Rekonstruktionen

  • @ cpcgn


    ich respektiere andere Meinungen und wenn dir das jetzige Erscheinungsbild des Domhotels gefallt, dann ist das okay.


    Ich sehe es aber andres. Erstens wird es bei dem von dir gezeigten Zustand nicht bleiben. Nach dem Umbau soll das Domhotel nach derzeitiger Planung ein Staffeldach erhalten. Man schaue hier:


    http://abload.de/img/720394-2bbsgm.jpg


    http://abload.de/img/720394-1bnsyc.jpg


    http://www.rundschau-online.de…ut,15185496,26342714.html


    Das heißt der Zustand, der von dir beschrieben wurde, wird sowieso hinfällig sein.


    Zum andren kann ich nur sagen, dass das Domhotel jede Proportion verloren hat. Insbesondere in der Totalen sieht man, wie amputiert der Bau aussieht. Es ist meiner Meinung nach eine Schande, was man aus dem Bau gemacht hat. Er ist nur noch ein lächerliches Zerrbild seiner selbst.



    Quelle: wikipedia gemeinfrei Januar 1898


    http://upload.wikimedia.org/wi…l_mit_K%C3%B6lner_Dom.jpg
    Quelle wikipedia © Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons)


    Bitte Fotos auf max. 1.024 pix verkleinern oder verlinken (wie jetzt hier). rec



    Wer sich etwas mit Proportionen auskennt, der kann nicht behaupten, dass das Domhotel nicht ziemlich deformiert dasteht. Die jetzt angedachten Staffelgeschosse und Technikaufbauten machen meiner Meinung nach alles nur noch schlimmer!

  • Des Pudels Kern ...

    Ich glaube bei allen Debatten um Rekonstruktion ist es sehr wichtig, präzise darin zu sein, worum es wirklich geht: ist das Ziel ein einheitlicheres Stadtbild, eine repräsentativ-monumentale Architektur oder eine höhere architektonische Qualität.


    Beispielhaft will ich das mal auf den Beitrag von Odysseus beziehen:
    1.
    Du argumentierst mit Porportionen: jeder, der sich damit auskenne, würde die Vorzüge der alten Gestalt des Hotels erkennen.
    So beeindruckend der Bau in seiner alten Gestalt auch gewesen ist, so sehr war es eine stark additive Komposition von Elementen wie Altanen, Loggien, Kolonnaden etc., die Größtenteils keinen wesentlichen Bezug zum Inneren des Gebäudes und seiner Organisation hatten und die Gesamtform des Baukörpers eher verunklarten. Aber das Arrangement von Versatzstücken der Architekturgeschichte war ja gerade eine Merkmal des Historismus.
    Die geringere Plastizität des heutigen Hotels ist nicht umsonst üblich für die Typologie (vgl. gerade die strengeren Gebäude der Zeit im In- und Ausland) und wird dem Charakter des Baukörpers vielleicht sogar eher gerecht.
    Auch wenn all dies absolut streitbar ist, bleibt die Frage: geht es wirklich um Proportionen, oder vielmehr um die Monumentalität des Gebäudes?


    2.
    Bei Argumentationen mit der "Einfügung" in das Stadtbild ist immer der Bezugspunkt entscheidend - das Stadtbild ist starken Wandlungen unterworfen. Bereits in vielen Beiträgen hier im Forum - besonders zum Thema Domplatte - wurde herausgearbeitet, dass historische Ideale nur bedingt als Grundlage für aktuellen Städtebau taugen, da sie die Realität des Stadtbildes vernachlässigen. Will heißen: die mittelalterliche Bebauung der Domplatte ist als Ausgangspunkt wenig hilfreich, wenn sie bereits im (zweiten) Kaiserreich grundlegend verändert war.
    Die heutige Gestalt des Domhotels fügt sich harmonisch in die Nachbarbebauung, da architektonisch bereits auf das fehlende Dach reagiert wurde. Solange nicht die gesamte Nachbarbebauung ebenfalls rekonstruiert wird, ist eine derartige Argumentation obsolet. Und um die generelle Problematik solch großangelegter Rekonstruktionsprojekte (à la Frankfurt) zu beleuchten: welche Epoche ist dann maßgeblich, Gotik/Mittelalter (zum Dom passend) oder Historismus/Kaiserreich (zum Hotel passend)?
    Geht es hier also um das Stadtbild und die Einfügung in die Umgebung, oder eine grundsätzliche Ablehnung der Architektur der fünfziger Jahre?


