Alexanderplatz - Abkehr vom Kollhoff-Plan?

  • Schönheit liegt im Auge des Betrachters - der eine mag es, der andere nicht; als Maßstab für die Weiterentwicklung des Areals taugt dieses Kriterium kaum. Darüber hier zu diskutieren, erscheint mir deshalb wenig ergiebig. Was von der Bebauung als denkmalwürdig gelten kann, muss sich anhand anderer Aspekte klären.
    Das in dieser Runde allgemein als hässlich empfundene Haus der Elektroindustrie etwa soll seinerzeit als Großraumbüro errichtet worden sein, was mir ungewöhnlich erscheint für seine Planungszeit - sollte sich etwa herausstellen, dass das Gebäude das erste Beispiel dieser Typologie in der DDR war und Vorbild für zahlreiche andere Gebäude in Leipzig, Karl-Marx-Stadt, Dresden und Rostock, wäre der Status als Baudenkmal durchaus gerechtfertigt, sei es nun hässlich oder schön.
    Das Haus des Lehrers wiederum ist ein frühes Beispiel (vielleicht sogar das erste?) für eine curtain wall in der DDR und zeigt zugleich die Kehrtwende der Architekturpolitik Ende der 50er Jahre, als die DDR nach der Nati-Tradi-Phase Anschluss an den kurz zuvor noch verpönten International Style suchte. Mit dem Womacka-Fries lieferte es schließlich auch eine in der DDR neue Art, Architektur und Kunst zu verbinden. Ob Du und ich das Ergebnis schön finden, ist insofern unerheblich.
    Vielleicht fällt uns das Ertragen der gebauten Umwelt sowieso leichter, wenn wir nicht immer jedes Objekt darauf hin beurteilen, ob seine Erbauer damit unserem hoch entwickelten persönlichen ästhetischen Empfinden gerecht werden konnten; schließlich wussten diese vor fünfzig, sechzig Jahren noch nichts von den Ansprüchen unserer Gegenwart. Mir jedenfalls erscheint das Nebeneinander von Gebäuden aus unterschiedlichen Epochen immer als ein größerer erzählerischer Reichtum gegenüber optisch vielleicht ansprechenderen, homogenen Straßenzügen und Platzanlagen. Alexanderplatz und Chamissoplatz, Breitscheidplatz und Kollwitzplatz können mich dadurch auf unterschiedliche Weise ansprechen.

  • Aber ein Gespür für Ästhetik haben die Menschen und das ist bei der großen Masse ziemlich ähnlich.
    Mit dem Argument "wir wissen nicht wie spätere Generationen darüber urteilen", kann man sehr viel Unfug anrichten. Man könnte ein bspw. nach allen heute geltenden Kriterien unglaublich häßliches Gebäude bauen und behaupten in 20 Jahren fahren die Leute völlig drauf ab.

  • ulgemax:
    Ich habe meine Frage nicht im Hinblick auf die Denkmalwuerdigkeit gestellt, sondern wollte viel mehr eine Ahnung davon bekommen, was die Leute am Haus des Lehrers wirklich schoen finden.


    Was das Nebeneinander von Gebaeuden aus unterschiedlichen Epochen betrifft, kannst Du damit ja kaum das aktuelle Ensemble am Alexanderplatz meinen, oder?
    Das wuerde ja erst entstehen, wenn dort tatsaechlich noch Teile neu bebaut wuerden. Eine Mischung aus alt und neu wuerde ich persoenlich auch bevorzugen.

  • Saxonia: Gratulation, dass Du das gesunde Volksempfinden erkennst und also wissen kannst, dass die Mehrheit der Berliner und Berlin-Besucher den Alexanderplatz hässlich finden. Meine Erfahrung ist eine andere, in beiden Gruppen. Was also tun? Abstimmen lassen, online und per Volksentscheid? Geschmack kann doch kein Argument sein für die Stadtentwicklung. Verstehe mich nicht falsch, ich plädiere nicht für einen flächenhaften Denkmalschutz vom Strausberger Platz bis zum Roten Rathaus, aber Entscheidungen über die Zukunft des Gebietes sollten nicht von Geschmacksfragen abhängen, die ändern sich zu schnell. Etwas substantieller sollten wir uns schon mit dem Bestand auseinandersetzen.


