Nbger Zentrum: Reko des PELLERHAUS vorgeschlagen

  • @ Mattes: Was meinst du mit 'gelungener Sanierung'? Die Nachkriegsfassade ist ja noch im Originalzustand und gar nicht mal baufällig, es ist eher das Innere, was zu sanieren wäre. Die bestehende Fassade lässt sich nicht weiter "optimieren".Wie das Pellerhaus innen aussieht ist für die stadträumliche Wirkung auf den Egidienplatz egal. Das betrifft leider auch den rekonstruierten Hof.


    @ Pumpernickel: Sehe ich auch so, wobei hinsichtlich des Egidienplatzes die Pellerhausfassade nur ein Baustein ist. Schlimm ist auch, dass der Platz aussieht wie ein Gebrauchwagenhandel und dass keine echten Publikumsmagneten gibt. St. Egidien ist keine Leitkirche der Altstadt und das derzeitige Pellerhaus ein trauriges Fragment. So kann sich der Platz natürlich nicht entwickeln.


    Aber wenn man sich heute Fotos des Lorenzer Platzes oder Hauptmarktes aus den 1970'ern ansieht und das mit heute vergleicht, lässt einen das hoffen. Denn der Egienplatz sieht heute immernoch so aus, eine komplette städtebauliche Fehlnutzung ist dort festzustellen. Leider betrifft das viele Plätze in Nürnberg, die nur als Autoparkplatz genutzt werden.

  • Deswegen kann ich die Rekoskepsis nicht nachvollziehen. Schon mit der Reko einzelner Fassaden und der Aufwertung solcher Plätze (Autos verbannen, hochwertige Neupflasterung, ein Brünnchen, Sitzbänke,...) könnte man Lebensqualität und Stadtbild entscheidend verbessern.


    Es scheint in Nürnberg aber eine geradezu eingefleischte Rekoskepsis zu geben, so ist mir im Gedächtnis geblieben, dass Herr Söder Nürnberg anbot eine kunsthistorisch bedeutende Ausmalung des Rathaussaals von Albrecht Dürer auf Staatskosten zu rekonstruieren (hier ein Foto des Saals vor der Zerstörung), das wurde dann aber mit Verweis auf das leere Rekogegner-Pseudoargument "Disneyland" abgelehnt. So als hätte der Künstler damals sein eigenes Blut als Malfarbe benutzt und so als läge die Orignalität einer Wandmalerei nicht an verwendeten Farbpigmenten, Maltechnik und dem Ort, sondern am Zeitpunkt, an dem diese Farbe dort aufgetragen wurde, innerhalb unserer kosmisch vollkommen irrelevanten und rein menschlichen Vorstellung von "Zeitrechnung".


    Also gibt es dieses Meisterwerk nach wie vor nur auf alten Aufnahmen schlechter Auflösung in 2D zu sehen und nicht mehr in Natura. Könnte man den Dürer fragen glaube ich nicht, dass das in seinem Sinne ist. Aber darum geht es ja gar nicht bei fundamentaler Rekogegnerschaft, die zumeist ein Überlegenheitsgefühl bis hin zur Hybris der Gegenwart ist. "Wir können das heute alles besser, wir brauchen diese alten Zöpfe nicht", höchstens zähneknirschend wird Konservierung des Zerfalls von Werken aus früheren Zeiten geduldet, aber nur in Form von "Relikten", weswegen auch der Zerfall ("Zeitschichten") erhalten und bewahrt werden muss und keinesfalls darf man dementsprechend das Originalwerk, wie es sich ein Künstler oder Architektur einmal ausdachte, durch Rekonstruktion wieder so sichtbar machen, wie der Künstler oder Architekt einmal wollte, dass man sein Werk sieht.