    3.
    Man kann über die Haltung zu Flachdächern prinzipiell viel sagen, ebenso über Architektur der fünfziger Jahre generell streiten.
    Wer jedoch glaubt, die Architektur der Gründerzeit mit Stuck und viel weißer Farbe wieder aufleben lassen zu können, verkennt meiner Meinung nach massiv das Wesen und die Qualitäten der Architektur dieser Zeit.
    Diese liegt besonders in der Wertigkeit (Steinmetzarbeiten, hochwertige Materialien) und Typologie (klassischer, nicht-funktionalistischer Grundriss, der Raum zur individuellen Entfaltung bietet).
    Im Gegensatz dazu wurden auch bereits im Kaiserreich Backstein-Boxen mit vorgesetzter historistischer Stuckfassade in "Fließbandproduktion" hergestellt, die in Masse monoton, generisch und kulissenhaft sind und manchen Gebäuden der Moderne darin in nichts nachstehen.
    Kurzum: Auch im Kaiserreich gab es schlechte Architekten und "billige" Bauten, hier muss stark differenziert werden.
    Nicht alles, das alt ist, ist per se gut.

  • ^ Am Hotel wird sich wohl wenig ändern, dafür ist eine Neubebauung im Südosten des Platzes angepeilt, über die bereits diskutiert wurde. Dort würde ich durchaus Rekonstruktionen nach dem Vorbild des Frankfurter Dom-Römer-Areals erwarten - da von der Kölner Altstadt kaum mehr als von der Frankfurter übrig geblieben ist. Eher Gotik/Renaissance/Barock als spätere Zeiten, da es noch viele Bauten des späten 19. Jahrhunderts gibt - frühere Epochen sind selten vertreten.


    Ich verstehe diese (von der Bevölkerungsmehrheit wohl nicht geteilte) Ablehnung gegenüber altstädtischen Ensembles nicht. Etwa in der Londoner City gibt es genauso mittelalterliche Gassen (an den sich besonders gerne Pubs ansiedeln - wie voll ist dort an jedem Freitagabend), Römische Überreste wie hochmoderne Bürobauten - möchte man eine Stadt auf Letztes beschränken, wäre sie wie amputiert bzw. steril wie ein x-beliebiges Gewerbegebiet.

  • @ Goanna: Beeindruckend argumentierter Artikel. Dem kann ich nichts hinzufügen! Ich würde mir mehr Kommentare wünschen, die ebenso reflektiert sind und eine hervorragende Kenntnis über die Gegegebenheiten aufweisen.

  • Bestimmt kennen einige folgenden Verein bereits, der sich mit dem speziell mit dem Bauerbe deutscher Städte befasst.
    Ich selber bin erst vor einigen Tagen darauf gestoßen und fand dessen Anliegen sehr interessant und unterstützenswert, sodass ich auch beschlossen habe, dort Mitglied zu werden.


    http://www.stadtbild-deutschland.org/

  • kleinteiligkeit

    ^
    Manchmal frage ich mich, wie groß hier die tatsächlich "erlaufene", also zu Fuß durch viele ausgedehnte Stadtspaziergänge erschlossene Köln-Kenntnis in der BREITE (!) eigentlich ist. Köln hat nun wahrlich nicht das Problem, dass es zu wenig altstädtische Grund-Strukturen und Grundstückskubaturen in der Kernstadt hätte - Frankfurter erobert sich gerade an einer doch sehr kleinen Stelle ein klein wenig sein altes Stadtmuster im Kern zurück, wo Köln aber nach dem Krieg an ähnlich prominenter Stelle (also Alter Markt - Heumarkt - Kernaltstadt) gar nicht erst den Fehler gemacht, dieses zu verwerfen, sondern seine alte Struktur weitesgehend behalten hat. In der Breite der ehemaligen Altstadt (gesamtes inneres Ringgebiet) ist es sogar so, dass man sagen kann: hätte es die NS-Fahrt, und die Verbreiterung einiger anderer Strassen in der Form nicht geben, dann hätte sich Köln so eng wie kaum eine andere der im Kern weitesgehend zerstörten deutschen Städte, die sich nach dem Krieg zu echten Metropole geweitet haben und dementsprechend auch infrastrukturelle Veränderungen umzusetzen hatten, an seinen alten Stadtgrundriss gehalten. Die Vorteile der NS-Fahrt und der Bäche im Geges. zum oben zitierten London liegen dabei, bei allen auch großen Problemen (Überdimensionierung vs. oftmals zu kleiner Randbebauung) auf der Hand: die kleinteiligen Veedel sind entlastet und ruhig. Wenn man in diese nicht hineinläuft, dann erfährt man auch nicht, wie altstädtisch und kleinteilig sie und vor allem die Umgebungen um die romanischen Kirchen sind, die oft deren Kern bilden. In London ist überall Stau - in nahezu jeder noch so engen Strasse/Gasse. Wenn man als Autofahrer durch Köln fährt, bekommt man tatsächlich ein den "normalen" Stadtvierteln ziemlich entgegengesetztes Bild. Das ist dann in London vielleicht konsistenter. Zum Leidwesen von Anwohnern und Autofahrern.


