Regierungsarchitektur in Dland

  • Regierungsarchitektur in Dland

    Urbanist hat es wunderbar pointiert.
    Auch die Architektur folgt dem Zeitgeist, glaube keinem Architekten der für sich in Anspruch nimmt sich dem entziehen zu können.


    Bei "deutscher" Regierungsarchitektur lässt sich das eben besonders gut beobachten, kaum ein westliches wohlhabendes Land hat seine Hauptstadt/städte dermaßen oft (wieder)errichtet wie die Deutschen das getan haben, seit Kaisers Zeiten. Da lässt sich wunderbar die jeweilige Mentalität mit der Architektur in Zusammenhang setzen.
    Mir ist da immer Bonn am positivsten in Erinnerung, was eine unaufgeregte, betont zurückhaltende Architektur betrifft. Und entsprechend war ja auch der Zeitgeist der alten Bundesrepublik - in Reinform unter Willy Brandt. Das bonner Bundeskanzleramt war ein niedriger zurückhaltender Bau der sich in ein simpel gehaltenes grünes Gelände "geduckt" hat, dennoch kein Bunker sondern mit riesigen Fenstern rundherum - die auch oft den Hintergrund für Pressekonferenzen gaben. Damals blickte man in's Grüne hinter Helmut Schmidt, heute blickt man auf neuen Pathos mit einem übergroßem Bundesadler auf einem hellblauen Aufsteller, ein Rednerpult mit Bundesadler und eine bundesdeutsche Flagge wenn Frau Merkel im Kanzleramt vor die Presse tritt. Und ohne den Aufsteller würde man auf eine Betonwand blicken. Das neue Kanzleramt in Berlin ist zwar wesentlich höher und in hellerem Beton, erinnert mich dennoch immer an einen Bunker. Das alte bonner Kanzleramt erinnert eher an ein etwas besseres Schulgebäude aus den 60ern/70ern.
    Und der Blickfang vor dem Bonner Kanzleramt war kein "Ehrenhof", mit Flaggen und einem übergroßen Stahlzaun sondern ein bronzefarbenes modernes Kunstwerk.
    Ähnlich lässt es sich für die Ministerien durchdeklinieren, ja für das Bundestagsgebäude so und so (altpreußischer Imperialismus der im Reichstagsgebäude steingeworden ist Vs. altbundesrepublikanische Nüchternheit beim ehemaligen Bundestagsgebäude in Bonn).


    Man sieht also auch: die Interpretation eines Architekturtrends bleibt dann dennoch Auftraggeber und Architekt überlassen! Auch "Megastrukturen, brutalistische Materialität und Texturen etc" haben die Bundeshauptstadt Bonn nicht einschüchternd oder großmannssüchtig wirken lassen, sondern bescheiden, sachlich, wohlhabend - wie eben die alte Bundesrepublik war.


    Da die Beiträge sich vom eigentlichen Thread-Thema zu weit entfernt haben, wurden sie in einen eigenen Thread verschoben.
    Bato

  • Damals blickte man in's Grüne hinter Helmut Schmidt, heute blickt man auf neuen Pathos mit einem übergroßem Bundesadler auf einem hellblauen Aufsteller, ein Rednerpult mit Bundesadler und eine bundesdeutsche Flagge wenn Frau Merkel im Kanzleramt vor die Presse tritt. Und ohne den Aufsteller würde man auf eine Betonwand blicken. Das neue Kanzleramt in Berlin ist zwar wesentlich höher und in hellerem Beton, erinnert mich dennoch immer an einen Bunker.


    Deine Beobachtung ist inhaltlich richtig, aber ideologisch belastet.
    Einem Baustil per se Imperialismus bzw. Nüchternheit zu unterstellen halte ich für falsch. Vielmehr hat man in Berlin gewagt, die verschiedenen deutschen Epochen und die Geschichte zu vereinen.
    Das Band des Bundes schlägt den Sprung über die Spree und verbildlicht die deutsche Wiedervereinigung.
    Im Bundeskanzleramt hängt im Sitzungssaal ein Bild aus dem Palast der Republik.
    Jede Phase der Geschichte hat ihren Anteil an den deutschen Regierungsbauten. Auch das Bundeskanzleramt hat in seinem Hof eine moderne Kunstskulptur. Eduardo Chillidas Kunstwerk hat eine ganz ähnliche Ausage wie sein Pendant von Henry Moore in Bonn.
    Ursprünglich wollte man die Moore Plastik nach Berlin mitnehmen. Man fürchtete wohl die Kritik der Bonner und beließ die Plastik an ihrem Orte.
    Vielleicht wäre es gar nicht schlecht, wenn du auch die Kunstwerke von Lüpertz und Ernst Willhelm Nay beachtest. Im BuKA werden somit die verschiedensten künstlerischen Tradition respektiert und dargestellt.


