Die kleinen und großen Schweinereien in Hamburg

  • Ich frage jetzt also mal alle, die sich über den Abriss empören, wieviel sie für den Erhalt gespendet haben?


    Oh,oh... da duerfte nicht viel bei herumkommen. Schade ist es natuerlich um den Bau, keine Frage. Nur es ist doch immer die gleiche Leier: Keiner kuemmert sich privat / gesellschaftlich / sozial / ehrenamtlich mehr um irgendetwas - sobald aber die Kosequenzen dieser Einstellung mal an die Tuer klopfen wird nach "Mutti" oder dem Staat als Retter gerufen. Bekanntlich sind von zehn Buergerinitiativen ja neun "gegen" irgendetwas. Engagement fuer eine Sache kann man jedoch lange suchen. Nebenbei finde ich das Endresultat architektonisch sehr fragwuerdig: Entweder ganz abreissen oder retten - aber so sieht es doch reichlich merkwuerdig aus.

  • Ja, ich empöre mich über den Abriss, ich war nie in meinem Leben in der Kirche, ich bin nicht getauft worden und meine Eltern waren schon nicht in der Kirche.


    Ich hab nie in meinem Leben Kirchensteuer gezahlt und meine Spenden fliessen auch nur an den Naturschutz.
    Und Blut spende ich für die Allgemeinheit.


    Für den Erhalt solcher alten Gebäude, wenn der Besitzer (Kirche) nicht genügend Geld hat, sollte gefälligst die Allgemeinheit herhalten.
    Allgemeinheit heisst der Stadtteil der Bezirk und die Stadt.


    Und die sogenannte Mutti "Allgemeinheit" hat nach meiner Meinung auch die Pflicht diese Geschichte in Form eines alten Gebäudes zu erhalten.


  • Und wir sind hier in Hamburg und nicht in Berlin, wo der Bund das Geld für sowas hinterherschmeisst. Hier müssen die Bürger ran und zum Erhalt der Kirche beitragen.


    Wie kommst du denn bitte darauf??? In Berlin ist die Situation mindestens genauso angespannt, wenn nicht schlimmer, v.a. im Ostteil der Stadt, wo in der Vergangenheit kaum etwas in alte Kirchenbauten investiert wurde!
    Allerdings glaube (hoffe) ich, dass es zwischen Berlin und Hamburg noch einen gewissen Mentalitätsunterschied gibt. In Berlin trauert man so vielen Kirchen nach, die während des Zweiten Weltkriegs aber vor allem in Zeiten der Teilung aus dem Stadtbild verschwunden sind. Ich glaube der Abriss einer weiteren alten Kirche käme nicht durch (frage mich sowieso, wie das in Hamburg einfach so hingenommen wird)


    Ansonsten denke ich auch, dass das Problem abnehmender Kirchenmitglieder sekundär ist. Erstens gibt es auch viele Kirchenbauten, die städtebaulich und kulturhistorisch gesehen nicht unbedingt erhaltenswert sind, v.a. die Gebüde, die nach dem Krieg entstanden sind. Warum haben solche Bauwerke bei einem Abriss nicht Priorität? Zweitens sind Kirchen die mindestens 100 Jahre alt sind ein Kulturgut der ALLGEMEINHEIT, d.h. vor allem Staat ist als Geldgeber gefragt.


    Generell wird mir der Umgang mit Architektur immer absurder. Auf der einen Seite baut man in Dresden die barocke Innenstadt wieder auf, wenige Kilometer weiter westlich werden in Leipzig ganze Gründerzeitquartiere eingerissen. Und während man in Berlin das Stadtschloss wiederaufbauen möchte, wird in Hamburg eine KIRCHE ohne Wenn und Aber dem Erdboden gleich gemacht :confused: :nono:

