Alexanderplatz - Abkehr vom Kollhoff-Plan?

  • @ Sachsonia


    Dito. Nur weil etwas möglichst abgespacet aussieht und aus einem untergegangenen System stammt, muß es nicht erhalten werden. Ich finde die Argumente der DDR-Alex-Verteidiger reichlich bemüht.


    Es besteht gewiß ein Bedürfnis, dieses Areal nicht möglichst schnell und fundamental komplett anders zu gestalten. Das ist aber überall so und hat nichts mit dem DDR-Charakter zu tun.


    Der gesunde Menschenverstand und Common Sense werden sich durchsetzen. Kurz: Die Berliner DNA.


    Hat hier eigentlich schon mal jemand darüber nachgedacht, warum die Entscheidung für einen Erhalt der klassizistischen Stalinbauten so viel einfacher ist und eine breite Zustimmung findet? Sie sind eben auch ästhetisch gelungen und nicht nur reine DDR-Relikte.

  • Persönlich finde ich die Karl-Marx-Allee vom Potenzial her schon repräsentativ.


    Wenn die, der ein oder andere Lückenfüller hochwertig ersetzt werden würde, die elementaten Bestandbauten entsprechend aufgefrischt würden und insbesondere die Aussenanlagen mal verschönert würden, vielleicht mit Blumen und Bäumen.


    Wenn dann noch der Gehweg teilweise erneuert und die Beleuchtung hier und da optimiert würde, könnte sich die Gegend schon vorzeigen.


    Dies ist bloss meine bescheidene Meinung, habe mich eh schon länger gefragt, weshalb man diese Ecke so vor sich hingammeln lässt.

  • ers drängt sich auch der Vergleich mit Germania auf, wie es Speer und Hitler ersonnen hatten. Letztlich ist das nichts anderes. Und schon aus diesem, politischen Grund würde ich den Denkmalstatus dafür ungern haben wollen.


    Na dann Nothor...
    17. Juni/Ost-West-Achse zurückbauen, Flughafen Tempelhof abreißen, Luftfahrtministerium abreißen, Reichsbank abreißen, Fehrbelliner Platz abreißen, Olympiastadion (ist eh zu groß für Hertha) abreißen...
    Wenn schon politische Bereinigung dann aber konsequent...
    Und gibt es da nicht in Nürnberg auch so ein ziemlich großes und zugiges Gelände, was aus politischen Gründen unter Denkmalschutz steht?

    Einmal editiert, zuletzt von Urbanist ()

  • Natürlich liegt der sozialistischen Städtebauplanung eine gewisse morbide Ästhetik zu Grunde. Aber die Leute haben mit den Füßen abgestimmt bzw. lehnen diese Art des Städtebaus konsequent, inzwischen seit Jahrzehnten, ab - übrigens auch in Westdeutschland, wo gerade im Nordwesten nach dem Krieg ja ähnlich radikale Wiederaufbaukonzepte umgesetzt wurden. Wenn man die Leute fragt ob ihnen Heidelberg (historisierender Wiederaufbau) oder Ludwigshafen (konsequent nach "modernem" Städtebau umgestaltet und wiederaufgebaut) besser gefällt... ich glaube auch die Foristen, die "intellektuell" der Moderne zugeneigt sind würden spontan Heidelberg nennen und dorthin, nicht nach Ludwigshafen, eine Städtereise buchen. Manchmal lassen sich solche Diskussionen eben mit dem Bauchgefühl entscheiden. Wenn es um Ästhetik und "Wohlfühlen" geht, das ist ja letztlich der Dreh- und Angelpunkt von Städtebau, dann ist das auch legitim und kein Zeichen von Unreflektiertheit o.ä.

  • Ich würde nicht so weit gehen, das gesamte Vermächtnis der DDR aus rein politischen Gründen abreißen zu wollen (glaube aber nicht, dass Nothor das so meinte). Aber wenn ein Gebäude oder Ensemble Bestandschutz erhalten soll, dann sollten auch entsprechende architektonische und städtebauliche Qualitäten damit verbunden sein. Bei der Frankfurter Allee auf der einen und z.B. dem Olympiastadion oder dem Flughafen Tempelhof auf der anderen Seite sehe ich diese (trotz der auch dort monumentalen Dimensionen) ehrlich gesagt eher als beim kompletten Alexanderplatz. Wobei mir bestimmte Elemente am und um den Alex wie die Kongresshalle, die Weltzeituhr, natürlich der Fernsehturm und auch einige der Hochhäuser wirklich gelungen und auch ziemlich einzigartig vorkommen.