    Das BuKa in Berlin stellt Deutschland so dar, wie es sein will: Modern, technisch, fortschrittlich.
    Das Gebäude repräsentiert den Staat und verwendet ungewohnte Stilelemente. Vielmehr stellt das Gebäude einen Neubeginn dar. Das teilweise im Regierungsviertel auch Gebäude aus anderen Epochen verwendet werden, sollte nicht zu dem Fehlschluss führen, dass der Zeitgeist aus anderen Epochen heutzutage fortgilt.


    Das alte bonner Kanzleramt erinnert eher an ein etwas besseres Schulgebäude aus den 60ern/70ern.
    Und der Blickfang vor dem Bonner Kanzleramt war kein "Ehrenhof", mit Flaggen und einem übergroßen Stahlzaun sondern ein bronzefarbenes modernes Kunstwerk.
    Ähnlich lässt es sich für die Ministerien durchdeklinieren, ja für das Bundestagsgebäude so und so (altpreußischer Imperialismus der im Reichstagsgebäude steingeworden ist Vs. altbundesrepublikanische Nüchternheit beim ehemaligen Bundestagsgebäude in Bonn).


    Zuletzt stellt das BuKa auch einen würdigen Rahmen für ein Staatsgebäude dar. Während das BuKa in Bonn von der Planungsgruppe Stieldorf geplante Gebäude wenig staatstragend und repräsentativ wirkte.
    Das BuKA in Bonn verweigerte sich jeder Aussage, und konnte nur durch seine flexible Innenraumgestaltung überzeugen. Der Bau war lediglich ein Zweckbau der 1970er Jahre und konnte keine Akzente setzen. Bei einem derartigen Bau geht es aber auch darum einen Staat und seine Menschen zu repräsentieren. Diesem Anspruch konnte das BuKa in Bonn nie gerecht werden.

  • Richtig.
    Und das war gut so. Im Bundeskanzleramt soll verwaltet und regiert werden, nicht "repräsentiert" (das ist auch gar nicht die Aufgabe des Kanzlers, dafür gibt es den Bundespräsidenten) oder gar geherrscht. Und menschenverkleinernde Architektursprache hat auf Leute die sich dort täglich aufhalten einfach einen Einfluß, das ist nicht ideologisch sondern eine Tatsache. Nicht umsonst spricht man von der "Berliner Republik" oder "Raumschiff Berlin".
    Die Architektursprache des neuen K.A. in Berlin ist... streitbar. Aber gut, das steht halt nun da.
    Was ich aber bis heute nicht verstanden habe - und falsche finde - ist dass man den Reichstag wieder als deutsches Parlament genutzt hat. Das Signal was davon ausgeht ist doch klar: "Wir sind zurück". :nono:

  • ^^ Warum sollte man nicht den Reichstag benutzen? Er symbolisiert das parlamentarische (=demokratische) und nicht das imperiale Deutschland. Weder Kaiser noch Führer waren besonders angetan vom Reichstag... ;)

  • ^ Wir sind wieder zurück in der Demokratie - ein fatales Signal!


    Der Reichstag beherbergte nach dem Bau im späten 19. Jahrhundert eine Scheindemokratie. Die Zeit in der die deutschsprachigen Lande von Preußen dominiert wurden waren die repressivsten, reaktionärsten und blutigsten seit langem. Das damalige Credo des sog. "Kaiser"-Reichs war ja auch, Zitat, "Blut und Eisen"; "Kaiser" in Anführungsstrichen weil der letzte legitime deutsche Kaiser Franz II. seine Krone in Wien niedergelegt hat (wo diese bis heute aufbewahrt wird), der neue sog. "Deutsche Kaiser" war nicht mehr als ein Autokrat der sich nach dem kriegerischen Sieg über Frankreich in Versailles eine Krone aufgesetzt und als Kaiser bezeichnet hat. Und das alles mündete dann ja auch nicht in einem sondern gleich in zwei Weltkriegen deren ideologische und militaristische Grundlage zu dieser Zeit gelegt wurden! Ja, es ist ein fatales Signal Anschluß an diese Tradition zu suchen.