  • Ja, aber wo will man da aufhoeren, wenn es immer der Staat richten soll? Wenn ich ein altes schrottreifes Mercedes Cabrio von 1929 habe aber selbst pleite bin - muss mir der Staat dann auch die Restaurierung bezahlen? (wegen: Kulturgut, Denkmalswert, etc.) Wie soll man denn dem Steuerzahler staendig erklaeren, dass er Millionen bezahlen soll fuer Gebaude die offenbar so gut wie nicht genutzt werden? Die Fehler sind doch in der Vergangenheit gemacht worden und weniger heute: Es haetten doch schon seit Jahrzehnten Kirchengemeinden zusammengelegt werden koennen. Man haette ein Konzept erarbeiten koennen, nachdem alte, erhaltenswerte Kirchen genutzt und saniert werden, waehrend man einigen Nachkriegsschrott nach 50 Jahren langsam beseitigt... Nur leider ist das nie passiert oder wenn, dann zu spaet.


    Vielleicht hat die Kirche ja noch eine Chance: Es ist kurz vor der Wahl und die Politik verteilt gern Geschenke, wenn der oeffentliche Aufschrei ansonsten zu laut wird.

  • [...]frage mich sowieso, wie das in Hamburg einfach so hingenommen wird[...]


    Weil es in Hamburg leider nie anders war. Dass der Begriff "Freie und Abrissstadt Hamburg" auch schon gute 100 Jahre alt ist, spricht für sich. Dass man schon im 19. Jahrhundert den 800 Jahre alten Dom abgerissen hat, weil er einfach nicht mehr gefiel, ebenfalls. Vor architektonischen Hinterlassenschaften der Vergangenheit hatte man in Hamburg noch nie Respekt, Abriss hat gewissermaßen Tradition. Die Existenz eines Denkmalschutzes kann man in HH schon fast anzweifeln. Was allein in meinem Quartier an Gründerzeitlern in den letzten Jahren abgerissen wurde... :nono:
    Das Umdenken muss halt bei den Leuten stattfinden, die solche Sachen entscheiden.


    Was die Kirche betrifft, ist die fehlende Nutzung für mich kein Abrissargument.
    Wenn sich die Sanierung für eine Gemeinde nicht mehr lohnt, sollte man halt über andere Nutzungen nachdenken. Ich hab schon ähnliche Kirchen gesehen, in die man Wohnungen gebaut hat, die man als Club nutzte, als Museum, sogar als Möbelgeschäft oder sonst was. Besonders die Holländer (ähnlich atheistisch wie die Deutschen) sind da sehr kreativ. Selbst die Amsterdamer Hauptkirchen werden (bis auf eine glaub ich) längst nicht mehr als Kirchen genutzt.

  • Und während man in Berlin das Stadtschloss wiederaufbauen möchte, wird in Hamburg eine KIRCHE ohne Wenn und Aber dem Erdboden gleich gemacht :confused: :nono:


    Ich wollte wirklich keine Diskussion darüber lostreten, aber auch beim Stadtschloss, wie bei unzähligen anderen Berliner Projekten bezahlt der bund den Grossteil der Kosten. In Hamburg zahlen wir nahezu alles selber, ganz besonders für solche "unnützen", aber prestigeträchtigen Bauten.


    Wir sollten uns hier im thread aber lieber auf die "Hamburger Schande" konzentrieren. Anders kann man den Abriss einer kulturhistorisch wichtigen und architektonisch wertvollen Kirche einfach nicht nennen.
    Die Tatsache, dass dort solch hässliche Gebäude hinkommen, macht das alles nur noch schlimmer. Aber selbst wenn dort etwas entstünde wie die Elbphilharmonie, bliebe es dennoch eine riesen Schweinerei!

  • @ Hexenhammer
    Was hast du eigentlich gegen die HafenCity?
    Und ganz ehrlich wer interessiert sich schon für diese Kirche? Auch wenn es ein Vorkriegsbau ist, die Stadt kann nicht alles unterstützen, warum auch ist doch bloß ene Kirche!

  • auch wenn es nur "eine" Kirche ist, ist es ein Gebäude, dass die Umgebung positiv prägt und dessen Architektur attraktiv ist. Davon abgesehen, ist es eben schon über hundert Jahre alt. Ein Alter, dass nur noch wenige Gebäude in Hamburg auf dem Buckel haben
    Und noch mal eine Frage an alle Hamburger: Wird den der Abriss außer in ein paar kleinen Randnotizen in der Zeitung gar nicht weiter erwähnt? Da muss es doch auch Diskussionen geben/gegeben haben, oder nicht? oder ist dieser Bau aus mir unerklärlichen Gründen wirklich total unbedeutsam? Was sagen (Kunst)Historiker, Denkmalschützer, Barmbeker denn dazu?