    Denkt man diese Mentalität nur lange genug konsequent fort, dann ist von unseren Vorfahren irgendwann nichts mehr außer Staub erhalten. Und so ist es ja jetzt schon fast in Nürnberg, eine Stadt mit so großer Geschichte, die aber weniger historisch in ihrem realen Antlitz ist als Städte der US Ostküste wie zB Boston, die sehr jung sind. Das ist dann das Endresultat, das Vergessen der Geschichte jenseits der beflißenen Zirkel von Kunsthistorikern, die vielleicht auch deswegen so gegen "Disneyland" wettern, weil sie sich die Exklusivität ihres Wissens sichern möchten? In jedem Falle ist zu hoffen, dass mit dem Ende der beruflichen Laufbahn der 68er Generation der Architekten, Planer und Kunsthistoriker wieder eine etwas pragmatischere Einstellung zu diesem Thema Verbreitung findet. Dieses Haus ist dazu wohl noch ein paar Jahre zu früh dran, noch lassen sich die zwar ergrauten aber immer noch sehr selbstbewussten "Modernisten" die Deutungshoheit über die Ästhetik unserer Zeit nicht aus den Händen nehmen, auch wenn es längst das ästhetische Empfinden alter Männer geworden ist.

  • War vor zwei Tagen das erste mal am Egidienplatz und muss auch sagen, der Platz wirkt wirklich tot. Lohnt dann der sicherlich teure Aufbau der Fassade des Pellerhauses? Aber, ich glaube schon. Es ist ein herausragendes Zeugnis des Renaissance-Stiles, hervorragend ist diesér Stil an der Fassade und im Innenhof zum Ausdruck gebracht worden. Das Haus war nicht vollständig zerstört, der Innenhof wird wieder aufgebaut, die Fassade müßte jetzt renoviert werden, also muss Geld in die Hand genommen werden. Was liegt näher, als jetzt den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen. Wenn die CSU argumentiert, auch Krieg und Zerstörung sind Teil unserer Geschichte, so möchte ich nur einschränkend sagen: Der Aufbau einer Stadt und eine Zerstörung sind nicht auf eine Stufe zu setzen. Der Aufbau als etwas Produktives hat einen viel höheren Stellenwert und besitzt als bewahrende zeitgeschichtliche Maßnahme mit allen architektonischen Ausdrucksformen eine höhere Bedeutung als etwas, was im Zweifelsfall nach jeglicher Zerstörung bewahrt werden muss. Wie aber dann mit den Folgen des Krieges umgehen? Auch bewahrend, das heißt, was wieder hérgestellt werden kann und sinnvoll verwendet werden kann, sollte auch wieder hergestellt werden. Neu bauen da, wo solche Bauten sinnvoll architektonisch eingefügt werden können.
    Was heißt das für das Pellerhaus? Die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes kann die Initialzündung sein für die komplette Umgestaltung dieses lieblosen nichtssagenden Platzes, und das ist es wert.

  • Die heutige Zeit lässt Rekonstruktionen zu, und diese neue Art des Denkens sollte bei der Nürnberger Stadtreparatur intensiv genutzt werden.
    Der Nachkriegsbau des Pellerhauses war unter Berücksichtigung der Zeit seiner Entstehung keine absolute ästhetische Katastrophe. Jedoch ist seine Zeit vorbei, und seine Funktion des Lückenfüllers ist erfüllt. Da moderne Interpretationen dem Egidienplatz eher schaden als nützen können, ist die Rekonstruktion der Nordzeile mit Pellerhaus und seinen Flanken die einzige Möglichkeit dem Egididienplatz die Würde zurückzugeben, die er verdient.

  • Die Aussagen des stellv. Leiters des Denkmalpflegeamtes sind erschreckend, gar inkompetent, dogmatisch und beleidigend. Wenn solche "Fachleute" sich gegen die Rekonstruktion aussprechen, sollte man sich davon nicht beeindrucken lassen. Allein die Behauptung, das Pellerhaus sei um 1600 bereits "altmodisch" gewesen, zeugt entweder von Unkenntnis oder überheblicher Arroganz. Zu jener Zeit entstanden einige der bedeutendsten Renaissancebauwerke Deutschlands. Wenn überhaupt, dann steckte der Barock im Reich damals noch in den kleinstmöglichen Kinderschuhen und blieb bis nach Ende des 30jährigen Krieges weitgehend bedeutungslos. Selbst Schloss Friedenstein in Gotha, oft als Aufbruch in den Barock beschrieben, ist in weiten Teilen noch eine Renaissanceanlage.


    Wenn ich außerdem noch lese, dass der Mann einst selbst noch unter Mayer Architektur studiert hat, dann erübrigt sich jedes Grübeln.