    Davon abgesehen war die ganze "Berlin-Entscheidung" bezüglich der Bundeshauptstadt an sich schon ein riesiger, teurer, Fehler. Es gibt keine traditionelle deutsche Hauptstadt, oder ein sonstiges kulturelles/wirtschaftliches Zentrum. Gab es nie. Während der knapp 1.000 Jahre des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation gab es ein Wanderkönigtum, später wurde dann de facto die Heimatstadt der jeweiligen Monarchen die den Kaiser stellten das politische Zentrum und die Hauptstadt. Demnach wäre Wien wohl die traditionsreichste deutsche Hauptstadt. Oder auf dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik Frankfurt am Main, dort gab es in der Tat ein zartes Pflänzchen Demokratie in der Paulskirche - welches von den Preußen im Stechschritt zertreten wurde um danach das neue "Parlament" in Berlin, im Reichstagsgebäude, anzusiedeln.
    Als ich vor kurzem im TV mal zufällig eine Übertragung vom "Großen Zapfenstreich" vor dem Reichstagsgebäude gesehen habe, mit den ganzen Fackeln und dem Marschieren, ist mir flau im Magen geworden.
    Deutsche Truppen marschieren ja auch schon wieder im Ausland, natürlich unter dem preußischen "Eisernen Kreuz" als Erkennungszeichen. In der Innenpolitik werden schon seit einigen Jahren die Zügel mehr und mehr angezogen, und hört man den Innenpolitikern zu soll das erst der Anfang gewesen sein. Dann noch "Du bist Deutschland" und Fahnengeschrei seit der WM06...
    Die Deutschen haben ihr destruktives Talent zu oft in der Geschichte bewiesen. Wenn es eine als dröge verschriene Sachlichkeit a lá Bonn als Hauptstadt braucht um dieses "Talent" zu unterdrücken dann soll mir das nur recht sein.

  • Zitat von bayer:
    "Was ich aber bis heute nicht verstanden habe - und falsche finde - ist dass man den Reichstag wieder als deutsches Parlament genutzt hat. Das Signal was davon ausgeht ist doch klar: "Wir sind zurück"."


    Na ja, dann dürfte ja keines der heutigen Länderparlamente in Altbauten der Zeit vor 1945 bzw. 1918 sitzen.


    Was ist mit München? Der Landtag sitzt im Maximilianeum - ein königlicher Bau -, die Staatskanzlei befindet sich im ehemaligen Armeemuseum (!); zumindest aber in Resten davon.


    Was ist mit Mainz? - Sitz des Landtags im Deutschordenshaus


    Was ist mit Wiesbaden? - Sitz des Landtags im Schloss


    Was ist mit Hannover? - detto


    Was ist mit Schwerin? - detto


    Im Gegensatz dazu wurde der Reichstag (vom Kaiser als "Reichsaffenhaus" verunglimpft) in den 1880er Jahren neu errichtet und stand von Anfang symbolisch für den (gesamt-)deutschen Parlamentarismus. Zur Interpretation seiner Architektur empfiehlt es sich, die hervorragende Analyse von Tilmann Buddensieg zu lesen.


    Übrigens ist der Reichstag völlig unbelastet, was die Nazi-Zeit ab 1933 angeht. Die Sitzungen fanden nach dem Brand Ende Februar 1933 in der gegenüber liegenden Krolloper statt (das Ermächtigungsgesetz wurde bereits dort "verabschiedet"). Vielmehr steht der Reichstag für den politischen Kampf um die deutsche Republik und Demokratie und wurde von den Nazis - mittels Brandstiftung - zum Symbol für deren Ende gemacht.


    Was die weltweite Rezeption des Reichstagsgebäudes angeht, haben hier sicherlich die Bilder vom Hissen der sowjetischen Fahne im Mai 1945 eine wesentliche Rolle gespielt - sie suggerierten, dass es sich dabei um das zentrale Gebäude der Nazi-Macht handelte - was es definitiv nicht war.


    Außerdem ist vom alten Reichstag bereits in den 1960er Jahren viel entfernt worden. Im Innern - zumindest im Plenarbereich - handelt es sich ja heute um einen völlig neuen Bau. Historische Spuren - sowjetische Graffitis etc. - wurden hier sichtbar gelassen.


    Aufgrund aller dieser Punkte komme ich zu dem Schluss, dass es richtig und wichtig war, den umgebauten Reichstag als Symbol des gesamtdeutschen Parlamentarismus weiter zu nutzen. Die Linie seiner Parlamentsnutzung geht dabei über das Kaiserreich, die Weimarer Republik und - ja auch - die westdeutsche Bundesrepublik (hier fanden Ausschusssitzungen statt). Ausgespart ist alleine die Nazi-Zeit!


