Fischerinsel / Petriplatz / Breite Straße

  • Ich persönlich finde beide Projekte gut und bedaure die hier oft vorherrschende negative Grundhaltung. In beiden Fällen finde ich auch kritische Überlegungen angebracht und denke, dass sie die Diskussion auch vorantreiben können. So ist das Versöhnungszentrum in der Garnisonkirche eine Antwort auf Kritik und beim HoO wäre an diverse Verbessrungen und Ausdifferenzierungen zu denken, von der Architektur bis zur Personalplanung.


    Ein Haus für die drei abrahamitischen Religionen zu bauen als [kleines] Versöhnungszeichen, finde ich jedenfalls nicht abwegig, wenn es genug Unterstützer gibt um es mit Leben zu füllen.


    Ich finde man sollte im Forum und darüber Hinaus etwas mehr Toleranz gegenüber Projekten zeigen, die einem erstmal nicht so lieben. Das man in Potsdam den tatkräftigen Freunden des historischen Wiederaufbaus unbedingt die Pläne durchkreuzen will, finde ich genauso kindisch, wie den Versuch in Berlin jegliches Projekt mit modernem Gesicht madig zu machen. Die beiden ungleichen Schwestern ergänzen sich doch geradezu wunderbar.

  • Also ich verstehe die hier aufgekommene Analogie von "House of one" und Garnisonkirche überhaupt nicht. Beide Projekte haben eigentlich null Gemeinsamkeiten.


    Bei der Garnisonkirche geht es in erster Linie darum, ein historisches Bauwerk zu rekonstruieren. So traurig oder erschütternd es für den ein oder anderen klingen mag, was da rein kommt, ist vielen wenn man ehrlich ist doch relativ egal. Somit steht bei der Garnisonkirche von Anfang an die äußere Form im Mittelpunkt.


    Beim "House of one" hat man ein Konzept und hat dafür dann eine Architektur ersonnen, ob die nun gelungen ist oder nicht und ob der Bau jetzt zwingend da stehen muss oder ob man in Hinterkopf nicht eher die Sorge hatte was denn passieren möge wenn das Schloss fertig ist, nicht dass da noch wer auf die Idee kommt und die Kirche auch noch wieder haben will. Aber seis drum.


    Trotzdem darf man dann doch mal kritisch hinterfragen, was solche Projekte, die irrsinnig viel Geld kosten, wirklich bringen. und hier sage ich: nichts! Denn wer wird dort hingehen? In der großen Masse eher gebildete Leute, eh schon Integrierte. Also mehr ein Stelldichein von Feuilleton und Ärtzegattin, die zeigen will wie tolerant man ist und ansonsten wird das ein Ort der Ankündigungen, Ausstellungen, es tritt ein jüdischer Chellist mit muslimischen Geiger auf und dann wird Wagner gespielt und man klopft sich auf die Schultern wie toll die Welt doch ist.


    Wo man da Leute erreicht, die es mit der Toleranz nicht so genau nehmen, dass erschließt sich mir nicht. Glaubt irgendwer, dass ein Zweifelnder sich aufmacht nach Berlin und sich da im Zentrum erkundigt ob er jetzt nach Syrien gehen soll oder nicht?


    Ich rege mich über so Projekte einfach so auf, weil sie nur dafür da sind, den Eliten aus Politik, Kirche und Gesellschaft ein gutes Gefühl zu geben. Es ist schlichte Feigenblattpolitik. Aktionismus in Reinkultur. Wie viele Polizisten könnte man für 43 mio. einstellen, wie viele Seminare schaffen um z.B. Imame in Deutschland auszubilden statt sie aus der Türkei oder Saudi-Arabien zu importiere (eine Tatsache übrigens, die an sich schon unglaublich skandalös ist). Wir können die x-te Ausstellung zum Thema Toleranz etc. veranstalten, wirklich ändern wird es nix, solange man sich in irgendwelchen Kopfgeburten ergeht und meint man könne die Leute so versuchen zu bekehren.


    Toleranz und Integration zu schaffen ist harte Basisarbeit. Statt Geld in so Leuchtturmprojekten zu verpulvern, sollte man lieber zusehen, dass man genug Lehrer in die Schulen bringt, die z.B. in der Lage sind, in Klassen mit 30 Kindern den Flüchtlingskindern Deutsch bezubringen. Das ist dann nämlich Erziehung zur Teilhabe. Und Teilhabe ist die Basis für Toleranz. Da kann man dann in Berlin 10 Bändchen durchschneiden und 100 Festtagsreden halten.

