Leipzig: Stadtumbau in den Großwohnsiedlungen Grünau u. Paunsdorf

  • Leipzig: Stadtumbau in den Großwohnsiedlungen Grünau u. Paunsdorf

    Möglicherweise ausgelöst oder angewärmt durch die Kontroversen um die geplante Stilllegung von 150 Wohnungen in der Breisgaustraße 67 bis 73 durch die Wohnungsgenossenschaft Transport (Wogetra) - http://www.dafmap.de/d/lhal.html?id=1398&mt=4&zoom=16 - kommt offenbar gerade eine grundsätzliche Debatte über die Zukunft der Leipziger Großwohnsiedlungen bzw. in erster Linie über Grünau in Fahrt. Aus den anderen Plattenbausiedlungen in Paunsdorf, Schönefeld, Mockau, Lößnig und Möckern ist zur Zeit wenig zu hören, aber auch das kann sich ändern.


    Plattenbauten in Leipzig: http://de.wikipedia.org/wiki/Plattenbauten_in_Leipzig


    Die L-IZ nahm das Thema Anfang Dezember auf:


    02.12.2012
    Grünau zwischen Stärkung und Stilllegung: Streit um Breisgaustraße und Perspektiven in Schönau
    Gernot Borriss
    http://www.l-iz.de/Politik/Bre…nd-Stilllegung-45165.html


    Heute bringt die LVZ den Leitartikel auf der ersten Seite zum Thema "Abrisswelle in Leipzig-Grünau: Weitere 5000 Wohnungen sollen weg. Rückbau beginnt im nächsten Frühjahr / Start für neue LVZ-Serie über Leipziger Gegensätze" und widmet im Lokalteil eine ganze Seite (19) dem Thema.


    Ich würde das Thema gern außerhalb des Bauerbe- bzw. Wohnungsbau-Threads diskutieren, aber vornehmlich konkret an den Leipziger Bauten und nicht (wieder) grundsätzlich über Plattenbauten im Osten und der Welt.


    Die LVZ nimmt als Aufhänger für ihren heutigen Leitartikel, dass sie im Juni 2002 für ihre Warum?-Serie, die sich auch der damaligen Stadtentwicklungspolitik in Grünau widmete, den Lokaljournalistenpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung erhalten hatte. "Zehn Jahre danach gehen Reporter unserer Zeitung Leipziger Gegensätzen erneut auf den Grund, kehren an die Schauplätze von damals zurück." In der heutigen Folge 1 geht es wieder um Grünau.


    Jens Rometsch und Dominic Welters thematisieren den auch hier im Forum schon bemerkten Widerspruch, dass Leipzig einerseits Einwohner_innen gewinnt, andererseits aber ein Entwicklungskonzept der Stadtverwaltung vorsieht, in Grünau bis 2020 noch einmal 5000 Wohnungen abzureißen. Dies begründet Baubürgermeister Martin zur Nedden (SPD) damit, dass sich der positive Trend bei Leipzigs Einwohnerzahl leider nicht auf den mit 40000 Menschen nach wie vor größten Stadtteil niederschlagen würde.


    Im Frühjahr 2013 soll der Umbau des Wohnkomplexes (WK) 5.1 nahe der Schönauer Lachen beginnen, dazu mehr im zweiten Beitrag.


    Abschließend werden noch einmal harte Zahlen genannt. Die erste Abrisswelle setzte kurz nach Veröffentlichung der ersten Warum?-Serie im Juni 2002 ein. Auch auf der Seite 19 im Lokalteil werden "Zahlen & Fakten" genannt, die als Grundlage für die (hoffentlich) kommenden Diskussionen hier ebenfalls aufgeführt werden sollen:


    - 1. Juni 1976: Grundsteinlegung durch den damaligen SED-Bürgermeister Karl Müller
    - Geplant war eine sozialistische Großsiedlung für maximal 100.000 Menschen.
    - September 1977: Inbetriebnahme der S-Bahn-Strecke bis zur Grünauer Allee
    - 1983: Erweiterung bis zur Miltitzer Allee.
    - ab 3. Juni 1984: Züge fuhren durchgängig vom Leipziger Hauptbahnhof bis nach Grünau.
    - Bis zum Bauende 1987 entstanden rund 36.000 Wohnungen. Grünau war nach Halle-Neustadt die zweitgrößte Plattenbausiedlung der DDR
    - 1990 lebten hier 85.000 Menschen


    - 1995 Eröffnung des PEP-Einkaufszentrums an der Lützner Straße
    - 1996 des Allee-Centers mit einem Kino
    - 1999 öffnete das Schwimmbad "Grünauer Welle"
    - 2001 entstand der Kletterfelsen K4
    - 2001 lebten noch 61.000 Menschen in Grünau, die Leerstandsquote betrug 26,7 Prozent.
    - Von 2002 bis 2008 wurden im Zuge des Programms "Stadtumbau Ost" rund 7000 intakte Wohnungen "zurückgebaut".
    - 11 der 16 Hochhäuser wurden abgerissen, da zum einen ihre Sanierung viel mehr gekostet hätte als bei kleineren Gebäuden und zum anderen alle 16-Geschosser dem kommunalen Wohnungsunternehmen LWB gehörten, das durch die Stadt zum Abriss verpflichtet werden konnte.
    - 2009 Eröffnung von Deutschlands modernster Skaterhalle "Heizwerk" in der Alten Salzstraße
    - 2010 zog das Theater "Theatrium" an seinen neuen Standort im WK 2


    - Trotz Einwohnerschwund ist Grünau noch immer der größte Stadtteil Leipzigs. Heute leben hier (ohne Lausen und Miltitz) rund 40.000 Menschen.
    - Die Leerstandsquote liegt derzeit bei 17,6 Prozent.
    - Bis 2020 soll der Wert bei zehn Prozent liegen.
    - Das Durchschnittsalter in Grünau ist höher als in Leipzig insgesamt.
    - Am höchsten ist es mit 59 Jahren in Grünau-Ost, dem zuerst gebauten Teil der Großsiedlung.


    Sowohl auf Seite 1 als auch Seite 19 wird Baubürgermeister Martin zur Nedden (SPD) mit den gleichen Sätzen zitiert: "Wir haben zwar kaum noch Wegzüge aus Grünau, dafür aber das Problem des hohen Durchschnittsalters und dass es keine Zuzüge gibt." Er konstatiert, dass der beträchtliche Einwohnerzuwachs, den Leipzig seit mehreren Jahren erzielt, in Grünau einfach nicht ankomme. Auf die Frage nach den Gründen antwortet er: "Offenbar werden andere Stadtteile bevorzugt. In Leipzig stehen noch immer 25000 Wohnungen leer. Deshalb versuchen wir, bei der Vorbereitung neuer Baugebiete in anderen Stadtteilen nichts zu übereilen. Um keine neuen Leerstände zu produzieren."


    Ganz nebenbei: Ich finde es bemerkenswert, wie schnell sich doch die Leerstandzahlen ändern. 25.000 Wohnungen - im Februar waren es noch 34.000 (zum Ende 2010) und auf Nachfrage bei zur Nedden selbst am 11. September 27.000 bis 30.000 aktuell leerstehende Wohnungen in Leipzig ( http://www.deutsches-architekt…d.php?p=352657#post352657 ).