    Meines Erachtens muss sich ein Land seiner Geschichte stellen - in diesem Fall hat es die Bundesrepublik getan.

    3 Mal editiert, zuletzt von Berolina () aus folgendem Grund: Zitat eingefügt

  • Die deutsche Geschichte ist mehr als "Preußen"! In Wahrheit war die Gründung des Kaiserreiches keine "kleindeutsche Lösung" (also ohne Österreich) sondern eine "großpreußische". Und Preußen ging nicht in Deutschland auf, sondern Deutschland wurde preußifiziert. Die einzigen die sich dagegen, auch mit immer weniger Erfolg, gestemmt haben und stemmen sind wir Bayern gewesen. Wenn ich mir bayrische Protestschriften aus dem 19. Jahrhundert anschaue wurde all das wahr was damals befürchtet wurde (unser König wurde von den Preußen ja gekauft, erhielt eine Menge Geld für seinen Lebensstil und seine Schlösser - außerhalb der Oberschicht war die bayrische Bevölkerung aber mehrheitlich antideutsch eingestellt).


    Aber darum geht es mir nicht.
    Es geht mir darum dass diese unfassbar barbarische unfassbar grausame unfassbar schreckliche Geschichte Grund genug gewesen sein müsste um einen kompletten Neustart zu wagen und ohne weitere Detaildiskussionen sämtlichen alten Zöpfe für immer abzuschneiden. Das hieße nicht nur sich der Geschichte zu stellen sondern auch dafür zu sorgen dass diese sich nie mehr wiederholen kann. Und nach dem Ende des Kalten Krieges - der ja in Westdeutschland die Rechtfertigung für die Einführung des Bundeswehr war - hätte man auch die Chance nutzen müssen und nicht nur die NVA sondern auch die Bundeswehr abzuwickeln und fortan ein neutraler Staat wie die Schweiz und Österreich zu sein. Oder wenigstens deutlich reduziertes Militär im Rahmen einer EU-Armee. Diese Gunst der Stunde einen Sprung nach vorne zu machen hat man aber nicht nur verstreichen lassen, man hat die Orientierungslosikgkeit 1990 auf eine zutiefst reaktionäre Art bewältigt.


    Und zu den Parlamentsgebäuden, das Maximilianeum ist zum einen schon einmal ein schlechter Vergleich da es in Bayern vor allen anderen deutschen Landen demokratische Tendenzen gab - Anfang des 19. Jahrhunderts gab es z.B. Pressefreiheit, gab es Meinungsfreiheit (damals noch "Gewissensfreiheit" genannt, da war auch Religionsfreiheit und freie Weltanschauung enthalten), aber auch war z.B. Homosexualität nicht mehr illegal. Die bayrische Demokratie-Tradition ist also deutlich weniger negativ konnotiert. Weswegen von den Siegermächten ja auch Preußen von den Landkarten getilgt wurde, während Bayern noch heute nahezu die gleiche Größe wie vor 200 Jahren hat. Erst mit der Reichsgründung wurde all das wieder abgeschafft oder zumindest eingeschränkt, es war eine ganz klar reaktionäre Zeit. Davon abgesehen wurde das Maximilianeum 1874 nicht als Regierungsgebäude eröffnet, sondern als Kunstmuseum und Studienstiftung zur Förderung von Studenten (Stipendien). Von dieser Stiftung wird das Gebäude bis heute genutzt, der Freistaat Bayern ist lediglich Mieter.

  • Es war übrigens der Verteidigungsminister Strauß (1956-1962) aus Bayern, der die Bundeswehr wenn schon nicht einführte, aber dennoch zu einer "schlagkräftigen" Truppe ausgebaut hat :lach:


    Zudem möchte ich noch - eigentlich ist es ja vollkommen absurd, Städte oder Gebäude für historische Entwicklungen verantwortlich zu machen, aber es ist hier soeben nunmal geschehen - anfügen, dass der beginnende Kosovo-Krieg gerade noch so aus Bonn befehligt worden war. ;) Der Hauptsitz des Verteidigungsministeriums ist im Übrigen immer noch dort (auf der Hardthöhe).


    Und schließlich sollte die Rolle Münchens und Bayerns beim Aufstieg der Nazis in den 1920er Jahren auch nicht ganz vergessen werden.


    P.S.: Mag sein, dass es sich beim Maximilianeum um einen "schlechten Vergleich" handelt; ist dennoch ein königlicher Bau. Zudem ist es nur eines von sechs Beispielen, die ich nannte.