  • In der Welt ist ein Artikel dazu. In der heutigen Ausgabe des Abendblattes habe ich davon nichts gelesen. Das einzige, was da zu Kirchen steht ist folgendes:


    Hamburgs Tischler sanieren die Flussschifferkirche

    Sie messen, schrauben, sägen - für den guten Zweck: Hamburgs Tischler sanieren die Flussschifferkirche, das einzige schwimmende Gotteshaus Deutschlands.
    ...
    Auch Pastor Helge Adolphsen, Schirmherr der Flussschifferkirche, ist von der Hilfsaktion begeistert: "Ich mag den Tischlerberuf sehr. Vielleicht, weil auch Jesus der Sohn eines Zimmermannes war. Es freut mich, dass wir so den Erhalt der Kirche sichern.


    Abendblatt


    Der Verfall deutscher Kirchen ist Schuld der Bevölkerung und damit sicherlich kein Einzelphänomen. Barmbek ist erst der Anfang, es werden noch weitere folgen. Ich wundere mich auf jeden Fall keine Sekunde lang, dass Gebäude, die nicht genutzt werden aber Millionenkosten verschlingen abgerissen werden. In Anbetracht der Tatsache, dass Gott in unserer heutigen Gesellschaft keine Rolle mehr spielt, verliert das Argument "Es ist doch aber eine Kirche" jedwede Bedeutung. Wer das anders sieht, der möge doch bitteschön Kirchensteuern zahlen oder spenden... nur tun das die wenigsten noch und schon gar nicht aus Überzeugung.


    Aus rein architektonsicher Sicht brauchen wir von den Medien auf jeden Fall keine grosse Sache oder gar eine Hetze zu erwarten. Nicht alle sind so architekturinteressiert wie wir hier im Architekturforum. Und was ist diese baufällige Gebäude heute denn noch, ausser architektonisch gesehen interessant?

  • ...bin leider kein Hamburger. Aber mir wäre so , als sei dies Projekt schonmal vorgestellt worden.Oder verwechsel ich da was :confused: ...Teilabriss von einer Kirche , zwei kleine Wohntürme , Rest der Kirche bleibt erhalten ...da war doch was...oder gibt es solche Pläne auch in Eilbek , Wandsbek oder wo auch immer ?

  • Ich verstehe sowas auch nicht. Bin zwar selber nicht in der Kirche, aber so ein altes, schönes Gemäuer abzureissen. In einem anderen Thread habe ich ja hinsichtlich der Abrisstradition meinen Unmut kundgegeben. Und dieser Fall (im wahrsten Sinne des Wortes) bestätigt mich selber:-( Sehr traurig. Man könnte aus dem Innenraum zB auch einen Kultursaal für diverse Veranstaltungen machen (Konzerte, Theater aber auch einen Indoor-Wochen-/Weihnachtsmarkt). Ga gäbe es tausende Möglichkeiten. Aber ja, das liebe "fehlende" Geld in der Hansestadt. Ich verstehe es nicht. Und dass das Denkmalamt da mitspielt. Wofür gibts das denn? Die haben schon so manchen Abriss eines alten Gebäudes ohne großen Widerstand und Abwägungen zugestimmt.
    Man, ich muss mal kurz meine Herztabletten einnehmen:-)

  • Ich hasse die Hafencity, weil ich sie kalt und hässlich finde und sie als absolut uninspiriert erachte.


    Einerseits weinen die Hamburger rum, dass die 'Kirchenskyline' nicht verschandelt werden darf, aber komischerweise darf ein großes Areal von Hamburg als Testbereich für Architektenbüros dienen, die Hamburg nur als Werbebühne ansehen.


    Erinnert mich an Atomwaffentestgelände in Nevada.