    In Grünau sollen laut einer städtischen "Entwicklungsstrategie" bis zum Jahr 2020 noch einmal 5000 bis 6000 Wohnungen abgerissen werden. Dann läge der Leerstand bei zehn Prozent. Dies sei Größe, die den Hausbesitzern eine "nachhaltige Bestandsbewirtschaftung" ermöglichen würde. Die Eigentümer, überwiegend Genossenschaften und die LWB, müssten aus den Verlustzonen raus, um in neue Wohnformen zu investieren, die junge Familien anziehen. Zur Nedden betont, die Kommune habe "nicht den Ehrgeiz, dass alle wie wild abreißen".
    Bei einem Einwohner_innenforum, das kürzlich im Freizeittreff "Die Völle" stattfand, hieß es, dass trotz der gepanten Abrisse für Geringverdiener dann immer noch genügend Häuser dauerhaft zur Verfügung stünden.


    Anschließend kommt in der LVZ Antje Kowski zu Wort, die Chefin des Quartiersmanagements und "selbst ein Grünauer Kind". Sie meinte, Leipzigs erstes und größtes Plattenbaugebiet habe nach der Wende "mehrfach Pech gehabt". Viele Menschen, die mit dem Zusammenbruch der Industriebetriebe in Plagwitz und Lindenau ihre Arbeit verloren hatten, seien als erste weggezogen. Danach folgten "die Erfolgreichen, die sich eine Eigentumswohnung oder ein Häuschen leisten konnten".
    Genau in der Zeit, in der sich Leipzig von einer schrumpfenden in eine wachsende Stadt verwandelte, hatte im äußersten Westen extreme Verunsicherung wegen des Abrissprogramms geherrscht. "Geblieben sind eigentlich nur die, die wirklich hier leben wollen." Wer heute nach Grünau zieht, der bekomme von den Wohnungsunternehmen aber klar gesagt, ob das Haus in einem geschützten "Kernbereich" steht oder im "Stadtumbaugürtel". Selbst im Gürtel bestehe für sanierte Häuser keine Gefahr.
    Sie sei erfreut, dass mittlerweile öfter junge Leute, die in Grünau aufwuchsen, später jedoch wegen der Arbeit in ferne Bundesländer zogen, wieder zurückkehren. "Natürlich gibt es das Überalterungsproblem, aber wir haben auch 9000 Einwohner unter 27 Jahren", erklärt sie. "Vor gar nicht langer Zeit gab es bei den Kindertagesstätten noch eine Überkapazität von 158 Prozent, wurde auch da schon über Abbruch nachgedacht." Mittlerweile hätten aber auch in Grünau lebenden Mütter [und Väter] einige Schwierigkeiten, einen Krippenplatz zu bekommen. "Bei Kindergartenplätzen, Schulen, Vereinen oder Sporteinrichtungen sind Auswahl und Angebot bei uns weiter am besten."


    Abschließend kommt Rainer Löhnert, Vorstand von Leipzigs größter Wohnungsgenossenschaft Kontakt, zu Wort. Auch er sieht hoffnungsvolle Anzeichen, etwa die Entwicklung des Lindenauer Hafens zu einem zweiten Erholungsgebiet neben dem Kulkwitzer See. Oder dass die S-Bahn- Linie 1, die in Grünau gleich vier Stationen zählt, ab Ende 2013 durch den City-Tunnel fahren wird. "Wäre Grünau untergegangen, hätten auch wir nicht überlebt. Die Kontakt hat dort seit der Wende 81 Millionen Euro investiert. Und wir setzen das fort." Ebenso wie zur Nedden meint er, es sei entscheidend für die Zukunft, ob es gelinge, mehr junge Familien anzulocken. "Die wünschen sich andere Wohnformen", sagt er. So seien 14 Prozent der Quartiere Ein-Raum-Wohnungen, die nicht mal zu den Hartz-IV-Sätzen passten. "Wenn man zwei Nachbareinheiten zusammenlegt und clever schneidet, könnte daraus was Gutes werden."

  • Pläne für den Wohnkomplex 5.1 in Schönau

    Konkrete Pläne gibt es für den Umbau des Wohnkomplexes (WK) 5.1 nahe der Schönauer Lachen, der im Frühjahr 2013 beginnen soll: http://www.dafmap.de/d/lhal.html?id=1397&mt=4&zoom=15


    Es handelt sich um eine konzertierte Aktion von Stadt, dem kommunalen Wohnungsunternehmen LWB sowie den Genossenschaften Kontakt, Unitas und VLW. Es ist das erste Mal, dass mehrere Eigentümer gleichzeitig und aufeinander abgestimmt agieren. Mehrere Wohnblöcke mit insgesamt rund 500 Wohnungen sollen mit Fördergeldern niedergelegt werden und Eigenheimen für junge Familien und niedriggeschossigen Neubauten weichen. Als staatliche Subvention gibt es 70 Euro Fördermittel pro Quadratmeter Wohnfläche.


    Die Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft (LWB) wird im Frühjahr drei Häuser mit insgesamt 291 Wohnungen abreißen: Frankenheimer Weg 2-14, Schönauer Ring 25-29 sowie Lindenaundorfer Weg 4-16. Laut Prokurist Klaus Hochtritt wurden bereits alle 160 Haushalte "freigelenkt". In 126 Fällen bezogen die Mieter neue Quartiere in Grünau. "Das lief alles fast völlig geräuschlos."


    Ab Juni 2013 wird die Wohnungsgenossenschaft Unitas den Sechsgeschosser im Frankenheimer Weg 22-32 so umbauen, dass nur vier Etagen übrig bleiben. Ein kleiner Flügel verschwindet ganz. "Von 102 Wohnungen reduzieren wir auf 55. Die werden aber energetisch saniert, erhalten schmucke Balkone, gedämmte Fassaden, neue Technik.", erklärte Unitas-Vorstand Steffen Foede. Von 14 betroffenen Mietern seien zwölf im Stadtteil geblieben. Noch bis Jahresende wird die Umzugsphase abgeschlossen sein. Die Unitas investiere fast zwei Millionen Euro, wobei ein Zehntel Abriss-Fördermittel sind. Die verbleibenden Mieter müssten für "das deutliche Plus an Komfort eine geringe Modernisierungsumlage" zahlen.


    Desweiteren wird die Wohnungsgenossenschaft Kontakt die Häuser Frankenheimer Weg 1-7 und 9-13 mit insgesamt 120 Wohnungen abreißen. Die zunächst bekanntgegebene Idee, die Sechsgeschosser in Terrassenhäuser umzubauen, wurde wieder verworfen, so Vorstand Rainer Löhnert. "Es hätte nur bei Kaltmieten von 6,80 Euro funktioniert." Nun sollen stattdessen auf den meisten Abbruchflächen später Eigenheime und niedriggeschossige Neubauten entstehen, die auch junge Leute anziehen können. Die Lage an den Schönauer Lachen und dem "künftigen Tourismuszentrum Lindenauer Hafen" sei dafür ideal.

  • ^


    Somit erklärt sich das Mysterium des starken Einwohnerrückgangs in Schönau im Verlauf dieses Jahres, der mir schon aufgefallen war.

  • L-IZ-Interview mit Baubürgermeister Martin zur Nedden, 07.12.2012
    Grünau auf dem Weg vom Wohnungssatelliten zum Teil des Stadtgefüges:
    Gernot Borriss
    http://www.l-iz.de/Politik/Bre…-Stadtgefueges-45260.html
    ___________________________________________________________________________


    http://www.leipzig.de/gruenau/


    Entwicklungsstrategie Grünau 2020


    Die Entwicklungsstrategie Grünau 2020 wurde von der Stadtverwaltung in Zusammenarbeit mit den Wohnungsunternehmen sowie dem beauftragten Stadtumbaumanager erarbeitet und in einem intensiven Diskussionsprozess mit den Akteuren und Bewohnern vor Ort erörtert und optimiert. Am 18.07.2007 wurde sie im Stadtrat beschlossen. Formell ist sie eine Fortschreibung des Stadtentwicklungsplanes Wohnungsbau und Stadterneuerung und eine Konkretisierung der Sanierungszielsetzungen sowie des integrierten Handlungskonzeptes (Programm Soziale Stadt).


