Nikolaiviertel

  • Wenn die DDR ein ästhetisch ausgewogenes, hochqualitatives Altstadtviertel errichtet hätte wäre das schon längst als "Fake" und "Disneyland" abgerissen worden, weil dieser Lösung das Erhaltungsinteresse abgesprochen worden wäre.


    So ein Unfug.

  • Wieso bitte "Unfug"? Diese Argumentation wird doch jeder zeitgenössichen Rekonstruktion oder Alt-Neu-Kollage von der Denkmalpflege in Berlin vorgeworfen und diesen Projekten ihre Existenz abgesprochen. Warum hätte das im Falle eines ästhetisch einheitlichen Nikolaiviertels durch eine wirtschaftliche potente DDR anders gewesen sein? Es spricht doch nichts dafür.

  • Wieso bitte "Unfug"?


    So eine hohle Argumentation hört man selten. :nono:
    Die Zeit der sogenannten "Flächensanierung" war nach der Wende schon längst vorüber, es wurden generell keine großflächigen Abrisse ganzer Stadtviertel mehr vollzogen, außer vielleicht bei einigen Plattenbauvierteln am Stadtrand.
    Außerdem weißt du ganz genau, dass die "Disneyland"-Kritik nicht nur ein eher neues Phänomen ist, sondern soweit mir bekannt ist auch noch nie zu einem Abriss eines vorher wiederaufgebauten Gebäudes geführt hat.


    Ich kann ja verstehen wenn man das Nikolaiviertel nicht schön findet, aber trotzdem muss man nicht solchen, Entschuldigung, Blödsinn von sich geben, um auf einen vermeintlichen Buhmann einzuhacken, nur weil das Viertel unter Schutz gestellt wurde.

  • Danke, Gammelfisch!


    @ Konstantin: Du hast behauptet, es würde das Nikolaiviertel nicht mehr geben, wenn es als Vollreko-Viertel gebaut worden wäre. Das ist natürlich Unfug, denn ein solches Viertel wäre heute ein noch viel größerer Touri-Magnet als das reale – Denkmalschutz hin oder her. Zwischen nicht denkmalwürdig und Abriss liegen doch Welten. Nenne mir bitte mal ein einziges, in den letzten Jahrzehnten rekonstruiertes Gebäude(-Ensemble), das mangels Denkmalschutz – oder gar auf Veranlassung des Denkmalschutzes – abgerissen worden wäre. Außerdem gibt es im Nikolaiviertel sehr wohl "echte" Rekos, die, wie das Ephraim-Palais, bereits unter Denkmalschutz standen, oder wie die Bürgerhäuser und die Gerichtslaube jetzt unter Denkmalschutz stehen. Das weißt Du eigentlich viel besser als ich, aber Du hast es um der dramatischen Zuspitzung willen "vergessen".


    Es ist eine Sache, die Politik des Berliner Denkmalschutzes zu kritisieren. Eine andere Sache ist es, mit Unterstellungen zu arbeiten. Und Deine Behauptung, der Denkmalschutz hätte ein in Deinem Sinne gelungenes Nikolaiviertel abreißen lassen, ist nichts als eine Unterstellung.

  • Ich werde mir diese würdigenden Worte zu Herzen nehmen und bei geeigneter Gelegenheit wieder anbringen, wenn der Wert von Rekonstruktion angezweifelt wird. In der Konsequenz müsste dann als nächstes die Kommandantur unter Denkmalschutz kommen.

  • Das ist schon wieder Unfug. Was hat denn mein Argument, dass fehlender Denkmalschutz bei Rekos nicht zu deren Abriss führt, mit der Kommandantur zu tun? Die behauptete "Konsequenz" folgt nicht aus dem, was ich geschrieben habe.

  • Du musst nicht alles auf Dich beziehen, Archtektenkind, ich bezog es auf alles Vorgesagte. Aber es freut mich ja zu lesen, dass auch Du die Kommandantur nicht abreißen willst und überhaupt keinen Fall von Rekonstruktionsreue kennst. Das heisst ja, dass die Befürworter solcher auf dem richtigen Wege sind.


    Das ändert jedoch nichts daran, dass ich zumindeste persönlich genug abrißwütige Denkmalpfleger kenne. Aber angesichts der sehr hypothetischen Aussage meinerseits zum Nikolaiviertel wird wohl der Beweis nicht zu erbringen sein.


    Nichtsdestotrotz halte ich den Denkmalschutz für die Notdurft-Platten, die zwar den ökonischen Mangelzustand und das Wirken der Zeitströmung "Postmoderne" in der DDR illustrieren jedoch auch meiner Sicht in ihrer Erhaltung nicht im öff. Interesse liegen, für falsch. Streng rechtlich stehen jetzt die Edelstadt-Holz-Müllplätze der WBM und das nach 1990 verlegte fiese H-Verbundsteinpflaster auch unter Schutz. Sehen wir mal, wie sich das entwickelt - die Uferpromenade wird bald neu gemacht werden müssen. Städtebaulich gesehen, dies sei noch angemerkt, halte ich das Nikolaiviertel für gelungen. Die Änderungen gegenüber des historischen Stadtgrundrisses sind hier sensibel und überlegt ausgeführt. Besonders mag ich die netten Sichten in der neuen Straße "Zum Nußbaum".