  • Ich finde die Äußerungen auch absolut unpassend und sachfremd. Es hat nichts mit dem "Zurückdrehen eines Rades" zu tun, noch mit einer "heilen Welt", wenn man Gebäude rekonstruieren möchte. Das sind höchstens Projektionen persönlicher Ressentiments gegenüber Rekonstruktionen auf diese Rekonstruktionen. Denn es gibt natürlich schon ein gewisses Milieu, das insgesamt gerne das Rad der Zeit zurückdrehen möchte und früher alles besser fand, das ist aber unter Architekturinteressierten genauso in der winzigen Minderheit, wie in jedem anderen Lebensbereich auch. Man sollte diese Leute nicht zusätzlich mit Aufmerksamkeit adeln, indem man deren Weltbild zum Diskussionsgegenstand von Reko-Debatten macht. Das absolute Gros der Menschen hat einfach Gefallen an hübschen Gebäuden und das aus möglichst vielen verschiedenen Epochen, anstatt nur (und darum geht es, das "nur"!) funktionale Bauten der Nachkriegsära unsere doch soviel älteren Städte prägen zu lassen. Die Mischung fehlt einfach und zumindest die Idee der Rekonstruktion sog. "Leitbauten" kann wieder Vielfalt aus diversen Epochen in die Stadtbilder bringen. Einfach, weil es gefällt und interessanter ist. Ohne kulturelle Restaurationsfantasien. Das ein für allemal anzuerkennen wäre wirklich wohltuend.


    Paradox wird der Standpunkt dadurch, wie zuerst der Ursprungsbau in den höchsten Tönen gelobt wird - und dabei auch so einiges an Nostalgie vergoßen wird, siehe die These Architekten bauten heute gar nicht mehr so "durchgeplant". Da möchte man den Herren schon fragen "ja was hälst Sie denn dann eigentlich davon ab die Reko zu unterstützen?".


    Man muss die Deutschen vor sich selbst schützen und sie am besten gar nicht nach ihrer Meinung zu Rekos fragen, sondern einfach machen und hinterher sind doch alle ganz begeistert und nach 10 Jahren will sich keiner mehr vorstellen, dass es jemals anders war oder diese Reko in Zweifel stand. So läuft es immer, immer, immer und immer wieder. Und trotzdem muss man alles immer wieder von vorne neu durchkauen. :nono:


    Und dann hast du hier ein Gebäude, das in der Substanz sogar noch großteils original vorhanden ist und man muss lediglich die ahistorische Überformung entfernen (und ne, sorry, die ist häßlich und sonst nix, die kann man sich nicht "schönreden"). Und trotzdem trifft das auf solche Widerstände. Man fasst es nicht. Armes Nürnberg!

  • Die Liebeserklärung vom leitenden Denkmalpfleger Nikolaus Bencker gilt dem Mayer-Bau, nicht dem alten Pellerhaus. Sein Vize Vollmar bedauert ja sogar den Wiederaufbau des Hofes, wofür kein bisschen heilige Nachkriegsmoderne weichen musste. Hier hat es Nürnberg offenbar leider wirklich mit einer unheiligen Phalanx aus leidenschaftlichen Liebhabern von Nachkriegsgebäuden und gleichzeitig verbohrten Gegnern jedweder Rekonstruktion im Denkmalschutzamt zu tun. Das ist überaus bedauerlich, denn gerade Nürnberg mit seinem so einprägsamen Stadtbild hätte einen engagierten und weniger an der Moderne und ihren Dogmatismen festklebenden Denkmalschutz wirklich nötig.

  • Es gab ja durchaus einiges an gelungener Nachkriegsarchitektur, aber gerade Nürnberg sticht da auch einfach nicht hervor, diese Nachkriegsfassade schon zweimal nicht. Wenn man jenseits der paar verbliebenen Altstadtgässchen in Nürnberg unterwegs ist könnte das genauso gut Dortmund sein... da war die Nachkriegsmoderne in anderen Städten Bayerns wesentlich sehenswerter. Dafür gehörte das Vorkriegs-Nürnberg zu den architektonischen Perlen Europas. Was liegt also näher als - natürlich - die Nachkriegsmoderne unter Denkmalschutz zu stellen und Rekonstruktionen abzulehnen...?!


