Auf den Spuren ehemaliger Dresdner Straßenbahnstrecken

  • Lieber antonstädter ,zu Deinem Bericht zur Plauenschen Grundbahn habe ich eine Frage zum abgebildeten Straßenbahnschild der Linie 3 Wilder Mann-Hainsberg. Ich habe das in dieser Form kürzlich bei ebay erstanden. Ich halte es für ein Replikschild, da es nicht aus Presspappe sondern aus einem stärkeren Material gefertigt ist. Dessenungeachtet ist mir aufgefallen, dass als Endpunkt der Bf Hainsberg angegeben ist. Die weitere Streckenführung zum Rabenauer Grund fehlt. Mir ist nicht bekannt, dass die Strecke vor Einstellung verkürzt befahren wurde, finde im Netz dazu auch nichts. Weißt Du mehr
    fragt mit herzlichen Grüßen aus Duben
    Eckhard

  • Lieber antonstädter,
    ich habe meinen Denkfehler erkannt. Die ehemalige Endhaltestellenbezeichnung "Rabenauer Grund" ist in Freital-Hainsberg umbenannt und der DR-Anschluss (nicht Bf...) ist die Schmalspurbahn neben der Straßenbahn-Wendeschleife.
    Viele Grüße aus Duben
    Eckhard

  • Mit der Conti-Linie von Blasewitz zum Böhmischen Bahnhof (I)

    Ich habe mich dazu entschieden, das Thema der Streckenbegehungen in geänderter Form erneut aufzugreifen. Dabei werden nun die traditionellen Linien der Dresdner Straßenbahn in ihrer Gänze im Mittelpunkt stehen und ich greife vermehrt auf historische Aufnahmen zurück.


    Im folgenden Beitragsstrang widmen wir uns naturgemäß Dresdens erster Straßenbahnlinie von Blasewitz zum Böhmischen Bahnhof, später als Linie 1 bekannt. Trotz diverser Verlängerungen an beiden Streckenenden und einer abweichenden Führung durch die Pirnaische Vorstadt blieb die Linie über ihre gesamte Betriebszeit von 1872 bis zum 13. Februar 1945 nahezu unverändert und bildete so das Rückgrat des historisch gewachsenen Dresdner Straßenbahnnetzes der Vorkriegszeit. Erst 1969 sollte die Liniennummer 1 wieder in Dresden auftauchen, doch das ist eine gänzlich andere Geschichte…



    Als ein gewisser Arnold von Etlinger aus London den Rat der Stadt Dresden ersuchte, eine Pferdeeisenbahn von Plauen über den damals noch am Rande der Stadt gelegenen Böhmischen Bahnhofe, durch die Prager Straße und den Pirnaischen Platz nach Blasewitz errichten zu dürfen, war noch längst nicht klar, ob sich ein solches Unternehmen rechnen würde. Eine Konzession wurde 1871 seitens der vorsichtigen Stadtväter nur unter der Maßgabe erteilt, dass nach einer Dauer von 50 Jahren entweder die Stadt von ihrem exklusiven Vorkaufsrecht Gebrauch machen würde oder aber der Herr Unternehmer, so er denn dann wider Erwarten noch unter den Lebenden weilen sollte, die Anlage auf eigene Kosten abzubrechen hätte. Etlinger machte sich im Angesicht des Frühlings holden belebenden Blicks im März des folgenden Jahres schnurstracks und tatendurstig ans Werk: Das erste Teilstück seines revolutionären Beförderungsmittels konnte nach nur etwa einem halben Jahr Bauzeit am 26. September 1872 bis zum Pirnaischen Platz eröffnet werden und traf umgehend auf die einhellige Begeisterung vor allem der stadtflüchtigen wohlhabenden Ex-Residenzler, die nun die Wege zu ihren neuen Wohnstätten in den Villen auf Blasewitzer Flur viel einfacher und schneller bewältigen konnten als mit dem ollen Pferdeomnibus oder den eher unzuverlässigen Droschken.



    Zeitungsannonce zur Eröffnung des ersten Teilstücks der Strecke bis zum Pirnaischen Platz.


    Man mag sich leicht ausmalen, dass die ohnehin eher skeptischen Ratsherren den Enthusiasmus des werten Publikums in Anbetracht der entschwindenden Steuereinnahmen nur bedingt teilen konnten und weitere Konzessionen vorerst versagten. Seitdem war und blieb es unausgesprochenes Dogma der Dresdner Außenpolitik, Blasewitz und die anderen ähnlich von der Residenz schmarotzenden Umlanddörfer unter die eigene Fuchtel zu bekommen. Nach mehrmaligen vergeblichen Versuchen sollte dies schließlich erst im Jahre 1921 gelingen…


    Die Fortführung der bald als „Conti-Linie“ populären Verbindung zum Böhmischen Bahnhof erfolgte noch Ende des Jahres, nach Plauen aber ging es erst ab März 1873. De facto wurde der Abschnitt Böhmischer Bahnhof – Plauen aber als getrennte Linie betrieben und soll uns daher auch in diesem Beitragsstrang nicht eingehender beschäftigen.



    Schematische Darstellung der Linie um 1880 mit Haltestellen (!). Obwohl es in sämtlichen Veröffentlichungen zur Dresdner Straßenbahn immer heißt, im Pferdebahnbetrieb hätte es keine festen Haltestellen gegeben, komme ich aufgrund der sich verdichtenden Quellenlage immer mehr zu dem Schluss, dass diesem mitnichten so war. Vergrößerung



    Das Dresdner „Nahverkehrsnetz“ im selben Jahr. Die Omnibuslinien des Dresdner Omnibusvereins werden in wenigen Jahren gänzlich zugunsten neuer Pferdebahnstrecken der „Tramways Company“ verschwunden sein…Vergrößerung



    1879 pachtete die englische „Tramways Company of Germany Ltd.“ die Strecke und ließ die bislang grün-weißen Wagen gelb umtünchen. Mit der ab 1880 erfolgenden Eröffnung weiterer Verbindungen erhielt die Linie erstmals auch eine Zielbeschilderung:



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    Im heutigen ersten Teil widmen wir uns dem Ausgangspunkt der Bahn in Blasewitz, das sich 1872 noch fast fünfzig Jahre seiner Eigenständigkeit erfreuen und der Residenz eine lange Nase drehen durfte. Als gelegentliche Vergleichsbilder ziehe ich Fotografien aus früheren Beiträgen heran, denn prinzipiell hat sich in den letzten Jahren an den aufzuzeigenden Situationen nur wenig geändert.


    Unterstellt waren die Decksitzwagen im gleichzeitig mit dem ersten Streckenabschnitt errichteten Straßenbahnhof Neugruna, direkt an der Grenze mit Blasewitz gelegen. Offenbar konnte die Continentale keine Einigung mit der Gemeinde Blasewitz über die Errichtung eines solch schnöden Profanbaus auf deren geweihten Fluren erzielen, waren diese als Spekulationsobjekte für die zahllosen Villen der reichen Städter doch erheblich wertvoller. So kam es, dass man eine recht lange Betriebsstrecke bis zum eigentlichen Endpunkt am Schillerplatz in Kauf nehmen musste. Links ein Decksitzwagen unserer Linie, rechts elektrische Triebwagen der Ende 1893 durch die „Tramways Company“ als zweiter elektrischer Strecke im Dresdner Netz eröffneten Verlängerung nach Laubegast. Das Bild dürfte kurz nach deren Betriebsaufnahme entstanden sein, denn die Triebwagen tragen noch die unübersehbaren Warnschilder am Perron: Wo zum Geier ist das Pferd, mag sich mancher Landbewohner in Tolkewitz und Laubegast kopfkratzend gefragt haben…




    Der Bahnhof nach 1900. Seit 1896 wurde die ehemalige Conti-Linie durchgehend elektrisch betrieben. Die Aufnahme entstand definitiv vor 1906, denn die gelben Wagen der nunmehrigen Dresdner Straßenbahn AG tragen noch keine Liniennummern.




