Rund um die Parochialkirche

  • ^ Wer ist Mausbach? Wie konnte er feststellen, dass im Landesdenkmalamt gegenüber Entsetzen herrscht, hat er eine Umfrage durchgeführt? Wieso sollte der Anblick des Neubaus den Beamten ein Scheitern vor Augen demonstrieren, es wird doch kein Baudenkmal umgebaut? Was ist schamlos an sieben Geschossen in einer Millionenstadt?


    Bei der Lektüre geht mir so, als ob ich in eine Gülle gefallen wäre. Dabei wird ähnlicher Architekturstil auch im Rheinland immer öfter verwendet (selbst in tiefster Provinz, ohne mediale Hasstiraden), scheint dem Zeitgeist zu entsprechen. Manche scheinen richtig zu hassen, dass die Welt nicht still steht - aber sowas sollte keine seriöse Zeitung veröffentlichen.

  • Herr Mausbach ist doch jener nette Mensch, der als Präsident des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung diverse Bauten des Bundes in Berlin zu verantworten hat, einschließlich BND-Bunker in der Chausseestraße und dem wunderschönen Bundesfamilienministerium? Da können wir ja wirklich von Glück reden, dass er beim Thema Berliner Altstadt nur als Gastkommentator im Tagesspiegel auftreten darf...

  • Mausbach hat doch recht. Was hier hochgezogen wird spottet jeder Beschreibung. Architekturtrash at it`s best. Zusammen mit den unsäglichen Fellini-Residences eine Bankrotterklärung heutiger Architektur. Na ja, Berlin ist groß genug, um auch diese Entgleisungen zu verdauen.

  • Ich kann tel33 und Bau-Lcfr nur zustimmen und würde gerne mal eine Begründung von dir, DerBe hören. Nur mit Parolen "Architekturtrash, Entgleisung und Bankrotterklärung" umsich werfen reicht mir nicht.


    Darf man in der Nachkriegszeit denn nicht mehr angelehnt an der klassischen Architektur neue Bauten entwerfen? Was spricht dagegen zwischen Parochialkirche und dem Geschäftshaus der Gebrüder Tietz solch einen klassisch anmutenden Bau zu entwerfen? Sicherlich haben sich die Ansprüche auch an solche Bauten geändert. Stockwerke mögen vielleicht niedriger sein, aber diesen Druck zur Maximierung der Nutzfläche müssen sich nunmal alle beugen in heutiger Zeit. Mir gefällt der Entwurf für die Klostergärten ausgesprochen gut. Er passt sich gut ein, öffnet sich hin zur Parochialkirche mit einer Art Vorgarten. Das Dachgeschoss gefällt mir auch ausgesprochen gut und ist allemale besser, als so mancher Neubau ohne Dach, was neben der Parochialkirche und diesem historischen Ort meiner Meinung nach absolut gar nicht zum Umfeld passen würde.

  • eine Bankrotterklärung heutiger Architektur


    Da ich inzwischen böse wurde, formuliere ich es deftig: Ich wüsste nicht, wieso die Gesimse und Stuckarbeit schlechter sein sollen, als immer wieder die gleiche Bauhaus-Kiste das Milliardeste+1 Mal zu kopieren. Noch weniger sehe ich ein, wieso so eine Bauhaus-Kopie gerade in die Altstadt passen sollte.


    Ein ähnliches Disput läuft gerade in Frankfurt, mit etwas anderem Vorzeichen - historische Bauten werden um 0815-Kisten "ergänzt", die DAF-Community ist derart empört, dass es sogar in den Medien erwähnt wird. Hier ist zum Glück nur einer empört, der dennoch nichts besseres vorzuschlagen hätte. Das DAF hat übrigens einen Thread über die Suche nach neuen Wegen, so breit werden sie nicht beschritten - das und die ewige(gestrige) Bauhaus-Kopiererei sind die eigentliche Bankrotterklärung heutiger Architektur.

  • Der muss wohl einfach mal wieder was von sich hören lassen.


    Zwar hat mit den 7. OGs und dem Sockel hat er ja nicht ganz Unrecht. Wurde hier ja auch schon angesprochen.


    Und naja, dass die Klosterstr. unter den Markgrafen eine vornehme Straße war, ist wohl kaum ein Argument. Zuletzt war es gleich neben Gosse und heute verlassen und tote Hose. Von Vernichtung kann da wohl kaum geredet werden. Ist wohl eher ein Schritt in die Richtung Reparatur, wenn man sich die drei Platten und dieses schreckliche Neue Stadthaus noch mal vor ins Gedächtnis ruft.


    Ich frage mich jedoch eher, was ein "Bürgerlichkeit vortäuschendes Ziegeldach" sein soll? Es werden ja bessere Wohnungen und wenn die Gegend eins so vornehm war, dann ist ein etwas bürgerliches Erscheinungsbild doch wünschenswert.

  • Eigentlich bin ich ein großer Freund von gutgemachter klassischer Architektur, vor allem im Neubau, aber die "Klostergärten" sind wirklich Trash, wie bei den "Rosengärten" der Patzschkes stimmt hier nach klassische Proportions- und Gestaltungsprinzipien nichts, aber auch gar nichts.
    Ob nun gerade Mausbach der berufene ist, darüber zu urteilen, mag man bezweifeln.