    Kurz: Köln braucht keine falsche und schale Retortenkleinteiligkeit am alten WDR-Karree! Das würde alles, was diese Stadt in ihrer gewachsenen Mischung, die übrigens auch schon wieder historisch ist (die Fünfziger stehen jetzt länger als der Historismus zum Zeitpunkt seiner Zerstörung - bitte mal gründlich drüber nachdenken, was das in punkto Reko von "Altem" in letzter Konsequenz bedeutet) ausmacht, konterkarieren! Und, um ehrlich zu sein, jeder, der sich mit der Stadt und ihrem Wesen tiefgreifend beschäftigt hat, würde zu diesem Schluss kommen - es sei denn, er begreift Architektur als Nostalgie.

  • ^ Ich glaube, ich habe fast jede Straße der einstigen Altstadt erkundet - immer wieder erschrocken, wie wenig altstädtisch diese jenseits einiger wenigen Stellen wirkt. Beim Grundriss und Kleinteiligkeit sieht es keinesfalls so rosig aus (bitte mal etwa die Waidmarkt-Umgebung besuchen - ich postete hier mal einige Fotos), die Gestaltung erinnert überhaupt nicht an eine Altstadt. Zumeist 0815-Massenware der Nachkriegsdekaden.


    Der letzte Satz mit "jeder" klingt wie ein absolutistischer Anspruch auf Ausschließliche Wahrheit - natürlich wird in einer Stadt nicht nur rekonstruiert, dennoch haben die Millionenstädte Europas meist weit mehr Altstadt als jene in Deutschland. OK, durch den Krieg bedingt, wenn man aber in ähnlich stark zersörten Metropolen Polens rekonstruieren konnte, wäre Ähnliches auch hier angesagt. (Um klarer zu sein - in Polen wurde nach dem WKII nicht ein Haus des Historismus wiederaufgebaut, welches an der Stelle direkt vor dem Krieg stand, sondern aus den Jahrhunderten der Stadtgeschichte die möglichst interessantesten und kulturhistorisch wertvollsten Bauwerke der Umgebung ausgewählt.)


    BTW: Das Autofahren spielt in London eine weit geringere Rolle als in Köln - ich sah mal Werbung für Luxuswohnungen an der Themse für mehrere Mio. Pfund/WE mit dem Argument, diese liegen in der Zone 1 des Londoner Tarifsystems. Wenn man bereits weiß, dass beliebig breite Straßen irgendwann verstopft werden - die Erfahrung etlicher Großstädte in vielen Jahrzehnten - kann man das Durchschlagen breiter Straßenschneisen auch gleich sein lassen und auf Alternativen setzen. Konkret - ich bin wohl nicht der einzige, der hofft, dass die trennende Barriere der NS-Durchfahrt irgendwann zurückgebaut wird.