    Bei der Erweiterung des Straßenbahnhofs in den zwanziger Jahren musste der markante Eckturm weichen. Dennoch hat der Kopfbau der alten Halle von 1872 bis heute überlebt und fristet abseits der öffentlichen Wahrnehmung ein stilles Dasein, und das als wohl eines der herausragendsten Denkmäler der Dresdner Verkehrsgeschichte überhaupt.




    Nicht lange diente die neue Stahlbetonhalle als Straßenbahnhof, denn in den dreißiger Jahren bereits wurde die Anlage in Neugruna für den schnell wachsenden städtischen Kraftomnibusbetrieb zum Omnibus-Betriebshof Blasewitz umfunktioniert. Das blieb so bis Anfang der 1990er Jahre. Nach Jahren des Leerstands firmiert in den Gebäuderesten ein Supermarkt.




    Im Eingangsbereich erinnern großformatige Fotos aus dem Bildarchiv der DVB an die einstige Nutzung.




    Wir verabschieden uns vom Straßenbahnhof Neugruna mit diesem Bild aus dem Bestand der Deutschen Fotothek Dresden, wohl um 1910. Man beachte den Straßenzustand!




    Auf dem Weg zum Schillerplatz (hier um 1910 – Deutsche Fotothek Dresden) passieren wir die Loschwitzer Straße. Die Linie 1 übernahm im Jahre 1907 die aus der elektrischen Laubegast-Linie hervorgegangene 27 Blasewitz – Ludwig-Hartmann-Straße und flügelte für die folgenden zwanzig Jahre am Schillerplatz: Ein Zug fuhr nach Loschwitz, der nächste nach Neugruna (Ludwig-Hartmann-Straße). Aus den Fahrten nach Neugruna ging 1928 die 16 als Zwischenlinie zur 1 hervor, bis 1969 legitime Rechtsvorgängerin der heutigen 6.




    Wenden wir uns dem eigentlichen betrieblichen Endpunkt am Schillerplatz zu, den wir in verschiedenen Zeitebenen betrachten wollen. Die Aufnahme von August Kotzsch um 1880 (Deutsche Fotothek) zeigt einen Decksitzwagen der Conti-Linie am Endpunkt, wohl schon im gelben Anstrich der Tramways Company, aber noch ohne Beschilderung. Der Blick geht vom Schillerplatz in die Residenzstraße (heute Loschwitzer Straße). Links über dem Pferdebahnwagen die Einmündung der Striesener Straße (Hüblerstraße), im Hintergrund der spitze Straßenzwickel zwischen heutiger Loschwitzer und Naumannstraße. Rechterhand wurde etwa zehn Jahre später die Rampe zur Loschwitzer Brücke errichtet.




    Etwa dreißig Jahre später hat sich die Szenerie grundlegend gewandelt. Mit Eröffnung der Loschwitzer Elbbrücke 1893 wurde jeder zweite Zug der ehemaligen Conti-Linie bis zum Körnerplatz geführt, wobei sie sich die Gleise mit der kurz vorher über die Naumannstraße am Schillerplatz angekommenen elektrischen Konkurrenzlinie der „roten“ Deutschen Straßenbahngesellschaft teilen musste. Der Zug der Linie 1 auf dem Bild (ab 1906) scheint noch die „gelben“ Originalnummern zu tragen, was eine einigermaßen sichere Eingrenzung der Aufnahme auf das Jahr 1906 ermöglicht. Man beachte die dreigleisige Gleisführung auf dem Schillerplatz: Die „Rote“ legte einfach ihr aus der Naumannstraße kommendes Gleis neben das vorhandene „gelbe“ Doppelgleis, zudem besaß sie in den Anfangsjahren neben der Brückenrampe vor dem Schillergarten einen Endpunkt für die in Blasewitz endenden Wagen. Noch fehlen die Gleise in der nördlichen Hüblerstraße (1926 bis 1951), mit denen die in Höhe Berggartenstraße endende spätere Linie 2 in die Brückenrampe eingebunden wurde.


    Die „rote“ Linie Schloßplatz – Blasewitz – Loschwitz wiederum, Sachsens erste elektrische Straßenbahnlinie überhaupt, erhielt 1906 die Liniennummer 18 und bestand, in teilweise geänderter Linienführung aufgrund diverser Streckenstilllegungen 1922, 1945 und in der Nachkriegszeit, bis 1969. Sie wäre auf jeden Fall noch einmal ein eigenes Kapitel wert…




    Ähnliche Perspektive heute vom Straßenniveau mit dem schön gestalteten Verteilerhäuschen aus den zwanziger Jahren.




    Militärparade mit bereits beschildertem Pferdebahn-Decksitzwagen am Schillerplatz, in Höhe Einmündung Baumschulenstraße (heute Brucknerstraße). Um 1890 hat die gründerzeitliche Bebauung des Platzes bereits eingesetzt und überformt zunehmend den ehemaligen Dorfplatz.




    Heutiges Vergleichsbild.




    Schillerplatz Ecke Residenzstraße (Loschwitzer Straße) mit bereitstehendem Wagen zum Böhmischen Bahnhof, 1880er Jahre. Links ging es damals noch hinunter zur Elbe und zur Fähre nach Loschwitz. Der Brückenbau sollte die Szenerie grundlegend wandeln. (DFD)




    Exakt die gleiche Perspektive gerade einmal ein Jahrzehnt später. Die Klinkerzeile hat die Zerstörungen 1945 glimpflich überstanden, im Gegenteil zur Platzecke gegenüber und zahlreichen Häusern in Loschwitzer- und Hüblerstraße.




    Schillerplatz vor dem Brückenbau (DFD). Am Elbufer sehen wir noch den Vorgängerbau des heutigen Schillergartens. Bis auf wenige Häuschen an der östlichen Platzseite hat keines der Dorfhäuschen die radikale Umgestaltung des alten Dorfplatzes überlebt. Der Gasthof Blasewitz jedoch, das große klassizistische Gebäude mittig zur rechten, hat alle Irrungen und Wirrungen der Zeiten überdauert.




    Schillerplatz um 1900, mit rotem Zug der späteren Linie 18. Bemerkenswert ist der offene Sommerbeiwagen hinter der typisch „roten“ 289 mit ihren vier Segmentbogenfenstern. Bis auf die seit 1985 fehlende Straßenbahn über die Brücke hat sich bis heute wenig an der Szenerie geändert.




    Der Gegenblick um 1880 (August Kotzsch in DFD). Rechts mündet die heutige Hüblerstraße, vor der Eingemeindung Striesener Straße, auf den Schillerplatz. Anstelle des dörflichen Anwesens entstand ein Gründerzeiteckhaus, was allerdings die Zerstörungen nicht überstand. Die jahrzehntelang ungenutzt liegende Brachfläche wurde um die Jahrtausendwende mit dem heutigen Sparkassenblock überbaut, womit sich der Schillerplatz heute wieder rundum in seiner Vorkriegskubatur zeigt.