  • Mal ganz langsam, das hat jetzt nichts mehr mit "politischer Architektur" und der Diskussion über Reichstagsgebäude und Co. zu tun.
    Darum will ich es kurz halten. Zunächst mal, nicht alle Bayer sind auch nur CSU Wähler (ich bin's nicht) geschweigedenn war FJS unser "Sprecher". Hätte er die Bundeswehr nicht eingeführt hät's ein anderer getan, an einer Partei kann man das hier sicherlich nicht festmachen muss ich dann aber doch zur Verteidigung der CSU sagen. Das letzte Wort hatten die Siegermächte.


    Außerdem sage ich nur dass sich die Bundespolitik mit Wiedervereinigung und Berlin-Umzug deutlich verändert hat. Dieses "Wir sind zurück" und "Wir sind wieder wer"-Gefühl hat Deutschland nicht gut getan. Eines dürfte außerdem klar sein, die Leute sind den braunen Verführern allerorts gleichermaßen erlegen - wenn auch nicht alle. Es gab auch in München mehr oder weniger offenen Widerstand. Zum Beispiel galt die Regel wenn man bei der NSDAP Zentrale in München vorbeiläuft müsse man den Hitlergruß machen. Die Folge war dass die Straße in der die NSDAP Zentrale lag immer ziemlich leer war und die Straßen im Umfeld umso bevölkerter. Das macht das Mitläufertum nicht glanzvoller, so zu tun als wäre das wilde Berlin der 20er der Hort des liberalen Lebens gewesen und dann kaum das Böse aus "dem tiefsten Bayern" (wie man im Norden gerne sagt) mag die antibayrischen Ressentiments der Norddeutschen bedienen entspricht aber nicht der Realität.

  • Mein letzter Beitrag hierzu - die Diskussion ist übrigens von Dir generalisiert worden:
    Ich bin kein Norddeutscher (sondern Rheinland-Pfälzer) und hege keinerlei, wirklich keinerlei anti-bayerische Ressentiments. Die Frage stellt sich, wie es bei Dir hinsichtlich "Preußen" aussieht.


    Es ging mir lediglich darum, Deine glorifizierende Sichtweise auf die alte Bundesrepublik, auf die Hauptstadt Bonn, die ich auch in guter Erinnerung habe, auf das seit 1871 "unterdrückte" Bayern sowie Deine Verdammung des preußischen / Berliner Einflusses zu hinterfragen. Historisches oder geographisches "Schwarz-weiß malen" geht nicht so leicht. Die Sache mit Strauß war natürlich ein Schmäh!


    Man sollte hinsichtlich der innen- und außenpolitischen Entwicklung den Einschnitt des 11. September 2001 nicht vergessen, der nunmal stattfand, als die Regierung bereits in Berlin war - in Bonn wäre danach ähnliches passiert. Auf den Kosovo-Krieg ab Ende März 1999, den regierenderweise übrigens nicht die CSU zu vertreten hatte (sie hat aber zugestimmt), habe ich bereits hingewiesen.

  • Die "beinahe-Heiligsprechung" von Bayern wundert mich. Klar gab es in Bayern weit zurückreichende demokratische Traditionen, von denen sich andere etwas abschneiden können. Aber Tatsache ist auch, dass München nicht ohne Grund zur "Hauptstadt der Bewegung" ernannt wurde. Das Land Preussen dagegen war im Vergleich, va unter Ministerpräsident Braun, ein Hort der politischen Stabiltität und eine Bastion der Demokratie, die in der Weimarer Republik ihresgleichen suchte. Und das war noch bis Anfang der Dreissiger Jahre so, als der der Rest der Reiches längst "gefallen" war. Hitler hatte nicht umsonst ein gespaltenes Verhältnis zu Berlin. Es war im zu liberal, zu jüdisch und zu demokratisch. Die braune Sosse ist aus dem Süden nach Berlin geschwappt. Berlin hat, nicht zuletzt städtebaulich, so richtig dafür in die Fresse gekriegt. München kam recht ungeschoren davon. So ganz falsch ist das nicht.


    Ich wohne hier nicht weit entfernt von den erbärmlichen Resten der ehemaligen Hauptsitze der Allianz Versicherung und der Kaiser Wilhelm Gesellschaft (heute Max Planck Gesellschaft). Und bis zum ehemaligen Hauptquartier von Siemens ist es nicht besonders weit. Keine Stadt hat wie München wirtschaftlich, wissenschaftlich, kulturell, und städtebaulich vom Niedergang Berlins profitiert - und gleichzeitig ideologisch so viel zu ihm beitragen. Keine Stadt, das ist allerdings auch war, hat seit der Wiedervereinigung so wenig aus ihren neuen Chancen gemacht, wie Berlin

  • Ich glorifiziere die alte Bundesrepublik durchaus, ich finde seit 1990 hat sich die "neue" Bundesrepublik zum schlechteren entwickelt.


