Neubauwohnungen. Price and prejudice.

  • Neubauwohnungen. Price and prejudice.

    Ist mir klar, dass das hier ein Architektur-, kein Immobilienforum ist. Trotzdem gibt es ja ein paar Aspekte im Grenzbereich. Gleich dazugesagt sei, dass ich zwar durch die Suche nach einer Wohnung auf dieses schöne Forum aufmerksam geworden bin, mein aktuelles Interesse aber nicht mehr meine vergangene Suche betrifft (Danke. Ich bin versorgt...)


    Ein Aspekt, der mich als Fachfremder interessiert, ist der Zusammenhang bei Neubauimmobilien zwischen Lage, Architektur und Preis.


    Mit laienhaftem Auge gesehen, unterscheidet sich die Architektur zwischen teuren Luxusprojekten (zB Am Zirkus oder LUX, beide Mitte), gehoben-teuren (zB Klostergärten, Mitte), gehoben-mittelteuren (diverse in Fr.hain, zB Polygongarten, Revaler Spitze etc.) nicht grossartig. D.h. eher duch Stil (der ja subjektiv ist), nicht durch den Aufwand (der objektiv nachvollzogen werden könnte).


    Grundrisse sind ähnlich, Rohbau sieht ähnlich aus, Fassadenmaterialen können, müssen aber nicht unbedingt einen Unterschied machen. Die Vermarktungsschlagworte (energieeffizient, Parkett, Fussbodenheizung, aufwendig begrünter Garten, Deckenhöhe 2,80-3,00m... etc., hochwertige Bäder, grosszügiges Gesamtensemble blah...) sind ähnlich, und unterscheiden sich nur marginal je nach Zielgruppenausrichtung (ökologisch/familienfreundlich, konservativ/familienfreundlich, seniorengerecht, modern/futuristisch, arriviert, luxusaffin/kosmopolit etc.). Aber hey, der Quadratmeterpreis kann sich doch nicht allein an der Badezimmerausstattungslinie orientieren, oder?

    Daher die Frage: Wie sehr unterscheiden sich die diversen (reinen Neubau-)Projekte tatsächlich im Bauaufwand, abgesehen von Stilfragen?


    Ist der ganze Preisunterschied tatsächlich nur LageLageLage? Welchen Prozentsatz machen die Grundstückskosten tatsächlich aus?


    Interessiert,


    mmork


    PS: Falls die Moderatoren der Meinung sind, dass sich der thread zu weit aus dem Architektur- zu weit in den Immobilienmarktbereich bewegt, bitte einfach löschen...

  • Ich bin kein Architekt und auch durch die Immobiliensuche auf dieses Forum aufmerksam geworden. Ich finde das von Dir aufgeworfene Thema interessant. Auch nach meiner laienhaften Anschauung geben sich die verschiedenen Objekte nicht viel in Sachen Ausstattung. Die Preisunterschiede ergeben sich nach meiner - laienhaften - Meinung natürlich aus der Lage und dem Zeitpunkt, wann die Projekte in den Vertrieb gehen. Wegen der angespannten Lage werden die Projekte seit Jahren immer nur teurer.


    z.B. Bauträger Project Immobilien: Zwei Projekte, vergleichbare Lage in Zehlendorf bzw. Lichterfelde-West, mehr oder weniger gleiche Ausstattung und jetzt nicht sooooo unterschiedliche Architektur.


    "Drei Marien" kam wohl Anfang 2013 auf den Markt. Preise zwischen 4000 (Erdgeschoss) und 5000 (Dachwohnung)
    http://www.project-immobilien.…ckensteinallee/wohnungen/


    Vor wenigen Tagen ist nun "Alte Gärtnerei" gestartet, vielleicht drei Minuten von "Drei Marien" mit dem Auto entfernt. Preise sind dort 5000 (Erdgeschoss) bis 6000 (Dachwohnung), also 20% mehr.
    http://www.project-immobilien.…mmobilien/schlettstadter/
    (Preise gibt es bei Immobilienscout)



    Eine reine kostenbasierte Preiskalkulation macht doch für einen Unternehmer auch keinen Sinn. Am Ende schaut der Bauträger eben, was der Markt geradeso hergibt und schlägt nochmal 10% drauf. Bislang kappt das scheinbar.

  • Auch wenn sich das Interesse am Thema bisher in engen Grenzen hält - hier mal zwei Artikel die aktuelle Preiskalkulationen im Neubaubereich etwas transparenter machen:


    1. Wie hoch ist der Anteil der Grundstückskosten an den aktuellen Neubaupreisen?
    Dieser Artikel gibt einen Anteil von ca. 300-800Euro pro qm an. Im Extremfall (um den sich der Artikel dreht) auch bis 2000Euro/qm Wohnfläche (nicht Grundstücksfläche!) im Prenzlauer Berg.
    http://www.berliner-zeitung.de…is,10809148,24296628.html


    2. Wie hoch sind die Baukosten pro qm Wohnung im Neubau?
    In diesem Artikel werden die Baukosten für ein Genossenschaftsprojekt mit mit 2000Euro pro qm angegeben. Im vorliegenden Fall sind sie nun auf 2700Euro/qm gestiegen und das Projekt steht auf der Kippe.
    http://www.tagesspiegel.de/wir…f-der-kippe/10883678.html


    Daraus folgt meiner Meinung nach: Unter 2500Euro/qm kann man offensichtlich in Berlin kaum bauen - auch wenn eine Baugruppe ohne Gewinnerzielungsabsicht (und nicht etwa ein Investor) plant. Die 3000Euro/qm-Kostenmarke kann leicht erreicht werden, wenn das Grundstück etwas teurer/zentraler ist oder der Bau etwas teurer ausfällt.

