Fellini-Residences [realisiert]

  • Zum Bau selbst: Nicht schlecht, aber ich musste mich bei den ersten Blicken dran gewöhnen. Bei solchen Bauformen erwarte ich instinktiv eine feinere Gestaltung der Steinfassade, keine glatten Sandsteinquader. Auch etwas seltsam wirkt auf mich auf den ersten Blick der abgerundete Dachaufbau und 45°-Ecken sind in dieser Breite auch nicht unbedingt meins. Meinem Empfinden nach sind diese 45°-Ecken zu breit ausgeführt, etwas schmaler wäre es eleganter gewesen, kann aber auch durch den umlaufenden Balkon im Obergeschoss so wirken.


    Insgesamt wirkt der Bau noch etwas nackt, abschließende Bewertungen machen daher wohl erst Sinn, wenn dort die Bewohner eingezogen sind und die Balkone und Fenster entsprechend eingerichtet sind.


    Zum Baustil: Der Bau ist ganz eindeutig der heutigen Zeit zuzuordnen und stellt eine etwas feinere Abwandlung des typischen heutigen Stils dar. Bei genauerem Hinschauen erkennt man diese Merkmale des heutigen Bauens sehr gut wieder, denn der Bau ist in sich von recht reduzierter Formensprache und schafft es durch geschickte Zitate an traditionelle Bauformen einen Hauch von Andersartigkeit und Gehobenheit zu verbreiten.


    Man kann wirklich sagen, dass sich hier eine Art "Berliner Stil" wiederfindet, der bereits in vielen Neubauten der letzten Jahre (vor allem mehrgeschossige Wohngebäude) verwirklicht wurde: Strenge Geometrie, modern reduzierte Gestaltung, aufgelockert durch klassizistische Stilelemente und größtenteils hochwertige Baumartialien. Meiner Meinung nach vor allem inspiriert durch den Neoklassizismus, also inzwischen eine Art Neo(Neo?)Neoklassizismus. Wie dem auch sei. :lach:

  • Persius kann ich da nur zustimmen. Nicht zuletzt wäre es einer Stadt wie Berlin absolut unwürdig, wenn die dortige Architekturszene nicht in der Lage wäre, etwas anderes als die immer gleichen Strukturen der monolithischen Kuben mit senkrecht stehenden Rasterfenstern hervorzubringen. Oder noch wichtiger: Als gleichberechtigt zu akzeptieren. Dazu muss man sich schließlich ersteinmal positionieren, bevor man über die Assoziationen philosophiert, die ein (solches) Gebäude weckt, und wie man dieses dann bewerten will.

  • Die Raumhöhen liegen bei ca. 3m. Also durchaus großzügig für einen Neubau.


    Mal abgesehen von den versetzten Balkonen und dem grauenvollen Farbübergang zum Dachgeschoss kann ich mit dem Ergebnis gut leben. Ein bisschen mehr Patina wär auch nicht schlecht :lach:


    das ist doch vollkommend ausreichend, mehr als 3m sind nicht nötig, sofern es sich nicht um Loftwohnräume handelt. Da kann man sich gar nicht beschweren. Dann sind auch die Fenster wahrscheinlich 3m, die deckenhoch sind. Es passt einfach. Also, je größer die Fläche ist, desto höher sollten die Decken und Fenster sein. Mich erinnert das Gebäude auch sehr stark an Städte wie Paris und Co...Bis auf paar Schönheitsfehler, super Ergenis.

  • Klar, es ist „schön“ im Sinne des Dekors, aber es ist eben nicht konsequent.


    Tut mir leid, diese Begründung ist mir entschieden zu "lustfeindlich".