  • ^ Ich glaube, ich habe fast jede Straße der einstigen Altstadt erkundet - immer wieder erschrocken, wie wenig altstädtisch diese jenseits einiger wenigen Stellen wirkt. Beim Grundriss und Kleinteiligkeit sieht es keinesfalls so rosig aus (bitte mal etwa die Waidmarkt-Umgebung besuchen - ich postete hier mal einige Fotos), die Gestaltung erinnert überhaupt nicht an eine Altstadt. Zumeist 0815-Massenware der Nachkriegsdekaden


    Ich kann dich überhaupt nicht einschätzen, du verfasst viele interessante Kommentare, die zum Nachdenken anregen, du scheinst viel zu reisen und andere Länder und Städte hinsichtlich der Architektur und Städebau zu "begutachten"....Und dann schreibst du jedoch solche Kommentare wie oben. Die von dir gezeigten Gebäude am Waidmarkt sind gerade mal 2 Jahre alt. Sind die 2010-er für dich noch als Nachkriegsdekade anzusehen?
    Du schreibst wie wenig altstädtisch die Kölner Innenstadt jenseits einiger weniger Stellen wirkt, und das es beim Grundriss und Kleinteiligkeit der Innenstadt keinesfalls so rosig aussieht. Auch das stimmt nicht. Fast die gesamte Altstadt innerhalb der ehem. mittelalterlichen Stadtmauer (die leider im Historismus zu 95 % zerstört wurde) haben den alten Stadtgrundriss vor dem 2. WK wiederhergestellt. Man beachte nur mal das Griechenviertel, Severinsviertel, belgische Viertel, Altstadtkern etc.! Wenige Ausnahme wie etwa den Breslauer Platz, NS-Fahrt etc. gibt es zwar, aber das betrifft bei weitem nicht die Innenstadt in Gänze!
    Du kritisierst, dass es beim Grundriss und Kleinteiligkeit der Innenstadt keinesfalls so rosig aussieht. Auf der anderen Seite werden der Historismus und Gebäude wie das Domhotel bewundert!
    Ist dir eigentlich bewusst, dass die von die geliebte Kleinteiligkeit an vielen Stellen bereits im Historismus zerstört wurden? Für das Domhotel etwa wurden ganze Straßenzüge mit ihren kleinteiligen Gebäude zerstört! Ich gehe sogar so weit zu behaupten, dass im Historismus weitaus mehr kleinteilige Gebäude vernichtet wurden, als im und nach dem Weltkrieg.
    Ich würde gerne mit dir einen Rundgang durch Köln machen und anschließend über die Gestaltung der Stadt diskutieren.

  • Bau-Lcfr:
    Es geht hier ja gar nicht darum, die autogerechte Stadt der Moderne schönzureden. Das die Nord-Süd-Fahrt nicht gerade ein Schmuckstück ist, ist doch allgemein akzeptiert. Genausowenig geht es um die "Ablehnung altstädtischer Ensembles". Aber es ist doch einfach nicht hilfreich historische und moderne Architektur nur schwarz/weiß zu sehen.
    Gerade Städte wie London zeigen doch, dass die Koexistenz von Architektur verschiedener Epochen für das Stadtbild absolut verträglich sein kann. Natürlich wurde in London nach dem Krieg eine Menge wiederaufgebaut (!), aber gerade der Dialog mit moderner Architektur ist was London interessant macht, weil die Stadt eben NICHT zu einem reinen Museum verkommt. Wandel und Koexistenz machen das Wesen einer Stadt aus. Sofern man nicht Architektur der fünfziger Jahre generell ablehnt (das wäre eine reine Geschmackssache) besteht dieser Dialog auch in Köln - nur zwischen anderen Epochen.


    Ich verstehe einfach nicht, wieso man viel Zeit und Geld in Rekonstruktion von alten Gebäuden investieren sollte, anstatt sich um eine angemessene Architektur für unsere Zeit zu bemühen. Diese wird sich in hundert Jahren auch im Kontext "historischer" fünfziger/sechziger Jahre Architektur finden und behaupten müssen.
    Dieses Ablösen von Stilen setzt sich immer weiter fort - warum also eine Epoche zum Ideal (v)erklären und rekonstruieren frage ich?!

  • ^ Die Fotos beweisen vor allem, dass ich durchaus viel in Köln zu Fuß unterwegs war - aber doch, architektonische Massenware sind diese Bauten und der Altstadt nicht angepasst. Nur der Brunnen und St. Georg (hinter dem Rücken bei diesen Perspektiven) passen zu dieser.