  • Ich war zu Beginn des Projektes (als das Projekt noch "Bet- und Lehrhaus" hieß) ja sehr skeptisch, und ich habe das auch hier geschrieben. Doch jetzt habe ich meine Meinung geändert.


    Ich denke, dass dieses Projekt glaubwürdig einen neuen, progressiven Ansatz zeigt und dass sich hinter ihm keine restaurativen Absichten verbergen. Solche Projekte sollten gefördert werden, schon um die progressiven Kräfte in der evangelischen Kirche zu unterstützen. Schließlich ist die evangelische Kirche keine homogene Organisation, sondern es gibt auch hier progressive Kräfte, die eine moderne Kirche wollen, die sich den heutigen Problemen zuwendet, und es gibt eben auch restaurative Kräfte, die am liebsten die alte Herrlichkeit der Kaiserzeit wiederherstellen wollen, als die Kirchen noch die höchsten Gebäude der Stadt waren.


    Wenn man dieses Projekt ausbremsen würde, dann würde sehr schnell der Eindruck entstehen, dass Berlin eine kirchenfeindliche Stadt wäre. Die Folge wäre eine Wagenburgmentalität innerhalb der evangelische Kirche, die nur den Ewiggestrigen nutzen würde. Daher bin ich für dieses Projekt, genauso wie für das Lutherdenkmal an der Marienkirche. Und ich denke, dass es zum Kirchentag im nächsten Jahr schon konkrete Pläne für einen Baubeginn geben wird. Denn das House of One ist im Gegensatz zur Garnisonkirche unumstritten, das wird die Einwerbung von Geldern erleichtern.

  • Trotzdem darf man dann doch mal kritisch hinterfragen, was solche Projekte, die irrsinnig viel Geld kosten, wirklich bringen. und hier sage ich: nichts! [...] Wie viele Polizisten könnte man für 43 mio. einstellen, wie viele Seminare schaffen um z.B. Imame in Deutschland auszubilden [...]


    Der Kritik an einer Symbolpolitik, die hübsch aussieht und wenig austrägt, kann ich teilweise zustimmen. Und natürlich kann die Ausbildung säkular denkender Imame oder die Sozialarbeit mit moslemischen Jugendlichen gar nicht genug gefördert werden. Andererseits finde ich nichts Verwerfliches an einem Symbol, das in Zeiten steigender Spannungen auch mal das Gemeinsame betont. Und Deine Rede von einem "pseudointellektuellen Weltverbesserungsprojekt", das es nur in Deutschland geben könne, ist schlicht falsch – wie etwa das Berkeley-Center in Washington DC belegt.


    Auch Dein Geld-Argument ist ziemlich fadenscheinig, weil das Gebäude nur zu etwa fünf Prozent, nämlich in Höhe von 2,2 Mio. Euro, aus öffentlichen Mitteln finanziert werden soll. Das sind 0,2 Prozent der Summe, die allein das Land Berlin pro Jahr (!) für Innere Sicherheit ausgibt (Quelle). Die übrigen 41,3 Mio. Euro sollen durch Spenden zusammenkommen, und wer 100 Euro für ein Gebäude spendet, würde das Geld andernfalls wohl eher in einen Restaurantbesuch oder ein paar Hosen investieren, als in einen Schlagstock für die Polizei.


    Mit dem religiösen Drumherum des Projekts kann ich als Agnostiker wenig anfangen, aber die Architektur finde ich immer interessanter, je näher ich mich damit befasse.

    Einmal editiert, zuletzt von Architektenkind () aus folgendem Grund: Rechenfehler korrigiert.

  • @ Architektenkind


    ist ja auch völlig okay, wenn du das anders siehst. Ich habe mit solchen Projekten aus oben genannten Gründen ein Problem, wenn sich aber genug Leute finden, die meinen, dass ihr Geld hier besser aufgehoben ist und mehr bewirken kann, dann sollen sie ihr Geld zu diesem Projekt tragen.