    Aber wer legt so etwas eigentlich fest und wo zieht man nach welchen Kriterien die Grenze zwischen erhaltenswert und abrisswürdig? Woran wird zudem entschieden ob eher einzelne Elemente (beim Alex wie gesagt meine Präferenz) oder gleich ein weiträumiges Ensemble unter permanenten Schutz stellt (beim Alex mE fatal)?


    Ansonsten finde ich eigentlich schon, dass der Kollhoff-Plan relativ behutsam mit den mE vorhandenen Qualitäten des DDR-Erbes umgeht und zugleich einige städtebauliche und auch architektonische Missgriffe zu korrigieren weiß. Jedenfalls finde ich etwa die Proportionen zwischen Fernsehturm und den angedachten 150m-Türmen stimmiger als einen weiteren riesigen Hochhausturm auf der einen oder maximal 100m hohen Gebäuden auf der anderen Seite. Natürlich bestand der Plan schon sehr lange, ohne dass der Markt die Realisierung hergab. Irgendwie trotzdem sehr schade und geradezu paradox und ironisch, wenn man ausgerechnet jetzt wo mutmaßlich bald der erste Turm in den Himmel wachsen wird und eine gewisse Dynamik hätte starten können womöglich eine 180°-Wende durchgepeitscht wird. Natürlich hatten Befürworter des Status Quo aber auch vorher gar keinen konkreten Anlass im Kampf für den Erhalt aktiv zu werden...

  • Behutsam ist gelinde gesagt untertrieben, dafür wie sehr sich seit 1990 die Kräne in Berlin gedreht haben ist im Zentrum des Ostteils vergleichsweise sehr wenig gemacht worden. Ganz so, wie es eben Manier in einer demokratischen Bürgergesellschaft ist (schon aus banalen Gründen wie zersplitterten Privateigentumsverhältnissen), wurde eben keine politisch motivierte Umplanung nach der Wende angestrebt sondern auch 23 Jahre nach dem Ende der DDR ist im Ostteil, besonders rund um den Alex, ganz besonders viel davon nach wie vor zu sehen - was schon, DDR Mauerfall etc. hin oder her, in einer Stadt von der "Kragenweite" Berlins an sich ziemlich außergewöhnlich ist. Berlin hat ja das Schicksal immer zu werden, nie zu sein. Und im langen historischen Abriß, wenn man mal nicht unsere persönlichen Lebenserinnerungen zum alleinigen Maßstab nimmt, kann man da rund um den Alex fast schon von Stagnation sprechen. Das städtebauliche Konzept mag teilweise bei näherem Hinschauen "ausfranzen" aber in der Gänze ist immer noch die Monumentalplanung des typischen sozialistischen Einheitsstils, egal ob in Nordkorea, Moskau oder sonstwo, ablesbar. Menschenverkleinernde Maßstäblichkeit vor der man sich ganz klein fühlen soll, riesige Freiflächen die Menschenaufläufe schon im Keim ersticken sollen weil sich alles irgendwie in der Leere "verliert" (und angesichts dieser Flutlichtmasten bekomme ich eher beklemmende Gefühle, Kuck und Horch wollte gute Sicht behalten, darum gings doch im Kern..). Wenn man es zeitgeschichtlich betrachtet ist es also umso verwunderlicher, für mich persönlich wie gesagt beklemmend, wie wenig man die sozialistische "Stadtkrone" angetastet hat!

  • Gesundheitsministerium weg, Cubix, Alexa, Kaufhof, Saturn, Alea.


    Es passiert schon einiges, und nach meinem Empfinden auch im richtigen Tempo. So daß wenig Entfremdung entsteht und man sich gewöhnen kann.


    Bei einer Zeitreise würde man sich vermutlich wundern, wie anders der Alex früher war. Vielleicht entsteht bei dir gerade wegen des angenehmen Tempos der Eindruck der Stagnation.


    Ein Hochhaus wäre aber in der Tat wünschenswert gewesen in der Zeit.