    Vor dem Brückenbau hieß es jahrhundertelang „Fährmann, hol über!“ Wäre es nach den Loschwitzern, Blasewitzern, Kunsthistorikern und Landschaftsschützern gegangen, wäre die Loschwitz-Blasewitzer Elbbrücke nie errichtet worden. Die damalige Polemik erinnert erstaunlich an die Diskussionen im Vorfeld des Baus einer gewissen anderen neuzeitlichen Dresdner Elbbrücke…
    Das Bild enstand vom Loschwitzer Elbufer unterhalb des Fährgutes, gegenüber sehen wir den alten Schillergarten und dessen Gastgarten, links die Blasewitzer Werft. Ganz rechts am Bildrand sollte sich alsbald die Elbbrücke erheben, und die Ortskerne der beiden Nachbardörfer sollten eine grundlegende großstädtisch anmutende Umgestaltung erfahren. (August Kotzsch, DFD)




    Zurück zur Straßenbahn, diesmal in der Loschwitzer Straße, die bis zur Eingemeindung den Namen Residenzstraße trug. Das Restaurant „Potz Blitz“ erinnert an die Blasewitzer Gastwirtstochter Johanne Justine Renner, geborene Segedin, bekannt als „Gustel von Blasewitz“. Der von 1785 bis 1787 in Loschwitz weilende Friedrich Schiller war ein regelmäßiger Besucher des Lokals und setzte dem Mädchen in seinem „Wallenstein“ ein literarisches Denkmal mit dem Ausruf: „Was? der Blitz! Das ist ja die Gustel aus Blasewitz!“ . Der Volksmund verballhornte die Passage später zu „Potz Blitz!“ – woher die Kaschemme ihren Namen bezog.


    Das hölzerne Restaurant sowie die gesamte Häuserzeile zwischen Karas- und Naumannstraße wurden 1945 ein Raub der Bomben. Aktuell entsteht an gleicher Stelle eine Residenz für betuchte Senioren. (DFD)




    Heute befindet sich hier die zentrale Umsteigestelle am Schillerplatz. Die Häuserzeile ist mittlerweile historisch getreu kleinteilig, aber in angepasst-modernen Formen neu bebaut.




    Bevor wir uns vom Schillerplatz verabschieden noch einige Dokumente zur Conti-Linie. Preise und Fahrpläne der ehemaligen Conti-Linie von 1885 (Übersichtsplan der Dresdner Strassenbahnen, Pässler).




    Beschreibung der nunmehrigen Linie 1 im „Dresdner ABC – Wegweiser durch alle Straßen“ von 1905. Obwohl die Liniennummern erst mit dem Jahresbeginn 1906 offiziell wirksam werden und nach einigen vorherigen Tests als kreisrunde Scheiben auf den Wagendächern erscheinen, sind sie hier bereits ein Jahr vorher in der wirksam werdenden Nummerierung verwendet worden.




    Beenden wir den ersten Teil der Begehung unserer Conti-Linie mit einigen Stadtplanausschnitten. 1875 ist die gerade einmal drei Jahre vorher eröffnete Linie bereits eingezeichnet.




    Schillerplatz auf Meinholds Plan von 1911. Man beachte die sich um Blasewitz herumziehende damalige Stadtgrenze. Seit der Eingemeindung von Gruna 1901 war Blasewitz von der Residenz regelrecht eingekesselt – die Stadt Dresden wartete nur auf eine günstige Gelegenheit zur Zwangseinverleibung des stinkreichen Vorortes, der das höchste Pro-Kopf-Einkommen im gesamten Königreich Sachsen aufwies. Dass dieser Umstand wesentlich auf die massenweise Stadtflucht betuchter Dresdner Bürger zurückzuführen war, sollte an dieser Stelle noch einmal erwähnt werden – das Speckgürtelphänomen ist also keinesfalls eine neuzeitliche Erscheinung. Die Straßenbahnanbindung hat ihren nicht ungewichtigen Teil dazu beigetragen.




    Ausschnitt aus dem Plan zum Adressbuch 1929. Man kann wahrlich nicht behaupten, Blasewitz sei nahverkehrlich unterversorgt gewesen. Ironie der Geschichte: Von sämtlichen auf den Schillerplatz zulaufenden Strecken haben bis heute nur die seit 1872 von der Continental-Pferdeisenbahn befahrenen Abschnitte durch die Loschwitzer und Tolkewitzer Straße überlebt. Dafür aber kann man heute am Schillerplatz in nicht weniger als fünf Omnibuslinien einsteigen.




    Mit den Angriffen am Abend des 13. Februar 1945 schloss sich vorerst das Kapitel der damals sicherlich traditionsreichsten Dresdner Straßenbahnlinie. Eine „1“ sollte es auf völlig anderer Route erst im Jahre 1969 wieder geben. Die Relation Schillerplatz – Stadtzentrum war nach 1945 allein den Linien 2 und 18 vorbehalten, denn die bald wieder eingeführte 16, bis 1945 eine reine Zwischenlinie zur 1 mit weitestgehend identischer Streckenführung, erhielt ab Sachsenallee einen neuen Verlauf über die Elbe in die Neustadt und weiter zum Wilden Mann. Damit dürfte die ab 1969 zur „6“ verstümmelte Linie, die noch heute über den Schillerplatz fährt, die einzige historische Kontinuität mit der Conti-Linie aufweisen, wenngleich man in die Innenstadt selbst heute mit der 2000 kreierten aktuellen Linie 12 gelangt. Doch halt: Zwischen 1990 und 2000 gab es doch tatsächlich für zehn Jahre eine Linie 1, die zwischen Neugruna und Pirnaischer Platz mehr oder weniger der alten Route auf den noch möglichen Wegen folgte. Ob sich die damaligen Planer der Verkehrsbetriebe der historischen Dimension ihrer Entscheidung bewusst waren?




    Linienschild von 1991



    Fortsetzung folgt.

  • Mit der Conti-Linie von Blasewitz zum Böhmischen Bahnhof (II)

    Bevor wir Blasewitz verlassen, möchte ich mit einem weiteren Detailplan beginnen (1911). Er zeigt hervorragend die komplexen Gleisführungen am Schillerplatz, besonders auch den im ersten Teil erwähnten Zwischenendpunkt der „Roten“ vor dem Gasthof neben der Brückenrampe.




    Um 1880 durchquerte die Conti-Linie nach Verlassen des Blasewitzer Ortskern weitgehend Wald und Wiesen, denn die meisten der heutigen Villen wurden erst ab den 1890er Jahren errichtet. Das Blasewitzer Tännicht, ein kleines Waldgebiet, das sich zwischen Blasewitz und der damaligen Stadtgrenze am Königsheimplatz erstreckte, ist aber noch heute in Form des Waldparks und der generell üppigen Begrünung nachvollziehbar. Das gleichnamige Hotel in der Prellerstraße von 1869, das bis Ende des Zweiten Weltkriegs als Sanatorium und Heilstätte diente, ist noch vorhanden.




