Potentieller Umzug von "DB Schenker" nach Hamburg

  • Max: Ich kann die wirtschaftliche Begründung für diesen Umzug nicht erkennen. Kann die Bahn mit Sitz in Hamburg mehr Umsatz machen, als mit Sitz in Berlin? - Wohl kaum. Will der Hamburger Senat jetzt allen Ernstes sagen, wenn ihr nicht nach Hamburg zieht, bekommt ihr auch die Anteile an Hafen und Hochbahn nicht? Das würde den (selbstverursachten) Imageschaden nur noch vergrößern. Und die jüngsten Aussagen aus dem Bahn-Hauptquartier, man fühle sich in Berlin nicht adäquat behandelt, ließen den ganzen Umzugsplan ohnedies in einem vollkommen anderen Licht erkennen.


    Soll die Bahn erst einmal erfolgreich an die Börse gehen, dann kann sie hinziehen, wo immer sie will. Sofern bis dahin nicht wieder alles in sich zusammenfällt wie bei den Heidelberger Druckmaschinen. - Wäre ja nicht Herrn Mehdorns erste Pleite. Bis dahin hat sie sich als AG nach den Interessen des Shareholders zu richten, in diesem Fall also die Interessen des Bundes.

  • Anscheinend gibt es einen weiteren, nicht zu unterschätzenden Aspekt. Die Bahn will durch den Umzug nämlich geräuschlos 400 Stellen in der Hauptverwaltung abbauen, so war dies jedenfalls bei spiegel-online zu lesen.


    Ansonsten würde ich nicht behaupten, der Vorstand stelle nicht auf pekuniäre Aktionärsinteressen ab. Eben das Gegenteil ist der Fall, denn der Vorstand möchte eine (unstreitig!) günstige Gelegenheit ausnutzen und die Mehrheit bei der Hochbahn und dem Hafenbetrieb übernehmen. Die Bahn ist - Börsengang oder nicht - eine Aktiengesellschaft und eine solche wird vom Vorstand geleitet. Alles andere ist ungutes, sozialistisches Gewürge unter dem Deckmäntelchen "Strukturpolitik".

  • Zitat von Manuel

    Max: Ich kann die wirtschaftliche Begründung für diesen Umzug nicht erkennen.

    Der ist per se sicher nicht allzu groß. Vielleicht von der Art wie in Berlin, also dort Nähe zu Politik, hier Nähe zu operierenden Töchtern.


    Allerdings ändert sich die wirtschaftl. Begründung, wenn Hamburg die Sitzverlagerung zur Bedingung macht. Dann ist es plötzlich KO-Kriterium und bei entsprechend günstiger Bewertung der Übernahmen wird die Sitzverlegung schnell wirtschaftlich.


    Der Länderfinanzausgleichseinzahler Hamburg hat schon Vattenfall- und Universal-Sitz an Berlin verloren. Das ist natürlich okay. Im Zweifel immer strukturpolitisch. Zumindest solange bis der Rest auf diesem Wege noch ärmer wird als Berlin, dann braucht es andere Begründungen, wie wärs mit Hauptstadtlasten.



    Zitat von Manuel

    Sofern bis dahin nicht wieder alles in sich zusammenfällt wie bei den Heidelberger Druckmaschinen. - Wäre ja nicht Herrn Mehdorns erste Pleite. Bis dahin hat sie sich als AG nach den Interessen des Shareholders zu richten, in diesem Fall also die Interessen des Bundes.

    Pleite sind die Heidelberger Druckmaschinen nicht gerade, sie schrieben für ein Jahr rote Zahlen - keine Seltenheit in diesen Zeiten. Nach wie vor ist HD Druck Weltmarktführer - inzwischen wieder mit Gewinnen. Inwiefern nun ausgerechnet das eine Verlustjahr auf Mehdorn zurückzuführen ist?, ich wäre da vorsichtig mit Monokausalitäten.


    Shareholder ist der Bund, richtig. Normalerweise sollte man annehmen, daß der Bund (Bund = Bund der Bundesländer) unparteiisch ist, wenn es um einen Umzug innerhalb des Landes geht und sich allenfalls einschaltet, wenn es um einen Wegzug ins Ausland geht. Aber da hat man das mit der Berliner Republik gründlich mißverstanden.


    Berlin hat seinen Hauptstadtstatus gewollt und diesen bekommen, mehrheitlich von allen, eine große Geste und Geschenk an das historisch sehr makelhafte Berlin. Damals war noch keine Rede von subventioniertem Abzug von Arbeitsplätzen und Sitzen nach Berlin aus strukturpolitischen Gründen, nur weil das großartige Preußen selbst nur wenig außer Demos, Schulden und politischer Extremisten zustande bringt.