    Manuel (Achtung, persönlicher Geschmack): Ich finde die curtain wall des HdL und die urbane Qualität des weit verglasten Foyers schön, schöner aber finde ich noch die Kongresshalle nebenan mit ihren geschwungenen Treppen und ihren space-age-Wandverkleidungen im Inneren; am HdL hingegen erschien mir persönlich die Kombination von Fries und Fassade immer etwas plump.
    Am Alex sind durchaus mehrere Zeitschichten präsent: die Umbaupläne der zwanziger Jahre mit den Behrens-Bauten, die Stadtbahn aus dem 19. Jahrhundert mit dem in den 60er und 90er Jahren umgebauten Bahnhof, die Multiplex- und Shopping-Mall-Euphorie der späten 90er Jahre mit dem Cubix und Alexa, die 2000er-Jahre mit Kleihues´ Kaufhof, in dem noch Kaisers Centrum-Bau steckt, sogar der Tietz-Bau lebt, leicht verschoben, im Standort des Warenhauses noch in der Erinnerung fort, und gleich nördlich der Karl-Liebknecht-Straße bist Du im Scheunenviertel. Insofern erzählt der Platz durchaus von mehr Entwicklungen als nur von der, wenn auch prägenden, Neufassung der 60er Jahre. Ich stimme Dir aber zu, dass der Ort Weiterentwicklung verträgt.

    2 Mal editiert, zuletzt von ulgemax ()

  • Ich konnte noch nie nachvollziehen, wenn man banale Gebäude (Stein, Glas,..Lebensraum für menschlichen Alltag, nicht mehr und nicht weniger) politisch auflädt. Entstuckungen waren nicht einem anderen Zeitgeschmack geschuldet und unter den "normalen Bürgern" extrem umstritten, was von den "Intellektuellen" mit erhobenem Zeigefinger auf die bis heute bekannte Art ignoriert und vom Tisch gewischt wurde (konservativ, spießig, gestrig, Kitsch, Stammtischparolen, etc. die typischen inhaltslosen Phrasen eben). Ich hoffe dass wir aus Fehlern der Vergangenheit gelernt haben und keinen Städtebau aus ideologischen Gründen mehr betreiben.


    NUR aber ganze Stadträume unter Veränderungsverbot, was die Konsequenz des Denkmalschutzes ist, zu stellen lehne ich strikt ab. Es war nie die Idee Freilichtmuseen zu schaffen. Es gibt am Alex ganz klar schützenswerte Architektur, das ist zum einen der Bahnhof Alexanderplatz, das ist weiterhin der Fernsehturm, die Weltzeituhr als Gestaltungselement sowie das Alexanderhaus und das Berolinahaus (beides wunderbare Beispiele der Moderne, aus den späten 20ern, in denen Berlin "golden" war).


    Diese Liste habe ich subjektiv aus Gesichtspunkten von Ästhetik, Einmaligkeit und Zeitlosigkeit aufgestellt. Das würde ich wollen, dass unsere Nachfahren unbedingt aus dem 20. Jahrhundert als Zeugnis erhalten und überliefert bekommen. Aber ganz ehrlich, der ganze Rest.. :nono:


  • Am Alex sind durchaus mehrere Zeitschichten präsent


    Das Problem am Alex bzw. dem angrenzenden Umfeld ist, dass im Grunde nur noch 1 Zeitschicht strukturell erkennbar ist. Alle anderen wurden gewaltsam verdrängt - die Geschichte des Ortes ist somit nicht mehr erkennbar. Das ist nicht unbedingt eine Frage von einzelnen Gebäuden, sondern viel mehr ganz grundlegenden stadtprägenden Elementen - Wegen, Plätzen, Sichtachsen, Hochpunkten.
    Das was jetzt den Alex und das Areal bis hin zur Spree ausmacht, ist das Resultat einer brutalen Stadtvernichtung, aber ganz gewiss nicht einfach nur eine 'Zeitschicht'.

  • @Berchen: Ich hatte immer den Eindruck, dass die Architektur der Nachkriegszeit mit einer gehörigen Portion Militanz gewürzt war. Ganz typisch dafür ist übrigens das Elitendenken, d.h. dass es eine wie auch immer geartete Elite gibt, die nicht nur das allumfassende Wissen sondern auch die Verpflichtung hat, Entscheidungen für das Wohl aller zu treffen, im Notfall auch gegen den Willen der Mehrheit. Diese militante Denkweise scheint mir sehr tief im Selbstverständnis der damaligen Generation verwurzelt zu sein, was sich bis heute in Form der grün-linker Rechthaberei durchschlägt.