    Weiter westlich gibt es ältere Siedlungen und das Finanzamt Mitte, die rein gar nichts an Kleinteiligkeit aufweisen - mit weiteren breiten autobahnähnlichen Schneisen. Nur wenn man am Rhein südwärts geht, findet man den Bayenturm als Beweis, dass die Altstadt noch viel weiter reichte. Oder die Severinskirche samt Tor weiter südlich samt einigen Altbauten zeugen davon - die durch öde Gebiete von der Altstadt um den Dom stark abgeschnitten wurden. (Oder noch weiter westlich die inselartig abgeschnittene Kirche mit dem Sarg der Kaiserin Teophanu.)


    Trauriges in der Nähe - hier steht ein historisches Giebelhaus, in Street-View ausgepixelt - die gesamte Umgebung inkl. Drusus-Bad hat nichts altstädisches, bis auf die gepflasterten Gassen vielleicht. (Bitte Street-View um 360 Grad drehen). Nur den umgebauten Wasserturm halte ich für gelungen - solche (post)modernen Akzente können gerne sein - den Rest nicht.
    Erg.: Was Google verweigert, habe ich mindestens einmal fotografiert - dieses Haus sollte in seiner Umgebung zum Massstab werden:



    Sollen wir so jetzt Quartier für Quartier durchgehen? Ich habe keine Illusion, dass die Mehrheit des Altstadt-Areals altstädtischer gestaltet wird (an 100% denke ich nicht mal), doch es sollte wesentlich mehr als jetzt werden.

    Einmal editiert, zuletzt von Bau-Lcfr ()

  • ich bin definitiv auch für einen rückbau der großen schneisen wie der NS-fahrt, (grüne mittelstreifen mit rad- und fußwegen wären hier ein relativ schnell umzusetzendes und gar nicht mal so teures mittel oder eine verbreiterung der bürgersteige mit baumreihen - verstehe nicht, warum das nicht schon längst gemacht wird). das implizieren auch meine ausführungen in meinem letzten beitrag, wenn man genau liest - das habe ich immer gesagt, wenn es um diese straßen ging. das möchte ich hier auf jeden fall richtig stellen. das anstelle dieser horror-straßen aber verträgliche strassen entstehen müssen, die den verkehr an den vierteln weiterhin vorbei leiten, ist natürlich unbestritten und auch das ziel einer jeden verbesserungsmaßnahme (übrigens war das auch das ziel von rudolf schwarz' wiederaufbauplänen, der sich diese transfer-strassen/umgebungen, die köln infrastrukturell natürlich auch ins 20. jahrhundert geführt haben, auch bei weitem kleiner und verträglicher vorgestellt hat > das muss die zukünftige lösung sein).


    zu london: london ist der horror, was autos angeht - dort sind, egal wie eng sie auch sind, nahezu in allen innerstädtischen strassen und gassen autos - da braucht man mit dem taxi tagsüber für ein paar kilometer meist über eine stunde und als fußgänger muss man da verdammt aufpassen, weil man in den nebenstrassen überhaupt nicht damit rechnet, dass es da verkehrsmäßig so wild zugeht! - dort wäre auf strassen wie der severinstrasse, dem eigelstein usw. mind. 12 std. am tag stop-and-go > 100%. ich weiß das von meinen regelmäßigen berufsreisen dorthin. london ist ein ganz schlechtes beispiel. fahrrad-fahren ist dort seit ein paar jahren ein neues (!) phänomen, worüber extra in den medien berichtet wird (!) und übrigens lebensgefährlich - das muss man sich mal vorstellen, so was kannten die da in der stadt bis vor kurzem gar nicht... soviel zu london.


