sich nicht stark ändern. Wenn man nur mal einen Blick in entsprechende Treads wirft und sieht das z.B. Technisches Rathaus und Umfeld - Neugestaltung nach Abriss der größte Teil zustimmt. Außerdem glaube ich, dass sich die Gegner mehr zu Wort melden, da sie hier aber nur einmal abstimmen können, sieht man wie von den Meisten hier wirklich gedacht wird.

  • ^Dito. Bin auch erst heute auf diese Abstimmung gestoßen. Habe für Reko gestimmt ohne wenn und aber.
    Denke auch dass die weitaus meißten Menschen Gebäude aus der Zeit vor Bauhaus als schöner empfinden als moderne Form-Follows-Funktion Zweckbauten.
    Wieso sonst gelten Städte mit durchgehend historischer Bebauung als schön und solche mit Mischbebauung oder moderner Bebauung als unansehnlich?


    Obwohl natürlich auch Stadtviertel mit ausschließlich moderner Bebauung wie der Westhafen in Frankfurt Aufenthaltsqualität hat. Allerdings mag das auch daran liegen, dass das Viertel am Wasser liegt und das auf Passanten anziehend wirkt.


    Was ich jedoch absolut unangebracht empfinde ist eine Mischbebauung aus Altbau mit modernen Elemente wie Notdächer, Glasfassaden, etc.
    Oder Neubauten und Altbauten in einer Straßenzeile. Da wäre ich sehr dafür wenn die Städte verbindliche Vorgaben machen würden, bzgl. Traufhöhe und Fassadengestalltung. Zumindest in Viertel mit überwiegend gründerzeitlicher Bebauung.

  • Habe soeben für REKO gestimmt.
    Mein Lieblingsobjekt wäre das Roman Mayr Haus am Marienplatz in München, wo jetzt dieser ünsägliche Kaufhof steht.

  • Bis heute haben immerhin 126 Mitglieder abgestimmt, schon mal eine bessere Beteiligungsanzahl, im Verhältnis zu den ca. 1000 Aktiven Benutzern. Davon sind bisher sensationelle 103 Stimmen ohne wenn und aber für Rekonstruktionen, also ziemlich stabil über 81%. Dazu kommen immerhin noch 18 Ja-Stimmen mit Einschränkung.

    Wenn man nun beachtet, dass hier im wesentlichen Architekturinteressierte abstimmen, die also auch neuen, technisch anspruchsvollen und spektakulären Bauformen zugeneigt sind, wie ich übrigens auch, so hat diese Umfrage schon eine wertige Aussagekraft.

    Dies kann also durchaus schon ein wertvoller Hinweis für diejenigen sein, die letztlich über die Errichtung von Rekonstruktionen entscheiden wollen.

    2 Mal editiert, zuletzt von RobertKWF ()

  • Ich habe (vor längerer Zeit) für das "Ja mit Einschränkungen" gestimmt, muß das aber durchaus deutlich einschränken:


    Für mich machen Rekonstruktionen nur dann Sinn, wenn diese in das mittlerweile gewachsene Umfeld passen. Bei Solitären oder blockfüllender Reko mag das auch "generell" Sinn machen, genauso kann es bei vorhandenem Altbestand in der Umgebung viel Sinn machen, diese auch unabhängig von vorhandener Altmasse am unmittelbaren Standort mit Reko-Architektur zu "füllen".


    Die Frage ist dabei noch, was man mit "Reko" meint. M.M. wird das viel zu oft mit einem Vorzug für den verspielten Historismus der frühen Gründerzeit gleichgesetzt. Damit kann ich wenig anfangen - was vielleicht daran liegt, daß ich in einer Stadt lebe, in der es das noch im Übermaß gibt.
    Ich persönlich empfinde an historischer Architektur z.B. einen nüchternen frühbarocken Stil (durchaus auch in der Form z.B. der Augsburger Fuggerei) wesentlich sympathischer. Auch in der Spätrenaissance gab es in Deutschland durchaus interessante Bauten.