    Und danke für die Korrektur. Das macht aus der von mir als paradox mißverstandenen Aussage nochmal was ganz anderes. Damit outten sich die Denkmalschützer Nürnbergs quasi als Nostalgiker bzgl. der Nachkriegsmoderne (siehe die Schwärmerei, so durchgeplant bauten Architekten doch heute gar nicht mehr, man kann sich die Emphase und Begeisterung in der Aussage lebhaft vorstellen). Und lehnen gleichzeitig die, so ist ja deren Sicht, reine Nostalgie der Reko-Befürworter ab. Die Nachkriegsmoderne ist ebenso ein lediglich historischer Baustil, wie der des originalen Pellerhauses. Ich denke, das hat den Herren Denkmalpflegern bisher noch niemand so richtig vor Augen geführt. Alles wird irgendwann "historisch".


    Eine inzwischen 60 Jahre alte Fassade kann schlicht nicht mehr für sich in Anspruch nehmen, "innovativer" zu sein, als die Originalfassade. Und was die politische Verquickung mit "Das Rad der Zeit zurückdrehen wollen" und "zur guten alten Zeit zurück wollen" betrifft: wann war denn Deutschland, Westdeutschland zumal, jemals "wohlgesitteter" und "heiler", aus Kleinbürgersicht, als in den Wirtschaftswunderjahren. Da herrschten noch Vollbeschäftigung, der Haushaltsvorstand, Zucht und Ordnung - eine Strenge, die sich auch in der Architektur dieser Zeit widerspiegelt... da liegt mir, als Nachgeborener, für den "Adenauer" genauso graue Geschichte ist, wie "Bismarck", die wesentlich verspieltere Architektur des originalen Pellerhauses näher, diese finde ich Anno 2016 zeitgemäßer, als den westdeutschen Nachkriegsmief, der hier steingeworden ist. Ich wette, auch so hat man es diesen Herren noch nie dargebracht. Wenn diese schon anfangen, die Sachfrage einer Rekonstruktion mit Weltanschauungen und historischen Bewertungen zu verbinden (siehe Artikel oben), dann müssten diese sich auch gefallen lassen, dass man darauf eingeht und damit die Nachkriegsfassade umso unattraktiver erscheint.

  • Die Liebeserklärung vom leitenden Denkmalpfleger Nikolaus Bencker gilt dem Mayer-Bau, nicht dem alten Pellerhaus. Sein Vize Vollmar ....


    Moment!

    • Hr. Bencker ist Leiter der Unteren Denkmalbehörde in der Stadt Nürnberg, und ausgesprochener Fan der 50'er Jahre. Finde ich per sé auch nicht verkehrt, da ist er in Nürnberg genau richtig.


    • Hr. Vollmar ist stellvertretender Leiter des bayerischen Landesamtes für Denkmalschutz, also der übergeordneten staatlichen Verwaltungsbehörde in München. Dort wird bestimmt, was ein Denkmal ist und was nicht und welches Bauwerk Hr. Bencker in Nürnberg Kraft Gesetzes schützen muss.


    Hr. Vollmar ist wie ihr schon erkannt habt die schwache Figur in der Aufstellung der Reko-Gegner. Er verrät, dass ihn persönliche Erfahrungen mit den Architekten des Nachkriegshauses verbinden, was sein flammendes Plädoyer allerdings entkräftet. Stattdessen geht er unqualifiziert in die Offensive und wirft mit platten Unterstellungen um sich, v.a. "das Rad zurückdrehen" oder "ob man nicht doch mit dem Nürnberg zufrieden sein müsste, wie es geworden ist" anstatt mit einer "marktschreierischen Touristenattraktion in Form einer Retrofassade". Damit verkennt er den Denkmalwert der überwiegenden Gebäude der Nürnberger Altstadt. Mauer, Rathaus, Burg, Mauthalle, alles davon war nach dem Krieg, wie man in Nürnberg immer wieder lesen muss, "marode" bzw. sogar schwer oder komplett zerstört. Wiederaufgebaut fügen sich die rekonstruierten Monumente wie selbstverständlich in die Denkmalliste ein. Er, als Vertreter der Behörde sprechend, die genau dies so festlegt, widerspricht sich hier selbst.