    Schönheit und Nutzbarkeit gleichermaßen zu maximieren, das ist für mich die Kunst der Architektur. Das was in der Breite als "moderne" Architektur dargestellt wird ist für mich insofern eigentlich gar keine Architektur mehr, sondern Nutzfläche, zusammengestellt aus 0815 Fertigelementen aus dem Katalog. Das kann ein begabter Bauingenieur genauso. Wozu dann überhaupt noch die uralte "Zunft" der Architekten? Wenn ich an bekannte Gebäude wie die Oper von Sydney oder das Guggenheim geben würde, da ist ohne hergebrachte Gestaltungselemente und Dekor ein klarer Gestaltungswille erkennbar, dann ist das für mich auch Architektur - also versteh mich nicht falsch, ich lehne nicht alles ohne "Stuck" kategorisch ab. Aber ich finde einfach dass vieles was als "Architektur" bezeichnet wird, diesen Namen gar nicht verdient. Hier hat sich ein Architekt wirklich Gedanken gemacht, hat den Spagat zwischen den Gesetzen des Immomarkts (maximale Nutzfläche pro Euro, möglichst niedrige Erstehungskosten) und den Bedürfnissen und Vorlieben der Menschen (höhere Räume, detailierteres Dekor) meine ich gut geschafft und ist dabei auch noch etwas auf lokale berliner Baustile früherer Tage eingegangen, hat also einen Aknüpfungspunkt geschaffen und hat nicht einfach nur ein autistisches "Ufo" platziert was sich nicht um die Umgebung schert. "Wenn es Auftraggeber in Stadt X nicht nimmt, dann verkaufe ich den Entwurf eben an Auftraggeber Y auf der anderen Seite der Welt" - diese "Seelenlosigkeit" vieler Entwürfe stört mich besonders.


    Dieser Entwurf scheint mir maßgeschneidert nach Berlin zu passen, es ist klarer Gestaltungswille erkennbar, das Aussehen ist gefällig und ich kenne die verwendeten Materialien nicht aber ich denke, dass das Gebäude würdig und mit der vielgeliebten "Patina" wird altern können, ganz anders also als die Sichtbeton-Glasfronten Gebäude die nach spätestens 30 Jahren marode und unansehnlich sind. Auch im Sinne "anderer Zeiten" als in den 70ern und 80ern, Rohstoffknappheit, Nachhaltigkeit etc., finde ich dass wir von der kurzlebigen "Wegwerfarchitektur" unbedingt wegkommen müssen. Wenn das bedeutet auf hergebrachtere Formen (z.B. Schrägdach statt die dauernd leckenden Flachdächer) und langlebige Materialien (Ziegelbauweise statt Stahlbeton) die auch umweltverträglich sind (Naturstoffdämmung statt Styropor) zurückgreifen zu müssen, dann ist das im Übrigen schon ein gewichtiges Argument für sich. Das wird mir viel zu wenig diskutiert. Auf eine gespenstisch anachronistische Weise ist die deutsche Architekturszene meiner Meinung nach aus der Zeit gefallen. Immer noch in bonbonbunte, "cleane", Computervisualisierungen verliebt und greift ohne Zögern auf die ganze Palette an Bauchemie zurück die zur Verfügung steht, schon in der Ausbildung (habe ich mir sagen lassen) lernt man Gebäude nur noch auf eine fest vom Auftraggeber definierte "Nutzungsdauer" hin zu planen. Die "geplante Obsoleszenz" in Glas und Stein. Nicht sehr "konsequent", angesichts der zukünftigen Herausforderungen, oder?

  • Ich habe es mit gestern mal angeschaut und fand vor allem die seitl. Fassaden gut. Die Sonne stand gerade so, dass sie diese schön abgestrahlt hat und die Farbe wirkte richtig warm. Kam mir auch so vor, als würde die Farbe reflektiert. Der Innenhof war allerdings etwas enttäuschend. Diese abgerundeten Balkone aus einem anderen Material passen nicht. Bin mal auf die noch unvollendete Pergola gespannt. Wenn die noch begrünt wird, macht das sicher noch mehr her.

  • Auch der Hof und die Mauer samt Pergola zur Kommandantenstraße hin sind jetzt so gut wie fertig. Es handelt sich um angestrichene Betonelemente:




    Ein Blick in den Hof von der Alten Jakobstraße aus:


  • Mit der Mischung aus Rechteckfenstern und Rundbögen kann ich mich nicht anfreunden. Das Treppenhaus (?) mit den kleinen Rundbogenfenstern wirkt auf mich wie ein Fremdkörper im Gebäude.