    Am heutigen Königsheimplatz lag jahrhundertelang die Grenze zwischen Blasewitz und den Gefilden der Stadt Dresden. Das städtische Weichbild war durch hierfür angefertigte Steine markiert, von denen heute vor allem auf Altstädter Seite noch einige vorhanden sind. Beim dem Weichbildstein Nummer 9 allerdings (ursprünglich 1550/erneuert 1729) handelt es sich allerhöchstwahrscheinlich nicht um das ursprünglich in der Nähe befindliche hiesige, sondern um das zweite noch original vorhandene Altendresdner, also rechtselbische, Exemplar, ehemals nahe der Liststraße aufgestellt. Dieser Stein befand sich seit 1911 im Stadtmuseum und wurde 1993 an der Wohnheimzufahrt an der Blasewitzer Straße neu aufgerichtet.




    Dominiert wird der erst 1921 angelegte Platz vom ein Jahr später geschaffenen Europabrunnen. Die ursprüngliche Brunnenfigur Georg Wrbas wurde im Zweiten Weltkrieg eingeschmolzen und erst in den 1990er Jahren durch eine Replik ersetzt.




    Anstelle des Plattenbaus im Hintergrund erhob sich seit 1862 das „Weiße Schloß“. Der prächtige Villenbau wurde 1945 vernichtet. Wir befinden uns am Rande des Totalzerstörungsgebiets, etwas drei Kilometer vom Stadtkern entfernt.




    An der Augsburger Straße gab es seit 1909 eine Gleisverbindung zur ehemals „roten“ Blockumfahrung der Linie 2 in Striesen. Noch heute ist die Gleislage der 1951 ausgebauten Strecke in der Pflasterung erkennbar.




    Kurz darauf treffen wir auf die heutige Kreuzung Blasewitzer/Fetscherstraße. An der Einmündung der Gluckstraße erinnerte das Restaurant „Lämmchen“ an das unweit gelegene ehemalige Vorwerk, an dem 1872 auch eine Haltestelle der Pferdestraßenbahn eingerichtet wurde. Jenes befand sich jenseits der Kreuzung zwischen Fürsten- und Kreutzerstraße und musste dem gründerzeitlichen Stadtausbau weichen. Die Straßenzüge sind heute an dieser Stelle noch exakt erhalten, nicht jedoch die vollständig zerstörte Vorkriegsbebauung.




    Südwärtiger Blick in die Fürstenstraße um 1910. Die heutige Fetscherstraße ist kaum noch wiederzuerkennen. Die geschlossene Gründerzeitfront zur rechten ist bis auf ein, zwei Häuser direkt am Fetscherplatz verschwunden, stattdessen dominieren heute ein Hochhaus und typische 60er-Jahre-Zeilenbauten die Szenerie. Nur linkerhand konnte die durch einzeln stehende Würfelhäuser gesäumte Straßenfront in den 1990er Jahren durch strukturell angepasste Neubauten auf den historischen Parzellen weitgehend wiederhergestellt werden.




    An der Fürstenstraße lohnt ein Blick in die Verkehrsgeschichte. Seit 1896 wurde die ehemalige Conti-Linie elektrisch betrieben und erhielt ab 1906 die standesgemäße Nummer 1. Bis 1909 behielten die Schilder das traditionelle Gelb. Dazu gesellte sich ab 1898 eine Verstärkungslinie von der Ecke Blasewitzer/Fürstenstraße zum Hauptbahnhof. Die im Gegensatz zur Hauptlinie grün beschildert wurde. 1906 bekamen die Zwischenwagen die Liniennummer 3.


    Bei der ersten großen Linienreform 1909 wurde die Nummer 3 auf eine neue Verbindung Neustädter Bahnhof – Sachsenplatz – Blasewitzer Straße – Augsburger / Hutten- / Wartburg- / Markgraf-Heinrich-Straße (in Gegenrichtung nur über Augsburger Straße) – Barbarossaplatz übertragen. Diese zweite „3“ bestand in ihrer verlängerten Form Wilder Mann – Altenberger Straße über Barbarossaplatz bis 1945, ein Restbetrieb über die Blockumfahrung sogar bis 1946.




    1904 wurden die Zwischenwagen über eigentlich „rote“ Gleise bis zur Pfotenhauerstraße geführt. Diesen Zustand zeigen die beiden Fahrpläne der 1 und der 3 aus dem „Verkehrsbuch“ von 1908, dem letzten Jahr der alten traditionellen Linienführungen, die noch weitgehend der Pferdebahnzeit entsprachen.




    Kurz nach der Jahrhundertwende blicken wir am Trinitatisplatz einer „1“ hinterher, die Richtung Blasewitz strebt. Die Kirche existiert noch als Ruine, von der umgebenden Gründerzeitbebauung der mittleren Johannstadt hat nicht ein Haus die Bombennacht und die anschließende Großflächenenttrümmerung überstanden.




    Nur die historischen Granitplattenfußwege und das Straßenpflaster erinnern daran, dass die alte Stadt zumindest auf Bodenebene mitnichten verschwunden ist. Der aufmerksame Beobachter findet noch immer hier eine alte abgeschnittene Straßeneinmündung, dort eine ehemalige Toreinfahrt in längst unter Verkehrsbegleitgrün und Plattenbauten begrabene Gründerzeitgrundstücke… Die Kirchenruine ist mittlerweile fas völlig durch üppiges Grün verdeckt.




    Ab dem Trinitatisplatz folgt Dresdens erste Straßenbahnstrecke der Gerokstraße. Dort, wo sich heute die endlose Brache des alten Plattenwerks Johannstadt erstreckt, lag einst das Carolahaus in einer ebenso ausgedehnten Parkanlage.




    Um die Jahrhundertwende entstanden auf den ehemaligen Wiesen und Feldern der Johannstadt ausgedehnte Gründerzeit-Wohnquartiere in geschlossener Zeilenbebauung, die gerade einmal knapp fünfzig Jahre Bestand haben sollten. Blick durch Gerokstraße zur Trinitatiskirche.




    Nicht alle Grundstücke jedoch waren bis zum Ersten Weltkrieg bebaut, danach verzögerten Inflation und Weltwirtschaftskrise die weitere Entwicklung, Der Blick geht über die Brachfläche zwischen Wintergarten- und Silbermannstraße zur Gerokstraße.




    Die im Bild sichtbare Einmündung der Wintergartenstraße aus nördlicher Richtung kann noch heute wiederentdeckt werden. Die als solche noch gut erkennbare ehemalige Straßenkreuzung endet heute in einem Grünstreifen vor einem Elfgeschosser.




    Auf der Brache entstand ab 1929 die Knabenberufsschule nach Plänen des Stadtbaurates Paul Wolf. Der große Bau im Stil der Neuen Sachlichkeit hat die Zerstörung weitgehend glimpflich überstanden und zeigt sich heute denkmalgerecht saniert. Zerstörte Gebäudeteile wurden behutsam ergänzt.




    Vorher diente die Brache zeitweilig auch als Turnplatz, wie diese eher ungewöhnliche Postkarte von 1913 beweist. Links die Bäume der Silbermannstraße, diese ist heute Teil des Schulgeländes, aber noch sehr gut auszumachen.




    Kurz vor dem Eliasplatz, dem heutigen Güntzplatz, wurde das Gerokschlößchen passiert. Im Hintergrund ist die Elisenstraße zu erkennen. Der gesamte Block im Anschluss an das Stadthaus Johannstadt wird aktuell bekanntlich mit einem imposanten Gebäudekomplex überbaut.