    Statt jedem Tierchen sein Plaisierchen zu lassen, wird Architektur immer noch als Mittel zur Formung der Gesellschaft wahrgenommen, genauer gesagt die Entwicklung der Menschen zu einem besserem "Neuen Menschen" (homo kommunismus ecologicus ;)) mit der Nebenbedingung das Alte zu zerstören um das Neue zu ermöglichen. Individualismus wird hier naturgemäß genauso abgelehnt wie Rückgriffe auf historische Stile.

  • Es freut mich, dass die Debatte doch nun langsam etwas sachlicher wird.
    Ich bin auch der Meinung, dass der Denkmalwert eines Ensembles nicht aufgrund einer so relativen Kategorie wie "Schönheit" bewertet werden kann. Die Vorstellung davon, was schön ist oder nicht, ist erstens subjektiv und zweitens zeitgebunden. Die Klassizisten fanden die Barockbauten viel zu überladen und haben daher die Beseitigung von Barockbauten geplant und umgesetzt. Im späten 19. Jahrhundert galt wiederum die klassizistische Architektur als viel zu einfach, selbst die Bauakademie wurde als "hässlicher roter Kasten" bezeichnet. Seit der späten Kaiserzeit bis in die 1970er Jahre hinein galten Gründerzeitgebäude als hässlich. Seit den 1980er Jahren wurde dann die Moderne, vor allem die Nachkriegsmoderne verteufelt, diese Einschätzung ändert sich aktuell.


    Die Denkmalpflege ist der Versuch, von solchen persönlichen und zeitgebundenen Kriterien zu abstrahieren und stattdessen wissenschaftlich begründbare Kriterien für den Denkmalwert eines Gebäudes bzw. eines Ensembles zu schaffen, weil nur so Denkmalzerstörungen verhindert werden können, die später bereut werden. Daher erfolgt eine Unterschutzstellung nicht aufgrund der Launen irgendwelcher Denkmalpfleger, sondern weil es triftige, wissenschaftliche unterlegte Gründe für solch eine Entscheidung gibt. In der Regel sind Unterschutzstellungen mit umfangreichen bauhistorischen Forschungen verbunden.


    Eine wichtige Kategorie ist die Frage nach der Bedeutung eines Gebäudes bzw. Ensembles für die jeweilige Epoche. Es stellt sich also die Frage, ob der Alexanderplatz ein wichtiges Zeugnis für den DDR-Städtebau der sechziger Jahre ist oder nicht. Ich bin der Meinung, dass die vorliegenden umfangreichen Akten sowohl im Bundesarchiv als auch im Landesarchiv Berlin ganz klar die Annahme rechtfertigen, dass der Alexanderplatz ein bedeutendes Zeugnis dieser Zeit darstellt. Er war ein zentrales Element des Zentrumsbandes der Hauptstadt der DDR, und aufgrund dieser Bedeutung wurde hier auch besonders viel Aufwand getrieben. Daher halte ich einen Denkmalschutz für diesen Raum für gerechtfertig, wobei dann noch diskutiert werden kann, welche Gebäude als Einzeldenkmäler unter Schutz gestellt werden sollten und welche Gebäude lediglich als Teil eines Denkmalbereiches eingestuft werden sollten.


    Weiterhin bedeutet Denkmalschutz ja nicht, dass alles so bleiben muss, wie es jetzt ist. Die Stahlbetonskelettbauten am Alexanderplatz bieten hervorragende Möglichkeiten der Umnutzung, so lassen sich Grundrisse problemlos verändern, so dass ich keine Hindernisse sehe, um diese Gebäude an heutige Bedürfnisse anzupassen. Die Umnutzung des ADN-Gebäudes gibt ja schon einen ersten Eindruck von diesen Möglichkeiten. Auch die Freiflächen lassen sich besser gestalten.