    was gegenden wie den waidmarkt angeht - ich habe in meinem beitrag ja ganz klar von ausnahmen und abweichungen vom alten stadtgrundriss gesprochen - völlig klar, das es die gibt - köln ist eine moderne millionen-stadt! - das berühmte altstadt-panorama ist in dieser hinischt vielleicht etwas irreführend und verspricht zunächst etwas anderes - umso schöner, dass wir beides haben und generell diese hohe diversität an "realitäten" - ich habe auch immer das gefühl, diese typischen reko-schwärmer wünschen sich auch eine ganz andere form von gesellschaft und leben - das offene, liberale und lässige köln hängt untrennbar mit seinem heutigen aussehen zusammen - da bin ich fest von überzeugt! (anderes thema) - was ich im kern sagen wollte, ist: es gibt jenseits der "transfer-verkehr-gegenden", die sich definitiv ändern müssen, eben sonst weitestgehend altstädtische kleinteiligkeit - das die architektur in gegenden, wo alles weg war, natürlich nicht aus der zeit von vor 45 stammt, ist auch klar. aber das hat erstmal nichts mit dem alten stadt-grundriss zu tun, von dem köln noch viel hat. darum ging es mir. ich habe das deswegen etwas provokant fomuliert, weil mich diese unreflektierte gleichstellung von altstadt-grundriss = historische altstadt-architektur immer stört, wie sie bau-lcfr dauernd vornimmt. altstadt ist auch dort, wo es deren grund strukturen noch gibt. das macht das immer noch vorhandene "alte" köln-gefühl doch im wesentlichen aus - wie bspw. auf der vringsstrasse, dem eigelstein usw. - und deswegen stimmt es auch, was ich geschrieben : köln hat kein kleinteiligkeitsproblem! und das schlimmste und grauenvollste und verlogenste, was am WDR-karree passieren kann, wäre eine historisierte kleinteiligkeit mit dahinter liegender moderener shopping-mall - bei unserem stadtbaudezernenten höing und der sehr aufgeklärten, progressiven und zum glück selten reaktionären kölner bürgerschaft, die an stadtplanung et al. interessiert ist, können wir hier aber zum glück ziemlich beruhigt sein. das kommt nicht - und das ist gut so!


    zum thema stadtmorphologie:


    http://de.wikipedia.org/wiki/Stadtmorphologie


    lustigerweise wird köln in diesem artikel in einer meine argumentation stützenden weise erwähnt - bsp. als zitat gefällig ? voilà :


    "Stadtgrundrisse sind wesentlich langlebiger als die baulichen Strukturen. So sind z. B. im Kölner Grundriss noch die Spuren römischer Straßen und das mittelalterliche Straßennetz weitgehend erhalten (siehe Bild rechts). Dies heißt zweierlei: Erstens waren die Prinzipien der Raumorganisation offenbar tauglich genug, um bis heute in Gebrauch zu bleiben, zweitens ist damit dieser Teil des Stadtgrundrisses historisches Dokument früherer Perioden."

  • Weiter westlich[/URL] gibt es ältere Siedlungen und das Finanzamt Mitte, die rein gar nichts an Kleinteiligkeit aufweisen - mit weiteren breiten autobahnähnlichen Schneisen. Nur wenn man am Rhein südwärts geht, findet man den Bayenturm als Beweis, dass die Altstadt noch viel weiter reichte......die gesamte Umgebung inkl. Drusus-Bad hat nichts altstädisches, bis auf die gepflasterten Gassen vielleicht.


    Nur wenige Schritte neben Bad und Wasserturm sieht es heute so aus:
    https://www.google.com/maps/@5…tnopBjKa05IRg!2e0!6m1!1e1
    Die so kleinteilig bebaute Fläche ist eindeutig größer als das von dir kritisierte Areal! Das ist einfach Fakt, und wenn du das allen Ernstes bestreitest, ist das falsch! Genauso der von dir genannte Bayenturm: Fast die gesamte Fläche zwischen Chlodwigplatz und Bayenturm ist definitiv der Altstadtstrukturen nachempfunden bzw. sind sehr viele Altbauten vorhanden!
    https://www.google.de/maps/@50…t7lLX9nclYtBg!2e0!6m1!1e1
    Und das hat also für die nichts mit Altstadt zu tun?:
    https://www.google.de/maps/@50…lTcqVEHWJuj7w!2e0!6m1!1e1 So sieht ein Großteil der von dir kritisierten Fläche ohne Altbaubeweise aus!
    Diese Strukturen und Kleinteiligkeit wurde nach dem 2. WK ebenfalls hinter der von dir genannten Kirche St. Georg übernommen.

    Nur wenn man am Rhein südwärts geht, findet man den Bayenturm als Beweis, dass die Altstadt noch viel weiter reicht


    Es ist ein (trauriger) Beweis, dass 95 % der Altstadtmauer inkl. fast aller Stadttore im HISTORISMUS zerstört wurden! Du bedauerst etwas bzw. versuchst das der Nachkriegsmoderne in die Schuhe zu schieben, was bereits im 19 Jhd. zerstört wurde!

    die durch öde Gebiete von der Altstadt um den Dom stark abgeschnitten wurden. (Oder noch weiter westlich die inselartig abgeschnittene Kirche mit dem Sarg der Kaiserin Teophanu.)