    Am Eliasplatz treffen wir auf das 1914 fertiggestellte Stadthaus Johannstadt von Hans Erlwein. Seit dem Wiederaufbau beherbergt es den Stammsitz der Stadtsparkasse bzw. deren Nachfolgeinstitut. Rechts angeschnitten die 1901 bis 1908 erbaute Kunstgewerbeschule, die in vereinfachter Form heute ebenfalls noch vorhanden ist.





    Eilasplatz, seitlicher Blick auf das Stadthaus.




    Vor dem Bau des neuen Stadthauses befand sich auf dem heutigen Vorplatz mit der Litfasssäule der 1911 abgerissene Sparkassen-Vorgängerbau. Dahinter sind die pompösen wilhelminischen Prachtbauten der Sachsenallee zu erkennen. Der Eliasplatz trägt seit 1928 den Namen Güntzplatz, nicht zu verwechseln mit dem aufgelassenen Platz gleichen Namens an den Ringen am heutigen Neuen Rathaus.




    Die gleiche Perspektive aktuell, das extreme Gegenlicht machte heute das Fotografieren beinahe unmöglich. Die Sachsenallee wird seit der Enttrümmerung statt von Häusern von Grünanlagen gesäumt.




    Stadthaus Johannstadt. Linkerhand die Strecke der Linie 18 in der Blumenstraße, rechts unsere „1“. Heute verkehrt hier ausschließlich die Linie 6. Bis 1883 bog die Conti-Linie hier auf den heutigen 26er Ring ab und verkehrte über Elias- und Pillnitzer Straße in die Innenstadt. Erst 1928 kehrte die Straßenbahn mit der Verlegung des 26er Ringes in die Eliasstraße (seit 1938 Güntzstraße) zurück.




    Auch hier ist die aktuelle Vergleichsaufnahme leider stark durch Gegenlicht beeinträchtigt.




    Auf der Sachsenallee ist um 1906 eine Linie 3 unterwegs. Im Hintergrund erkennen wir die Kunstgewerbeschule. An exakt dieser Stelle befindet sich heute die Haltestelle „Sachsenallee“ der Linien 6 und 13, die in der Nachkriegszeit die aufgelassene, da als Umsteigepunkt in Richtung Innenstadt nunmehr nutzlose, Haltestelle Sachsenplatz ablöste.




    Sachsenplatz, in Bildmitte die Sachsenallee. Die Gleise links in der Lothringer Straße gehören der „roten“ Gesellschaft und wurden von den Linien 18 und 26 durchfahren, die Sachsenallee war der „Gelben“ als Platzhirsch vorbehalten.




    Und heute? Die Bebauung ist verschwunden, und zwischen Sachsenallee und den sie parallel flankierenden Lothringer und Elsässer Straßen erstreckt sich parkähnliches Grün. Platz und Allee sind damit zu einer optischen Einheit verschmolzen und in ihrer Ausformung als separate Stadträume nicht mehr wahrnehmbar, obwohl physisch noch vorhanden.




    Schauen wir uns die komplexen Gleisanlagen rund um den Sachsenplatz auf einer Detailkarte von 1911 an. Obwohl die Städtische Straßenbahn als gemeinsame Gesellschaft bereits seit 1906 existiert, wird noch immer weitgehend strikt nach „gelben“ und „roten“ Linien und den dazugehörigen Strecken getrennt. Unsere „1“ kommt am rechten Bildrand aus der Gerokstraße, überquert dann den Eliasplatz, fährt weiter über Sachsenallee und biegt am Sachsenplatz links in die Marschallstraße ab. Der Betriebsendpunkt in der Eliasstraße verweist auf den ursprünglichen Verlauf in Richtung Amalienplatz (Rathenauplatz) über den heutigen 26er Ring und die Pillnitzer Straße. Als weitere „gelbe“ Linie kam die spätere 5 aus der Marschallstraße und bog in den Sachsenplatz ein, um von hier aus ihren Endpunkt am Alaunplatz, später an der Hechtstraße, zu erreichen.


    Alle anderen Gleisanlagen sind „rot“ und gehörten ehedem der Deutschen Straßenbahngesellschaft: Vom Terrassenufer kommend bog die spätere „18“ noch bis 1922 in die Lothringer Straße ein und querte die „gelben“ Gleise am Eliasplatz ohne Abzweig. Dieser wurde erst eingebaut, als ab 1922 die „18“ ebenfalls über Sachsenallee und Marschallstraße geführt und die Strecke auf dem Terrassenufer aufgegeben wurde, die alten Gleise blieben aber als Betriebsstrecke noch bis in die dreißiger Jahre hinein erhalten und befahrbar. Auf der Ziegel- und Schulgutstraße erkennen wir den alten Verlauf des 26er Ringes. Auch die 26 befuhr zunächst die Lothringer Straße auf ganzer Länge und erreichte über das Terrassenufer die von beiden Gesellschaften gemeinsam genutzte Albertbrücke. Mit Verlegung des Ringes auf die Eliasstraße wurde die Lothringer Straße nur noch als Betriebsstrecke genutzt. Bis 1909 bevölkerte außerdem die spätere Linie 16 das Terrassenufer, um über die Albertbrücke in die Antonstadt und zur Grenadierkaserne zu gelangen.




    Bis Anfang der 1990er Jahre erinnerte ein zuletzt teilweise abgetrenntes Gleisdreieck an die alte Strecke in der Marschallstraße, die einst schnurgerade bis zum Rathenauplatz führte. Im Jahre 2014 war die Lage des Gleises im Pflaster noch gut zu erkennen.




    Aktueller Blick in die ehemalige Marschallstraße. Diese trug ab 1946 den Nahmen Rathenaustraße. In den 1960er Jahren wurde der stadtzugewandte Teil der ehemals äußerst wichtigen Direktverbindung unseligerweise komplett überbaut, so dass die heutige Roßbachstraße nur noch ein sehr abseitiges Dasein als unbedeutende Nebenstraße fristet. Links das Gerichtsgebäude an der Lothringer Straße.




    Im noch original gepflasterten Teil der Straße ist das Planum des Gleiskörpers noch immer gut zu erkennen. Straßenbahnen fuhren hier letztmalig Ende 1948.




    Die Linienreform von 1909 überstand unsere „1“ unverändert. Ich möchte diesen Teil dennoch mit einer Linienbeschreibung aus dem „Handbuch für den Dresdner Straßenbahnverkehr“ von 1909 und einem Fahrplan aus dem Jahr 1910 beschließen. Besonders lesenswert ist doch immer wieder die Haltestellenliste – erst in den zwanziger Jahren wurde die enorme Anzahl der dicht beieinander liegenden Haltestellen deutlich reduziert. Kein Wunder, dass sich die Fahrzeiten dermaßen üppig gestalteten…





    Weiter geht es in Bälde.

  • Mit der Conti-Linie von Blasewitz zum Böhmischen Bahnhof (III)

    Die nördliche Pirnaische Vorstadt durchfuhr die Conti-Linie ab 1883 über die erst wenige Jahre vorher neu angelegte Marschallstraße, die wie ein Strich gezogen den Sachsenplatz mit dem Amalienplatz (dem heutigen Rathenauplatz) verband. Wie wir gesehen haben, ist diese Verbindung leider im Zuge des Neuaufbaus in den 1960er Jahren aufgegeben worden. Ihre Wiederherstellung wäre für eine dem Stadtzentrum zugewandte Reurbanisierung des heute eher wie eine vorstädtische Schlafstadt anmutenden innerstädtischen Gebietes aus meiner bescheidenen Sicht essentiell.