    Mit der Lobpreisung der Wiederaufbauarchitektur beflecken allerdings sowohl Bencker als auch Vollmar ihre weißen Westen: Denn die Zahlreich in Nürnberg vorhandenen Bauwerke stehen nicht alle unter dem Schutz, den sie verdient haben. Was ist mit der Hauptpost, v.a. innen ein ausgezeichnetes Zeugnis der 50'er Jahre? Was ist mit dem eigentlich denkmalgeschützten Landeskirchlichen Archiv von Schlegdendahl, einem der Nürnberger Architekturikonen? Einfach abgerissen mit Zustimmung des Denkmalschutzes! Auch gegen die massenweise durch Dämmung verschwindenden Fassadensgraffito an Häusern aus den 50'er-Jahren unternehmen die in Amt und Würden waltenden Fans dieser Epoche viel zu wenig.


    Was man nicht vergessen sollte ist, die aktuelle Schlagzeile geht auf eine Veranstaltung des Bundes Deutscher Architekten (BDA) zurück, die jüngst öffentlich die Werbetrommel für den Mayer-Bau als Kind der eigenen Zunft gerührt haben und sich mit Vollmar einen "Offiziellen" an Bord holten. Bencker als lokaler "Denkmal-Executive" musste folglich auch mit ran. Der Vorsitzende der Altstadtfreunde, Karl-Heinz Enderle hatte aus meiner Sicht damals schon recht als er sagte, dass die Nürnberger längst mit den Füßen darüber abgestimmt hätten welche Bedeutung der Nachkriegsbau in der Bevölkerung habe. Daher ist es auch ok, sich an den Argumenten der Lobby der Architektengilde nicht abzuarbeiten.

  • Mit der Lobpreisung der Wiederaufbauarchitektur beflecken allerdings sowohl Bencker als auch Vollmer ihre weißen Westen: Denn die Zahlreich in Nürnberg vorhandenen Bauwerke stehen nicht alle unter dem Schutz, den sie verdient haben. Was ist mit der Hauptpost, v.a. innen ein ausgezeichnetes Zeugnis der 50'er Jahre? Was ist mit dem eigentlich denkmalgeschützten Landeskirchlichen Archiv von Schlegdendahl, einem der Nürnberger Architekturikonen? Einfach abgerissen mit Zustimmung des Denkmalschutzes! Auch gegen die massenweise durch Dämmung verschwindenden Fassadensgraffito an Häusern aus den 50'er-Jahren unternehmen die in Amt und Würden waltenden Fans dieser Epoche viel zu wenig.


    Das nährt einen Eindruck, den ich oft bei Rekogegnern habe. Dass die Lobpreisung der ach so tollen Nachkriegsarchitektur nur Mittel zum Zweck ist, Rekovorhaben zu sabotieren. Der Wunsch, Rekovorhaben zu stoppen, ist dann der Vater aller weiteren Rationalisierungen, die dafür gesucht werden. Wenn es nicht der ach so hohe Architekturwert der Nachkriegsbauten ist, dann sind es unsachliche Anfeindungen in Richtung der Rekobefürworter, diese pauschal als Ewiggestrige darzustellen usw. (du hast es ja herausgearbeitet).


    Rekogegner sind mindestens genauso ideologisch und subjektiv geleitet, wie Rekobefürworter. Aber sie nehmen für sich gerne in Anspruch, mit Objektivität und Nüchternheit zu argumentieren, während die anderen, das sind doch die Nostalgiker.


    Was mich als jungen Deutschen daran so ärgert ist, dass ältere Herren damit meiner Generation und den nachfolgenden Generationen versuchen die Baukultur, mit der sie einst selbst aufwuchsen und die, als diese selbst einmal jung waren ja durchaus "modern" war, mit allen Mitteln aufzuzwingen. Und damit sind sie selbst zu Bewahrern, Liebhabern und Nostalgikern geworden - aber merken es nicht einmal. Sondern tragen umgekehrt ihre vermeintliche Objektivität, Sachlichkeit und Aufgeschlossenheit wie eine Monstranz vor sich her. Das ärgert und amüsiert mich in einem Wechselbad der Gefühle. Aber überzeugen kann mich das nicht. Ich habe viel mehr noch nie auch nur eine einzige sachlich überzeugende Stellungnahme "Kontra Rekonstruktion" vernommen, gleich zu welchem Projekt. Und auch zur Pellerhausreko scheint es diese nicht zu geben?!