    Der Meinung von Wahnfried, das eine Mischbebauung grundsätzlich abzulehnen ist, schließe ich mich allerdings nicht an. Sicher, wenn der Kontrast extrem scharf ist, ist das abzulehnen; aber gegen einen modernen Sandstein-Kubus mit Glasflächen neben einem Gebäude des 18ten Jahrhunderts in grundsätzlich ähnlicher Optik - allerdings ohne Glas - habe ich nichts. Gerade als "Übergangselement" kann das interessant sein, vor allem wenn Traufhöhe und Fassadensprünge aufeinander abgestimmt sind.

  • Letztens hatte ich einen Artikel im Spiegel gelesen über den Umgang mit dem historischen Bauerbe in Bukarest.


    http://www.spiegel.de/reise/aktuell/0,1518,637346,00.html


    Wenn man dem Artikel glauben schenken kann, gibt es in Bukarest einen starken Widerstand der Bewohner gegen den Abriss von Altbauten und wiederaufbau mit moderner Architektur.
    Ein paar Tage später hatte ich auch ein Bericht in NTW oder Phoenix darüber gesehen. Ein Bild blieb mir speziell in Erinnerung und erinnert mich ein wenig an einige Frankfurter Gebäude rund um die Fressgasse und Goetheplatz.


    http://www.andersreisen.net/wp…07/rumaenien-mischung.jpg


    Das Photo von diesem Link: http://www.andersreisen.net/20…umanien-2009-3-bucuresti/


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    Hinweis der Moderation: Die Einbindung der Bilddatei wurde in einen Link geändert. Bitte künftig auf die Richtlinien für das Einbinden von Bildern achten! Vielen Dank.
    Bato

    Einmal editiert, zuletzt von Wahnfried ()

  • kato2k8 #115
    Genau hier liegt doch überwiegend das Problem.
    Wenn man anfängt bestimmte Kriterien, Situationen, Bedingungen, kulturelle Gegebenheiten, Umgebungs-Bestände etc. streng festzulegen, und diese dann zur Bedingung machen will oder zum Standard erheben will, so wird man keine guten Ergebnisse erzielen.

    Gerade im Bauwesen und hierbei ganz besonders bei der Verbauung historischer Gebäude und bei Rekonstruktionsvorhaben, ist es ein unabdingbares "muss", das die jeweilige spezielle Umgebung in der verändert oder gebaut werden soll, beim Künstler (Architekten, Stadtplaner) ihre Beachtung und Berücksichtigung findet. Wenn nicht, dann wird das wenige, noch erhaltene historische Stadt-Ensemble, immer mehr zerstört und überwuchert, so dass es seine historische Anmutung und damit auch seinen Wert verliert.


    kato2k8 #115 ("... was man mit "Reko" meint.")
    Diese Frage werden verschiedene Personen wohl auch teils unterschiedlich beantworten. In anderen Strängen im DAF wurde ja schon darüber debattiert.
    Ganz verkürzt würde ich hier mal sagen, damit sind zerstörte historische Gebäude und Ensembles gemeint, die für die Menschen und für den jeweiligen Standort und seine Umgebung besonders wertvoll und von besonderer Bedeutung sind, unabhängig von einem speziellen historischen Baustil.

    Darüber hinaus ist zu sagen, dass jedes einigermaßen gute historische Gebäude, welches zerstört oder abgerissen wurde (oder abgerissen werden soll) und nicht wieder rekonstruiert wird, gegebenenfalls dann ein unersetzlicher kultureller Verlust für uns und die nachfolgenden Generationen bedeutet.

    Wenn daneben dann noch bestimmte hässliche Nachkriegszweckbauten, wie sie ähnlich überall herumstehen, von den Ämtern unter Denkmalschutz gestellt werden und die Bevölkerung andererseits mit den Behörden verzweifelt und erfolglos darum ringt, bestimmte alte, einmalige Gebäude in ihrer Ecke unter Denkmalschutz zu stellen, dann stimmt etwas nicht in der Stadtplanung.