    Detailplan von 1911. Die Marschallstraße wurde 1945 in Rathenaustraße umbenannt und führte nach der Trümmerberäumung jahrelang durch menschenleeres Gebiet, bevor in den sechziger Jahren der Neuaufbau der nördlichen Pirnaischen Vorstadt als reines Wohngebiet in trister Zeilenbebauung und mit funktionalen Zweckbauten ohne jeden Gestaltungsanspruch begann. Dabei wurde der größere Teil der Verbindung ersatzlos gekappt. Das Reststück, was nur noch bis zur Rietschelstraße führt, wurde 1971 der jenseits des Sachsenplatzes gelegenen Florian-Geyer-Straße (ehemals Feldherrenstraße) zugeschlagen und erhielt ihren heutigen Namen Roßbachstraße (Arved Roßbach war u.a. Architekt des angrenzenden Amtsgerichtsgebäudes) erst im Jahre 2012.



    Die einstige geschäftige Hauptstraße verebbt heute an der Rietschelstraße in städtebaulich unerträglich tröger Hinterhof-Tristesse: Ein schnöder KITA-Bau stellt sich in den Weg. Nur der Rathausturm verweist auf die ungefähre Zielrichtung am östlichen Rande der Altstadt. Wenige Meter weiter in der Marschallstraße 31 im heute nicht mehr existenten Straßenteil fabrizierte eine gewisse Dresdner Hausfrau namens Melitta Bentz von 1908 bis 1915 ihre große Erfindung, ohne die heute kein deutscher Frühstückstisch mehr denkbar wäre: den papiernen Kaffeefilter. Ihre Firma ist heute im ostwestfälischen Minden ansässig.




    Ein Blick zurück zum Sachsenplatz: Eckhaus an der Schulgutstraße / Marschallstraße, im Hintergrund links ist einer der Türme von Roßbachs Amtsgerichtsgebäude erkennbar.




    Vergleichsansicht: Seit wenigen Jahren erst ist die Baulücke zur Schulgutstraße mit einem Erweiterungsbau des Amtsgerichts geschlossen.




    Machen wir einen Sprung zum Amalienplatz, dem heutigen Rathenauplatz. Weit schweift der Blick durch die Marschallstraße zum Sachsenplatz, bei genauem Hinsehen erkennt man auch rechts am Horizont das Amtsgericht. Links das Güntzbad am Elbberg, dessen Ruine noch bis in die 1960er Jahre vorhanden und ursprünglich auch zum Wiederaufbau vorgesehen war. Als Ersatz entstand die Schwimmhalle Steinstraße nur wenige Schritte entfernt.


    Die Aufnahme dürfte um 1906 entstanden sein, denn der Triebwagen der “gelben Drei“ in der Marschallstraße trägt noch seine alte Wagennummer in den unverwechselbaren fetten Ziffern. Rechts ist das von der Linie 16 befahrene Verbindungsgleis auf dem Elbberg zu erkennen, das hinunter zum Terrassenufer führte. Die Gegenrichtung nutzte den Hasenberg auf der anderen Seite der Brückenrampe. Die Königin-Carola-Brücke wurde bis 1909 planmäßig ausschließlich von der „roten“ 10 befahren, anschließend von den Linien 4 und 12. Die Richtung Neustadt fahrende eindeutig gelbe „5“ wurde entweder fälschlich kunstvoll hineinretuschiert oder aber es gab eine Umleitung: Eigentlich fuhr die Linie 5 ja über die Marschallstraße zur Sachsenallee und querte die Elbe auf der Albertbrücke! Mit Übernahme durch die Stadt dürfte ja auch die gleistechnische Feindberührung keine größeren Umstände mehr bereitet haben.




    Um 1880 wurde diese sehr bekannte und oft publizierte Aufnahme eines ehemaligen Conti-Decksitzwagens am Amalienplatz aufgenommen.




    Hier ist die „5“ auf ihrem angestammten Weg in der Gegenrichtung zu erkennen. Diese Aufnahme dürfte kurz vor dem Ersten Weltkrieg entstanden sein, denn der in die Amalienstraße abbiegende Zug trägt alle Insignien der Städtischen Straßenbahn. Das Dachrandschild ist zwar nicht lesbar, weist aber aufgrund seiner Form auf einen Zeitpunkt nach der Linienreform 1909 hin. Dem entgegenkommenden, leider nicht identifizierbaren Zug scheint sein Lyrastromabnehmer etwas verrutscht zu sein…




    So sieht die gleiche Situation heute aus. Die rechts sichtbare Pillnitzer Straße mündet auf der vorigen Postkarte gleich rechterhand außerhalb des Bildbereichs. Das Eckhaus zwischen Elbberg und Marschallstraße stand in etwa auf Höhe der roten Ampel links, der Wohnblock wurde quer über die ehemalige Straße gesetzt.




    Lösen wir uns von diesem trostlosen Anblick und betreiben zur Erholung etwas Linienhistorie. Diesmal machen wir einen Sprung ans Ende der zwanziger Jahre, und zwar genau ins Jahr 1929, aus dem die nun folgenden Dokumente stammen. Beginnen wir mit einem Innenstadtausschnitt aus dem Plan zum Adressbuch von 1929, auf dem sich die Linie 1 in ihrem weiteren Verlauf gut nachvollziehen lässt.




    Der Fahrplan aus demselben Jahr zeigt die Linie 1 zu Zeiten ihrer größten Ausdehnung: 1928 wurde zwar der Ast nach Neugruna abgegeben. Seit 1927 aber verkehrte die bis dahin in Plauen am Chemnitzer Platz endende Linie weiter zur Habsburgerstraße. Nach Ende der Eillinie 30 wurde ab Jahresende jeder zweite Wagen weiter nach Freital und Coßmannsdorf geführt, dieses üppige Angebot hatte allerdings nur bis 1932 Bestand und fiel der Weltwirtschaftskrise zum Opfer.





    Darstellung der Linie 1 im Fahrzeiten- und Haltestellenverzeichnis der Städtischen Straßenbahn Dresden, ebenfalls von 1929.





    Zwischen Amalienplatz und Prager Straße nutzte die Linie 1 bis 1933 Jahre in beiden Richtungen den Straßenzug Amalienstraße – Pirnaischer Platz – Johannesstraße – Georgplatz – Waisenhausstraße. Ab 1933 wurden die Gleisanlagen stark vereinfacht: Unter Einbeziehung der parallelen „roten“ Streckenführung über die Ringe wurde ein Richtungsverkehr eingeführt (nordwärts über die alte Streckenführung, südwärts über die Ringe) und die Gleise auf ein Streckengleis zurückgebaut. Die Detailkarte zeigt den Zustand um 1911 – welch ein Gewirr! Dabei ist dies noch nicht einmal der Maximalzustand, denn bis 1906 lagen auch „gelbe“ Gleise in der Gewandhausstraße…




    An der Ecke Amalienstraße / Grunaer Straße lag das Warenhaus C. G. Heinrich: Wir haben den Pirnaischen Platz erreicht. Heute befindet sich an dieser Ecke der Sockelbau des „Der Sozialismus siegt!“-Hochhauses.