  • Ich habe viel mehr noch nie auch nur eine einzige sachlich überzeugende Stellungnahme "Kontra Rekonstruktion" vernommen, gleich zu welchem Projekt. Und auch zur Pellerhausreko scheint es diese nicht zu geben?!


    Naja, das Kostenargument kommt schon noch in Frage. Außerdem die unglückliche Tatsache, dass der Bestandsbau unter Denkmalschutz steht. Wobei wir in den letzten Jahren ja gelernt haben, dass der Denkmalschutz nicht dauerhaft sein muss. Die Bahnhofstraße 40 und das Landeskirchliche Archiv in der Veilhofstraße waren auch Denkmale und sind beseitigt worden - ohne das zu jener Zeit klar war, was genau dort neu entstehen wird.


    Aber grundsätzlich hast du Recht, mir ist kein schlagkräftiges Argument gegen eine Rekonstruktion bekannt.

  • Das sind ja auch keine materiellen sondern formale Argumente.


    So lassen die Gegner doch auch verlauten, dass sie auch dagegen wären, wenn Bürger das über Spenden finanzieren. Was Bürger mit ihrem eigenen Geld machen ist aber doch deren Sache.


    Und der Denkmalschutz - ich sehe die Denkmalschutzwürdigkeit schlicht nicht. Was da wohl in der Denkmalliste als Begründung stehen mag...ich würde z. B. nie nie nie zustimmen, die Eiermann-Bauten der Gedächtniskirche in Berlin abzureißen, um die alte Gedächtniskirche rekonstruieren zu können. Das ist evident für Jedermann ein Gesamtkunstwerk, das unbedingt erhalten werden muss.


    Einen auch nur ansatzweise vergleichbaren Moment des "das springt einem doch ins Auge" fehlt mir hier komplett.

  • Danke für die Korrekturen, Nothor. Ich würde über die Einlassungen der Denkmalschützer weniger den Kopf schütteln, wenn sie einfach nur für den Erhalt des Mayer-Baus streiten würden. Das kann ich gewissermaßen nachvollziehen. Es ist kein Bau von der Stange, der durchaus Denkmalcharakter hat. Aber mit ihren Herabwürdigenden Äußerungen über Rekonstruktionen allgemein disqualifizieren sie sich gerade in Nürnberg, wie du richtig anmerkst, weitgehend selbst. Das kann ich nicht nachvolziehen.
    Es wird ja auch das Argument des Präzedenzfalls herangezogen, dass bei einem Abriss und Rekonstruktion des Pellerhauses kein Denkmal mehr sicher wäre. Angesichts der ebenfalls von dir erwähnten Abrisse von Denkmalen, die so ja überall und nicht nur in Nürnberg genehmigt werden und stattfinden, kann man auch das ins Reich der Legenden verweisen.
    Es ist letztlich eine reine Geschmacksfrage, ob man die Fassade abreißt und rekonstruiert. Hier allein schon deshalb, weil das heutige Innenleben des Gebäudes wohl eher bedeutungslos ist. Hätte man gleich nach Kriegsende rekonstruiert, würde das heute niemand mehr in Frage stellen. Überhaupt scheint mir das Gebäude erst wieder durch die Rekonstruktion des Innenhofes wieder annähernd die früherer Bedeutung im städtischen Bewusstsein erlangt zu haben.

  • Der Stadtrat beschäftigt sich heute (14.12.2016) mit der zukünftigen Nutzung des Pellerhauses



    Es lohnt sich die dazu erstellte Vorlage durchzulesen.
    https://online-service2.nuernb…daItem&agendaItemId=61006



    Der Zustand des Gebäudes wird als abgewirtschaftet beschrieben. Darüber hinaus dürfen sich derzeit nur maximal 100 Personen im gesamten Gebäude aufhalten, da es sowohl statische als auch brandschutztechnische Restriktionen gebe. Noch dazu sind nur die Geschosse 1 und 2 wirklich nutzbar, die übrigen sind aufgrund der niedrigen Decken und unzureichenden Belichtung kaum zu gebrauchen.