    Downloads für Informationen zur Strategie (Texte, Pläne)


    - Entwicklungsstrategie Grünau 2020 (PDF 900 KB)
    - Plan Strategie 2020 (PDF 580 KB)
    - Handlungsschwerpunkte (PDF 30 KB)
    - Plan Handlungsschwerpunkte 2007/2008 (PDF 550 KB)

  • Ich finde, dass dieser Thread ein sehr wichtiges Thema anspricht. Ich denke, dass es für die Diskussion über die richtige Strategie im Umgang mit den Leipziger Großsiedlungen sinnvoll ist, die Erfahrungen anderer Städte im Umgang mit Großsiedlungen auszuwerten. Der Stadtumbau Ost-Prozess läuft ja nun schon mehr als zehn Jahre, in diesem Rahmen wurden die unterschiedlichsten Strategien ausprobiert und die unterschiedlichsten Erfahrungen gesammelt.


    Grob lassen sich vier Strategien unterscheiden:
    1. In einigen Plattenbausiedlungen wurde vorwiegend auf eine Sanierung und Aufwertung der Siedlungen gesetzt. Derartige Strategien werden derzeit in allem Berliner Großsiedlungen, in den Potsdamer Plattenbausiedlungen, in Jena (Lobeda, Winzerla, Nord), aber auch in kleineren Städten wie beispielsweise Neuruppin-Südstadt umgesetzt.
    2. In weiteren Plattenbausiedlungen wurde auf einen komplexen Umbau gesetzt, in dem punktuelle Abrisse und Teilrückbauten mit einer Aufwertung der übrigen Gebäude verbunden wurden. Beispiele sind Greifswald-Ostseeviertel, Schwerin-Neu Zippendorf, Stollberg-Albrecht-Dürer-Straße, Templin Ost.
    3. Eine weitere Strategie war der Abriss ganzer Gebäude, teilweise sogar ganzer Quartiere, ohne größere Aufwertungsmaßnahmen. Beispiele sind Frankfurt/Oder -Neuberesinchen, Cottbus - Neu Schmellwitz, Rathenow Ost, Brandenburg - Hohenstücken Nord.
    4. In einigen Fällen wurden die Plattenbausiedlungen zwar erhalten, es erfolgten aber auch kaum Sanierungen. Beispiele für diese Strategie sind Burg Süd, Bernburg - Zepziger Weg.


    Die Erfahrungen sehen nun so aus, dass vor allem die ersten beiden Strategien zu einer nachhaltigen Senkung der Wohnungsleerstände und einer Stabilisierung der entsprechenden Siedlungen geführt haben. Extrem negative Folgen waren dagegen bei der 3. Strategie zu beobachten.
    Erstens werden viele Mieter durch Abrisspläne verunsichert. Diese Verunsicherung ist dann besonders groß, wenn die Akteure aus Politik und Wohnungswirtschaft nur unklare Aussagen zur Zukunft des entsprechenden Stadtteils machen. Diese Unklarheiten führen dann oft zu entsprechenden Spekulationen in den Medien. Durch diese Spekulationen werden nicht nur die dort lebenden Mieter verunsichert, es werden auch potenzielle Zuzügler abgeschreckt, denn wer möchte gern in ein Stadtteil ziehen, dessen Zukunft unklar ist?


    Dieser Zusammenhang lässt sich besonders gut in Stadtteilen nachweisen, in denen es einen Strategiewechsel gab. In Jena-Lobeda, Berlin-Marzahn oder Erfurt-Wiesenhügel gab es früher umfangreiche Abrissplanungen und realisierte Abrisse. Diese Abrisse führten aber nicht zu einer nachhaltigen Senkung des Wohnungsleerstandes, weil die Abrisse eine negative Darstellung der betroffenen Stadtteile in der Öffentlichkeit und entsprechend geringe Zuzugszahlen zur Folge hatten. Daher wurde ein kurzfristiger Leerstandsrückgang nach den Abrissen bald wieder durch sinkende Einwohnerzahlen aufgefressen und das Leerstandsproblem stand erneut. Diese Probleme wurde erst nach einem Ende der Abrisse und klaren Aussagen seitens der Politik und der Wohnungsunternehmen zur Zukunft der entsprechenden Stadtteile gelöst. Es zeigte sich, dass es in allen genannten Stadtteilen nach dem Ende der Abrisse zu deutlichen Zuwanderungen und einem starken Rückgang der Leerstände kam.


    Ein zweites Problem, das mit der 3. Strategie verbunden ist, ist die rückläufige Auslastung der Infrastruktur und der ganzen kommerziellen und öffentlichen Angebote. Wo abgerissen wird und die Einwohnerzahlen zurückgehen, da gibt es weniger Fahrgäste für die öffentlichen Verkehrsmittel, weniger Schüler, weniger Kunden für Geschäfte und Einkaufszentren etc. etc. Folgerichtig kommt es zu einer Ausdünnung entsprechender Angebote. Schulen und Kindergärten werden geschlossen, der Takt der Straßenbahn wird ausgedünnt, Kaufhallen werden ersatzlos geschlossen, Ärzte ziehen weg. Die Folge ist eine sinkende Attraktivität der betroffenen Stadtteile, die die Leerstände weiter nach oben treibt. In vielen Vierteln kommt es zu einem Teufelskreis aus Einwohnerrückgängen, Abrissen und Attraktivitätseinbußen.


    Drittens ist der Abriss ganzer Wohnblöcke oder Quartiere auch deshalb kontraproduktiv, weil die Vermietungsprobleme häufig nicht den gesamten Block, sondern nur ganz bestimmte Wohnungen betreffen. Beispielsweise ist es oft schwierig, die oberen Etagen in Fünf- und Sechsgeschossern ohne Aufzug zu vermieten. Dieses Problem wird durch Totalabrisse nicht gelöst.


    Folgerichtig hat eine Strategie, die vor allem auf Totalabrisse gesetzt hat, in der Regel nicht zu einer nachhaltigen Aufwertung der betroffenen Stadtteile geführt. Die 1. und 2. Strategie hat dagegen sehr viel bessere Ergebnisse gebracht. In einigen Stadtteilen, wie in Neuruppin-Südstadt, ist es nie zu größeren Leerstandsproblemen gekommen, in anderen Stadtteilen, wie in Greifswald-Ostseeviertel, Berlin - Marzahn oder Erfurt - Wiesenhügel, wurde eine nachhaltige Verbesserung der Vermietungssituation erreicht.