  • Die Liste ließe sich noch weiter führen. Das Problem ist wohl eher, dass das was bisher gebaut bzw. umgestaltet wurde ästhetisch doch recht streitbar ist.
    Der große Wurf ist am Alex bisher ausgeblieben und die laufenden Projekte reihen sich da nahtlos ein. Es ist zu hoffen, dass aus dem Wettbewerb für das Hines-Hochhaus ein möglichst ansprechender Entwurf als Sieger hervorgeht.


    Hier noch ein Artikel aus dem Tagesspiegel mit Plädoyer für den Erhalt einiger Bestandsbauten. Tenor: die Gebäude sind geschichtsträchtig und voll funktions- bzw. renovierungsfähig. Sie wurden mit Steuergeld finanziert und wären damit ein Vermächtnis derer (Millionen Brüder und Schwestern) die dieses Steuergeld aufgebracht hätten.


  • Hier noch ein Artikel aus dem Tagesspiegel mit Plädoyer für den Erhalt einiger Bestandsbauten.


    Ein wesentliches Argument in diesem Kommentar ist aber auch die offenkundige Planlosigkeit, mit der in den letzten 2 Jahrzehnten Städtebau betrieben wurde. Es ist leider zu befürchten, dass ein Totalabriss nur eine weitere Brachfläche im Berliner Stadtzentrum produziert, ganz so wie bereits entlang der Grunerstraße geschehen und alsbald auch in der Breiten Straße zu bewundern. Abriss nur um potenziellen Investoren ein Grundstück als Spekulationsgut zu überlassen - das hat mit verantwortungsvoller Stadtplanung nichts zu tun.

  • Auch die Berliner Zeitung vom 17.8. widmet sich dem Denkmalschutz für den Alexanderplatz. Der Artikel setzt sich vor allem mit der Position auseinander, dass die Denkmalpflege vor allem schöne Gebäude schützen sollte. Er weist dagegen darauf hin, dass sich die Vorstellungen von Schönheit inmmer wieder verändert hätten. Um 1950 hätte man noch Prämien für Hausbesitzer gezahlt, die die als hässlich empfundenen Stuckfassaden abgeschlagen hätten, später dagegen wären die Stuckfassaden als schön empfunden worden. Angesichts dieser Relativität von Schönheit wäre sie keine brauchbare Basis für denkmalpflegerische Entscheidungen.


    Aufgabe der Denkmalpflege wäre es vielmehr, wichtige bauliche Zeugnisse einer abgeschlossenen Epoche zu bewahren, damit die Ideen dieser Zeit nachvollzogen werden können. Dies gelte sowohl für die Ensembles aus der DDR-Zeit als auch für Zeugnisse des alten Westberlin.


    Weiterhin setzt sich der Artikel kritisch mit Versuchen der Politik auseinander, in denkmalpflegerische Entscheidungsprozesse einzugreifen. So wäre ein Denkmalschutz für das denkmalwerte ICC aus politischen Gründen verhindert worden.


    http://www.berliner-zeitung.de…lt,10809148,24031854.html


    Ich finde, dass dieser Artikel einen konstruktiven Didskussionsbeitrag liefert, vor allem weil er die leidige Ost-West-Konfrontation und die Kalte-Kriegs-Logik, wie sie im Artikel von Peter von Becker nochmal voll beschworen wird, hinter sich lässt und sich um eine differenzierte Bewertung des baulichen Erbes im ehemaligen Ost- wie Westberlin bemüht.

  • Ich glaube eher dass Stuck nicht als hässlich empfunden wurde (von der Mehrzahl der Menschen), sondern als hässlich definiert wurde ("moderne" Architekten- und Entscheiderschaft). Abgesehen davon ist es richtig, dass Schönheit trotzdem subjektiv ist und keine Basis für Denkmalschutz sein sollte.

  • Um 1950 hätte man noch Prämien für Hausbesitzer gezahlt, die die als hässlich empfundenen Stuckfassaden abgeschlagen hätten, später dagegen wären die Stuckfassaden als schön empfunden worden. Angesichts dieser Relativität von Schönheit wäre sie keine brauchbare Basis für denkmalpflegerische Entscheidungen.


    Das sind Alibi-Argumente. Die 50er und 60er waren eine kurze und auch zum Teil verständliche Phase des modernen Rauschs. Wir leben nun in einer völlig technisierten Welt. Das war damals noch etwas Neues. Die Stuckfassaden wurden ja auch früher schön gefunden, sonst wären sie nicht gebaut worden.