    Geprüft wird eine zukünftige Nutzung als Spiele-archiv und Jugendhaus. Unabdingbar dafür wäre aber eine umfangreiche Generalsanierung des Baus - zu finanzieren u.a. über Fördermittel und Eigenanteile der Stadt. Planungen dazu sollen 2018 beginnen. Weiterhin heißt es, dass die Altstadtfreunde in die Planungen einbezogen werden.


    Nach der Lektüre sind für mich nun mehr Fragen offen als beantwortet. Haben die Altstadtfreunde das Ziel der Fassadenreko aufgegeben?



    d.

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    Dass sich die Altstadtfreunde so leicht übertölpeln lassen kann ich kaum glauben. Wenn das so stimmt, tauschen sie ihr Rekonstruktionsziel gegen Nutzungsrechte an Räumen und Innenhof. Das wäre schon extrem rückgratlos und würde auf mich wirken, als wenn sie die Reko lediglich als Druckmittel in einem "dreckigen Deal" genutzt haben.

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    Die Planungen der Stadt lesen sich ja nicht wie eine Lösung, sondern wie ein Aufschieben des Problems "neues Pellerhaus". Es tritt quasi das ein was ich befürchtet habe: Mit viel Geld mit einer mehr oder weniger aufwändigen Sanierung wird der Ist-Zustand teuer festgeschrieben und eine sinnvolle Weiterentwicklung und Aufwertung des Pellerhausstandortes verhindert. Spielearchiv, Graphische Sammlung (Nutzung als Magazin?), Jugendtreff und den Hof sollen/können die Altstadtfreunde bespielen. Alles keine Innovationen, da schon vorhanden. Scheint mir alles sehr uninspiriert zu sein, v.a. im Hinblick auf die Bewerbung der Stadt als Kulturhauptstadt.


    Interessant finde ich die Betrachtung der Alternativen zum bestehenden Gebäude: Das Pellerhaus ist ein eingetragenes Baudenkmal (Einzeldenkmal). Ein Abriss dieses Bauwerks wäre nur unter zwei Aspekten möglich:

    • Die Substanz des Gebäudes ist so herabgewirtschaftet, dass bei einer Sanierung kaum mehr etwas von der ursprünglichen Bausubstanz vorhanden wäre.
    • Die Erhaltung des Gebäudes ist so aufwändig, dass es für den Eigentümer wirtschaftlich nicht darstellbar ist.


    Die Vorlage postuliert zwar, dass beides nicht gegeben sei, aber im Vorlagenkopf ist angekreuzt, das nicht bekannt ist was der hier vorgelegte Plan mit seiner Maßnahmenliste überhaupt kostet:

    • nahezu keine ordnungsgemäßen Rettungswege vorhanden
    • Fluchtwegelängen werden überschritten
    • Brandmeldeanlagen sind veraltet und genügen nicht mehr dem heutigem technischen Standard
    • ein energetisches Gesamtkonzept ist notwendig
    • vorhandene Aufzugsschächte genügen in ihrer Größe den heutigen Anforderungen nicht
    • Haustechnische Installation im gesamten Gebäude veraltet und zu erneuern


    Die Kosten sind noch völlig unbekannt und ist auch kein Geld eingeplant. Zudem muss ich auch mal kritisch anmerken, dass auch der denkmalgeschützte Rundbau am Hauptbahnhof abrissgefährdet ist, da dem Vernehmen nach "2. Die Erhaltung des Gebäudes ist so aufwändig, dass es für den Eigentümer wirtschaftlich nicht darstellbar ist." zutrifft. Was ich witzig finde, da die vermeintlichen Schäden und Probleme schon da waren, als der Eigentümer das Objekt erworben hat und aus meiner Sicht mit einer Erneuerung der Tramgleisunterlage kostengünstig zu beheben wären.