    Nun zu Leipzig, und dabei vor allem zu Grünau. In Grünau hat es durchaus einige Aufwertungsmaßnahmen gegeben. Ein Beispiel sind die Teilrückbauten der WG Kontakt in der Uranusstraße. Aber insgesamt ist der Sanierungsstand - verglichen zum Beispiel mit Berlin - Marzahn - relativ gering. Stattdessen wurde in großem Stil abgerissen, ohne dass diese Abrisse von entsprechenden Aufwertungsmaßnahmen flankiert worden wären. Zudem hat es spätestens seit 2001 permanent Debatten über die Zukunft von Grünau gegeben, in denen auch offen über den Komplettabriss ganzer Wohnkomplexe diskutiert wurde. Diese Debatten wurden auch durch die Investitionspolitik einiger Wohnungsunternehmen befeuert, die zwar viel Geld in Neubauprojekte wie die "Rosenthal-Terrassen" investiert haben, aber ihre Bestände in Grünau vernachlässigt haben. Angesichts dieser Lage ist es nur logisch, dass viele Bürger wenig Neigung verspüren, nach Grünau zu ziehen.


    Die jetzt angekündigten Abrisse werden diese Probleme nicht lösen, sondern eher noch verschärfen. Wieder einmal wird der Eindruck entstehen, dass die Grünauer Plattenbauten Quartiere auf Zeit sind, deren Zukunft ungewiss ist. Daher denke ich, dass die Leipziger Stadtverwaltung mit ihrem Konzept ganz klar auf die falschen Rezepte setzt. Vielleicht wäre mal ein Meinungsaustausch mit den Berliner Plattenbau-Akteuren sinnvoll.

    Einmal editiert, zuletzt von Klarenbach ()

  • Problematisch finde ich neben den Abrissen die einseitige Fokusierung auf den Eigenheimbau. Dadurch verschärfen sich in ein paar Jahren zusätzlich die demografischen Probleme, wenn die Kinder der jetzt jungen Häuslebauer dann auch die Reihenhausidylle verlassen haben werden.
    Es stimmt schon, dass der Lindenauer Hafen eine enorme Ausstrahlung haben wird, wenn er denn mal samt Verbindung zur Saale fertig ist. Aber bis dahin...
    Solange auch zentrumsnah noch preiswerte Wohnungen im unsanierten "Plattenbau" aufzufinden sind (Beispiel Kolonnadenviertel) haben die Randgebiete schlechte Karten. Allerdings bergen gerade die Retortenviertel entscheidenden Schlüssel: So zum Beispiel das bauliche Vorhandensein einer ausreichenden Bildungsinfrastruktur. Schulen, Kitas wäre alles vorhanden und reaktivierbar.
    Wäre mal was zum Nachdenken für Stadtstrategen.

  • Ich habe mir noch einmal die Abrisszahlen angeschaut und bin zu dem Schluss gekommen, dass die geplanten 5000 Wohnungsabrisse in Grünau völlig unrealistisch sind. Demnach wurden 2010 in Grünau 135 Wohnungen abgerissen. (Neuere Zahlen sind zumindest im Internet nicht zu finden.) Diese Zahl dürfte sich langfristig nicht deutlich erhöhen. Ich rechne sogar mit einem weiteren Rückgang der Abrisszahlen. Schließlich erfolgen die Abrisse ja nur, weil sie durch das Programm "Stadtumbau Ost" gefördert werden, und zwar mit einem Zuschuss von 70 Euro pro Quadratmeter abgerissener Wohnfläche und einer Altschuldenentlastung von bis zu 77 Euro pro Quadratmeter. Diese Altschuldenentlastung wird aber nur noch bis Ende 2013 gewährt, danach gibt es nur noch die 70 Euro pro Quadratmeter, und die auch nur bis 2016. Daher werden die Abrissanreize schon ab 2014 deutlich zurückgehen. Dann werden viele Wohnungsunternehmen auf Abrisse verzichten und stattdessen andere Optionen, wie z.B. Verkäufe realisieren. Daher sind die geplanten 5000 Abrisse nicht erreichbar. Dennoch stellen sie eine Belastung dar, weil sie wie ein Damoklesschwert über Grünau hängen und die Bewohner und potenzielle Zuzügler verunsichern. Daher halte ich es für geboten, diese ohnehin unrealistischen Abrisspläne schleunigst zu beerdigen.


    Ansonsten sehe ich die Zukunftschancen für Grünau - eine konstruktive Stadtentwicklungspolitik vorausgesetzt - nicht so schlecht. Es gibt hier viele grüne und ruhige Quartiere, in denen auch Kinder ungestört spielen können. Einige Quartiere grenzen an landschaftlich schöne Gegenden, wie den Kulkwitzer See oder den Schönauer Park. Die Verkehrsverbindungen sind gut und im Allee-Center gibt es ganz passable Einkaufsmöglichkeiten. Das Hauptproblem scheint mir tatsächlich die Tatsache zu sein, das so wenig saniert wird und dass es kein klares Bekenntnis der verantwortlichen Akteure aus Politik und Wohnungswirtschaft zum Erhalt von Grünau gibt.


    Auch der Wohnkomplex 5.1 bietet meines Erachtens gute Potenziale. Das Wohngebiet ist sehr grün und liegt zwischen Schönauer Park und Schönauer Viertel. Für familiengerechtes Wohnen wäre dieser Wohnkomplex tatsächlich geeignet. Derzeit macht das Wohngebiet aber einen relativ unattraktiven Eindruck. Ein Großteil der Wohnblöcke ist unsaniert, auch ein Teil der Grünflächen (vor allem die Abrissflächen) wirkt ungepflegt. Zudem gibt es für viele Wohnblöcke schon seit Jahren Zuzugssperren, mit entsprechenden Leerstandsproblemen als Folge. Ich denke schon, dass der Stadtteil gezielt entwertet wurde. Hier gibt es ein paar Impressionen vom letzten Sommer:



    Dölziger Weg 2, 4



    Schönauer Ring 67-71



    Dölziger Weg 6-10





    Frankenheimer Weg 2-14


    Das aktuelle Konzept mit Abriss und Einfamilienhausbau halte ich aber für falsch. Nicht jede Familie will in einem Einfamilienhaus mit Garten wohnen. Immer mehr Familien wollen sich nicht unbedingt gleich ein Haus ans Bein binden und suchen durchaus eine Mietwohnung. Daher wäre es besser, die Wohnblöcke im Wohnkomplex 5.1 zu sanieren und dabei die Grundrisse gegebenfalls zu verändern. Denkbar wäre auch ein Verkauf von Wohnblöcken an seriöse Investoren wie die Saxum AG, die an der Pfaffensteinstraße eine ganz passable Sanierung realisiert. Ganz wichtig ist auch die Sanierung der Schulen und Kindertagesstätten sowie die Pflege der Grünflächen. Ein weiteres Manko des aktuellen Konzeptes ist, dass es keine Aussagen zu den Wohnblöcken enthält, die nicht abgerissen aber auch nicht saniert werden sollen. Diese Unklarheit führt natürlich wieder zu Unsicherheiten, da viele Bürger Angst haben, dass ihr Block irgendwann ebenfalls abgerissen werden soll, zumal für einige dieser Blöcke Zuzugssperren bestehen.


