^ Also ich würde deine Skepsis - oder ist es gar Pessimismus? - nicht teilen. Ich denke in der Rückschau zeigt sich, dass die Verhältnisse doch etwas komplizierter waren.
In der ersten Hälfte der 80er Jahre war der Einwohnerstand auf ein Nachkriegstief gesunken, seit der Volkszählung 1963 um fast 100.000 gesunken (von 693.000 auf rd. 600.000 im Jahr 1982/83); gleichzeitig war der Schuldenstand von 840 Millionen Euro (1977) auf 2,25 Milliarden (1989) gewachsen, bis 1993 stieg sie auf einen Höchststand von 3,4 Milliarden. Frankfurt hatte damit zeitweise die höchste Pro-Kopf-Verschuldung unter den großen Städten. Deshalb waren die Spielräume in den ausgehenden 80er und beginnenden 90er Jahren äußerst begrenzt.
Hinzu kamen die Auswirkungen der großen Verwerfungen durch Wiederverinigung und Ende des Kalten Krieges. Nach der Klärung der Hauptstadtfrage, war ja lange unklar, was das eigentlich für die westdeutschen Großstädte langfristig bedeuten würde. Klar war nur, dass die Fördertöpfe für Stadtsanierung, einfache Stadterneuerung, die GVFG-Förderung quasi über Nacht ausgesetzt und die Mittel in den Osten umgeleitet wurden und ab Mitte der 90er Jahre absolut sanken.
Parallel lief das, was wir gemeinhin als Strukturwandel bezeichnen, d.h. Abbau der industriellen Arbeitsplätze, Produktionsverlagerung und und und, mit allem, was das für die Stadtplanung bedeutete. Als Glücksfall erwies sich dann immerhin der Abzug der US-Streitkräfte, mit allem, was das für die Stadtplanung bedeutete. Parallel wurde erzwungenermaßen die Haushaltskonsolidierung aufs Gleis gesetzt, die Förderalismusreform, Bahn- und Postreform, die sich natürlich auch auf die Gemeinden auswirkten (auf die Stadtplanung, auf die Finanzen).
Angesichts all dessen würde ich die verlorenen Jahre eher in der Zeit nach der Wiedervereinigung verorten. In der Rückschau würde ich aber dazu neigen, mit der Kritik nicht allzu kleinlich zu sein, denn die Frankfurter haben's in der Summe noch ziemlich gut hingekriegt: die Einwohnerzahlen wachsen, der Schuldenstand ist gesunken und besonders durch die Konversion der US-Liegenschaften hat die Stadtentwicklung einen enormen Schub bekommen z.B. Uni-Campus-Westend), zuvor schon waren der Leitplan Wohnen und der City-Leitplan erarbeitet worden, der in den Hochhaus-Rahmenplan mündete. Als Folge der Bahnreform haben wir z.B. das Europa-Viertel.
Man kann angesichts dessen eigentlich nicht sagen, dass der Magistrat untätig war; und ob das, was wir heute staunend zur Kenntnis nehmen (Degussa-Gelände, Altstadt-Revival, Gateway-Garden und was weiß ich) jetzt das Resultat großer Visionen oder spießiges Klein-Klein ist, können wir diskutieren.