    Was mich stört ist der Standort. Die Architektur ist nicht der Knaller, aber man hat auch schon deutlich Schlechteres gesehen. Was mich etwas fuchst ist die Tatsache, dass man meiner Meinung nach völlig unnötig den Standort der Petrikirche bebaut. Ich hätte mir perspektivisch zumindest die Option gewünscht, dass man zumindest den Turm rekonstruieren kann, weil die Petrikirche doch eine der wichtigsten Kirchen des alten Berlin darstellte.


    Ob man dies nun bewusst oder unbewusst so entschieden hat, die einen werden so, die anderen so sagen. Ich finde es einfach schade. Natürlich braucht man in Mitte nicht noch eine Kirche, aber man hätte den Turm in ein Gebäude mit anderer Funktion integrieren können. Das daran seitens der Berliner Politik null Interesse besteht, ist klar.


    Ich hätte mir aber zumindest langfristig die Möglichkeit hierzu gewünscht, insbesondere weil das Grundstück doch recht klein gewesen wäre und wenn man gewollt hätte, es ein leichtes gewesen wäre, dieses freizuhalten. Nun ist es wie es ist. die südliche Fischerinsel ist nun eh ein ... naja... besonderer Ort, von der Urbanität eher mit Kaliningrad zu vergleichen. Somit hat man sich in der Keimzelle Berlins entschieden diesen Zustand zu zementieren. Chance vertan, selber schuld sagt man dann wohl.

  • Als Ergänzung vielleicht noch. Es ist mir sowieso bis heute ein Rätsel, warum z.B. die Marienkirche am Fernsehturm stehen geblieben ist und das in einer so exponierten Position und man die Pertikirche, die eigentlich sehr gut erhalten war und bis in die 60-er Jahre ja noch stand, weggerissen hat.


    Man schaue hier:



    Quelle: wikipedia (Bundesarchiv)


    Der Wiederaufbau wäre ein leichtes gewesen, belastet war die Kirche auch nicht, die Straße hätte man auch 10 m südlich verlegen können. Um die Kirche und den stadtbildprägenden Trum ist es einfach unglaublich schade. Nachdem die Parochialkirche ihren Trum nun wieder hat wäre der vierte Turm neben Marienkirche und Nikolaikirche ein echtes Highlight gewesen und für die Belebung des Areals sicher nicht schlecht gewesen, weil es ein echter Anziehungspunkt gewesen wäre und eine schöne Verbindung zwischen Schloss und südlicher Fischerinsel geschaffen hätte und die tote Ecke doch etwas hätte beleben können.


    Und ich bin mir sicher, dass man auch einen Turmbau und dieses überkonfessionelle Zentrum sinnvoll hätte verbinden können. Wenn man gewollt hätte. Hat man aber nicht und so wird es vermutlich eine tote Ecke am Rande der Stadtautobahn bleiben.

  • Zitat von Odysseus

    Es ist mir sowieso bis heute ein Rätsel, warum z.B. die Marienkirche am Fernsehturm stehen geblieben ist und das in einer so exponierten Position und man die Pertikirche, die eigentlich sehr gut erhalten war und bis in die 60-er Jahre ja noch stand, weggerissen hat.


    Fragst Du Dich das im Ernst? Ganz einfach, weil die Marienkirche eine Hallenkirche aus dem 13. Jahrhundert und ein herausragendes Zeugnis der märkischen Backsteingotik ist, während die Petrikirche als Werk des Historismus auf Deinem Foto noch keine hundert Jahre auf dem Buckel hatte. Deshalb finde ich auch die Idee, sie wieder aufzubauen, völlig abwegig: Für Backsteinkirchen aus der Mitte des 19. Jahrhunderts gibt es in Berlin einen ganzen Haufen gut erhaltener bzw. wieder aufgebauter Beispiele. Ich wüsste nicht, wozu es noch eine weitere bräuchte. Zumal das städtebauliche Bezugssystem, in dem sie stand, unwiderbringlich verloren ist.


    Das "House of One" dagegen ist architektonisch ziemlich einzigartig, besonders der Aufbau der Innenräume fasziniert mich. Der Entwurf ist auch nicht geschichtsvergessen, sondern soll auf den Fundamenten der alten Kirche errichtet werden und diese wieder sichtbar machen. Mit Backstein (nicht: Riemchen) greift er auch ihr Baumaterial wieder auf. Und er ist keine Entscheidung für die Stadtautobahn in ihrer heutigen Form, sondern passt in den Plan, diese zu verkleinern und zu verschwenken. Wenn die Verschwenkung nicht kommt, trägt nicht das "House of One" die Schuld daran.