    Schon das Wort "Deutschland" was nun wieder in aller Munde ist. Damals sagte man "Bundesrepublik" ("Wir machen dieses Jahr Urlaub in der Bundesrepublik"). Nicht aus Verwechslungsgefahr mit der DDR, sondern ganz bewusst da man sich nicht mehr als "Deutscher" sah sondern als Europäer. Und eine Region dieses geeinten Europa hieß dann eben "Bundesrepublik Deutschland". Mehr war das aber auch nicht, kein nationaler Krampf. Gustav Heinemann (Bundespräsident von 69 bis 74) sagte angesprochen darauf ob er "Deutschland liebt": "Ich liebe nicht den Staat, ich liebe meine Frau". Oder der Kniefall von Brandt in Warschau. Das war der Geist der alten, coolen, Bundesrepublik.


    Dann der RAF Terror, die heiteren olympischen Spiele von München, die so jäh in einer Tragödie endeten... die BRD hatte schon ihre inneren Bewährungsproben, ganz abgesehen von der ganz realen äußeren Bedrohung des Kalten Krieg. Dennoch versuchte sie immer ein zivilier Bürgerstaat zu bleiben, ein Staat in dem nicht aufgerechnet wird. In dem es nicht heißt "Das Wohl vieler steht über dem Wohl weniger - oder auch nur eines einzelnen Menschen". Und heute? Heute diskutiert man ganz offen über den Abschuss von Passagiermaschinen im Terrorfall. Mit dem Argument man könnte damit evtl. noch mehr Menschen am Boden retten, ein reines Zahlenspiel.
    Oder die Unschuldsvermutung die immer mehr umgekehrt wird, nach dem Motto "Wer nichts zu verbergen hat...", also ob wir unsere Bürgerrechte begründen müssten!! Oder das Obrigkeitsdenken was wieder mehr und mehr einzug hält, und das alte Unterdrückungsmantra - "Hälst du dich etwa für was besseres?" - feiert neue Urständ, da wo Gerechtigkeit mit Gleichheit verwechselt wird.


    Die Ostdeutschen ergehen sich in Klageliedern darüber was sich dort, objektiv gesehen zum besseren, seit 1990 verändert hat. Keiner sieht dass sich Westdeutschland mit Sicherheit nicht weniger verändert hat - und objektiv gesehen definitiv nicht zum besseren. Der "neue Patriotismus", wie es beschönigend heißt, ist nur ein Aspekt davon. Auch antieuropäische Hetze wird immer salonfähiger, der dumpfe alte deutsche Provinzialismus breitet sich im Gegenzug aus. Es wird wieder heimatgetümelt, "wir sind wieder wer". Das drückt sich auch architektonisch aus.

    2 Mal editiert, zuletzt von bayer ()


  • Als ich vor kurzem im TV mal zufällig eine Übertragung vom "Großen Zapfenstreich" vor dem Reichstagsgebäude gesehen habe, mit den ganzen Fackeln und dem Marschieren, ist mir flau im Magen geworden.
    Deutsche Truppen marschieren ja auch schon wieder im Ausland, natürlich unter dem preußischen "Eisernen Kreuz" als Erkennungszeichen. In der Innenpolitik werden schon seit einigen Jahren die Zügel mehr und mehr angezogen, und hört man den Innenpolitikern zu soll das erst der Anfang gewesen sein. Dann noch "Du bist Deutschland" und Fahnengeschrei seit der WM06...
    Die Deutschen haben ihr destruktives Talent zu oft in der Geschichte bewiesen.
    Wenn es eine als dröge verschriene Sachlichkeit a lá Bonn als Hauptstadt braucht um dieses "Talent" zu unterdrücken dann soll mir das nur recht sein.


    Ich glaube nicht, dass irgendeiner der genannten Punkte in der Diskussion zielführend ist. Tut mir leid, aber so ein hysterischer Quatsch gehört hier nicht in die Diskussion. Du vermengst verschiedenste Themenkomplexe, die keinerlei Bezug haben. Diese Aufzählung von Deutschland als Nato-Partner, Innenpolitik, Fussballfans und der Historie des Weltkrieges hat doch keinen kausalen Zusammenhang. Das ist Beliebigkeit pur!!!