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  • Wer zum Beginn des Threads zurückgeht wird meinen Ausspruch finden und an dieser Stelle sei er wiederholt: Scheußlicher Russenkitsch.

  • Wenn wir schon bei Vergleichen sind - mich erinnert besonders der U-förmige Hof zur Kommandantenstraße an Hotelanlagen oder Ressorts in Marbella oder der türkischen Riviera...


    Während ich mit den "Außenflügeln" trotz diverser Mängel leben kann, da sie einigermaßen "klassisch" gestaltet sind, ist die Fassade zum vorne offenen Hof irgendwie missraten. Sieht zu künstlich-verspielt aus, halb Disneyland, halb Nuttenbrosche (sorry) - wie eine Kulisse für einen kitschigen Märchenfilm. Naja, es ist ja keine hochexponierte Lage und wer's mag... die ersten Bewohner sind ja schon eingezogen.

  • Ja, der Hof ist zu voll für seine Fläche/zu klein für so viel "Inhalt". Vor allem die Balkone in der Ecke hätte man sich sparen sollen. Vom Lichteinfall her sehe ich auch keinen wirklichen praktische Sinn in diesen großen Balkonen. Der Hof ist so eng und die hälte der Balkons zeigt nach Norden. Zum Sonnen also insgesamt ungeeignet.


    Das unterschiedliche Material ist auch nicht das Wahre. Die Pergola hätte man filigraner gestalten können/sollen/müssen. Vielleicht sogar komplett/weitgehend aus Holz. Naja, vielleicht wird ja neben der Pergola noch das eine oder andere noch mit Efeu überwuchert. Alles in allem eher enttäuschend.

  • Wer zum Beginn des Threads zurückgeht wird meinen Ausspruch finden und an dieser Stelle sei er wiederholt: Scheußlicher Russenkitsch.


    Ich bin mir recht sicher, was du damit ausdrücken möchtest und in der Sache stimme ich dir zu. Trotzdem empfinde ich deine Formulierung doch als etwas chauvinistisch. Wie das Gebäude beweist, kann ja auch in Deutschland kitschig gebaut werden.


    Backsteins Hinweis auf Touristen-Ressorts finde ich da treffender. Diese ganze Anlage wirkt einfach völlig beliebig und könnte überall stehen. Das Aufgreifen traditioneller Bauformen halte ich grundsätzlich ja für begrüßenswert, nur sollte dann auch ein historischer Bezug zu dem Ort hergestellt werden können, an dem ein Gebäude errichtet wird. Das ist hier nicht gegeben. Das Ding passt so gut zu Berlin wie toskanische Villen in die norddeutsche Tiefebene.

  • Positiv finde ich zumindest den Gestaltungswillen. Ein abschließendes Urteil kann ich mir nicht anhand von Fotos bilden. Es kommt für mich ganz entscheidend auf Ausführung und Materialwahl an. So sehr interessiert mich ein einzelnes Wohnbauprojekt nun auch nicht, dass ich dafür durch halb Berlin fahren würde. Mich würde eine Beurteilung von Materialwahl und Ausführung durch "Augenzeugen" interessieren.

  • Ich bin mir recht sicher, was du damit ausdrücken möchtest und in der Sache stimme ich dir zu. Trotzdem empfinde ich deine Formulierung doch als etwas chauvinistisch. Wie das Gebäude beweist, kann ja auch in Deutschland kitschig gebaut werden.


    Was soll an der Formulierung "Russenkitsch" chauvinitisch sein? Russen neigen nun mal zu Kitsch. Ist deren Eigenschaft ihren Wohlstand zu zeigen. Oft durch Kitsch :)
    Sie trifft den Nagel auf den Kopf wie Backsteins Vergleich mit einer Hotelanlage.


    Mir kam sofort der Gedanke an eine Themenlandschaft eines Einkaufszentrums in den Kopf "Shoppen unter den Pappmaschee Fassaden einer nie dagewesenen Toskana"

  • Kitsch? Mag sein! Hof zu klein? Joa, mag auch sein.
    Aber dennoch finde ich dieses Gebäude bei Weitem nicht so scheußlich wie es hier von den meisten verrissen wird.


