Das alte Bonn
Ging man schon im 19. Jahrhundert mit der barocken Bausubstanz Bonns nicht besonders zimperlich um - beinahe alle Adelspalais wurde abgebrochen -, muß man die Bombardements des Zweiten Weltkrieges und vor allem den anschließenden Neuaufbau der Altstadt wohl als ihr endgültiges Ende ansehen. Zwar war die Gesamtstadt Bonn in weit geringerem Maße als andere Großstädte am Rhein betroffen, und nicht zuletzt deshalb konnte es später Bundeshauptstadt werden. Doch während die gründerzeitlichen Stadterweiterungen größtenteils verschont blieben und so viel Wohn- und Büroraum für die zukünftigen Aufgaben bereitstand, waren die Verluste in der östlichen zum Rhein hin abfallenden Altstadt enorm, da sie durch die nahegelegene Rheinbrücke immer wieder Ziel massiver Luftangriffe wurde.
Besonders schlimm für Bonn ist diese Tatsache, weil sich gerade in diesem Gebiete der Altstadt noch viel ursprüngliche Bausubstanz befand, während der westliche Teil größtenteils schon mit Gründerzeitlern zugepflastert war.
Die Altstadt, die den Bonnern blieb, ist also zumindest architektonisch in weiten Teilen gar keine, und im Osten gingen malerische Straßenzüge wie die Rheingasse mit dem giebelständigen Wohnhaus Beethovens - das in seinem Leben eine erheblich wichtigere Rolle spielte als das erhaltene Geburtshaus -, die Gertrudiskappelle und ein verbliebenes Palais, der Boeselagerhof, für immer verloren.
Es gab nie den Plan, dieses Viertel wiedererstehen zu lassen. Bonner Historiker führten schon die Abrisse des vorletzten Jahrhunderts, die wohl noch unbarmherziger gewesen sein müssen als anderswo in Deutschland, darauf zurück, daß die Bonner jegliche Bindungen zu solchen die städtische Kontinuität versinnbildlichenden Denkmälern mit der großen Zerstörung ihrer Stadt im Jahre 1689 verloren und nie wiedergewonnen hätten.
Während weite Teile der westlichen Altstadt in jener Zeit erneuert wurden, die Stadt in alle Richtungen erweitert wurde, überließ man das Rheinviertel sich selbst, und es war stets das Armeleuteviertel, nicht zuletzt wegen seiner abschüssigen Lage direkt am Rheinufer, die es oft zum Opfer von Hochwassern werden ließ. Und so genossen die kaiserzeitlichen Bauten der modernen Innenstadt höheres Ansehen als die historischen - aber wohl nicht herausragenden - am Rhein.
In der Verwaltung des Dritten Reiches hieß es, daß Bonn im Gegensatz zu anderen rheinischen Städten keine erhaltenswerte Altstadt besäße. Nach dem Kriege dachte man nicht anders und war im Grunde froh darüber, den letzten `Problemherd´, da er nun vollkommen abgeräumt war, ausmerzen zu können. Es folgte die Bonner Altstadtumlegung, eine Flächensanierung par excellence, bei der man gleich das Gebiet mit dem Schutt der zerstörten Häuser auffüllte.
So wurden die Gertrudiskapelle und das Beethovenhaus regelrecht vergraben.
Doch der Hochwasserschutz war nicht das alleinige Ziel der Sanierung.
Straßendurchbrüche und -verbreiterungen, die Umlegung ganzer Straßenzüge erforderten den Abriß erhaltener Gebiete. Die Breiten Schneisen `Oxfordstraße´ und `Belderberg´ - der keiner mehr ist, weil er im Zuge der Sanierung abgetragen wurde, einst aber zu den höchsten Punkten in Bonn gehörte - trennen östliches Rheinviertel und nördliche Altstadt mit der Stiftskirche (im 19. Jh. abgebrochen, durch historisierenden Neubau ersetzt) von der restlichen Altstadt, dem heutigen Geschäftsviertel.
Diesen beiden Schneisen istz es zu verdanken, daß die jenseits gelegenen Gebiete nicht mehr als Bestandteil der Altstadt aufgefaßt werden. Der Besucher wird zu der Annahme verleitet, die alte Stadtmauer müßte vor ihrer Schleifung Oxfordstraße und Belderberg gefolgt sein, und alles, was außerhalb liegt, seien Erweiterungen. Und die Nachkriegsbebauung scheint ihn zu bestätigen, nur Straßennamen wie Rhein- oder Giergasse bedeuten ihm, daß etwas nicht stimmt.
Und so hat die Bonner Altstadt ihren Zugang an den Rhein verloren und nie wieder zurückgewonnen. Wer vom Markt an den Strom gelangen möchte, muß durch eine Fußgängerunterführung am mehrspurigen Belderberg.
Die Geringschätzung der Bonner Altstadt, des Stifts- und des Rheinviertels, hat zu einer schlechten Dokumentation des Vorkriegzustandes geführt. Im Netz muß man schon sehr genau suchen, um nur einige Photos oder Informationen zu finden. Dieser Strang soll dazu dienen, dieses Wenige zusammenzutragen oder auch auf gute Literatur hinzuweisen.
Andrerseits gibt und gab es ja auch einige Planungen, die vegessene Altstadt und damit auch den Rhein für die Innenstadt wiederzugewinnen.