    Ansonsten scheint ein Denkmalschutz für den Alexanderplatz auch nicht so unpopulär zu sein wie es manche hier behaupten. Der Tagesspiegel hatte ja in der letzten Woche eine Abstimmung zu dem Thema veranstaltet. Als Frage wurde gestellt: "Der Landesdenkmalrat empfiehlt, DDR-Bauten um den Alexanderplatz unter Denkmalschutz zu stellen. Was halten Sie davon?" Als Antwort wurden drei Möglichkeiten vorgegeben. Das Ergebnis lautete:
    Diese Musealisierung würde moderne Stadtentwicklung ausbremsen, die wichtiger für die Stadt wäre: 44 Prozent
    Wer den Alex als historischen Ort bewerben möchte, sollte auch historische Architektur bewahren: 50 Prozent
    Es sollten lediglich noch wirklich unberührte Bauten in die Liste aufgenommen werden: 6 Prozent

  • @Berchen: Ich hatte immer den Eindruck, dass die Architektur der Nachkriegszeit mit einer gehörigen Portion Militanz gewürzt war. Ganz typisch dafür ist übrigens das Elitendenken, d.h. dass es eine wie auch immer geartete Elite gibt, die nicht nur das allumfassende Wissen sondern auch die Verpflichtung hat, Entscheidungen für das Wohl aller zu treffen, im Notfall auch gegen den Willen der Mehrheit. Diese militante Denkweise scheint mir sehr tief im Selbstverständnis der damaligen Generation verwurzelt zu sein, was sich bis heute in Form der grün-linker Rechthaberei durchschlägt.


    Statt jedem Tierchen sein Plaisierchen zu lassen, wird Architektur immer noch als Mittel zur Formung der Gesellschaft wahrgenommen, genauer gesagt die Entwicklung der Menschen zu einem besserem "Neuen Menschen" (homo kommunismus ecologicus ;)) mit der Nebenbedingung das Alte zu zerstören um das Neue zu ermöglichen. Individualismus wird hier naturgemäß genauso abgelehnt wie Rückgriffe auf historische Stile.


    Das kann man doch fast 1:1 auf die Traditionalisten und Geschichtsfans hier übertragen. Sie halten fast alle Bauherren, Architekten, Politiker usw. für einfältig und unfähig und meinen nur sie selbst wüssten was das einzig Richtige für die Menschen, die Stadt, die Zukunft usw. sei.


    Und sie wollen das Alte (also seit dem ersten Weltkrieg gebaute) zerstören um das "Neue" bzw. auf ganz alt geschminkte Neue zu ermöglichen. Dazu werden dann durchaus auch rigide Gestaltungsvorschriften für angemessen erachtet.

  • @ Klarenbach: Der Versuch, sich unter Rekurs auf "wissenschaftlich begründbare Kriterien" münchhausenmäßig in ein Jenseits aller politischen Kämpfe und über die eigene Zeitbegrenzung zu hieven, ist ebenso nachvollziehbar wie aussichtslos. Welche Kriterien auch immer gerade als "wissenschaftlich" und überzeitlich angesehen werden, sie können immer wieder als solche in Frage gestellt werden.


    Um nur auf eines der Kriterien einzugehen: Das Kriterium "Bedeutung eines Gebäudes bzw. Ensembles für die jeweilige Epoche" ist bei genauerem Hinsehen sehr unklar. Was versteht man darunter? Dass etwas aus seiner Zeit herausragt, oder dass etwas die eigene Zeit besonders gut repräsentiert, m.a.W.: dass etwas atypisch und singulär oder dass etwas umgekehrt gerade besonders typisch ist? Und kann man sich wirklich sicher sein, dass dieses Kriterium der "Bedeutung" im Laufe der Zeit nicht genauso wechselt wie das der Schönheit?


    Die "Bedeutung für die Epoche" spielt außerdem gerade dort keine Rolle, wo weniger Bestand vorhanden ist und man daher froh ist, dass überhaupt etwas da ist, unabhängig davon, ob es für seine Zeit „bedeutend“ ist oder nicht. Und gerade hier, wo dieses Kriterium nicht zum Tragen kommt, scheint mir der Denkmalschutz ironischer Weise besonders unumstritten zu sein.