    Eine Wiederherstellung des historischen Grundrisses wäre, wie gesagt, auch dann ausgeschlossen, wenn man die Kirche rekonstruieren würde: Die Gertraudenstraße bleibt – verschwenkt oder nicht – Teil der wichtigsten Ost-West-Verbindung durch die Innenstadt. Solange es Autoverkehr im heutigen Ausmaß gibt, wird man sie brauchen.

  • @ Architektenkind


    ich finde den Hass, der dem Historismus von manchem hier im Forum entgegenschlägt, völlig überzogen. Die aktuelle Entwicklung z.B. in Leipzig zeigt doch, dass der Historismus der Trendsetter aktuell ist. Man fängt aktuell auch in anderen Städten wieder an, entstuckte Gründerzeithäuser in den ursprünglichen Zustand zu versetzen, einfach weil die Menschen den Altbau wieder lieben.


    Daher sehe ich nicht, warum ein Wiederaufbau abwägig sein soll. Die Stadtautobahn könnte bei der anstehenden Sanierung so gelegt werden, dass das Grundstück nur für den Turm frei liegen könnte. Der Turm wäre eine wichtige Dominate um Menschen statt von West nach Ost auch im Bereich des Schlosses von Nord nach Süd zu führen. Dafür hat Stella ja auch das tolle Forum im Schloss ersonnen. Es wäre eine super Belebung für die Breite Straße, die dann einen wirklichen Sinn hätte.


    Und es wäre die Chance, Altberlin zumindest in drei Straßenzügen erfahrbar zu machen. Und klar, der Turm ist keine 700 Jahre alt. Der Kirchenstandort der Petrikirche aber einer der älstesten in ganz Berlin. Das so einfach wegzuwischen wird der Historie dieses Ortes nicht gerecht.


    Und wie gesagt, den Gedanken des "House of one" hätte man architektonisch auch mit dem Turm kombinieren können. Und bei der Gelegenheit sollte man sich auch mal hinterfragen, ob dieses ständige Historismus Bashing ohne jede Differenzierung der richtige Weg ist. Wie in jeder Epoche gab es guten und schlechten Historismus. Aber so zu tun, als wäre das pauschal alles Mist ist doch etwas am Thema vorbei. Und zum Glück sehen das immer mehr Leute so, weshalb sich Leipzig auch was die Attraktivität angeht auf der Überholspur befindet.

  • ^
    Es geht nicht um Historismus-Bashing. Man braucht einfach keine Kirche mehr für eine kleine Sonntagschristen-Minderheit. Selbst das House of One ist recht fragwürdig. Wie bereits von anderen erwähnt hätte man das geld für wichtigere Projekte von "Religiöser-Zusammenarbeit"verwenden können oder halt mal Wohnungsbau betreiben was wohl mehr sozialen Frieden stiftet als sowas.

  • @ Whywolf_Larry


    da sind wir inhaltlich ja völlig beieinander. Aber: Wenn es schon ein Zentrum für Toleranz und religiösen Austausch dort geben soll, hätte ich es sinnvoller gefunden, den Turm der Petrikirche in ein architektonisches Konzept einzubinden.


    Ferner wäre aber allein der Trum auf lange Frist (und hier geht es um 20 oder 30 Jahre) eine wichtige Option aus touristischer Sicht gewesen. Keiner braucht noch eine Kirche, das schrieb ich ja oben bereits. Aber der Turm als Mittel zur Tourismusbelebung wäre keine schlechte Idee. Wenn er aus Spenden finanziert würde (was nicht allzu teuer sein dürfte) oder im Rahmen einer wie immer gearteten Nutzung des Gründstücks als Hotel oder Geschäftsbereich Teil der Ausschreibung gewesen wäre, wäre dies für Berlin sicherlich nicht die schlechteste Option gewesen und weh tun würde es auch keinem.


    Es geht mir einfach darum, dass ich es schade finde, dass man sich nicht mal die Option lassen will. Mehr nicht. Wobei ich keinen Hehl daraus mache, dass ich mir persönlich den Turm wünschen würde. Einfach weil er schön war.

  • Zitat von Odysseus

    ich finde den Hass, der dem Historismus von manchem hier im Forum entgegenschlägt, völlig überzogen.