    Es hat viel Fensterfläche, ich empfinde (zumindest auf den Fotos) die Farbwahl als recht ansehnlich und gelungen und gerade wegen der vielen Rundungen finde ich es interessanter als viele andere Neubauprojekte, die Profitmaximierung durch Quaderanordnung betreiben.


    Die Kritik am zu kleinen Innenhof kann ich nachvollziehen. Vielleicht liegt hier das eigentliche Problem. Ich würde sogar so weit gehen zu behaupten, dass die Fellini-Residences als positiv wahrgenommen werden würden, wenn aufgrund eines größeren Hofes die vorhandenen Gestaltungselemente am Haus "besser verteilt" wären und der Kitsch-Eindruck somit abgeschwächt würde.


    Ich finde hier liegen Licht und Schatten nahe beieinander, aber nicht alles ist schlecht.


    Der Bitte um Einschätzung der Materialwahl schließe ich mich an :)

  • Ich finde das Ergebnis nicht so schlimm. Die Abschluß Balustrade, die Pergola und die Treppenhaustürme sagen mir überhaupt nicht zu, ansonsten stellt dieses Ensemble m.E. durchaus eine Bereicherung dar. Die Lage halte ich für das größte Problem dieser auf Luxus getrimmten Häuserzeile.



    Diese ganze Anlage wirkt einfach völlig beliebig und könnte überall stehen.


    ... stimmt aber das trifft auf fast alles Gebaute zu. Auch Gründerzeit und Jugendstilbauten sind in den einzelnen Regionen sehr ähnlich bis identisch.
    Ich denke solche Anlagen wie die Fellini Residences wird es so ähnlich auch in anderen deutschen Städten geben.


    Das Aufgreifen traditioneller Bauformen halte ich grundsätzlich ja für begrüßenswert, nur sollte dann auch ein historischer Bezug zu dem Ort hergestellt werden können, an dem ein Gebäude errichtet wird.


    ..das ist IMHO zu viel verlangt und wird auch seit Generationen anders gehandhabt. Schon reiche Fabrikbesitzer bauten sich im 19.Jh. Villen im Toskana oder Tudor Stil ohne örtlichen Bezug.

  • Verstehe diesen Vorwurf, dass das Haus ja überall stehen könnte, nicht gaaanz (aber etwas). Dass dieser Stil nicht grad indigen ist, mag durchaus sein. Andererseits erinnert mich z.B. an das Haus Witzleben. Wäre also auch nicht das erste Haus dieser Art. Und F-W IV. hat Potsdam auch mit italo-römisch-mediterranen Bauten zugebaut.


    Alles könnte überall stehen. Das haben Stile eben so an sich, dass sie nicht nur hier, sondern auch dort und dort zu finden sind. Mal ist das Gebiet eben weiter gefasst, mal kleiner. Den Barock gabs ja auch nicht nur in Versailles, den Jugendstil nicht nur in Wien, das Bauhaus nicht nur in Weimar und Dessau und gläserne Hochhäuser auch nicht nur in Shanghai. Und regionale Unterschiede gibts ja doch immer mal. Ist dann eher eine Frage der Entstehungsszeit, als des Standortes.


    Hier liegts dann am unmittelbaren Standort, als daran, obs nun besser ans Mittelmeer passt. Die Nachbarbauten sind ja schließlich in Form und Farbe eher schlicht gehalten. Am Lietzensee würde es weniger auffallen. Dass die Proportionen nicht ganz passen, ist ja ne ganz andere Geschichte.

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  • Es hat viel Fensterfläche, ich empfinde (zumindest auf den Fotos) die Farbwahl als recht ansehnlich und gelungen und gerade wegen der vielen Rundungen finde ich es interessanter als viele andere Neubauprojekte, die Profitmaximierung durch Quaderanordnung betreiben.


    Naja, bzgl. der Rundungen. Es ist ja nur das Staffelgeschoss schön gerundet. Wenn die übrigen Geschosse auch so aussähen würde es mir vermutlich gut gefallen. Die großen Fenster im Innenhof sind aber in jedem Fall positiv das sehe ich auch so.