    Dann kann man genauso gut das Bundeskanzleramt als Ort des Friedens bezeichnen, weil hier Gerhard Schröder die Beteiligung am Irak-Krieg abgelehnt hat. Hach ist das schön, das BuKa als Wallfahrtsort gegen Krieg, Imperialismus, Dollar-Kapitalimus und Hegemonialdenken europäischer Völker.

  • Ich dachte, hier soll über Regierungsarchitektur gesprochen werden? Was ich stattdessen lese, sind Pamphlete gegen die angebliche Deutschtümelei.


    Und die Begriffe "Deutscher" und "Deutschland" gleich als negativ und im Widerspruch zu "Europäer" und "Europa" zu sehen, ist mir auch nicht begreiflich.
    Ich betrachte mich zum Beispiel als Hamburger, Deutscher und Europäer. Für mich sind es vielmehr Beschreibungen der geographischen Herkunft und keine Widersprüche.


    Im übrigen sehe ich dieses Deutschland immer noch in der Tradition der Frankfurter Nationalversammlung, Weimarer Republik und der Bonner Republik. Die Symbolik ist immer noch identisch. Man gucke sich mal die deutsche Fahne an.


    Die Kritik an der derzeitigen Politik teile ich, aber das hat doch nichts mit dem Wort "Deutschland" an sich zu tun. Ich habe auch bis jetzt noch von niemandem gehört: "Ich bin stolz, Deutscher zu sein."


    Wer die Worte "Deutschland" und "Deutscher" negativ empfindet, sollte sich auch nicht "Bayer" nennen.


    Im übrigen habe ich noch folgendes gefunden: Mainzer Republik
    "Die Mainzer Republik war das erste, auf bürgerlich-demokratischen Grundsätzen beruhende Staatswesen auf heutigem deutschen Boden [1]. Der kurzlebige Freistaat bestand von März bis Juli 1793 unter dem Schutz der französischen Revolutionstruppen auf dem Gebiet des heutigen Rheinhessen und der Pfalz."


    So, und nun bitte zurück zur Regierungsarchitektur, ehe hier wieder ein Strang abgespaltet werden muss.

  • Sowohl die Wahl einer tiefwestlichen Kleinstadt wie Bonn als Hauptstadt als auch die unherrschaftliche, zurückhaltende Architektur haben eine hohe Symbolkraft und materialisieren den Status der BRD nach dem Krieg - nähe zum Westen, von BRD geht keine Bedrohung aus etc. - Behnischs Bundestag gehört ebenfalls in diese Linie.


    Durch die Wiedervereinigung ist konsequenter Weise Berlin wieder Hauptstadt geworden. Die neuen Regierungsbauten sind offen, einladend, aber dieses Mal auch erhabener, repräsentativer und für Medieninszenierung geeignet. Allerdings sind die Regierungsgebäude symbolisch axial quer zu Speers Germania ausgerichtet. Nicht zu vergessen die Berliner Reichstagskuppel: ein besseres Symbol für Demokratie - das Volk schaut den Volksvertretern von oben auf die Finger - gibt es nicht. Eine der Besten Gebäudetransformationen der letzten Zeit.


    Die Regierungsarchitektur visualisiert die Grundstimmung der Nation in Bezug auf Vergangenheit und Zukunft. Es gibt in der Architektur in Deutschland kaum sinnfälligere Gebäude als die Neubauten der Regierung. Man mag das Zeitgeist nennen - es ist aber einfach gute, symbolkräftige, zeitgenössische Architektur.

  • ich denke, dass man nicht allzuviel über eine Volk oder eine Demokratie aus dieser Architektur lesen kann. Die Regierungsarchitektur folgt in erster Linie dem Zeitgeist. Und wird dann künstlich interpretiert nach den Erfordernissen der Politik.


    Schon mal überlgt, wie Berlin aussehen würde, wenn die Wiedervereinigung 1970 oder 1980 stattgefunden hätte?


    zudem sollte man bezüglich Bonn auch daran denken, welche Gebäude eben nicht gebaut wurden: 1956 hatte der Bundestag beschlossen, überhaupt keine Gebäude mehr in Bonn zu errichten. Man hatte Sorge, den provisorischen Charakter der Bundeshauptstadt bereits durch den Bau einfachster Verwaltungsbauten in Frage zu stellen. Neubauten unterblieben dann in den folgenden Jahren dann vollständig!
    Der Tulpenfeldkomplex http://de.wikipedia.org/wiki/Tulpenfeld musste daher durch privatwirtschaftliche Investoren besorgt werden, um dringend benötigten Büroraum zu schaffen.
    erst in den 80ern ging es dann wieder los mit den Bauten-diesmal bereits etwas repräsentativer. Der Komplex aus Bundeskunsthalle und Kunstmuseum Bonn zeigte dann bereits den großvolumigen Baustiel aus Naturstein und Beton, der im neuen Berlin bestimmend werden sollte.