    Meine Güte, wo habe ich denn den Eindruck erweckt, den Historismus zu "hassen"? Au contraire, mon ami: Sehr gerne hätte ich eine Wohnung am Chamissoplatz und würde aus einer stuckverzierten Wohnung auf stuckverzierte Fassaden blicken. Ich käme deshalb aber nicht auf die Idee, in einem bedeutenden Baudenkmal zu leben. Und darauf wollte ich hinaus: Ein mittelalterlicher Sakralbau wie die Marienkirche ist ein herausragendes künstlerisches Werk, für dessen Errichtung alles an ökonomischer Potenz, technischem Know-How und handwerklicher Fertigkeit mobilisiert wurde, was eine abgelegene Provinz-Gemeinde wie das Berlin des 13. Jahrhunderts aufbieten konnte.


    Eine neo-gotische Kirche, die 600 Jahre später in einem nachgeahmten Stil in der preußischen Hauptstadt errichtet wurde, ist in der Regel gefällige, aber künstlerisch wenig anspruchsvolle Stangenware: Um die Mitte des 19. Jahrhunderts herum war in Berlin ein gutes Dutzend solcher Kirchen gleichzeitig im Bau. Ich käme nie auf die Idee, einem dieser Gebäude den Abriss zu wünschen, sofern es noch steht. Es zu rekonstruieren, wenn es weg ist, halte ich aber für ebenso abwegig: Dazu sind/waren die meisten dieser Kirchen nicht originell oder bedeutend genug. Man investiert Millionen, um einen beschädigten Rembrandt zu retten – ein Gemälde, das im Seminar "Malen wie Rembrandt" an der Kunsthochschule entstand, gibt man schulterzuckend auf, wenn der Student Kaffee darüber verschüttet hat. (Was, um Missverständisse auszuschließen, natürlich nicht für Meisterwerke wie die Friedrichwerdersche Kirche von Schinkel gilt. Schinkel bediente sich zwar der Formensprache vergangener Zeiten, schuf daraus aber, anders als das Heer seiner Epigonen, Kunstwerke sui generis.)


    Zitat von Odysseus

    Und wie gesagt, den Gedanken des "House of one" hätte man architektonisch auch mit dem Turm kombinieren können.


    Das nächste Missverständnis: Dem religiösen Brimborium um das "House of One" stehe ich ziemlich indifferent gegenüber. Ich hatte nur geschrieben, dass ich an seiner Symbolik "nichts Verwerfliches" finden kann – was als Lob so mittelmäßig klingt, wie es gemeint war. Es ging mir tatsächlich darum, den Entwurf zu verteidigen, nicht das Projekt.


    Larrys Einwand, man solle besser Wohnungen bauen, finde ich als Architekturkritik auch nur mittelmäßig: Verdichtung der Fischerinsel mittels Ergänzung der Hochhäuser durch Blockrand-Wohnbebauung halte ich für notwendig. Aber die Insel ist bislang so dünn bebaut, dass man keineswegs jeden denkbaren Kubikmeter in den Wohnungsbau stecken müsste.

  • @ architektenkind


    deine Meinung sei dir unumwunden zugestanden. Doch du sagst es selber. Meisterwerke rettet man, anderes nicht. Nur was ein Meisterwerk ist, ist eben abhängig von der subjektiven Bewertung einzelner.


    Und da kommen wir zu einem interessanten Punkt. Es ist übrigens das gleiche, und daher kenne ich mich berufsmäßig mit diesem Problem aus, was zum Beispiel für Werke in den Schulkanon aufgenommen werden sollen. Und da fängt dann das Problem an. Was ist wertvoll. Nach welchen Kriterien wählt man aus? Originalität? Repräsentanz für eine bestimmte Strömung? Wirkung auf die breite Masse? Spielt die Rezeption eine Rolle...


    Es gibt so viele unterschiedliche Kriterien, die man anlegen kann. Und nicht zuletzt spielt der Zeitgeist, das politische System, ja das was als gewollt gilt eine Rolle. In der DDR oder im Dritten Reich war anderes wertvoll als in der Bundesrepublik oder im Kaiserreich. Heute anderes als gestern, vorgestern oder morgen.