    Einmal editiert, zuletzt von mmork ()

  • Sich einmal die Kosten zu vergegenwärtigen ist wichtig, vor allem die verschiedenen Bezüge.


    1. Bauträger, Entwickler, Baugruppen - alle rechnen stets alle Kosten auf den Quadratmeter vermiet- oder verkaufbare Wohnfläche um, da dies i.d.R die einize Einahmequelle darstellt.


    2. Baukosten im Wohnungsbau werden immer brutto angegeben, also inkl. 19 % MWSt, da bei der Anmietung oder dem Kauf von Wohnungen i.d.R niemand die MWSt abziehen kann.


    3. Die Tiefgarage wird mal rein, mal raus gerechnet - da muss man genau hinschauen. I.d.R. sollten sich die Kosten der TG im Verkauf oder der Vermietung selbst tragen, sodass die Kosten der TG ein durchlaufenden Posten sein sollte. Das ist aber häufig nicht so, da bei kompliziertem Baugrund oder schlechtem Grundstückschnitt schnell Selbstkosten von > 30-40.000 Euro pro Stellplatz entstehen können.


    4. Die Baunebenkosten (Architekt, Ingenieure, Gebühren etc.) sollten in den Bruttobaukosten enthalten sein. Sie rechnen man nach DIN mit 20 % der reinen Brutto-Baukosten, engagierte Bauträger schaffen das schon mal auf nur 14 % zu kommen.


    Grosso modo wird in Berlin für etwa 1.700 bis 1.800 brutto auf den qm Wohnfläche ohnte TG gebaut, das Grundstück schlägt nochmals mit 300 bis 800 €/qm zu Buche. Vernachlässigt ist hier der Bereich "Herrichten & Erschliessen": Altlasten, Zufahrtstraße, Rodungen etc. - vor allem bei Bestandsumnutzungen kann dies schnell eine gewichtige Kostengruppe werden. Nicht zu vergessen sind auch Finanzierungskosten sowie die kosten der Anlage der Freifläche.


    Deshalb ist der Wert von 2.500 Gestehungskosten für Wohnungsbau durchaus realistisch, bei den staatlichen Wohnungsbaugesellschaften liegt das durch die Ausschreibungspraxis und Kartellbildungen i.d.R bei 3.000 Euro/qm Wohnfläche. Ein erfahrenes, gut vernetztes Architekturbüro, dass auch selbst die Bauleitung macht sollte mit 2.000 Euro klarkommen können.

    Was ist mit einem Gewinn?

    - Bei kommerziellen Bauträger kommen der Gewinn des Bauträgers (i.d.R. 500 €/qm) und Vertriebsprovisionen auf den Gestehungspreis drauf.
    - Die Wohnungsbaugesellschaft muss, zusätzlich zu den erhöhten Baukosten wg. der notwendigen Auschreibungspraxis, ihre Verwaltung oben drauf rechnen.
    - Die Baugruppen haben durch einen aufwändigen, zähen und langwierigen Binnenentscheidungsprozess, der i.d.R. extern moderiert wird, enorme Nebenkosten, die sich mit dem Bauträgergewinn oder der Provision von der Höhe her vergleichen lassen. "Baugruppenmoderation" ist ein zusätzlichen Geschäftsfeld für Architekten geworden. Deshalb wird hier gegenüber den Bauträgern meist nichts gespart, nur anders ausgegeben.

  • da bei kompliziertem Baugrund oder schlechtem Grundstückschnitt schnell Selbstkosten von > 30-40.000 Euro pro Stellplatz entstehen können.


    Auf ähnliche Größenordnung kam ich ebenso immer wieder. Soweit ich weiß, in Berlin wurde doch die Stellplatz-Baupflicht abgeschafft, wem also diese Kosten zu teuer sind, muss sie nicht tragen? Sie wären vor allem beim Bau der immer populärer werdenden Kleinwohnungen um 25-30 Qm verheerend, fast die Hälfte der Kosten eigentlicher Wohnung - wobei die meisten Studenten (eine der Hauptzielgruppen solcher Appartments) haben nicht mal ein Auto.

  • In einem Artikel der FAZ wird der Anstieg der Baukosten in den letzten 15 Jahren beklagt. Dieser läge weit über der durchschnittlichen Teuerungsrate und werde zusätzlich durch starke Verteuerung der Baulandpreise sowie durch kommunale und staatliche Vorgaben getrieben.
    Der durchschnittliche Preis pro qm Wohnfläche für ein nicht näher definiertes Mehrfamilenhaus in einem Ballungszentrum wird mit durchschnittlich 3080 Euro angegeben. Eine Vermietung zu durchschnittlichen Preisen sei damit nicht mehr möglich.


    http://www.faz.net/aktuell/fin…bare-mieten-13554566.html


    So gesehen fast erstaunlich, dass es in Berlin sogar Eigentumswohnungsbau zu Preisen gab, die knapp unter 3000Euro lagen, wie zB Axis in Friedrichshain (von Ziegert) oder (aber schon 3Jahre her) MyBerlin, ebenfalls Friedrichshain, von KondorWessels.