    http://de.wikipedia.org/wiki/Bundeskunsthalle
    http://de.wikipedia.org/wiki/Kunstmuseum_Bonn#Architektur


    insbesondere das Kunstmuseum Bonn halte ich für einen der besten Nachkriegsbauten in Deutschland und sicherlich der beste in Bonn, noch vor dem Plenarsaal.
    interessante Architekturfotographie hier: http://www.flickr.com/search/?…q=kunstmuseum+bonn&m=text


    wäre Bonn die Hauptstadt geblieben, könnte man darrüber spekulieren, ob sich dieser Trend fortgesetzt hätte und Bonn an einigen Eckne jetzt aussähe wie Berlin..

  • ich denke, dass man nicht allzuviel über eine Volk oder eine Demokratie aus dieser Architektur lesen kann. Die Regierungsarchitektur folgt in erster Linie dem Zeitgeist. Und wird dann künstlich interpretiert nach den Erfordernissen der Politik.


    Politik und Architektur gehen doch Hand in Hand - das gewollt provisorische Bonns gehört da natürlich auch dazu. Das sind alles bewußte Entscheidungen.
    Ich könnte noch weiter ausführen, eigentlich gehört auch das Ost-West-Berliner Architektur-Ping-Pong nach dem Krieg dazu, hochinteressant.


    Ebenso interessant sind hierzu auch die Architekturwettbewerbe "Reichstag" und "Kanzleramt", die Statements der Architekten, und die Begründungen der Jury. Aber wer sich damit nicht beschäftigt, kanns offensichtlich auch nicht lesen, macht a nix.

  • bayer spricht ja so, als hätte er alles miterlebt und wüsste genau, wovon er redet, bei zeiten der (westdeutschen) BRD und der wiedervereinigten BRD möchte ich ihm das auch nicht abstreiten, nur was die NS zeiten und davor angeht bin ich leicht überrascht. mit mindestens 70 jahren noch so aktiv im internet zu sein, da kenn ich wenige. auch bin ich verwundert über sein exaktes wissen, wie sich die "Leute" aus den neuen bundesländern über das geschehen nach 1990 in "klageliedern" äußern. da musst du in einer anderen bundesrepublik leben als ich. auch sonst komm ich mit deinen aussagen auf keinen grünen zweig. wie meine vorredner schon gut erklärten habn viele alte bauten gute als auch schelchte zeiten gesehen, für die sie nichts können. und wenn du ein grundauf pessimistischer mensch bist, der lieber dinge mit dem schlechten verbinbet, ohne das es dafür gründe gibt, dann hoff ich, dass du in deinen restlichen lebenstagen (mit 70 jahren sinds nicht mehr soviele) etwas mehr spass habn wirst als bisher.


    zur architektur. ich kenn leider den vorwendezustand berlins nicht, dennoch muss ich sagen, dass die neubauten in meinen augen als gelungen zu betrachten sind, auch wenn eine bessere materialwahl beim bundeskanzleramt von vorteil gewesen wäre (der beton sieht an manchen stellen schon leicht schäbig aus (moos? keine ahnung). ansonsten kann ich dem nichts negatives abgewinnen. und das der reichtstag eine nachnutzung gefunden hat ist ebenfalls zu begrüßen, auch wenn bayer ihn nach sozialistischem vorbild gerne abgerissen hätte (weg mit der geschichte, her mit neuem). und das die bevölkerung jetzt die von ihnen gewählten volksvertretern bei der arbeit zuschauen kann ist in meinen augen nichts schlimmes.


    wieso durfte eg die leichtathletik wm im olympiastadion stattfinden? anscheinend hat die welt inklusive unserer europäischen nachbarn weniger probleme mit dem "heutigen" deutschland, seiner bevölkerung und seiner geschichte als "wir" (dh bayer und die anderen hier lebenden bürger) selbst. da sollte man vielleicht auch drüber nachdenken. böse böse sportorganisatoren!! das möcht ich nicht nochmal sehen. ach und die flughäfen /felder von denen deutsche bomber starteten möcht ich auch umgehend geschlossen sehen. hopp hopp. und die bahnhöfe auf denen züge in die kzs abfuhren. (ok, wird geschmacklos, tut mir leid) ist nur als denkanstoß gedacht, dass doch mehr aus der NS-zeit uns umgibt, als wir bewusst warnehmen.