    Ich bin sehr gespannt, wie sich der Denkmalschutz hier positioniert. Ob man den Investor den Rundbau abreißen lässt, obwohl ihn eine Bevölkerungsmehrheit (nach meinem Gefühl) erhalten wissen will, und ob das Pellerhaus gegen jede Vernunft künstlich beatmet, obwohl es ein Problembau ist.


    Bemerkenswert finde ich auch, dass die Stadt für die Unterbringung des "Jugendtreffs" offensichtlich nur Schrottimmobilien in Betracht zieht. Der einmal genutzte Altstadtmauerturm war aufgrund der Brandschutz- und Fluchtwegeproblematik feuerpolizeilich nicht mehr vertretbar. Meines Wissens nach hat der Turm bis heute keine Nachnutzung erfahren. Rädda Barnen, Holzhäuser aus den 1950'ern am Cramer-Klett-Park ist soweit ich weiß auf der Abrissliste, da wirtschaftlich nicht sanierbar, und jetzt will man den Jugendtreff im pellerhaus unterbringen, ein als Lagerhaus errichteten Gebäudekomplex der zu über der Hälfte nicht mehr heutigen Maßstäben an eine Büronutzung entspricht. Jetzt kann man Nürnberg nicht nachsagen, dass hier nichts für die Jugend getan wird, hier gibt es viele tolle Schulprojekte. Aber dieses Geschiebe eines Jugendtreffs für die Altstadt von einer unbrauchbaren Immobilie in die andre wirkt perspektivlos.


    Ich glaube nicht dass der Plan, das Pellerhaus zu rekonstruieren, aufgegeben wurde. Dafür ist der Plan der Stadtverwaltung zu wenig wegweisend, um lange tragen zu können.


    Der Architektenverein BDA führt morgen, Donnerstag, um 19:00 Uhr im Pellerhaus eine Podiumsdiskussion durch, in der die aktuellen Qualitäten des Gebäudes herausgestellt werden sollen. Oder, wenn das schwer fallen sollte, wird ein Rekonstruktionsvorhaben ablehnend erörtert werden. Die Veranstaltung ist öffentlich, der Eintritt frei.

  • Für mich ist der Stumpf des Peller-Vorderhauses so etwas wie ein eiternder Zahn, dem man eine Amalgam-Füllung aufgepfropft hat, bei der man sich aus Prinzipiengründen weigert, sie zu entfernen.


    Das alte Pellerhaus war herausragend und stadtbildprägend. Es hat 440 Jahre gehalten.


    Der aufgepropfte Neubau firmierte bei seiner Erbauung als Prestigebau. Trotzdem ist er schon nach gerade einmal 60 Jahren vollkommen marode und nicht mehr nutzbar.


    Selbst wenn man sämtliche ästhetischen Aspekte (bei denen meine Meinung klar sein dürfte) ausklammert, spricht allein das doch schon Bände. Ich würde mir wünschen, dass die Stadt über ihren Schatten springt und ähnlich wie beim Hof den Altstadtfreunden signalisiert, dass sie die Rekonstruktion des alten Hauses angehen dürfen, wenn sie ihn selbst finanzieren. Mein persönliches Spendensäckel wäre sofort offen.

  • Ich sehe es wie nothor, da ist noch viel Musik drin und eine Reko der Fassade ist erst dann vom Tisch, wenn sich eine wirtschaftliche Sanierung des Bestands abzeichnet.
    Sehr gut möglich das wir gerade einem politischen Schachspiel beiwohnen bei dem der Ausgang noch völlig offen ist.
    Es bleiben somit viele Fragen und Raum für Spekulation...



    d.

  • Der Architektenverein BDA führt morgen, Donnerstag, um 19:00 Uhr im Pellerhaus eine Podiumsdiskussion durch...


    Das war dann heute doch keine Podiumsdiskussion, sondern ein Vortragsabend. Eine der Empfehlungen der Architekten war, das Gebäude so zu lassen wie es ist, und es lieber nicht zu sanieren (Wärmeschutz, Aufzüge, etc.), da es nur so seinen Charme und Denkmalwert erhalten könne. Das ist natürlich interessant, weil genau das ja der Grund für die Probleme ist. Niemand würde ernsthaft über das Pellerhaus diskutieren, wenn es vor Leben sprudelte und seine Umgebung aufwerten würde.