    Ich tippe übrigens, daß sich die stolze Hansestadt dies nicht bieten lassen wird und nicht verkauft. Vielleicht bringt man Connex ins Spiel. Dann wollen wir mal sehen. Hektische Betriebsamkeit dürfte daraufhin den "Bund" ergreifen.
    Das typisch deutsche Ende vom Lied wären dann weitere Subventionen:
    - Bahnsitz bleibt in Berlin
    - Hamburg gibt trotzdem Anteile an die Deutsche Bahn ab.
    - Hamburg erhält dafür (versteckte) Subventionen/Zugeständnisse vom "Bund"


    Zahlen werden also letztlich ein paar südliche Bundesländer und NRW sowie die gesamtstaatliche Effizienz, weil hierzulande immer alles geplant, geregelt und ausgeglichen sein muß.

  • Zitat von Manuel

    Will der Hamburger Senat jetzt allen Ernstes sagen, wenn ihr nicht nach Hamburg zieht, bekommt ihr auch die Anteile an Hafen und Hochbahn nicht?


    Aber selbstverständlich! Das ist ja schließlich der Sinn der Sache, das Gesamtpaket, das einen großen Logistikstandort entstehen lassen soll. Alles andere ist Quatsch, Fremdkontrolle des Hamburger Hafens von Berlin aus wird es nicht geben. Um einen Altkanzler zu zitieren: Da wollen wir doch mal die Kirche im Dorf lassen.

  • Zitat von manitu

    Fremdkontrolle des Hamburger Hafens von Berlin aus wird es nicht geben.


    Hamburg will doch immer so gern als weltläufiig gelten, oder nicht? Dann ist es ja wohl ein bisschen lächerlich, die Nachbarstadt als "fremd" zu empfinden oder zu bezeichnen...

  • Offenbar hat man die DB in Hamburg eingeladen und den rote Teppich ausgelegt -
    wenn das zustande kommt - bis zu 21,7% Anteile an der HHLA
    Ausserdem Kühne und Nagel, Hafen usw usf - vom Stand(h)ort der Güterbeförderung



    Und, auch wenn in Berlin 400 Arbeitsplätze abgebaut werden müssen, hier werden sie wieder aufgebaut.
    Hat Bonn einen Ausgleich an Arbeitskräften erhalten, als die Politik nach Berlin ging? (Scherz geh weg:)

  • Zitat von micro

    Hamburg will doch immer so gern als weltläufiig gelten, oder nicht? Dann ist es ja wohl ein bisschen lächerlich, die Nachbarstadt als "fremd" zu empfinden oder zu bezeichnen...

    Das ist weltfremd.
    Keine Stadt der Welt und sei sie noch so modern, liberal, weltoffen oder gay sieht tatenlos zu, wie Unternehmen um Unternehmen abwandert.

  • Die Arbeitsplätze von HHLA und Hochbahn sind ja an Hamburg gebunden. Wo der Besitzer sitzt ist doch fast egal.


    Im übrigen steht es ja jeder Stadt offen, an ihrer eigenen Attraktivität zu arbeiten, damit sich Firmen ansiedeln.

  • Zitat von micro

    Wo der Besitzer sitzt ist doch fast egal.

    Ach ja?
    Warum flennt dann Berlin und befaßt sich die Bundesregierung höchsteilig damit?



    Zitat von micro

    Im übrigen steht es ja jeder Stadt offen, an ihrer eigenen Attraktivität zu arbeiten, damit sich Firmen ansiedeln.

    So sollte es sein. Allerdings macht diese Mühe keinen Sinn, wenn hinterher der Bund kommt und die kommunalen Vorteile überkompensiert oder "verbietet".

  • Zitat von Max BGF

    Ach ja?
    Warum flennt dann Berlin und befaßt sich die Bundesregierung höchsteilig damit?


    Weiß ich nicht. Vielleicht, damit der Staatsbetrieb DB sein Geld sinnvoll einsetzt?

  • So sinnvoll wie beim Umzug von Frankfurt nach Berlin, beim Lehrter Bahnhof oder - nicht die Bahn - bei der Kanzler-U-Bahn?


    Sinnvoll ist, wenn in Berlin.