    Niemand wird je die Bauten am Alex schön finden. Höchstens eben identitätsstiftend wie das Haus des Lehrers. Schönheit ist also keineswegs etwas Relatives, aber die Bauten am Alex sind noch nicht einmal im modernistischen Sinne schön. Ich habe schon das Beispiel der Stalinbauten genannt. Wer sich das vor Augen führt, der weiß, daß eben doch letztlich die Schönheit entscheidet bzw. ein wichtiger Faktor ist.


    Ein Bezug auf eine politische Epoche ist zu wenig, zumindest, wenn es sich um eine moderne Epoche handelt. Da wurde eben viel Schrott gebaut. Man sollte den gravierenden Unterschied zwischen moderner und vormoderner Architektur anerkennen und nicht relativistisch vernebeln.


    Schöne Architektur spricht mich unmittelbar emotional an, was auch körperlich fühlbar ist. Das passiert bei mir am DDR-Alex nicht, nur das Haus des Lehrers ist ein gewisses Symbol für die Wende und friedliche Revolution.

  • Einerseits gebe ich dem Artikel darin recht, dass es sich beim Denkmalschutz nicht zu um rein politische Erwägungen und auch nicht alleine um "Schönheit" drehen sollte. Auf der anderen Seite ist für mich auch das Kriterium der Bedeutsamkeit bzw. wie repräsentativ etwas ist schwer fassbar. Vieles war schließlich irgendwo bedeutsam oder repräsentativ für seine Zeit. Wenn man aber wie jetzt beim Alex gefordert alles großflächig konservieren wollte, würde das mE groteske Züge annehmen. Zudem: Noch ist offenbar alles in einem Zustand, dass man es relativ einfach für weitere Jahrzehnte erhalten könnte - aber auch das wird nicht immer so sein. Die meisten Gebäude sind nun mal als Funktionsbauten und nicht für die Ewigkeit errichtet worden. Wenn dann sollte man mE ein Expertengremium einberufen das einzelne in irgendeiner Weise herausragende Gebäude oder auch Blocks/ Straßenzüge (ob es jetzt zugleich auch die "schönsten" sind oder auch nicht) auswählt. Aber dass es auch dann nicht rein objektiv und unpolitisch zugehen würde, wäre mE trotzdem klar - aber zumindest müsste man es dann von Fall zu Fall begründen.


    Beim Abschlagen von Stuck habe ich übrigens immer gedacht, es habe sich gerade da primär um eine bewusste Abrechnung mit einer vermeintlich oder tatsächlich überkommenen Epoche gehandelt und nicht um das ästhetische Empfinden (wobei mir persönlich auch nicht alle Bauten mit Stuck in gleichem Maße zusagen). Aber natürlich besteht die gleiche Gefahr für alte DDR-Bauten.

  • Eigentlich ist es doch ein völliger Widerspruch Bauten der Moderne unter Denkmalschutz stellen zu wollen. Es gehört nun mal zu den wesentlichen Eigenschaften dieser Architektur den Baukörper weitestgehend auf die Funktionalität zu reduzieren und ihm jeglichen ideellen Wert abzusprechen. Ist die ursprüngliche Funktion nicht mehr gegeben, wird auch der Bau überflüssig bzw. ersetzbar. Der ständige Abriss und Neubau ist also systemimmanent und wird auch weltweit in unzähligen Retortenstädten so praktiziert.

  • Ich denke die Bauten am Alexanderplatz erfüllen alle Kriterien um denkmalwürdig zu sein. Sie sind im doppelten Sinn Zeugnis einer abgeschlossenen Epoche (fordistische Nachkriegsmoderne im allgemeinen und Hauptstadt der DDR im speziellen), und sie sind als das stadtbildprägende Forum der sozialistischen Gesellschaft herausragend und eben nicht als austauschbare Wegwerfarchitektur konzipiert gewesen.
    Das und nichts anderes sind die für den Denkmalschutz relevanten Kriterien, und daran ändert sich auch nichts wenn manche Foristen ihre subjektive Abneigung gegen die Moderne im allgemeinen und die Hinterlassenschaften der DDR im speziellen noch so oft kundtun.