    2 Mal editiert, zuletzt von RobertKWF ()

  • Ganz verkürzt würde ich hier mal sagen, damit sind zerstörte historische Gebäude und Ensembles gemeint, die für die Menschen und für den jeweiligen Standort und seine Umgebung besonders wertvoll und von besonderer Bedeutung sind, unabhängig von einem speziellen historischen Baustil.


    Dann muss man sich aber auch die Frage stellen lassen, ob das wiederherzustellende Gebäude jetzt gegenüber anderen vorherigen Gebäuden vorzuziehen ist. Überspitzt: Ist das Jugendstil-Gebäude, das an dieser Stelle ganze 60 Jahre unbedeutend rumstand dem barocken Palais, der die 300 Jahre vorher dort stand, vorzuziehen? Ist ein Stadtviertel komplett abzureißen, um die im Jahr 1396 zur Wüstung gewordene Siedlung originalgetreu wieder aufzubauen? Sollen wir bei einer Kirche die Frage stellen, ob statt einer Grundsanierung es nicht sinnvoller ist das römische Forum, auf dem sie steht und das vor 1800 Jahren Zentrum und Stolz der ganzen Region war, wiederaufzubauen?

  • kato2k8 #118
    Ja, selbstverständlich ist diese Frage berechtigt zu stellen und auch absolut notwendig. Jeder Einzelfall ist sorgfältig abzuwägen. Überwiegend jedoch ergibt sich die Frage nach einer Reko ja an den Standorten, wo beispielsweise neu gebaut werden soll, wo restauriert werden muss oder wo ein missliebiges oder unwirtschaftliches Gebäude aus verschiedenen Gründen möglichst abzureißen ist. Kaum jemand wird ernsthaft fordern, dass ein wertvolles, allgemein beliebtes Gebäude abgerissen werden soll, um ein noch älteres wertvolles Gebäude zu rekonstruieren. Auch dann nicht, wenn man sich dies manchmal wünschen würde. Diese Thematik bzw. dieser Argumentationspunkt geistert immer mal wieder durch die Debatten. Besondere Ausnahmefälle wird es aber auch da mal geben können. Für bestimmte, eher seltene Einzellfälle wird dein letzter Satz sicherlich auch einmal mit Ja beantwortet werden müssen.

  • Meine Meinung dazu:

    Damit wurde ein gutes Argument eingebracht was mich stark gegen die aktuelle Mentalität in Denkmalschutzkreisen opponieren lässt. Dieses "Konservieren" von dem was noch da ist, aber kein Rekonstruieren und möglichst auch kein Hinzufügen ist wortwörtlich konservativ. Ein ideenloses Einfrieren. Wären unsere Vorfahren bereits so drauf gewesen dann gäbe es heute wahrscheinlich nicht einmal Steinhäuser. Die Mutlosigkeit und Resignation unserer Zeit schlägt sich auch in der Architektur nieder... am stärksten im Umgang mit unserem architektonischen Erbe.


    Aber auch bei Neubauten, die sog. "moderne Architektur" basiert im Grunde auf dem inzwischen fast ein Jahrhundert alten Bauhaus - während sich die gesamte Welt um uns herum während des letzten Jahrhunderts so stark und schnell wie noch nie in der Menschheitsgeschichte verändert hat dauert die aktuelle Architekturepoche die nicht einmal einen eigenen Namen hat an ("moderne Architektur" ist ein Hilfsbegriff, "internationale Architektur" betont gar die Identitätslosigkeit und Beliebigkeit unfreiwillig).


    "Wer nichts macht der kann auch nichts falsch machen" scheint das Motto zu sein. Und einer Debatte geht man so eh ganz bequem aus dem Weg. Und eines ist wohl leider auch richtig: noch nie in der jüngeren Geschichte wurden unsere Städte dermaßen kopflos und chaotisch zerbaut, wurden diese dabei dermaßen häßlich und unwohnlich gemacht wie während der letzten 100 Jahre - besonders seit dem "Wiederaufbau" in der Bundesrepublik. Auch dazu passt die Häßlicheit die als "kritische Rekonstruktion" überhöht wird.

    Einmal editiert, zuletzt von bayer ()