    Alle Fotos: Klarenbach

    3 Mal editiert, zuletzt von Klarenbach ()

  • klarenbach, geh mal davon aus, dass sich die wohnungseigentümer und die stadt ein paar mehr gedanken gemacht haben als du.


    weder lassen sich die erfahrungen von plattenbaugebieten in irgendwelchen anderen städten einfach auf grünau übertragen, noch lassen sich die perspektiven für grünau losgelöst von der entwicklung leipzigs als ganzes betrachten.


    grünau war von anfang an eine gigantische fehlplanung. kein mensch käme heute mehr auf den gedanken, am äußersten stadtrand eine schlafstadt für 85 000 menschen zu errichten. und genausowenig werden künftig tausende menschen auf die idee kommen, in eine plattenbauwohnung am stadtrand ziehen zu wollen. wer sollte das denn sein?


    vierzehn prozent der dortigen wohnungen sind kleiner als die wohnraumgröße, die heute hartz-IV-beziehern zusteht. und nach aufwändigen sanierungen ergäben sich mietpreise, für die man heute auch in die zum glück inzwischen sanierten gründerzeitviertel in zentrumsnähe ziehen kann.


    grünau wird in zukunft nie mehr 80 000, 60 000 oder 40 000 einwohner haben. das stellt die wohnungsunternehmen wie auch die stadt vor große herausforderungen, was leerstände und auslastung der (zum teil erst nach der wende geschaffenen) infrastruktur betrifft. deshalb ist es richtig, sich gemeinsam über das weitere vorgehen zu verständigen.


    das bedeutet für die stadt, grünau als wohnstandort attraktiver zu machen (dazu zählen bessere verkehrsanbindungen durch radwege und den city-tunnel, die aufwertung des lindenauer hafens, etc.). und das bedeutet für die wohnungsunternehmen, bedarfsgerechten wohnraum anzubieten. das kann sowohl durch abriss und neubau als auch durch wohnungszusammenlegungen geschehen.


    ob dabei nun weitere 3000, 5000 oder auch 10 000 plattenbauwohnungen verschwinden werden, spielt keine rolle. denn letzlich geht es nicht darum, grünau als plattenbaugebiet zu erhalten, sondern als wohnstandort.


    in hinblick darauf möchte ich abschließend auf einen - warum auch immer - meist ausgeblendeten aspekt aufmerksam machen: seit beginn der wohnungsabrisse in grünau hat sich der grad an zufriedenheit der grünauer bezüglich ihres wohnumfelds kontinuierlich erhöht. für mich ist das kein widerspruch. wer in der platte wohnt, möchte nicht in einer halbleeren platte mit blick auf eine weitere halbleere platte wohnen.
    insgesamt lassen sich die planungen daher meines erachtens sehr gut mit dem begriff des "gesundschrumpfens" zusammenfassen. wenn diese entwicklung gleichzeitig zum "gesundwachsen" der eigentlichen kernstadt beiträgt - umso besser.

  • Nun ja, mir ist die "gigantische Fehlplanung" Grünau lieber als wenn die Art typische "komplexe stadtteilsanierung" der DDR wie im Mühlstraßenviertel oder in Volkmarsdorf auch in Gründerzeitquartieren im Westen durchgezogen worden wäre.
    Wieviele Einwohner Grünau in Zukunft hat, lässt sich tatsächlich nicht losgelöst von der gesamtstädtischen Entwicklung betrachten. Vom Wachstum der Stadt als Ganzes kommt schon etwas in Grünau an - das Wanderungssaldo Grünaus ist seit ca. zwei Jahren ausgeglichen. Insoweit halte ich auch Prognosen wie "Grünau wird nie mehr über 40000 Einwohner haben" für schwierig.


    Und insoweit ist es auch schwierig den tatsächlichen mittelfristigen Wohnungsbedarf zu schätzen. Der behauptete Abrissbedarf von 5000 Wohnungen scheint mir insgesamt ziemlich hoch gegriffen zu sein. In der momentanen Gesamtsituation scheint es an sich ratsam, die weitere Entwicklung noch zwei bis drei Jahre abzuwarten. Dagegen spricht aber das baldige Auslaufen von Instrumenten der Abrissförderung und die dürfte auch ein Hauptgrund für die beiden virulenten "Projekte" Schönau-Nord und Breisgaustraße sein.


    Andererseits lässt sich die Situation in Postdam, Jena oder Berlin wohl kaum so ohne weiteres mit der in Leipzig vergleichen. Und es erscheint mir auch eher so, dass der "Strategiewechsel" dort mit der Gesamtsituation der Stadt und ihres Wohnunsmarktes zu tun hat als einem bewussten politischen Statement für die Großwohnsiedlung.


    Die "Familienfreundlichkeit" der Wohnungsgrundrisse ist übrigens bei einer Schrumpfung der durchschnittlichen Haushaltsgröße ein Grundproblem der Großwohnsiedlungen und auch von Grünau während viele Familien inzwischen andere Wohnungen bevorzugen, die inzwischen eben auch eine vergleichbare Ausstattung haben. Ich kenne Familien die gern in Grünau wohnen und gerade die großen Grünflächen etc. schätzen. Und ich kenne Familien, die gerade wegen der Gesamtkonstellation "Platte und viel Platz dazwischen am Stadtrand" nie nach Grünau ziehen würden. Die Frage wäre jetzt, was überwiegt. Und die Frage nach den tatsächlichen Alternativen. Wenn ich mir da beispielsweise Chemnitz anschaue, wo in Relation nach 1990 viel mehr Investitionen der Wohnungsbauunternehmen in die Plattenbauviertel als in die Altbaubestände geflossen sind, sehe ich da völlig zerfaserte Gründerzeitgebiete und sanierte Plattenbauten, die trotzdem mit Leerstand zu kämpfen haben.
    Ich zumindest halte Schrumpfung von den Rändern her und Vorrang des Erhalts der innerstädtischen Quartiere zumindest für den erstrebenswerteren Weg. Das heißt natürlich nicht, Viertel absichtlich unattraktiv zu halten, aber wenn es tatsächlich Schrumpfungsprozesse gibt (das unterscheidet z.B. Chemnitz oder eben in den 90er Jahren Leipzig von Potsdam oder Jena heute), dann muss man sich entscheiden, was man mittelfristig will: Schrumpfung vom Rand oder völlige Stadtperforation.


    PS: Der Zusammenhang zwischen City-Tunnel und Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur in Grünau ist mir übringes nicht so ganz klar. Da wäre wohl ein Erhalt der Pörstener Eisenbahn wirkungsvoller gewesen.


    Ansonsten ist der Abriss eines kleinen Quartiers (übrigens mit Stehenlassen der sanierten Blöcke und mit Teilrückbauten) sicher einem Abriss hier und da, der die gesamte Struktur des Stadtteils zerfasert, vorzuziehen. So lässt sich auch infrastrukturell besser reagieren. (Die Kindergärten sind übrigens ausgebucht - gesamtstädtische Entwicklung - und die Schulen, die zu sind, schon so lange zu, dass sie sich nicht ohne Weiteres sofort reaktivieren ließen, ohne neue Mittel einzusetzen). Er ist auch mit der Dimension von Cottbus-Schmellwitz nicht zu vergleichen, weder für sich und schon gar nicht im Vergleich zur Gesamtstadt. Die "Entwicklungsstrategie Grünau 2020" versucht ja übrigens gerade mit der Ausweisung eines Kerngebiets, das in seiner Struktur erhalten werden soll, Sicherheit zu schaffen. Und im "Kernbereich" ist für meinen Augenschein auch fast alles saniert.
    Nur kann das die Stadt eben nicht allein entscheiden sie kann nur Anreize schaffen, siehe Breisgaustraße.


    Für Schönau vermisse ich eigentlich noch etwas Konkretes zu Plänen der Nachbebauung. Wo soll mittelfristig Geschosswohnungsbau hin und wo Eigenheime? Bedarf für Eigenheime ist sicherlich da. Zwei solche Standorte befinden sich in unmittelbarer Nähe. Nach einer gewissen Delle in den letzten Jahren scheint auch hier die Nachfrage in der Stadt Leipzig und im Umland momentan wieder anzuziehen. Eine Aussage für das südlichere Schönau oder gar Grünau als Ganzes sehe ich hier gar nicht getroffen.