  • ^ Wenn etwas an die DDR erinnern soll, dann die prachtvolle Karl-Marx-Allee mit Bauten der frühen Nachkriegszeit, die so keine Pendants im Westen haben - und leider bröckeln. Die Plattenbauten wurden - soweit ich mich erinnere - den westdeutschen Plattenbauten nachempfunden und sind reichlich vorhanden. Insbesondere am Alexanderplatz kann ich keine herausragende Exemplare dieser Gattung erkennen - den Denkmalschutz verdient dort von den Nachkriegsbauten mE nur der Fernsehturm.

  • Wer die städtebauliche Entwicklung der Hauptstadt der DDR nachvollziehen will, kann sich eben nicht nur auf KMA 1. Abschnitt beschränken (auch wenn manche hier das wegen ihrer Vorliebe für Neoklassizismus gerne so praktizieren würden), sondern muß auch den 2. Abschnitt der KMA (mit dem nach dem Nationalen Traditionssonderweg wieder Anschluß an die internationale Entwicklung der Moderne gewonnen wurde) und als Schluß- und Höhepunkt dieser Entwicklung den Alexanderplatz mit Fernsehturm, Freiraum und den (abgerissenen) Palast der Republik sehen;
    Denkmalpflege hat nichts mit nach subjektiven Vorlieben ausgerichteter Rosinenpickerei zu tun.
    Bauten wie das Haus des Lehrers mit Kongreßhalle (ist schon unter Denkmalschutz) oder das Haus des Reisens sind sehr wohl gestalterisch eigenständige und herausragende Bauten, die nicht nur Kopien westlicher Vorbilder waren.
    Nach westlichen Vorbildern ausgerichtet war das ab 1971 praktizierte Massenwohnungsbauprogramm zur Lösung der Wohnungsfrage, nämlich konkret am schwedischen "miljonprogramm" der 60er Jahre, mit dem in Schweden wie der Name schon vermuten läßt eine Million Sozialwohnungen errichtet wurden und welches zum Vorbild für das DDR-Wohungsbauprogramm wurde.

  • Urbanist: Was wäre denn die Alternative zu "Rosinenpickerei"? Soll Denkmalschutz denn nicht gerade einiges Herausragendes einer Epoche bewahren (es wird ja sicher auch Gründe dafür geben, dass zunächst Gebäude wie das Haus des Lehrers und die Kongresshalle den Status erhalten haben)? Und subjektiv sind die Kriterien doch immer irgendwo. So ähnlich wie Du für das angesprochene riesige Areal argumentierst, könnte man es für ziemlich viele in der Stadt machen (die Berliner Zeitung sprach sich ja schon für ähnliche übergreifende Überlegungen bezüglich der westlichen Nachkriegsmoderne aus und es gab auch schon mal einen Antrag für das "doppelte Berlin" also alle durch die besondere Situation der Teilung bedingten Redundanzen in der Stadt). Aber dann hätten wir bald einen gewaltigen Rückstau an Sanierungen der mE in keinem Verhältnis mehr zu dem gesellschaftlichen Nutzen von Denkmalpflege und der Notwendigkeit von Entwicklungs- und Erneuerungsprozessen steht. Wo ist sonst künftig das Experimentierfeld für weitere moderne Architektur? Bei der Kunst und Kulturgütern allgemein streitet man sich natürlich auch immer über die Bewertung bzw. Wertgebung, aber ich muss z.B. eine teure Kunstinstallation aus Abfällen (oder meinetwegen ein teures Gemälde) ja nicht kaufen wenn ich es anders sehe. Der Denkmalschutz hingegen ist durchaus ein gewisser kollektiver Luxus, der sich daher mE auch rechtfertigen muss und da wird es zwangsläufig auch immer etwas subjektiv. In meinen Augen muss so etwas kontrovers diskutiert und ausgehandelt werden. Wenn man das aber gleich für riesige Areale tut, läuft man mE Gefahr die Übersicht zu verlieren und muss dann im schlimmsten Fall sehr lange mit einer Entscheidung leben (und die Folgekosten bezahlen) können.

  • Moderne Zeiten

    Denkmalpflege hat nichts mit nach subjektiven Vorlieben ausgerichteter Rosinenpickerei zu tun.


    Na, dann wissen wir ja jetzt, daß unbedingt auch häßliche Bauten gerettet werden müssen. Die Argumente der Theoretiker-Fraktion basieren allesamt auf abstrakten realitätsfremden Kriterien.