  • Der Punkt ist, dass bei einem Umzug der Bahnzentrale eine Menge Arbeitsplätze verlagert werden. Wenn die Bahn sich dagegen an HHLA und HHA beteiligt, wandern keine Arbeitsplätze ab.


    Da die Bahn nicht marktwirtschaftlich arbeitet, kann man ihr auch keine freie Hand bei der Entscheidung lassen.

  • Guten Morgen! Schon mitbekommen, daß jedes Unternehmen, selbst HHLA und HHA, neben operativen auch administrative Arbeitsplätze hat? Und die drohen dann aus Hamburger Sicht langfristig Richtung Berlin zu wandern. Zur Not aus strukturpolitischen Gründen...



    Die Bahn soll aber mehr und mehr marktwirtschaftlich arbeiten. Speziell die Entscheidung des Firmensitzes kann man sehr wohl unternehmensintern belassen, weil sie am wenigsten mit den branchenüblichen Monopolstrukturen zu tun hat.

  • wenn die bahn an die börse will, dann sollte sie langsam mal anfangen, politik-unabhägig entscheidungen treffen zu können!!! ich frage mich langsam was hier bitteschön privatisiert wurde, wenn letztendlich die politik doch die regeln stellt...


    -hat beim umzug von universal nach berlin das kabinett getagt???
    NEIN:nono:

  • Ein interessanter Kommentar aus der Welt: Mehdorn am Prellbock :
    Der Vorgang wirft viele Fragen auf - und läßt einige der Beteiligten äußerst unglücklich aussehen. Warum mußte Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust (CDU) am vergangenen Freitag triumphierend verkünden, die Bahn-Zentrale ziehe höchstwahrscheinlich in die Hansestadt um? Die Verhandlungen waren längst nicht abgeschlossen. Zudem war der Bund als Bahn-Eigentümer offenbar nicht ausreichend informiert. Warum das der Fall war, muß sich wiederum die Bahn fragen lassen. [...] Sachlich ist die Entscheidung der Bundesregierung aber richtig. Es gibt keine ökonomische Notwendigkeit für die Bahn, ihre Zentrale zu verlegen. Die Umzugspläne entstanden nur, weil der Hamburger Senat dies als ordnungspolitisch zweifelhafte Gegenleistung für seine Beteiligungsverkäufe fordert - und weil Berlin und die Bahn nicht das beste Verhältnis haben. [...] Der Bund als Eigentümer der Deutschen Bahn muß in einer solch elementaren Frage eingreifen dürfen - es sollte aber die Ausnahme bleiben.


    Wenn Herr von Beust übrigens sagt, dass er Hafen und Hochbahn dann eben nicht verkaufen müsse, frage ich mich, was das ganze sollte. Welches Unternehmen (außer der Bahn) wäre denn auch bereit, mal eben schnell umzuziehen. Wohl nur sehr wenige. Es deutet sich m.E. also an, dass es dem Hamburger Senat letztlich nur darum ging, die Bahn nach Hamburg zu bekommen und das der Entwicklungsbedarf bei Hafen und Hochbahn da gerade gut zu pass kamen.
    Wenn übrigens eine Landesregierung durch Verkauf von Anteilen an landeseigenen Gesellschaften ein staatseigenes Unternehmen zum Umzug bewegen will, ist dass staatlicher Dirigismus pur. Dem Land Berlin und dem Bund hier also Dirigismus vorzuwerfen, ist albern. Egal was der Bund getan hätte, hätte er ja so oder so eingegriffen: Entweder zu gunsten der Hamburger Strukturpolitik oder eben zu gunsten der Berliner. - Dazwischen musste sich der Bund entscheiden.


    Darüberhinaus ist es für den Wettbewerb wesentlich besser, wenn nicht ein staatliches Unternehmen in den Hamburger Hafen einsteigt, sondern ein privates. Was hier nämlich vollkommen vergessen wird, ist die totale Übermacht von Post/World Net und Deutsche Bahn, die in der Logistik-Branche entsteht und zwar staatlich protektioniert. Da teilen sich zwei Unternehmen geradezu den Markt auf.

  • Zitat von tobert

    -hat beim umzug von universal nach berlin das kabinett getagt???
    NEIN:nono:


    wusste gar nicht, dass der Bund Eigentümer von Universal ist :confused:

  • Manuel
    Das mit der Ordnungspolitik ist so eine Sache. Weit dehnbar. Möglicherweise zu schwer für den ein oder anderen Journalisten in seiner ganzen Tragweite zu durchdringen.