  • grünau wird in zukunft nie mehr 80 000, 60 000 oder 40 000 einwohner haben.


    Grünau hat, wie oben zu lesen, derzeit etwa 40.000 Einwohner_innen.


    Die Einwohner_innenzahlen im Stadtbezirk West (im wesentlichen Grünau) sinken aufgrund des negativen natürlichen Bevölkerungssaldos (Geburten/Sterbefälle). Seit 2001 gibt es einen kontinuierlich steigenden Wanderungssaldo von - 2.616 auf - 1.429 (2003), -880 (2004), - 572 (2007) und - 296 (2009). Der Wanderungssaldo war nach im Mai 2012 veröffentlichten Zahlen ( http://www.deutsches-architekt…d.php?p=337440#post337440 ) bereits 2010 erstmals wieder positiv, auch wenn es demnach nur 34 mehr Zuzüge als Wegzüge gab. Mittlerweile wurde die Zahl für 2010 auf -293 korrigiert.


    Für 2011 wird unter http://statistik.leipzig.de erstmals ein positiver Wanderungssaldo von 287 angegeben. Dem steht ein Saldo der Geburten/Sterbefälle von - 452 gegenüber.


    Wenn also Zuzug, wenn auch noch sehr verhalten, nach Grünau weiter anhält bzw. sich erhöht - und davon gehe ich im Moment aufgrund der Entwicklungen in ganz Leipzig und von persönlichen Beobachtungen aus - dann wird sich die Bevölkerungszahl zumindest in den nächsten Jahren bei etwa 40.000 einpendeln oder sogar wieder leicht steigen.

  • Hier noch einmal der Verweis auf die Diskussion im Februar und März 2012, als im Zusammenhang mit der Vorlage Nr. DSV/ 1996 - "Beschluss zur Abgrenzung neuer Fördergebiete für das Bund-Länder-Programm Stadtumbau Ost" - die Zahl von 5.000 in den nächsten Jahren zum Abriss vorgesehenen Wohnungen erstmals genannt wurde:


    http://www.deutsches-architekt…d.php?p=327906#post327906


    Radio Mephisto, 05. April 2012
    Grünau. 5000 Wohnungen sollen abgerissen werden
    von Carolin Heitmann
    http://mephisto976.uni-leipzig…erissen-werden.html#share

  • Aus der Antwort zur Anfrage Nr. V/OB 540 der CDU-Fraktion vom 22.02.2012:


    Aktueller Wohnungsleerstand in Großsiedlungen d DDR-Wohnungsbaus
    http://notes.leipzig.de/appl/laura/wp5/kais02.nsf/docid/4D2ABDD961692737C12579C80047C448/$FILE/V-f-540-antwort.pdf


    "Grünau wies Ende 2010, wie auch 2009, einen Gesamtleerstand von 16,7 % (ca. 4.700 WE) auf. Die Leerstände der Wohnkomplexe bewegen sich dabei zwischen 6,4 und 7,8 % in WK 1-3 und mehr als 20 % in WK 5.2, 7 und 8."


    Die Zahlen dürften angesichts der Bevölkerungsentwicklung seit 2010 und der genannten Umzüge aufgrund der "Freilenkungen" in Schönau-Nord - etwa 135 Haushalte - auch in etwa gleichgeblieben sein. Ich nehme sogar an, dass der Leerstand 2011 und 2012 leicht geringer wurde. Wie man in der Situation 5.000 Wohnungen abreissen möchte ist doch eher fraglich.


    Erklärbar wird dies nur, wenn man davon ausgeht, dass die Einwohner_innenzahl drastisch abnehmen wird. Am 23. März 2012 berichtete die LVZ über die Hintergründe dieser Zahlen mit Berufung auf die oben genannte Antwort im Stadtrat, aus der hier zitiert werden soll:



    Die Ermittlung des Rückbaubedarfs für das Rückbaugebiet Grünau beruht auf den der „Entwicklungsstrategie Grünau 2020“ zu Grunde liegenden Bevölkerungsszenarien des Stadtplanungsamtes. Diese gingen für das Jahr 2020 von einer Einwohnerzahl zwischen 32.100 und 40.000 Einwohnern aus.
    Nach 5 Jahren der Beobachtung zeigt sich, dass die Einwohnerentwicklung der Großsiedlung nahe dem negativen Szenario verläuft. Ende 2010 wohnten in Grünau somit nur noch ca. 40.700 Einwohner. In Fortschreibung dieser Tendenz und in Anbetracht des hohen Durchschnittsalters der Grünauer (49 Jahre) wird eine Einwohnerzahl von ca. 35.000 für das Jahr 2020 erwartet. Dieser fortgesetzte Einwohnerverlust in Verbindung mit dem derzeit bereits in einigen Wohnkomplexen vorherrschendem hohen Leerstand waren die Entscheidungsgrundlage für die Ausweisung von 5.000 Wohneinheiten Rückbaupotential für die Großsiedlung Grünau bis 2020 im Stadtumbaukonzept.


    Das SPA wird dabei augenscheinlich einmal mehr Opfer seiner eigenen Prognosen. Konkret geht es um die "Entwicklungsstrategie Grünau 2020 - Stand: 29.05.2007"
    http://www.leipzig.de/imperia/…ategie_textendversion.pdf
    Besagte Szenarien der Einwohnerentwicklung für Leipzig-Grünau finden sich auf S. 4.


    Interessant finde ich nun folgende Ausführungen in dem Text:


    Langfristige Prognosen sind bekanntlich einer hohen Ungenauigkeit unterworfen. Während die Ergebnisse für die nächsten 5 Jahre noch relativ gesichert sind, nehmen die Unwägbarkeiten mit Blick auf 10, 15 oder 20 Jahre immer mehr zu. Besonders betrifft dies das Wanderungssaldo, das sowohl von der stadtweiten Einwohnerentwicklung abhängt als auch von der Einkommenssituation sowie der Konkurrenz anderer Quartiere und Wohnungsmarktsegmente. Auch die Effekte der Gegensteuerung können nur schwierig abgebildet werden.


    Vielleicht wäre es angebracht, nach den besagten fünf Jahren nun tatsächlich nicht nur auf die alten Prognosen, sondern auch auf die aktuellen Entwicklungen und veränderten Bedingungen zu schauen. Wenn der positive Wanderungssaldo weiter ansteigt und den negativen Saldo der Geburten/Sterbefälle ausgleichen kann, was weder 2007 noch Anfang 2012 erwartet wurde, dann ist die ganze Prognose hinfällig und damit auch die Zahl von 5.000 abzureissenden Wohnungen.

  • [...] grünau war von anfang an eine gigantische fehlplanung. kein mensch käme heute mehr auf den gedanken, [...]


    Entschuldigung aber das kann man so nicht stehen lassen. Eine Fehlplanung war es zu keiner Zeit. Was richtig ist: Das ursprüngliche Konzept wurde durch notwendige Nachverdichtung mit Wohnungsbau und der Nichtrealisierung von Ergänzungsmaßnahmen nicht umgesetzt und die erhofften urbanen Qualitäten haben sich nicht eingestellt. Das führt summarisch heute tatsächlich zu Problemen. Ansonsten gilt: Grünau war für die damalige Zeit die einzig wirtschaftliche und - aufgrund der Ausrichtung auf eine industrielle Bauweise – sinnvolle Lösung für das immense Wohnungsproblem. Und das wurde nicht in erster Linie durch Vernachlässigung der Altbausubstanz hervorgerufen, sondern durch Devastierung umliegender Ortschaften aufgrund der Braunkohlenförderung.