  • Was ist daran verkehrt. Es lehnt sich und nimmt Elemente aus der historischen Vergangenheit an. Ich finde diesen Entwurf wirklich klasse. Die 7 etagen stören mich auch nicht wirklich, nur bleibt die Frage der Deckenhöhe...Also 2,85-3,00m sollten es schon sein.

  • Konstantin: Warum sollte er nicht darüber urteilen dürfen oder sollen? An seinen Aussagen im konkreten Fall ist auszusetzen. Es ist halt leider minderwertige Investorenarchitektur. Es wird versucht mittels historischer Versatzstücke Legitimität zu verschaffen, das macht sie handwerklich halt nicht besser. Jedem Architekturstudent würde so ein Entwurf an der Uni um die Ohren gehauen. Wenn historisierend, dann auch bitte richtig!

  • Jedem Architekturstudent würde so ein Entwurf an der Uni um die Ohren gehauen.


    Das möchte ich gern glauben, die Missachtung des Quaders als einzig zulässiges Gestaltungselement ist aber auch ein echtes Sakrileg...

  • Wenn historisierend, dann auch bitte richtig!


    Genau.


    Und Mausach ht eine Reihe sehr grenzwertiger Bauten in seiner Zeit als Chef des Bundesbauamtes zu verantworten, da würde ich mich an seiner Stelle nicht so weit rauslehnen. The empire strikes back - das gilt auch für FM.

  • Wer legt denn eigentlich bitte fest, was "richtig historisierend" ist und was nicht? Und warum sollten diese Maßstäbe nicht modifiziert und weiterentwickelt werden dürfen?


    Einerseits wird immer "Kitsch" geschrien und moderne Architektur begrüßt und andererseits wird dann aber jegliches Abweichen von alten Maßstäben des Historismus als ungeheuerliche Übeltat dargestellt.


    Daher klingt die Kritik für mich häufig ziemlich an den Haaren herbei gezogen und widersprüchlich.

  • Von einem "Bürgerlichkeit vortäuschenden steilen Ziegeldach" habe ich noch nie etwas gehört. Wie charakterisiert man sowas denn? Bzw. wie kann ein Ziegeldach Bürgerlichkeit vortäuschen?

  • Siegrief: In der Baugeschichte der letzten 2500 Jahre haben sich für die immer wieder zum Leben erweckten klassischen Gestaltungsmittel bestimmte Regeln herausgebildet, zur Profilierung und Reliefierung von Sockeln, Fassaden, Traufen, Giebeln, Gesimsen etc.; und dementsprechend sind etliche Werke der Architekturtheorie überliefert, in denen all diese Prinzipien dargelegt sind - etwa die 10 Bücher zur Architektur von Vitruv (römische Antike, ab der Renaissance stark rezipiert, s. Leon Battista Alberti).
    Natürlich kann man als Architekt heute, wie es die Patzschkes immer wieder tun, all diese Prinzipien ignorieren und sämtliche Elemente der klassischen Architektur nach Herzenslust stauchen oder verlängern und so an heutige Renditearchitekturbedingungen anpassen. Und einem jedem sei die unschuldige Freude daran von Herzen gegönnt! Dass sich das an klassischer Architektur geschulte Auge aber nicht in jedem Fall überzeugt findet, zeigt sich an Beispielen wie den Rosengärten in Wilmersdorf oder den Klostergärten in Mitte allerdings leider auf recht anschauliche Weise.

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  • Sicher; ich wiederhole mich. Aber ich möchte die m.E. unsinnigen Begriffe Investorenarchitektur oder Renditearchitektur nochmal grundsätzlich kritisieren. Sie führen in die Irre und lassen am Ende nur Liebhaber mit Geld und eventuell die öffentliche Hand als gute Bauherren übrig.


    Das abgleiten in den Kitsch ist bei der Nutzung heutiger Gebäudetechnik in Kombination mit verspielten historisierenden Gestaltungsmerkmalen eine grundsätzliche Gefahr, die nur von sehr großen Könnern beherrscht wird. Natürlich wird es immer schwieriger, je begrenzter das Budget ist. Aber auch da hilft Begabung und geschmackliche Bildung.


    Beim besprochenen Projekt ist es grenzwertig. Es könnte noch gelingen. Ein bisschen Tand wegzulassen und eher "preussisch" als "russisch" zu dekorieren wäre sicher besser. Ebenso die alten Regeln stärker zu berücksichtigen. Mal schaun.

  • Ich versteh gar nicht wieso bei dem Entwurf von Russenkitsch gesprochen wird. Das Gebäude ist nicht unbedingt mein Favorit, aber im Grunde sehe ich nur Pilaster und (versteckt im Hof) dorisch anmutende Säulen. Fensterläden sind ganz einfach eine Form der externen Verschattung - und das mit wirklich nur minimalsten Wärmebrücken. Bei ein paar Profilen und ein paar Rundbögen gleich weiche Knie zu kriegen halte ich wirklich für Übertrieben.
    Und wie kommt der Autor des Tagesspiegelartikels eigentlich auf den Vorwurf des falschen Sockels?

  • Wie schade... :( Das ist eines der Projekte, auf die ich mich am meisten freue. Angeblich soll doch im Herbst auch mit der Wiedererrichtung des Turms der Parochialkirche begonnen werden. Hab im Gefühl, das wird sich auch noch eine ganze Weile hinziehen...

  • Ich hoffe, man nutzt diesen Stillstand um nocheinmal intensiv über die missglückten Proportionen und das überdimensionierte Dach diese Objektes nachzudenken und gegebenenfalls Modifizierungen vorzunehmen.