    Wie wir auch hier im Forum laufend feststellen können, ist Architektur viel zu sehr mit politischen Fragen verflochten, als dass sich Debatten über die Denkmalwürdigkeit bestimmter Bauten oder Ensembles mit Rekurs auf "wissenschaftliche Kriterien" befrieden ließen. M.E. gehört es zur Sachlichkeit, dass wir einsehen, dass, solange diese politischen Dimensionen lebendig sind, eine „sachliche“ Debatte eben gerade nicht möglich ist. Das ist auch der Grund dafür, warum Denkmalschutz immer erst dann relativ unumstritten wird, wenn diese politischen Dimensionen verblasst sind, m.a.W.: Wenn die politische Gewalt, die hinter herausragenden Gebäuden zumeist steht, nicht mehr fühlbar ist.

  • Saxonia: Gratulation, dass Du das gesunde Volksempfinden erkennst und also wissen kannst, dass die Mehrheit der Berliner und Berlin-Besucher den Alexanderplatz hässlich finden. Meine Erfahrung ist eine andere, in beiden Gruppen. Was also tun? Abstimmen lassen, online und per Volksentscheid? Geschmack kann doch kein Argument sein für die Stadtentwicklung. Verstehe mich nicht falsch, ich plädiere nicht für einen flächenhaften Denkmalschutz vom Strausberger Platz bis zum Roten Rathaus, aber Entscheidungen über die Zukunft des Gebietes sollten nicht von Geschmacksfragen abhängen, die ändern sich zu schnell. Etwas substantieller sollten wir uns schon mit dem Bestand auseinandersetzen.


    Gut geschrieben. Die vermeintliche Mehrheitsmeinung ist mir eines der liebsten Totschlagargumente. Getreu dem Sprichwort: Millionen Fliegen können nicht irren... ;)


    Zugegeben, mir gefallen die DDR-Bauten am bzw. um den Alex überwiegend auch nicht. Lediglich dem HdR, dem Ensemble aus HdL und Kongresszentrum kann ich was abgewinnen. Insbesondere das HdR hat mich schon damals in gewisser Weise fasziniert. Zudem hat es trotz seines Alters und dem jahrelangen Sanierungsstau im Gegensatz zu anderen DDR-Bauten in der Umgebung seine „Frische“ einigermaßen bewahren können.
    Gleichwohl befürworte ich die Kollhoff-Planung für dieses Areal da ich die städtebauliche Situation als ungenügend empfinde und Kollhoff für meinen Geschmack die richtige Lösung angeboten hat.
    Und ehrlich; bevor bei einer Sanierung der Bestandsbauten sowas bei rumkommt, ist mir eine Tabularasa lieber.


    Beim Abschlagen von Stuck habe ich übrigens immer gedacht, es habe sich gerade da primär um eine bewusste Abrechnung mit einer vermeintlich oder tatsächlich überkommenen Epoche gehandelt und nicht um das ästhetische Empfinden (wobei mir persönlich auch nicht alle Bauten mit Stuck in gleichem Maße zusagen). Aber natürlich besteht die gleiche Gefahr für alte DDR-Bauten.


    Glaubt man diesem Text von AeG – seinerzeit ein Kenner des klassischen Berliner Mietshauses – so waren die Gründe weniger ideologischer denn pragmatischer Natur.

  • Ich bin dafür den Großteil der DDR Bauten rund um den Alex einfach dem Marktgeschehen zu überlassen. Einige wenige Bauten,wie die Kongreßhalle sollten langfristig gesichert werden.


    Ich bin auch davon überzeugt,dass man den Kohlhoff Plan kippen muss.Er ist unrealistisch und brachial. Wenn er gekippt würde, dann wäre nicht ständig das Damoklesschwert des Abrisses über den Bauten. Einige der Bauten bewähren sich bereits seit Jahren auf dem Markt und stehen nicht zur Disposition,z.B. das Verlagshaus mit dem angegliederten Presse Steakhouse.


    Der Alex ist und war nie eine Puppenstube. Er ist ein lebhafter Verkehrsknoten.
    Aus meiner Sicht gibt es auch keinen Grund den Alex zu einem weiteren Gendarmenmarkt umzubauen. Wenn man neu baut, dann bitte modern und großstädtisch. Retrotrends und Orgien mit Naturstein sollten doch bitte unterbleiben, keine Oma / Opa / Traditionalisten Wohlfühloase, sondern Bauten von internationalen Format.Also Glas, Stahl, Beton.