  • Die Blickachse gefällt mir hier auch, gleichzeitig wird Konstantins Begriff der "Notdurftplatte" hier mehr als ersichtlich. Die Fassaden versprühen alles aber sicher keinen Altstadtcharme. Und das Eckhaus endet mit einem Arkadenbogen der nicht zur Architektur des darüber befindlichen Gebäudes passt, welches zudem noch mit einem Flachdach abschließt...


    Die DDR Architekten verwendeten doch schon in den 70 er Jahren z.B. in Rostock, wesentlich bessere historisierende Platten, die z,B. auch Ziegelbauten ergänzten.


    In der Zukunft wird es halt wesentlich darauf ankommen, in wie weit das Viertel mit umliegenden Vierteln verknüpft werden kann und ob durch eine entsprechend zu erstellende Infrastruktur hier auch ein Kiezleben entstehen kann. Tourismus ist ja in Maßen OK (und tatsächlich sitzt man im Biergarten der Gerichtslaube im Sommer ganz angenehm...), aber ursprünglich konnte man im ehemaligen "echten" Nikolaiviertel alles für den täglichen Bedarf vor Ort erhalten,das ist in diesem "Nachbau" aber kaum möglich!

  • Die Sache mit der Verknüpfung und den Nachbarvierteln ist aber verzwickt:


    1. Nach Westen ist die Spree.
    2. Nach Norden die Öde des MEF.
    3. Nach Osten das Rote Rathaus (seeehr hipp). Hier hatte ja Stahn als Architekt des Nikolaiviertels eine Verbindung vorgesehen - wollte man aber schon zu DDR-Tagen nicht.
    4. Nach Süden liegt der 6spurige Mühlendamm.


    Deshalb hatte sich Bausenator Strieder schon seinerzeit für eine Erweiterung des NV auf das MEF (mit Marx und Engels im Vorgarten) ausgesprochen. Schon damals hiess es: das Nikolaiviertel ist zu klein, um zu funktionieren. Daran hat sich bis heute nichts geändert.

  • Die Spree war aber doch schon vor 200 Jahren die naturgegebene Grenze, die teilweise Bebauung des MEF ist keine gute Lösung, dort ergibt sich keine weiterführende Kiezatmosphäre und Wohnqualität.


    Der Mühlendamm muss rückgebaut werden oder sogar unter die Erde ( ich weiß, das ist utopisch aus X Gründen...) Nur so liesse sich aber das Nikolaiviertel und das Klosterviertel z. B. vereinen und zu einem echten zentralen Kiez werden.


    Solange diese Verkehrsschneise existiert, wird man die gesamte Umgebung als zusammenhängende Viertel nicht entwickeln können, was aber m. M. n. sinnvoller wäre als einen Streifen des MEF zu bebauen...

  • Die Fassaden versprühen alles aber sicher keinen Altstadtcharme. Und das Eckhaus endet mit einem Arkadenbogen der nicht zur Architektur des darüber befindlichen Gebäudes passt, welches zudem noch mit einem Flachdach abschließt...


    Du magst recht haben. Dennoch wiederhole ich mich, daß die geschmacklichen Verirrungen der damaligen Zeit das Viertel zu etwas Besonderem machen.


    TwistedRoad, du musst das so sehen:
    Gerade wegen dieser ästhetischen Unzulänglichkeiten hat das Nikolaiviertel ein (internationales) Alleinstellungsmerkmal. Sowas gibt's in anderen Ländern einfach nicht. Z.B. in Italien wäre ein solches Nikolaiviertel niemals gebaut worden. Denn die Italiener haben Sinn für schöne Architektur. :)

  • Solange diese Verkehrsschneise existiert, wird man die gesamte Umgebung als zusammenhängende Viertel nicht entwickeln können.


    Richtig. Deshalb wird zwar viel diskutiert und gebaut werden aber sich das Grundproblem nicht lösen lassen.


  • Der Mühlendamm muss rückgebaut werden .... Nur so liesse sich aber das Nikolaiviertel und das Klosterviertel z. B. vereinen und zu einem echten zentralen Kiez werden. ...
    Solange diese Verkehrsschneise existiert, wird man die gesamte Umgebung als zusammenhängende Viertel nicht entwickeln können...


    Da ist schon was dran! Ich finde aber, dass das Hauptproblem die bisherigen zu überbrückenden Entfernungen sind, die aus dem Viertel eine Insel machen.


    Das liegt vor Allem an den Baustellen nördlich und an der Brache südlich davon (der Mühlendamm alleine ist nur das halbe Problem, jenseits davon ist auch noch nicht wirklich was los).