  • [...] grünau war von anfang an eine gigantische fehlplanung. kein mensch käme heute mehr auf den gedanken, [...]


    Entschuldigung aber das kann man so nicht stehen lassen. Eine Fehlplanung war es zu keiner Zeit. Was richtig ist: Das ursprüngliche Konzept wurde durch notwendige Nachverdichtung mit Wohnungsbau und der Nichtrealisierung von Ergänzungsmaßnahmen nicht umgesetzt und die erhofften urbanen Qualitäten haben sich nicht eingestellt. Das führt summarisch heute zu Problemen. Ansonsten gilt: Grünau war für die damalige Zeit die einzig wirtschaftliche und - aufgrund der Ausrichtung auf eine industrielle Bauweise – sinnvolle Lösung für das immense Wohnungsproblem. Und das wurde nicht in erster Linie durch Vernachlässigung der Altbausubstanz hervorgerufen, sondern durch Devastierung umliegender Ortschaften aufgrund der Braunkohlenförderung.

  • raubbau,


    du begehst heute noch den gleichen fehler wie die damaligen planer: es wurde nur danach geschaut, möglichst billig wohnraum zu schaffen, ohne dabei die folgekosten im blick zu haben. in grünau musste ja von der wasserversorgung über straßen bis hin zu schulen und geschäften alles neu errichtet werden, statt bestehendes in der kernstadt nutzen zu können. die schaffung dieser neuen infrastruktur überstieg die ökonomischen kräfte bei weitem und führte so zwangsläufig zu vernachlässigung der vorhandenen bausubstanz. die folgen waren 1989 nicht zu übersehen: eine völlig verrottete kernstadt und ein halbfertiges "schlammhausen". und der wohnungsmangel war trotzdem nicht gelöst.
    angesichts dieser ergebnisse bleibt doch gar nichts anderes übrig, als von einer gigantischen fehlplanung zu sprechen.


    @lemonhist: auch ein sich abschwänderer bevölkerungsrückgang in grünau wird das problem der bereits heute bestehenden leerstände nicht lösen können. diese auf ein für die wohnungsunternehmen wirtschaftlich erträgliches maß zu reduzieren, ist ziel der planungen. was sollte dagegen einzuwenden sein?


  • @lemonhist: auch ein sich abschwänderer bevölkerungsrückgang in grünau wird das problem der bereits heute bestehenden leerstände nicht lösen können. diese auf ein für die wohnungsunternehmen wirtschaftlich erträgliches maß zu reduzieren, ist ziel der planungen. was sollte dagegen einzuwenden sein?


    Dass die Zahlen vorn und hinten nicht stimmen und mit 5.000 WE massive Verunsicherung geschaffen wird.


    Wenn wir Ende 2010 mit ca. 4.700 WE einen Gesamtleerstand von 16,7 % hatten, dann waren es insgesamt etwa 28.000 WE. Die Abrisszahlen für 2011 und 2012 sind mir nicht bekannt, aber nehmen wir mal nur an, dass sie in dem von Klarenbach genannten Bereich von etwa 150 wie für 2010 liegen. 2013 sollen es etwa 500 Abbrüche in Schönau sein. Damit kommen wir Ende 2013 auf 800 Wohnungen weniger als 2010, also 27.200 WE.
    Angestrebt wird ein Leerstand von 10 Prozent, das wären 2.720 leere Wohneinheiten. Von den leeren 4.700 Wohnungen werden aber bereits 800 abgerissen sein und damit noch 1200 "zuviel". 1.200 WE sind eine ganz andere Hausnummer als die kursierende Zahl von 5.000! In einem Elfgeschosser haben wir ca. 43 Wohnungen, das wären also etwa 30 Häuser bzw. Eingänge. Über wie Häusern vielen schwebt momentan noch das Damoklesschwert des potentiellen Abbruchs?
    http://www.leipzig.de/imperia/…_foerdermitteleinsatz.pdf


    Und das alles gilt nur unter der Voraussetzung, dass sich die Bevölkerungszahlen in Grünau nicht ändern. Leipzig wird aller Voraussicht nach Ende 2012 über 540.000 Einwohner_innen zählen, das sind 18.000 Menschen mehr als Ende 2010. Die Zuzüge sind nicht gleichverteilt, sondern richten sich überwiegend auf die Kernstadt. Nichtsdestoweniger halte ich es für sehr unwahrscheinlich, dass dieser immense Zuwachs überhaupt keinen Einfluss auf das größte Wohngebiet Leipzig haben soll, in dem etwa 8 Prozent der Gesamtbevölkerung leben. Und sei es nur indirekt durch Umzugsketten.


    Unter http://statistik.leipzig.de/ sieht man die Bevölkerungsbewegung für den Stadtbezirk West. Die Zahl der Zuzüge über die Stadtgrenze steigt deutlich an, die der Wegzüge sinkt leicht:
    Wanderungen .................. 2007 2008 2009 2010 2011
    Zuzüge über die Stadtgrenze 1.322 - 1.356 - 1.392 - 1.512 - 1.723
    Wegzüge über die Stadtgrenze 1.372 - 1.346 - 1.254 - 1.265 - 1.211


    Innerstädtische Zuzüge bleiben in etwa gleich, die Zahl der Wegzüge sinkt ebenfalls


    Innerstädtische Zuzüge 1.476 - 1.590 - 1.428 - 1.549 - 1.523
    Innerstädtische Wegzüge 1.998 - 2.007 - 1.862 - 1.762 - 1.748


    Wanderungssaldo / - 572 / - 407 /- 296 / - 293 / 287


    Ich gehe davon aus, dass in den nächsten Jahren vor allem die Zahl der innerstädtischen Zuzüge deutlich ansteigen wird.

  • Intervallstudie Leipzig-Grünau

    Ein wenig Lesestoff:


    Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
    Intervallstudie Leipzig-Grünau – empirische Langzeitstudie zur Wohnzufriedenheit in der Großwohnsiedlung
    Projektlaufzeit: 05/2009 - 04/2010
    http://www.ufz.de/index.php?de=14570


    "Interessant sind erste Tendenzen eines Rückzugs nach Grünau ehemaliger Bewohner."

  • Mittlerweile hat sich ja zu dem Thema eine richtig gute Diskussion ergeben. Dazu nur ein paar Anmerkungen:
    Zunächst einmal finde ich die pauschale Aussage von dj tinnitus, dass es sich bei Grünau um eine Fehlplanung handeln würde, nicht nachvollziehbar. Für mich hat Grünau durchaus eine Reihe von Qualitäten. Besonders gut finde ich, dass man in Grünau den Autoverkehr an den Rand der Wohnkomplexe verbannt hat, so dass große verkehrsfreie Grünräume entstehen. Diese Grünräume sind durch verkehrsfreie Promenaden, wie die Grünauer Allee, die Parkallee, die Stuttgarter Allee oder die Miltitzer Allee miteinander verknüpft. Für Familien mit Kindern, aber auch für Senioren sind sind diese Grünräume durchaus vorteilhaft. Sehr gut gelöst ist auch die Erschließung durch den öffentlichen Nahverkehr. Dank der S-Bahntrasse in der Schwereachse des Wohngebietes und den Straßenbahnlinien an den äußeren Rändern gibt es von fast allen Wohnungen kurze Wege zu den öffentlichen Verkehrsmitteln. Weiterhin gibt es kurze Wege zu Einkaufsstätten, Schulen und Kindertagesstätten. Die Nähe zu Grün- und Parkanlagen habe ich schon erwähnt, allerdings sehe ich beispielsweise am Kulkwitzer See noch Reserven. Hier könnte die Uferzone und die Verknüpfung zwischen dem WK 8 und der See noch besser gestaltet werden. Alles in allem sehe ich aber in Grünau durchaus gute Chancen für ein grünes und ruhiges Wohnen.