    Die wachsende Ressonanz auf die Architektur der Gründerzeit in den letzten 5 Jahren zeigt es doch. Vielleicht ist die Petrikirche in 30 Jahren eine Ikone der Architektur, vielleicht billiger Schrott. Man weiß es nicht, weil man nicht weiß, wie sich die Bewertungsmaßstäbe ändern.


    Man schaue nur in die Kunst. Vieles was Leute dort zu Lebzeiten nicht haben wollten, hängt heute im MOMA oder auf der Museumsinsel. Daher ist es aktuell immer leicht zu sagen, die Petrikirche ist Massenware von der Stange. Das ist ein subjektives Urteil. Es kann ist 20 Jahren aber eine ganz andere Bewertung vorliegen.


    Und dann möchte ich doch kurz Stellung nehmen zu deinem Einwand, dass man ein Gemälde Rembrandts rettet, etwas anderes nicht. Und hier ist natürlich die Frage, was Bildkunst von Architektur unterscheidet. Es ist ja ein gern vorgebrachter Vorwurf an die Rekonstruktion, dass man dies eigentlich nicht tun solle, weil wenn ein Rembrandt verbrannt ist, dann malt man ihn auch nicht neu und hängt ihn dann als Kopie ins Museum. Und das stimmt. Nur gibt es hier einen qualitativen Unterschied zur Architektur:


    Bei den bildenden Künsten schafft der Künstler das Werk selbst, also ist eine Kopie unmöglich. In der Architektur wie in der Musik schafft man aber nur eine Idee. Ausführen tut diese Idee ein anderer. In der Architektur die Bauarbeiter, in der Musik der Chellist, der Musiker am Piano oder der Sänger am Mikrofon. Niemand käme auf die Idee, man dürfe Mozart nicht mehr spielen, nur weil das originale Notenblatt verbrannt ist. Und Architektur ist im Prinzip nichts anderes. Nur dass man die Idee nicht jeden Tag neu baut. Aber vom Prinzip ist es das gleiche.


    Der Architekt schafft die Idee in Form des Bauplans. Folglich kann die Idee jederzeit kopiert werden, es bleibt vom Prinzip her gleich authentisch, solange die Kopie am gleichen Ort steht.


    Und dabei ist auch zu bedenken, dass jeder Bau der älter als 300 Jahre ist im Prinzip auch ohne Zerstörung mehr oder weniger eine Kopie ist. Der Kölner Dom ist nicht mehr der Kölner Dom der Erbaungszeit. Im Unterschied zur Frauenkirche erfolgte der Austausch der Originalsubstanz hier aber schrittweise, nicht in einem Zug. Aber vom Prinzip her ist die Frauenkirche nicht mehr oder weniger authentisch als der Kölner Dom. Daher verstehe ich so manch eine Debatte um Rekonstruktionen nicht.

    2 Mal editiert, zuletzt von Odysseus ()

  • Ich finde die Urteile die hier über das Projekt ( nicht die Architektur des ) House of One gefällt werden recht arrogant. Gerade in den letzten Tagen gab es ja einige Berichte zum Projekt und einige Kuratoriumsmitglieder kamen zu Wort. Dort hatte ich sehr wohl den Eindruck dass man sich intensiv mit dem Konzept befasst und das Projekt eine Herzensangelegenheit der verschiedenen Religionsanhänger ist. Dass das Projekt offenbar gerade auch von Gülenanhängern vertreten und mitfinanziert wird steht auf einem anderen Blatt. Zu Worte kamen z.B. eine sehr engagierte Muslima und ein Rabbi, von Arztgattinen hab ich da nix gesehen....


    Das Projekt wird zu 95 % privat finanziert, daher greift hier kein Argument für den Wohnungsbau, das sowieso ein Totschlagsargument ist. Auch die Integration ist eine Leistung die der Staat und die Bürger leisten. Wenn diese Einrichtung wirklich zu einem Ort der Begegnung wird, trägt sie sehr wohl zur Integration bei. Die rechtsgerichteten Dumpfbacken oder Islamisten wird man hier zwar nicht erreichen diese Gruppen zu erreichen bedarf aber eh besonderen Anstrengungen.