    Sobald das Schloss und die U-Bahn fertig sind wird sich auch einiges für das Nikolaiviertel ändern. Der Fußgängerverkehr wird nicht mehr nur nördlich davon bleiben sondern auch nach Süden bis zum Nikolaiviertel gelangen.
    Möglicherweise wird dann dort, trotz Denkmalschutz, mehr investiert. Weniger in Neubauten aber vielleicht in denkmalgerechte Renovierungen und Ergänzungen.


    Wenn dann schließlich der Mühlendamm umgestaltet ist und seine Südseite bebaut ist, wird der steigende Fußgängerverkehr von / bis dort auch durch das Nikolaiviertel ziehen.
    Die Breite des Mühlendamms wird dann nicht mehr das Problem sein. Wichtiger ist doch, dass es Gründe gibt ihn zu überqueren, die bislang fehlen.

  • Der U-Bahnhof ist am Roten Rathaus und die Leite werden eher zum Fernsehturm und zum Alex ziehen - das Nikolaiviertel wird von der neuen Verbindung keine Wunder erwarten können. Wirtschaftlich bleibt es einfach zu klein.


    Südlich des Mühlendamms wird auch nicht neu gebaut. Da soll nun seit 15 Jahren die Reichsmünze wieder belegt werden - vielleicht einigen sich sich die Beteiligten irgendwann man auf ein Konzept. Damit käme etwas Leben in die Bude.


    Alles in allem aber bleibt es dabei: der Durchgangsverkehr muss aus dem Stadtkern raus, wie in jeder europäischen Stadt. Sonst wird das nichts. Man sieht es ja rund um den Petriplatz: die Schneise verhindert jedes Leben, trotz Bebauung.

  • Das sehe ich auch so.
    Ich führe hier gern nochmals Düsseldorf an. Die Stadt legt konsequent den Verkehr unter die Erde und erhält eine geschlossene Innenstadt. Der Rheinufertunnel war teuer aber erhöhte die Attraktivität der Altstadt und Düsseldorf allgemein ungeheuer.


    Es braucht mehr solcher visionären Infrastrukturprojekte in Berlin und mittlerweile kommt auch das Geld dafür rein...

  • Konstantin: Du hast Recht. Meine Ausführungen beziehen sich auf die zukünftige Bebauung am Molkenmarkt. Aber auch daurch sehe ich durchaus positive Effekte für das NV.


    Ich führe hier gern nochmals Düsseldorf an. [...] Der Rheinufertunnel war teuer aber erhöhte die Attraktivität der Altstadt und Düsseldorf allgemein ungeheuer.


    Bezüglich des Düsseldorfer Rheinufertunnels stimme ich Dir voll zu. Ich glaube allerdings nicht, das das mit der Gertraudenstraße und dem Mühlendamm so laufen kann. Dort wird wichtiger, sein das ÖPNV Angebot (wie geplant) auszubauen und den MIV (wie geplant) unatraktiver zu machen.


  • Beim Nikolaiviertel finde ich die Raumaufteilung an sich sehr angenehm, man schlendert gerne durch und ist schlagartig in einem ganz anderen städtebaulichen Raum unterwegs, der wesentlich dichter ist, als die Umgebung. Zwar sind die Billigspelunken und Touristenfallen dort nicht gerade einladend, aber das hat mit der Wirkung des Ensembles nicht so viel gemein, aus meiner Sicht. Insofern funktioniert das Viertel ziemlich gut und ich bin ein starker Befürworter einer teilweisen Bebauung des heutigen Karl-Marx-Platzes, die ähnliches schafft und ein bauliches Bindeglied zwischen dem Radisson und Nikolaiviertel darstellt.


    Ich kann diese Ansicht nur teilen. Eine ähnliche Bebauung des Marx-Engels-Forums (d. h. der Fläche von der Spree bis zur Spandauer Straße) wäre nicht nur ein städtebauliches Bindeglied zwischen DomAquarée und Nikolaiviertel, sondern auch zwischen Rathausforum und Schlossplatz. Die fehlende Bebauung hinter dem Schloss fällt schon heute negativ ins Auge, besonders wenn man sich dem Bau von Unter den Linden aus nähert.

  • ... Die fehlende Bebauung hinter dem Schloss fällt schon heute negativ ins Auge, besonders wenn man sich dem Bau von Unter den Linden aus nähert.


    ... das kann ja nun garnicht sein, denn wenn man sich von Unter den Linden her nähert sieht man nur das wunderschöne neue Schloß rechts, den Turm der Marienkirche in der Mitte und den Dom links. Einen besseren Anblick kann man sich wahrlich nur schlecht vorstellen. :cool:

  • Die Marienkirche und den Dom in seiner ganzen Pracht sieht man erst ab Höhe der Schlossbrücke. Ab Höhe der Staatsoper dagegen tritt genau der Effekt ein, den ich oben beschrieben habe.

  • ^ was stört dich denn nur am Grün der Bäume auf dem MEF, dass man vielleicht erspähen könnte?
    wahrscheinlich ein Phantomschmerz.