    Nun zu den Einwohnerprognosen. Ich stehe, auch aufgrund der Erfahrungen in Berlin, solchen Prognosen sehr skeptisch gegenüber. Solche Prognosen sind ja Modellrechnungen, die von ganz konkreten Prämissen ausgehen. Ob diese Prämissen dann aber tatsächlich eintreffen, können die Statistiker überhaupt nicht vorhersagen, und jeder seriöse Statistiker weist auch auf die Unsicherheiten hin. In Berlin beispielsweise wurden 2004 Bevölkerungsprognosen veröffentlicht, in denen ein Bevölkerungsrückgang in den Großsiedlungen von 7 Prozent bis 2020 vorhergesagt wurde. Aufgrund dieser Prognosen wurde dann der Abriss von 10.000 Wohnungen in den Großsiedlungen geplant. Die Medien haben diese Prognose aufgegriffen und daraus Schlagzeilen wie "Berliner fliehen aus den Plattenbauten" konstruiert.


    http://www.berliner-zeitung.de…en,10810590,10143226.html


    In der Praxis sind diese Prognosen allerdings nicht eingetroffen. Im Gegenteil: 2010 verzeichnete Marzahn-Hellersdorf einen Einwohnerzuwachs von 0,84 Prozent, 2011 betrug der Wert 1,22 Prozent. Allerdings besteht Marzahn-Hellersdorf nicht nur aus Großsiedlungen, sondern auch aus Einfamilienhaussiedlungen. Wenn man nur die Plattenbaugebiete betrachtet, dann ist der Einwohnerzuwachs noch höher. Er betrug 2011 in Hellersdorf Nord 2,79 Prozent, in Hellersdorf Ost 1,79 Prozent, in Marzahn Mitte 1,77 Prozent.


    http://www.berlin.de/imperia/m…file=vzb161_iv_anlage.pdf


    Daher wurde der Abriss von Plattenbauten 2008 nach dem Abriss von rund 4400 Wohnungen beendet und heute wird der Abriss dieser Wohnungen allgemein bedauert. In den letzten Jahren wurden auch viele Plattenbauten, die teilweise schon zehn Jahre leer gestanden hatten, saniert und wiedervermietet, und aktuell werden leer stehende Bürohäuser in Plattenbauweise zu Wohnhäusern umgebaut. Daher würde ich auf jeden Fall empfehlen, bei Abrissen sehr vorsichtig zu sein, und ich würde die skeptische Haltung von LE Mon. hist. auf jeden Fall teilen. (Die Abrisszahl für Grünau von 2010 ist übrigens hier
    http://www.leipzig.de/imperia/…variante_aktualisiert.pdf
    S. 40 zu finden.)


    Ein Problem besteht - zumindest aus meiner ortsfremden Perspektive - darin, dass die Vorzüge von Grünau noch nicht richtig bekannt sind. Es gibt ja hartnäckige Klischees über Großsiedlungen, und im LVZ-Beitrag von gestern wurde ja auch auf den letzten MDR-Tatort verwiesen. Viele potenzielle Zuzügler werden durch solche Klischees vom Zuzug in Großsiedlungen abgehalten. Die Auflösung dieser Klischees dürfte eine wichtige Aufgabe sein. Ein Weg könnte die Schaffung überregional bekannter Attraktionen sein. In Marzahn-Hellersdorf gibt es beispielsweise die "Gärten der Welt", die auch von vielen ortsfremden Besuchern frequentiert werden. Diese Besucher merken dann erst, wie grün es doch in Marzahn-Hellersdorf ist und dass man dort durchaus gut wohnen kann. Eine solche Entwicklung wäre doch auch in Grünau machbar.

  • @ dj tinitus


    Die Unterbringung von 100.000 Menschen in der "Kernstadt" wäre weder wirtschaftlich noch bautechnisch möglich oder sinnvoll gewesen. Frag mal die Ureinwohner von Grünau, wie glücklich die waren in "Schlammhausen" überhaupt eine Wohnung zu bekommen...


    Der Industriestandort Plagwitz müsste dann wohl auch eine gigantische Fehlplanung gewesen sein? Nennenswerte Industrie ist dort ja heute auch nicht mehr zu finden - das hätte sich Carl Heine mal eher überlegen sollen.

  • Die Planung von Grünau war in erster Linie eine politische Planung. Das sollte man mal herausstellen. Ob es eine Fehlplanung war, kann und will ich nicht beurteilen. Was man zu DDR-Zeiten nicht gemacht hat - dank fehlender Mittel zwischen Daumen und Zeigefinger - war die Einrichtung einer entsprechenden Infrastruktur. Die Planungen sahen ursprünglich zum Beispiel eine Schnellstraße vor, welche Grünau nördlich tangiert hätte. Auch die S-Bahn hat man leider nur halbherzig gebaut. Die Spange nach Markranstädt fehlt bis heute und ab Plagwitz hätte man direkt durch in die Innenstadt bauen sollen. Der Ost-West-Tunnel wäre für Grünau beispielsweise eine enome Aufwertung! Vielleicht kommt der ja noch - ich würde es mir jedenfalls wünschen. Und JA, das ist mein Ernst! NEIN, ich mache keine Witze. Auf die nicht realisierte Schnellstraße kann ich verzichten.


    Ich denke aber, das Problem ist ein anderes. Leipzig ist nicht Berlin, Potsdam oder Jena. Schon vom Lebensgefühl nicht. Leipzig ist Jugendstil und Stuck, großbürgerliches Lebensgefühl einer Metropole aus der Gründerzeit. Die Stadt ist geprägt vom Jugendstil und vom Historismus. Da wirkt Grünau wie ein Fremdkörper, der nicht dazu gehört. Das ist zwar jetzt kein Fakt, der sich mit Zahlen und Statistiken belegen lässt - aber vielleicht (?) doch das größte Problem dieses Stadtteils. Leipzig ist medial deutschlandweit mittlerweile bekannt und geachtet für sanierte Altbauviertel. Dafür wird die Stadt bewundert und sicher teilweise auch beneidet. Wer nach Leipzig zieht, zieht nicht nach Grünau. Und das ist für den Stadtteil ein großes Problem.


    Das Zerpflücken des Stadtteils frei nach dem Motto "hier und da mal was rausreißen" macht die Situation nicht besser. Dadurch wirkt in meinen Augen alles nur noch unattraktiver. Zu DDR-Zeiten hatte man in Grünau ja wenigstens noch das urbane Gefühl, auch durch die 16-Geschosser. Das hätte ich eher erhalten und nur an den Rändern von Grünau abgerissen. Entlang der S-Bahn hätte man die Verdichtung unter keinen Umständen zurück fahren dürfen.


    Das angestrebte Gesamtbild aus EFHs und verstreuten Elfgeschossern finde ich nun garnicht gelungen... Was soll das zum Schluß sein? Das ist nichts halbes und nichts ganzes. Wenn man Grünau erhalten möchte, sollte man umgehend Schluss machen mit Abrissen und sanieren, Anbindung und Infrastruktur verbessern. So wie derzeit geplant wird sehe ich keine gute Prognose für Grünau.