  • Entstuckungen fanden selbstverständlich auch schon in den 20er Jahren statt. Insofern trifft ihre Interpretation nicht zwingend zu. Und bitte sprechen Sie doch nicht für alle. Ich persönlich finde das HDL, die Kongresshalle, das HDR schön. Und mit mir sicherlich einige mehr.


    Mit Bitte um eine ehrliche Antwort: Gab es denn schon in den Zwanzigern für's Entstucken Prämien? Und war das damals auch so umfangreich wie später? Und wie sieht es in Paris aus, das keine Kriegszerstörungen und keine nationale Katastrophe zu beklagen hatte?


    Zum zweiten Punkt. Da habe ich mich etwas drastisch ausgedrückt. Ich finde die drei Gebäude ironischerweise auch recht schön - für den heutigen Alex wohlgemerkt. Ich kann aber selbst auf diese Gebäude recht schnell verzichten, wenn dort ein Ensemble wie von Kollhoff geplant entstünde.


    Zitat von Bato

    Gut geschrieben. Die vermeintliche Mehrheitsmeinung ist mir eines der liebsten Totschlagargumente. Getreu dem Sprichwort: Millionen Fliegen können nicht irren...


    Es ist eben keine vermeintliche Mehrheitsmeinung - und auch nicht als Totschlagargument gemeint. Ich kann auch nichts dafür, daß die Leute in solchen Fragen überall gleich ticken. Einzig in Architekturforen finden sich Leute, die da anders ticken. Und dort sind sie auch tendenziell in der Minderheit.


    PS: Ich finde übrigens auch das IHZ als DDR-Bau schön. Neben Stalinallee und Fernsehturm.


    PPS: Der DDR-Alex ist sicherlich ein bemerkenswertes Terrain. Quasi ein Kulturfossil. Aber er ist eben auch recht grottig-schrottig mit wenig Urbanität und Stadt im eigentlichen Sinne.

  • Ich habe jetzt drei Monate Denkmalschutz aus erster Hand miterleben können. Chefin steht (neben ihren "Kindern" der letzten 200 Jahre) auf DDR-Bauten und auf richtige "Brocken", wie das schwarze Ding da am Rosenthaler Platz. Das Saturn-Haus am Alex gefällt ihr - wieso auch immer - auch. Als ich ihr von diesem neuen Denkmalschutzanwärter erzählt habe, konnte sie das nicht nachvollziehen.
    Ich habe gelernt, dass man Denkmalschutz oder eher die Vergabe des Status nicht immer nachvollziehen können muss und dass der DS auch (zumindest auf niedrigeren Ebenen) recht willkürlich sein kann. Der eine würde die Dachflächenfenster, für etwas Licht in den Räumen von Gebäude X genehmigen, der andere nicht, weils *Argument XY*. Dafür würde dieser wiederum einen Neubau im Ensemble lieber in Glas und Beton sehen, statt angepasst. Kontraste, Spuren der Zeit usw, wa. Wie und was man als Bauherr verändern kann und darf hängt letztendlich auch zu einem nicht unwesentlichen Teil vom Geschmack des Zuständigen ab. Sollte das Ding ein Einzeldenkmal werden, dürften größere Veränderungen schwerer werden, als wenn es nur als Teil des Ensembles als eines gilt, weil dann auch das Innenleben unter Umständen mit unter Schutz steht.

  • Ich bin dafür den Großteil der DDR Bauten rund um den Alex einfach dem Marktgeschehen zu überlassen.


    Das geschieht ja bereits seit Jahren. Leider mit mäßigen Ergebnissen. Ob das mit größeren Gestaltungsspielraum besser wird wage ich zu bezweifeln. Davon mal ab. Ein Vorteil des Kollhoff-Plans ist m.E., dass sein städtebauliches Raumkonzept auch ohne Hochhäuser funktioniert.


    Echter Berliner

    Es ist eben keine vermeintliche Mehrheitsmeinung - und auch nicht als Totschlagargument gemeint. Ich kann auch nichts dafür, daß die Leute in solchen Fragen überall gleich ticken. Einzig in Architekturforen finden sich Leute, die da anders ticken. Und dort sind sie auch tendenziell in der Minderheit.


    Ich glaube du hast das Sprichwort mit den Fliegen nicht ganz verstanden ;)

  • Gut geschrieben. Die vermeintliche Mehrheitsmeinung ist mir eines der liebsten Totschlagargumente. Getreu dem Sprichwort: Millionen Fliegen können nicht irren... ;) .