    Die abgeschiedene Kirche Pantaleon hat nichts mit Altstadtstrukturen zu tun! Die Anlage befand war immer schon inselartig abgeschnitten! Im Mittelalter befand sie sich außerhalb der eigentlichen Altstadt!

  • In der Architektur und Stadtplanung gilt besonders, wie meist auch anderswo: es gibt keine einfachen Wahrheiten.


    Ich glaube gerade der Beitrag von D.T.68 zeigt ganz gut, dass es weder etwas bringt, einer Epoche alle Schuld anzulasten, noch in dem Stil (!) einer anderen das Heil aller Probleme zu suchen.


    Um es mal mit den Worten eines nicht ganz unbekannten Architekten zu sagen:
    Ich halte es für notwendig, die Debatte "aus einer Atmosphäre des Einseitigen und Doktrinären herauszuheben". :daumen:

  • Ich verstehe einfach nicht, wieso man viel Zeit und Geld in Rekonstruktion von alten Gebäuden investieren sollte, anstatt sich um eine angemessene Architektur für unsere Zeit zu bemühen.


    Das eine schließt das andere ja nicht aus. Ich zumindest engagiere mich für Rekonstruktionen, weil mich fast alles was nach dem Krieg kam extrem enttäuscht hat.
    Fürs Berliner Schloss als Fassade bin ich z.B. nicht nur weil ich sie schön finde, sondern vor allem weil ich überzeugt bin, dass ein Moderner Bau an dieser Stelle vollkommen versagt hätte. Wie es aus meiner subjektiven Sicht fast immer geschieht.


    Durch Rekonstruktionen erhoffe ich mir nicht nur das Wiederkehren von schöner verlorener Architektur sondern auch und vor allem das diese Gebäude dann Einfluss auf die Moderne Architektur nehmen und sie aus meiner Sicht verbessert.


    Dieses Ablösen von Stilen setzt sich immer weiter fort - warum also eine Epoche zum Ideal (v)erklären und rekonstruieren frage ich?!


    Es wird ja nicht nur eine Epoche zum Ideal erklärt sondern alle Vorkriegsepochen.
    Wenn unsere Städte noch voll stünden mit alter Bausubstanz wäre ich ganz bei dir, aber dem ist fast nirgendwo so.

  • Lingster:
    Mit einer Aussage wie der deinen kann ich mich auch eher anfreunden, weil Du keinen Hehl daraus machst, dass es für dich einfach eine Geschmacksfrage ist - nicht mehr und nicht weniger.


    Jede Zeit hat ihre unverkennbare Optik, geformt aus ihren Rahmenbedingungen, und das Stadtbild zeugt von diesen Unterschieden.
    Man sollte ja auch nicht aus den Augen verlieren, dass es Gründe gibt, wieso Architektur nach dem Krieg anders aussah als davor - und damit meine ich nicht nur knappe Kassen.
    Gebäude werden heutzutage alleine schon derart anders hergestellt, dass es nur folgerichtig ist, dass sie anders aussehen. In diesem Sinne bin ich leider skeptisch, was den Grad an Einfluss von mehr historischer Architektur auf die zeitgenössische Architektur betrifft - ausschließen kann man es aber natürlich nicht. Dennoch glaube ich das der Ansatzpunkt bei unserer zeitgenössischen liegen muss. Denn so wenig diese deinem ästhetischen Bedürfnis gerecht wird, so wenig wird die historische unseren heutigen Bauaufgaben gerecht. Es gibt viel zu tun also. ;)


  • Die abgeschiedene Kirche Pantaleon hat nichts mit Altstadtstrukturen zu tun! Die Anlage befand war immer schon inselartig abgeschnitten! Im Mittelalter befand sie sich außerhalb der eigentlichen Altstadt!


    St. Pantaleon befand sich sehrwohl innerhalb der mittelalterlichen Stadtgrenzen. Was du mit "außerhalb der eigentlichen Altstadt" meinst, vermag ich nicht nachzuvollziehen.


    http://www.guenter-lehnen-koeln.de/Koeln_mittelalt_16.jpg

  • ^^
    Nicht nur Geschmackssache, aber zu großen Teilen schon. Kulturelles Erbe bewahren und dessen Wiederherstellung, wenn verloren, spielen ebenfalls eine große Rolle. Auch wenn nicht immer viele Orginalteile vorhanden sind.