    Ich bin übrigens auch der Ansicht, daß die Plattenbauten der Karl-Marx-Allee eine ganze Weile schützenswert sind. In ein paar Jahrzehnten sind sie aber nichts mehr als Häßlichkeit und Nicht-Stadt, die Entfremdung und Unwirtlichkeit produzieren.


    Es geht hier im übrigen auch nicht um "subjektive" Vorlieben. Wie schon x andere Leute vor mir ausgeführt haben, ist moderne Architektur systemimmanent meist belanglos und trist. Ausnahmen sollen gerne erhalten werden! Ich glaube, notorische Modernisten wollen sich selbst gegenüber einfach partout nicht eingestehen, wie unschön und belanglos der Normalmensch auf der Straße das meiste an moderner Architektur empfindet und wie sein Herz aufgeht, wenn er auf traditionelle Stile trifft.


    Diese Arroganz ist wohl typisch für die Dünkel-Fraktion hier.


    Ich selbst kann im übrigen nachvollziehen, daß man den Alex noch eine Weile so haben möchte. Aber eben nur aus rein pragmatischen und relativen Gründen. Er soll gerne einen langsamen Tod über die Jahrzehnte sterben. Denkmalschutz ist kein Selbstzweck, um möglichst abgespacete und absurde Ensembles zu bewahren.


    Wahrscheinlich liegt es an den Modernisten, daß sie Ästhetik nicht als Bestandteil des Denkmalschutzes begreifen. Und dann war ja auch noch das Ding mit der Moderne und der Vormoderne. Diesen prinzipiellen Unterschied wollen Modernisten wohl auch nicht begreifen.


    Zitat von Urbanist

    Das und nichts anderes sind die für den Denkmalschutz relevanten Kriterien, und daran ändert sich auch nichts wenn manche Foristen ihre subjektive Abneigung gegen die Moderne im allgemeinen und die Hinterlassenschaften der DDR im speziellen noch so oft kundtun.


    Also ich hege keine Abneigung gegen die Moderne. Es gibt durchaus schöne Bauten. Und viel sehr Häßliches. Ich habe auch keine Probleme mit der DDR, nur sind deren Bauten eben häufig recht suboptimal. Leute wie Du sollten es unterlassen, immer wieder auf diese uneriöse, pauschale Weise zu argumentieren. Es reicht jetzt langsam. Du hast offenbar nicht zur Kenntnis genommen, daß die Stalinallee oder der Fernsehturm durchaus goutiert werden (= schlimme, pösartige DDR-Bauten :D).


    Man sollte hier auch nicht so tun, als gäbe es völlig objektive, eherne Maßstäbe des Denkmalschutzes - völlig unabhängig von konkreten Objekten. Das ist auch eine Frage des Diskurses.


    Ich finde es immer wieder lustig, mit Fundamentalmodernisten zu diskutieren. Es ist auch sehr bezeichnend, daß diese Fraktion nicht auf die Argumente eingeht, die eben doch ewige Charakteristika dessen, was als schön empfunden wird, untermauern.


    Ich habe den Eindruck, daß Modernisten sich nicht eingestehen wollen, daß mit dieser Architektur keine Stadt zu machen ist, sondern daß sie lediglich ein schöner Zusatzaspekt ist - und als solcher auch sinnvoll ist.

  • Das sind Alibi-Argumente. Die 50er und 60er waren eine kurze und auch zum Teil verständliche Phase des modernen Rauschs. Wir leben nun in einer völlig technisierten Welt. Das war damals noch etwas Neues. Die Stuckfassaden wurden ja auch früher schön gefunden, sonst wären sie nicht gebaut worden.


    Niemand wird je die Bauten am Alex schön finden. Höchstens eben identitätsstiftend wie das Haus des Lehrers. Schönheit ist also keineswegs etwas Relatives, aber die Bauten am Alex sind noch nicht einmal im modernistischen Sinne schön. Ich habe schon das Beispiel der Stalinbauten genannt. Wer sich das vor Augen führt, der weiß, daß eben doch letztlich die Schönheit entscheidet bzw. ein wichtiger Faktor ist.


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    Entstuckungen fanden selbstverständlich auch schon in den 20er Jahren statt. Insofern trifft ihre Interpretation nicht zwingend zu. Und bitte sprechen Sie doch nicht für alle. Ich persönlich finde das HDL, die Kongresshalle, das HDR schön. Und mit mir sicherlich einige mehr.