    Ich bin nicht grundsätzlich gegen Rekonstruktionen aber es ist schon merkwürdig: Die Petriekirche steht schon 40 Jahre nicht mehr und man kam ohne sie aus und ausgerechnet jetzt wo man ein zukunftsorientiertes Projekt an dieser Stelle plant, soll sie wiedererstehen? Diese Idee finde ich einfach rückwärts gerichtet.
    Ich finde diese Rekonstruktionen machen dort Sinn wo sie Lücken schliessen, Ensembles ergänzen etc. Dies ist an dieser Stelle aber nicht der Fall!
    Da sollte man sich doch eher auf die Bauakademie konzentrieren. Merkwürdig ist nur dass bei den Rekonstruktionen häufig die Nutzung als eher zweitrangig gesehen wird und dies erst im Nachhinein plant, gleichzeitig aber einem aktuell erstellten Konzept eines neuen Projektes die Sinnhaftigkeit abspricht...


    Ich bin übrigens auch Agnostiker und daher nicht persönlich an dem House of One interessiert.


    Die Architektur finde ich persönlich sehr interessant und erinnert mich an Architektur des Orient.

  • Odysseus:


    Na ja, ein "subjektives Urteil Einzelner" ist es ja eher selten, was die Beurteilung eines Werks der Architektur als Ikone oder Massenware ausmacht. Du nennst ja selbst einige Kriterien, die zur Beurteilung herangezogen werden können - nach keinem einzigen ist die Petrikirche von Strack als "kanonisch" zu bewerten. Es ist eben generell so, dass der Kirchenbau in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts nicht gerade Taktgeber der Entwicklung war: Während seinerzeit bedeutende Werke in neuen Bauaufgaben entstanden, die auch heute in ihrer Bedeutung nicht in Frage stehen - in Berlin sei auf die Bauaufgabe "Bahnhof", "Museum", "Industrie", "Warenhaus" verwiesen -, blieb der Kirchenbau doch weit hinter den Leistungen in Frankreich (Viollet-le-Duc) und England (Pugin) zurück. Ich wüsste nicht ein einziges Gebäude der Jahre 1850-1900 zu nennen, das damals in Berlin entstanden ist und einen Anstoß gegeben hätte für eine weiterführende Debatte und nachfolgende Entwurfsleistungen. Von daher käme einer erhaltenen Petrikirche sicherlich ein historischer Wert zu als Zeugnis der damaligen Kirchenarchitektur, da sie nun aber nicht mehr exisitiert, wüsste ich nicht, woran sich eine Rekonstruktionsdebatte fest machen ließe. Ähnlich ist es mit der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche, die heute als Zeugnis des Wiederaufbaus unter Denkmalschutz steht, deren ursprünglicher Architektur aber wenig Bedeutung beigemessen wird. Was ja nicht heißen soll, das hier jeder Einzelne ein individuell anderes "Geschmacksurteil" fällen mag...

  • Das "House of One" dagegen ist architektonisch ziemlich einzigartig, ... Der Entwurf ist auch nicht geschichtsvergessen, sondern soll auf den Fundamenten der alten Kirche errichtet werden und diese wieder sichtbar machen. ...


    Wenn ich mir die Visualisierung auf der Seite davor anschaue, kommt mir gleich das Kölner Kolumba-Museum in den Sinn - ebenfalls blinde Backsteinwände im Wechsel mit den perforierten, ebenfalls auf Ruinen einer im WKII zerstörten Kirche errichtet. So ganz einzigartig ist der Entwurf also nicht.


    Wenn man zumindest größere Teile der ehemaligen Kirche nachbauen und sichtbar machen würde, wäre dies nur vorteilhaft - zumindest ergäbe dies einen Unterschied zum Kolumba-Museum. Gerne könnte darunter der Turm sein, zumindest vereinfacht aufgebaut.

  • ^Ich denke nicht, dass ein Wiederaufbau des Turmes in das Konzept eines gleichberechtigten Miteinanders des Houses of One passt. Er würde ja die anderen Bethräume der anderen Religionen überragen, was so bestimmt nicht im Sinne der Verantwortlichen ist. Zumal er ja auch keiner Nutzung zugeführt werden kann. Es soll ja gerade keine andere Religion über die andere dominieren auch optisch nicht. Auch das Argument, dass Touristen den Turm mit Begeisterung annehmen würden ist für mich keines. Wenn man erst damit anfängt die Stadt ”Touristenliike” zu gestalten, hat man etwas grundlegend falsch verstanden. Somit ist das zur Umsetzung beschlossene Konzept einzigartig und sehr efreulich so wie es ist. Wem das nicht gefällt, der ist ja nicht Gezwungen dorthin zu gehen.