    Aber zum Glück werden die letzten Gebäude, die noch halbwegs daran erinnern, dass Hamburg eine alte - und schöne - Stadt ist (bald nicht mehr), konsequent geplättet. :mad:



    Achja, das alte Unilevergebäude durfte ja nicht so salopp abgerissen werden, steht ja unter Denkmalschutz...

  • Hat sich eigentlich einer von denen, die hier vehement gegen den Abriss argumentieren das Objekt mal aus der Nähe oder von innen angesehen?


    Es ist ein böses, aus der Not geborenes Flickwerk, das die Kriegsschäden wirklich nur notdürftig repariert. Im übrigen ist ca. 300 m entfernt die wunderschöne Bugenhagenkirche,



    mehr Fotos der Bugenhagenkirche


    die meines Wissens auch kräftig Instandhaltugsmittel braucht, die Kirche setzt hier die richtigen Prioritäten.

  • Guten Tag,


    das stimmt, die Bugenhagenkirche stand ja auch schon zur Disposition, was besonders aufgrund der überweltigenden Innenarchitektur dieser Kirche eine absolute Katastrophe und Sünde wäre!


    die Heiligengeistkirche kenn ich leider nicht, aber ich finde den Teilerhalt in KOmbination mit den neuen Wohntürmen wesentlich besser als einen KOmplettabriss, wie schon in vielen Städten geschehen.


    In Berlin hat man es schon geschafft Kirchen u. a. von Rudolf Schwarz abzureißen und durch einen Billigdiscounter zu ersetzen, ein Tag vor Denkmalschutzprüfung kamen die Bagger, da müsste man den Berliner Senat mal fragen woher die Baugenehmigung kam....aber ist ein langes Thema


    die Kirche ist tatsächlich von den Kommunen noch mit dem Thema allein gelassen das wird sich hoffentlich ändern,
    allerdings muss man auch sagen dass die Art und Weise wie sie klammheimlich Kirchengrundstücke an meistbietende Altenheim- und Discount- betreiber für Abriss verkauft werden, auch sehr zweifelhaft. Das die Kirche, sich da teilweise auch an unserem eigenen Kulturellen Erbe die Hände schmutzig macht ist für mich auch ein Skandal

  • Ich mach mal in den nächsten Tagen ein Bild vom grauen.


    Das schaut am Bauplatz zur Zeit einfach nur fürchterlich aus. Eine 1/4 Kirche.


    Das könnte aber wirklich besser werden als gedacht. Die ersten Visualisierungen waren schauderlich.


    Bleibt aber noch immer mein Hass Projekt Nr. 1. :mad:

  • Ich muss Sam zustimmen. Das Projekt ist doch deutlich besser geworden, als auf den ersten Visualisierungen zu erwarten war. Endlich mal ein Projekt, wo auf übermäßigen Glaseinsatz verzichtet wurde. Auch wenn die Kirche im Ursprungszustand trotzdem um einiges besser ausgesehen hätte. :)

  • Nichts dagegen, ab und zu mal eine Kirche abzureißen, auch wenn sie oft eine wesentlich bessere Architektur haben als die profanen Gebäude um sie herum. Wenn man immer nur neue Kirchen bauen würde und nie alte abreißen, würde die Welt bald nur noch aus Kirchen bestehen, und das wollen wir ja nicht.


    Aber ein Fragment einer Kirche stehenlassen, um damit einen einfallslosen Wohnblockneubau aufzupeppen? Das ist ja wirklich Kitsch hoch drei! Der Architekt wollte sich vielleicht an der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche orientieren, aber weil die Kirche leider keine Ruine war, hat die Abrissbirne mal eben eine draus gemacht... :toilet:

  • Warum keine Kirche abreißen?

    Über Jahrhunderte hat man Kirchen umgebaut und abgerissen. Diese ist nicht mal ein besonders schönes Exemplar ihrer Gattung! Dass man der Ostflügel in den Neubau integriert, finde ich schön, so wird nicht vergessen, das dort einst eine Kirche stand! In Zeiten schrumpfender Gemeinden ist es nur logisch, das ab und an auch mal ne Kirche dran "glauben" muss.