    Mit "anders aussehen" als früher hab ich keinerlei Probleme, ich mag zB viele Zeugnisse der "Organischen Architektur" und einige der "Blob-Architektur".

  • Nur wenige Schritte neben Bad und Wasserturm sieht es heute so aus:
    https://www.google.com/maps/@5…tnopBjKa05IRg!2e0!6m1!1e1
    Die so kleinteilig bebaute Fläche ist eindeutig größer als das von dir kritisierte Areal!


    Halbwegs kleinteilig, doch wo ist hier die Altstadt erlebbar? Welche Gestaltung man mit dieser verbindet, habe ich unter #50 nachträglich gezeigt - ein Foto des von Google-Street-View weggepixelten Hauses. Die darüber verlinkten sind bloß hastig errichtete Behelfsbauten der frühen Nachkriegszeit, die schnell ein Dach über dem Kopf sichern sollten - weder architektonische Höhepunkte der Entstehungszeit noch optisch irgendwie befriedigend. Nicht für solche Blicke fährt man nach Köln, denn davon gibt es in jeder Stadt mehr als genug.


    Auch heute kann man rekonstruieren - etwa in Mülheim mitten im Ruhrgebiet wird gerade das historische Petrikirchenhaus rekonstruiert (aktuelle Fotos). Wie viele vergleichbare Rekonstruktionen gibt es jährlich in Köln?


    -------------------


    Jede Zeit hat ihre unverkennbare Optik


    Als ich zuletzt in Brügge war, waren die Gassen so voll, dass man kaum durchgehen konnte - ähnlich in jeder Altstadt, von der viel erhalten (oder wiederhergestellt) wurde. Nach dieser Optik gibt es ungebrochen ein starkes Bedürfnis - so muss nicht gleich die ganze Stadt aussehen, aber etwas - genügend - davon sollte man schon haben.

    Einmal editiert, zuletzt von Bau-Lcfr ()

  • ^^ Danke für den Stadtplan des mittelalterlichen Kölns!

    St. Pantaleon befand sich sehrwohl innerhalb der mittelalterlichen Stadtgrenzen.


    Das habe ich doch überhaupt nicht in Frage gestellt! Willst du damit sagen, ich wüsste nicht wo die mittelalterliche Stadtmauer stand, bevor sie im Historismus zerstört wurde bzw. wo St. Pantaleon erbaut wurde? .....Ich sprach von Altstadtstrukturen, die Bau-Lcfr aufführte!

    Was du mit "außerhalb der eigentlichen Altstadt" meinst, vermag ich nicht nachzuvollziehen.


    In deinem verlinkten Stadtplan kann man gut erkennen, was ich meinte. Die Anlage von St. Pantaleon war nicht eingebunden in die Altstadt, sondern vielmehr auf dem freien Feld - autark. Folgender Plan verdeutlicht dies noch besser:
    http://de.wikipedia.org/wiki/S…ntaleon-K%C3%B6ln-001.jpg

    Einmal editiert, zuletzt von D.T.68 ()

  • Wie viele vergleichbare Rekonstruktionen gibt es jährlich in Köln?


    Gebäude u.a.: St. Kunibert, Groß St. Martin, Gürzenich, St. Georg, fast sämtliche Gebäude zwischen Alter Markt und Rhein, Bayentalturm, St. Andreas....
    Rekonstruktionen von Stadtstrukturen: 90 % der Altstadt.

    Als ich zuletzt ]in Brügge war, waren die Gassen so voll, dass man kaum durchgehen konnte - ähnlich in jeder Altstadt, von der viel erhalten (oder wiederhergestellt) wurde.


    Du behauptest, dass in Köln keine Altstadt erlebbar ist, gleichzeitig schwärmst du von den Menschenmassen in den Gassen von Altstädten, in denen viel erhalten oder wiederhergestellt wurde.
    Deiner Logik folgend, müsste die Kölner Altstadt, die deiner Meinung nach kein Altstadtfeeling hat, menschenleer sein! Hm...was soll man da sagen? Die Kölner Altstadt ist jedoch lebendig und die Gassen voller Menschen und Touristen!