    Zunächst einmal habe ich nicht behauptet, dass die Mehrheit der Berliner, Touristen, Eichhörnchen und wer auch immer die Gebäude mehrheitlich hässlich findet. Ich habe geschrieben, sie hätten ein ästhetisches Bewusstsein. Und dass das nicht variiert wie Schneeflocken, sondern in einzelnen Kulturkreisen auf verschiedenen, reproduzierbaren Vorstellungen davon basiert wie etwas sein sollte, sieht man doch sobald einem mehr oder weniger zufällig ein Playboy in die Hände fällt.


    Dass ich am Alex für Differenzierung bin und bspw. den Erhalt des HDRs befürworte, habe ich ja schon geäußert. Der Gestaltungswille sagt mir nicht zu aber ist klar erkennbar. Aber die TLG-Platten? Wo ist da im Vergleich der Gestaltungswille? Ich muss sagen, dass ich da im Stadtzentrum von Chemnitz aus der selben Zeit vieles geboten bekomme wogegen dieser Riegel alt wie Omas Schlüpper aussieht. Das meine ich mit Ästhetik, die die Leute erkennen.

  • Aber die TLG-Platten?


    [Klugscheissmodus an]...sind keine Platten sondern eine Stahlskelett-Konstruktion.[/Klugscheissmodus aus]


    Das große Problem des TLG-Riegels aka HdE ist m.E. weniger die Fassade als schlichtweg die überdimensionierte Breite des Baukörpers die einer vernünftigen städtebaulichen Raumgliederung entegegensteht und eher wie eine Barriere wirkt.

  • ^Der Mann hat's erkannt. Das hat ja selbst Th. Flierl von den Kommunisten - bis dato stets für eine DDR-Apologie gut - gefordert.


    Entscheidend wird sein, was dann kommt. Wie Nahlbach oder Collingnon - die großen Blöcke, die schon realisiert worden?

  • es lebe der Plan

    [Klugscheissmodus an]Das große Problem des TLG-Riegels aka HdE ist m.E. weniger die Fassade als schlichtweg die überdimensionierte Breite des Baukörpers die einer vernünftigen städtebaulichen Raumgliederung entegegensteht und eher wie eine Barriere wirkt.


    Deswegen wäre ein Denkmalschutz für diesen Riegel eine mittelschwere Katastrophe, da sich der Platz nicht mehr weiter entwickeln könnte. Er würde im Vergleich zu mit ihm in Konkurrenz stehenden Plätzen in anderen Großstädten immer weiter zurückfallen und hätte kaum Chancen an Raumgefühl und Aufenthaltsqualität zu gewinnen.


    Auch mir ist klar, dass sich auf dem Alex in den nächsten 5 Jahren keine 10 Hochhäuser verwirklichen lassen, aber eine Vision zuhaben ist meines Erachtens besser als sich einfach den Realitäten zu ergeben. Ohne Vision laufen wir kopflos und desillusioniert.



    Ich halte die Kolhoff Vision für gut aus folgenden drei Gründen auch wenn er etwas angepasst werden muss.


    1.Ich habe mir gestern das Bild des Empire State Buildings von oben angeschaut und es ist von Ruhrpottbetonklötzen umgeben. Bei der Hochhausgestaltung sollte man zumindest bei ein paar Gebäuden auf Art Deco zurückgreifen, um der Skyline etwas unverwechselbares und graziles zu verleihen.


    2. Hochhäuser werden nie gebaut, weil sie sinnvoll sind sondern immer weil sie einen psychologischen Effekt erfüllen sollen. Dies ist ein Zentrum der Macht, hier passiert was, hier kann etwas aus einem werden. Dieser Effekt entsteht aber nur, wenn im Cluster gebaut wird. Die Hochhausentwicklung in München und Hamburg einzelne Ausrufezeichen in den städtebaulichen Kontext zu setzen, kann ich dementsprechend nicht nachvollziehen. Die dort gebauten Hochhäuser wirken deplatziert.


    3. In Städten wie Dresden mit wunderschöner Skyline wird deutlich, dass die Bewohner einer Stadt dazu bereit über die ein oder andere Platte oder Industriebrache hinweg zu gucken, wenn der Blick auf eine schöne Skyline fällt.