    Eine Verwechslung gar oder eine Anbiederung an das von Zumthor entworfene Kolumba Museum sehe ich auch nicht. Es ist übrigens ein echtes Juwel und hochgeschätztes Gebäude geworden, das von allen Seiten höchste Anerkennung erfahren hat.

  • ^ Dem schließe ich mich an. Bei dem House of One ging es im Wettbewerb ja auch darum einen "einen neuen Bautyp für das bisher noch nirgends Versuchte zu entwickeln." (Zitat). Und wenn man sich mit dem Ergebnis des Architekturwettbewerbs beschäftigt, so wird das eine sehr spannende Architektur, sollte das House of One realisiert werden, so finde ich. Der zentrale Kuppelsaal, die Kugel darüber mit den Loggien außerhalb dieser, die Einbettung der archäologischen Reste, ... . Das ist ein interessantes Konzept.


    Aus der Präambel des Auslobungstextes des Weetbewerbs:
    "Treue sproßt aus der Erde, und Heil schaut vom Himmel hernieder."
    Psalm 85, 12


    „In meines Vaters Haus sind viele Wohnungen“
    Johannes-Evangelium 14, 2


    "Er allein ist Gott, der Schöpfer, Erschaffer und Gestalter. Ihm stehen all die schönen Namen zu. Ihn preist alles, was im Himmel und auf der Erde ist. Er ist der Mächtige und Weise. “
    Sure 59:24

  • In der Berliner Zeitung findet sich ein lesenswert kritischer Bericht über den Umgang der Berliner Verwaltung mit dem historischen Zentrum Berlins


    http://www.berliner-zeitung.de…de-24659000?dmcid=sm_fb_p


    Fazit eines Historikers: Es kann kaum noch etwas falsch gemacht werden, weil bereits durch die Stadtplaner der DDR und die Senatsverwaltung alles falsch gemacht wurde. Da die Besichtigung von Barbarei zu den Hauptmotiven für einen Berlinbesuch gehört, fände sich hier ein Exempel für Stadtvernichtung.

  • ^
    Jaja, da war Sie eine Unrechtsstaat und bei allen anderen Rekonstruktionen war Sie es nicht die böse DDR. Das der Fischermarkt und die Innenstadt als Anitmoderner "Sündenpfuhl" schon seit dem Beginn des 20 Jahrhunderts auf der Abschussliste stand und das durch die Bomber des 2.WK das halt plötzlich realitätsnah war wird dabei gerne ausgeklammert. Auch das die DDR ökonomisch von Beginn an so stark malträtiert wurde das sie nunmal nicht jeden kleinen Husten wieder aufbauen konnte. Selbst die anderen Rekonstruktionen von "National bedeutenden Denkmälern" war nicht immer schlau ...

  • Erstens standen die Fischerinsel und der Köllnische Fischmarkt nicht auf irgendwelchen Abschußlisten (wenn es die gäbe, würden diese mich interessieren) noch geht es um die "böse DDR". Es geht um die Transferierung der städtebaulichen Moderne in die Altstädte Europas.


    Dies ist am Beispiel des Köllnischen Fischmarktes ganz besonders exemplarisch und anschaulich zu beobachten. Waren die Modernisierungen des Kaiserreiches (Straßenverbreiterung, Straßenbahn) noch im großen und ganzen mit dem Charakter der Altstadt verträglich ändert sich dies eben nach 1918 radikal. Da planten städtische Behörden vollig nahtlos die Exekution der Köllnischen Altstadt, völlig einerlei ob SPD geführt (Weimarer Zeit), im Dritten Reich, der DDR oder nach 1990 (wieder SPD). Diese Kontinuität ist augenfällig und hat viele Gründe.


    Prof. Escher hat jedenfalls Recht: hier ist alles falschgemacht worden, weniger architektonisch als städtebaulich, und wird weiter falschgemacht. Diese Fehler werden mit der Neubebauung (Hochtief-Hochhaus: Zusammenfassung von 5-7 Parzellen, Bebauung an der Breiten Straße: Zusammenfassung von 5-7 Parzellen, Bebauung Köllnischer Fischmarkt: Zusammenfassung von fast 10 Parzellen) mittels Großwohnanalgen oder Bürohäusern konsequent fortgesetzt.