    Hamburg muß sich beispielsweise hier nicht besonders ordnungspolitisch verhalten, weil es lediglich als Vertragspartner auftritt und nicht als neutraler Rahmensetzer. Natürlich verfolgt Hamburg eigene Interessen - wie jeder Akteur am wirtschaftlichen Geschehen. Da Hamburg letztlich als öffentliche Gebietskörperschaft nicht nur finanzielle Interessen hat, sondern z.B. auch Arbeitplatzinteressen, nimmt es zusätzlich diese wahr. Grundsätzlich besteht Vertragsfreiheit und Handlungsfreiheit, man kann also ziemlich alles im legalen Rahmen als Vertragsleistung fordern.


    Wer hier eben dieses negiert, weil er der Hansestadt eine falsche Rolle beimißt, begeht jedoch selbst den ordnungspolitischen Fehler. Dem Laien läßt sich natürlich leicht suggerieren, Hamburg müsse sich als Stadt möglichst neutral verhalten und dürfe keinesfalls so sachfremde Elemente wie Firmensitze als Verhandlungsmasse einbringen. Wie gesagt diese Haltung ist m.E. schlicht falsch und nebenbei bemerkt reichlich naiv. Von Berlin kann ich solche Äußerungen gut interessengeleitet verstehen, nicht aber von einem Wirtschaftsjournalisten, der weit weg sitzt.



    Prinzipiell finde ich einen Länderwettbewerb der Art Firmensitzabzug übrigens auch nicht gut, davon profitieren letztlich nur die Unternehmen bei gesamtwirtschaftlicher Ineffizienz. Im Falle Berlin schrillen bei mir jedoch immer häufiger die Alarmglocken, weil hier offenbar längst eine Sonderwirtschaftszone Hauptstadt eingerichtet ist:
    Nationale Konkurrenz ausgeschaltet, international nicht konkurrenzfähig. Weitergedacht ein Teufelskreis, der solange aufrechterhalten werden kann, bis der Rest der Republik wirtschaftlich unter Berliner Niveau gesunken ist.



    Wahrscheinlich läßt sich der Vorgang ganz einfach erklären. Die Bahn hatte sinnvollerweise Interesse an diesen Hamburger Unternehmen und trat an Hamburg heran, da (Mit)Eigentümer. Verständlicherweise wollte man nicht schon wieder ein Unternehmen entscheidungstechnisch abwandern sehen. Universal und HEW sind wohl nur die größeren Beispiele.


    Gerade Hamburg leidet zur Zeit stark unter diesen "strukturpolitischen" nationalen Entscheidungen. Man denke an die Olympia-Bewerbung, wo Hamburg das beste und international konkurrenzfähigste Konzept hatte.
    Aber wieder einmal haben sich deutsche (Sport)politiker Illusionen und Träumen hingegeben und v.a. Strukturpolitik an der falschen Stelle betreiben. Das traurige Ende vom Lied ist bekannt.


    Übrigens: Abwarten, ob Hamburg im Bundesrat für Überraschungen sorgt.

  • Ich bin dafür, dass die Bahn selbst entscheiden sollte, wo sie hinzieht. Wenn die Bahn nun in HH wäre und nach Berlin ziehen wollte, glaubt irgendjemand, dass sich die Bundesregierung groß dagegen wären würde?

  • Max, in den meisten Punkten stimme ich dir zu. Aber du übersiehst, dass in Hamburg der Verkauf von Steuerzahlers Eigentum, Hochbahn und Hafenbetriebe, auch nicht geordneten Bahnen abgelaufen wäre. Die teilweise Privatisierung ist - wie in den meisten anderen Fällen - wohl richtig, doch muss hierfür ein ordentliches, transparentes Verfahren gewählt werden. Dieses eigenartige Koppelgeschäft riecht nun mal ausgesprochen streng. Der Verdacht liegt nahe, dass als Gegenleistung für die Umzugszusage die Gesellschaftsanteile unter Wert abgegeben werden müssten.


    Wie es sein sollte:


    1. Die Deutsche Bahn Aktiengesellschaft wird vom Vorstand geleitet, der unabhängig von (struktur-) politischen Interessen Entscheidungen im Sinne des Unternehmens trifft. Wenn dazu der Umzug des Vorstands gehört, dann wird eben umgezogen.


    2. Die Freie und Hansestadt will Teile kommunalen Eigentums versilbern. Sie schreibt diese Gesellschaftsanteile aus und entscheidet sich in einem transparenten Verfahren für das beste Package aus Perspektive und Kaufpreis.


    Wie es ist: Gewürge galore!