    Blick über den Pirnaischen Platz nach Osten. Der unvermeidliche Kaiserpalast links würde heute genau auf der südwärtigen Fahrbahn der Sankt-Petersburger Straße stehen. Hinter dem Kaiserpalast halb versteckt sehen wir die Einmündung der Grunaer Straße, rechts der Bildmitte die Pirnaische Straße, der uralte Fahr- und Handelsweg in die Stadt gleichen Namens und weiter nach Böhmen. Gut erkennbar ist auch die Trennung der beiden konkurrierenden Gesellschaften: Während die „Gelbe“ die Amalienstraße und die Johannesstraße im Hintergrund belegt (der den Platz querende Zug deutet den Linienweg an), sind die Ringe im Vordergrund und die Strecke in die Grunaer Straße durch die „Rote“ in Beschlag genommen. Nur die König-Johann-Straße wurde nach der Stilllegung der Strecke über Altmarkt und Kreuzstraße durch beide Gesellschaften befahren. Ohne die Existenz der beiden Konkurrenzunternehmungen hätte das Dresdner Streckennetz wohl niemals die extreme Dichte der Vorkriegszeit erreicht.




    Nächster Halt: Georgplatz! Auch hier gab es ausgedehnte Gleisanlagen, war der Platz doch ein Verkehrsknoten für die „gelben“ Linien nach Strehlen und zum Waldschlößchen (spätere 9), deren Gleise in die Bürgerwiese wir rechts im Vordergrund sehen, zum Neustädter Bahnhof und denen Richtung Hauptbahnhof, zu denen auch unsere „1“ zählt. Links aus dem Bild entschwinden die Gleise auf den ehemals nur „roten“ Maximiliansring, der seit Stilllegung der Gewandhausstraße auch von den gelben Zügen in Richtung Neumarkt und Neustadt mitbenutzt wurde. Vor der Linie 1 mit Beiwagen sehen wir eine „25“, die ab 1905 die 1 bis zur Reichenbachstraße begleitete. Die Nummer der ehemaligen „Briefchenlinie“ (Neustädter Bahnhöfe – Georgplatz) verschwand 1909.




    Der Häuserblock Georgplatz 1 bis 3 wurde von einer bis in die unmittelbare Nachkriegszeit bestehenden Gleisschleife umzogen, die als bequemer Zwischenendpunkt diente. Das Gleis ist deutlich rechts des Kiosks erkennbar. Dahinter das von 1905 bis 1910 errichtete Neue Rathaus mit seinem 110 Meter hohen Turm, bis heute das höchste Bauwerk der Dresdner Innenstadt. Beim Wiederaufbau wurden die ursprünglich reich neobarock verzierten Fassaden purifiziert, ebenso verzichtete man auf eine Wiederherstellung der auf dem Bild prägnant erkennbaren Ziertürme. Im Vordergrund schickt sich eine „1“ an, auf ihrem Weg nach Plauen in die Waisenhausstraße einzufahren.




    4711 gab es auch in Dresden! Am Georgplatz begegnen wir Ende der zwanziger Jahre einem vierfenstrigen MAN-Triebwagen mit entsprechender Kölnischer Reklame auf der im Jahre 1928 aus dem Neugrunaer Ast der 1 hervorgegangenen Linie 16. Das Bild wurde aber offensichtlich gestellt, denn der Wagen befindet sich in Wahrheit in der Kurve vom Maximilians- in den Friedrichsring, heute Dr.-Külz-Ring, wie das Neue Rathaus im Hintergrund verrät. Außerdem sind sowohl Personal wie Fahrgäste abwesend… „Pop-Wagen“ waren Ende der zwanziger keine Seltenheit bei der Städtischen Straßenbahn, konnte man doch so willkommene Nebeneinnahmen generieren.





    Am Victoriahaus wurde in die Prager Straße abgebogen. Wir erkennen bereits die 1933 vereinfachte Gleisführung mit den eingleisigen Richtungsstrecken.




    Vor dem Bau des Victoriahauses befand sich an selber Stelle eines der besten Hotels der Stadt, das Victoria-Hôtel (nur echt mit accent circonflexe). Die 1850 eröffnete prächtige Herberge musste 1891 dem Bau des Viktoriahauses weichen.




    Wenige Jahre vorher fuhr die 1 noch in beiden Richtungen durch die Waisenhausstraße, wie dieses Foto vom Ende der zwanziger Jahre zeigt. Rechts das Residenzkaufhaus, kurze „REKA“, an gleicher Stelle steht heute das Karstadt-Warenhaus.




    So präsentiert sich die Situation heute. Der Sraßenbahnverkehr durch die Prager Straße endete 1967.




    Wenige Schritte weiter, links die Centralpassage. Auch hier kann ich mit einem Vergleichsbild dienen. Ab Mitte der 1990er Jahre wurde die Prager Straße in ihrem Nordteil wieder auf die alte Breite von 18 Metern zurückgeführt und damit der ursprüngliche Straßenverlauf wieder erlebbar.





    Höhe Struvestraße, kurz nach der Jahrhundertwende. Am nördlichen Straßenausgang vor dem Victoriahaus ist noch die Vorläuferbebauung des 1912 eröffneten REKA zu erkennen. Leider ließ sich gerade keine Straßenbahn blicken, nur ein 5-Pfennig-Omnibus ist hinter dem Passanten zu erahnen.




    Von der Enge der alten Prager Straße ist in deren platzartig aufgeweitetem Mittelteil nichts mehr zu spüren. Wer sich einen Eindruck verschaffen will, wie sich eine der geschäftigsten Straßen in deutschen Landen einst darstellte, der sollte die Berliner Friedrichstraße besuchen. Sowohl die Dimensionen wie auch die Architektur der dortigen Geschäftspaläste lassen einen schlüssigen Vergleich durchaus zu, auch wenn die Prager natürlich erheblich kürzer ist.




    Viel fotografiert wurde die Kreuzung Prager und Sidonienstraße, wurde sie doch gleich von mehreren Dresdner Institutionen gesäumt. Da wären u.a. das Café Hülfert und vis à vis Sendigs Europäischer Hof. Genau auf der Kreuzung steht heute das Mercure Hotel.




    Auch hier ein Vergleichsbild vom annähernd gleichen Standort.




    Nur noch wenige Schritte sind es bis zum Hauptbahnhof. Dessen Vorläufer entstand 1848 für die Eisenbahnstrecke durch das Elbtal nach Böhmen, was sich auch in der Bezeichnung der Station niederschlug. Von 1861 bis 1864 erfolgte eine grundlegende Erweiterung, da sich die alten Anlagen nach dem Bau der Verbindungsbahn zu den Neustädter Bahnhöfen und wegen der anstehenden Einbindung der Albertsbahn als nicht mehr ausreichend erwiesen hatten. Das repräsentative Empfangsgebäude wurde von den namhaften Dresdner Architekten Haenel und Canzler gestaltet und fungierte gleichzeitig als Sitz der Direktion der Sächsischen Staats-Eisenbahn. Die Conti-Linie endete direkt auf dem Bahnhofsvorplatz, dem heutigen Wiener Platz. Der Anschluss nach Plauen über die Chemnitzer Straße erfolgte bald darauf.




    Zur Anbindung des Böhmischen Bahnhofs entstand von 1851 bis 1853 die Prager Straße. Somit war es auch nur konsequent, dass diese Verbindung auch für Dresdens erste Straßenbahnlinie im Jahre 1872 herangezogen wurde. Auf der folgenden Postkarte sehen wir noch weitgehend die ursprüngliche Bebauung, die spätestens in den dreißiger Jahren fast vollständig durch neuzeitliche Geschäfts- und Hotelpaläste ersetzt worden war. Noch steht am Eingang der Straße das Schlachtenpanorama des Deutsch-französischen Krieges, in den auch das Königreich Sachsen von seinen geliebten preußischen Nachbarn hineingezogen worden war. Das Panorama bestand von 1883 bis 1901 und musste dann dem Neubau des Feuerversicherungsgebäudes nebst Kaisercafé weichen. Das Motiv dürfte kurz vor der Jahrhundertwende aufgenommen worden sein, denn es zeigt bereits den 1896 eingeführten elektrischen Betrieb.




    Weiter in Richtung Reichenbachstraße ging es für die spätere „1“ erst mit der Elektrifizierung ab 1896. Zu diesem Zeitpunkt war der neue Hauptbahnhof mit seinen Hochgleisen schon fast fertiggestellt, so dass der verlängerten „Elektrischen“ nicht das gleiche Unbill wie ihrer pferdebehangenen Vorgängerin widerfuhr: 1882 wurde die Linie Bautzner Straße – Georgplatz (Vorläuferin der „5“) bis zur Reichenbachstraße verlängert. Dabei mussten auch die damals noch ebenerdigen Gleisanlagen des Böhmischen Bahnhofs gequert werden. Die Lithografie zeigt, wenn auch etwas verzerrt, die Szenerie am Böhmischen Bahnhof um 1890. Der steigende Zugverkehr sorgte dafür, dass die Schrankenanlagen bald mehr geschlossen als geöffnet waren und der Verkehr in die südlichen Vorstädte zu einem wahren Geduldsspiel verkam. Abhilfe musste dringend geschaffen werden, doch dies behandeln wir im nächsten Kapitel. (Lithografie: Deutsche Fotothek Dresden)


  • Mit der Conti-Linie von Blasewitz zum Böhmischen Bahnhof (IV)

    Machen wir uns auf die letzte Etappe auf den Spuren unserer Linie 1. Ab nun geht es auf fremden Gleisen weiter, denn die Strecke zur Reichenbachstraße wurde, wie schon angesprochen, als Verlängerung der Linie Bautzner Straße – Georgplatz 1882 in Betrieb genommen. Hier sehen wir einen Wagen der besagten Route, erkennbar an der Kennzeichnung mit rotem Dreieck, beim Überqueren der Gleise des Böhmischen Bahnhofs um 1885 (Deutsche Fotothek).




    Mit der Elektrifizierung 1896 übernahm die ehemalige Conti-Linie den Abschnitt. Erleichtert wurde die Angelegenheit durch die nun höhergelegten Bahnanlagen des im Bau befindlichen Hauptbahnhofes. Der Verkehr nach Süden konnte jetzt störungsfrei fließen.




    Ein letzter Blick in die Prager Straße vor der Zerstörung von der Brücke der Nordhalle in den dreißiger Jahren. Man vergleiche mit dem vorletzten Bild im letzten Beitrag – die städtebaulichen Umwälzungen innerhalb weniger Jahrzehnte sind beachtlich. Das ehemalige Kaisercafé im Gebäude der Feuerversicherung wurde bereits durch die KVG Sachsen übernommen. (DFD)




    Mit dem Bau der „Prager Spitze“ wurde die Prager Straße wieder in Richtung der Brücken geführt. Die breite Verkehrsschneise der Sankt-Petersburger Straße rechts daneben wurde erst in den 1960er Jahren angelegt und nahm dabei die Christianstraße auf, deren Namen sie zunächst auch noch trug. Gleichzeitig wurde 1967 der eigene Gleiskörper der Straßenbahn angelegt, der die Strecke durch die Prager Straße ersetzte. (DFD)




    Stadtwärts bzw. nach Blasewitz fahrende 1 zwischen den Brücken, vor 1910.




    Sprung in die zwanziger Jahre, genauer ins Jahr 1928. Das neue Liniennetz wurde gerade eingeführt. An der Qualität der Fahrgastinformation dürften sich die heutigen DVB gern einmal ein Beispiel nehmen. Im Hintergrund hält eine „16“ auf dem Weg nach Neugruna – bislang wurde dieser Ast ebenfalls von der Linie 1 befahren. Bild aus dem DVB-Archiv.




    Über das Grand Union Hotel habe ich mich ja schon im Beitrag zur Eillinie 30 ausgelassen. Von Interesse bei dieser vor dem Ersten Weltkrieg entstandenen Postkarte dürfte sicherlich die Gleisführung sein: Im Vordergrund sehen wir die noch durchführende „rote“ Strecke von der Strehlener in die Bismarckstraße (heute Bayrische Straße), letztere wurde letztmalig 1909 von der Linie 26 planmäßig befahren. Es kreuzt die „gelbe“ Strecke Richtung Südvorstadt und Plauen, auf der wir mit unserer „1“ unterwegs sind. Der Gleisbogen in Richtung Strehlener Straße dürfte mit einiger Sicherheit erst nach Übernahme der Privatgesellschaften, also nach 1906, eingebaut worden sein – ab 1909 war hier die verlängerte „5“ anstelle der 26 nach Zschertnitz unterwegs – das erste Beispiel für einen ehedem „roten“ Streckenast, der einer „gelben“ Linie zugeschlagen wurde. Die unterschiedliche Lackierung der geraden und ungeraden Linien wurde bis zum Ende des Ersten Weltkriegs beibehalten, erst dann begann man, die Wagen einheitlich gelb zu lackieren.




    Das in den 1990er Jahren errichtete ENSO-Hauptquartier schließt die Ecke zumindest städtebaulich. Aktuell sorgen Erweiterungspläne für eine Erweiterung entlang der Fritz-Löffler-Straße, also der ehemaligen Reichsstraße, für Furore.




    Gleich hinter dem Hauptbahnhof wurde der Bismarckplatz gequert, an dem sich die Technische Hochschule befand. Da selbige um die Genauigkeit ihrer hochsensiblen Messgeräte fürchtete, bestand vom Georgplatz bis zur Reichenbachstraße ursprünglich Akkumulatorenbetrieb. (DFD)




    Als prestigeträchtige und relative lange Durchmesserlinie waren auf der „1“ meist die jeweils neuesten Fahrzeuge im Einsatz. Der 1913 gebaute große MAN-Triebwagen 734 macht hierbei keine Ausnahme. Die wohl in der Zeit des Ersten Weltkriegs entstandene Aufnahme (DVB-Archiv) ist mehrfach interessant: Zum einen zeigt sie die Art der Beschilderung der noch geflügelten Linie: Als Hauptziel wurde auf dem Wagendach „Blasewitz“ geschildert, die jeweiligen Endpunkte „Loschwitz“ bzw. „Ludwig-Hartmann-Str.“(Neugruna) wurden mittels Zusatzbeschilderung an der Plattform angezeigt. Viel interessanter sind jedoch die beiden Rollenstromabnehmer auf dem Dach: Nach Beendigung des unwirtschaftlichen Akku-Betriebs im Jahre 1907 wurde auf der Reichsstraße auf Betreiben der Hochschule eine zusätzliche Minuspol-Oberleitung gezogen, an die eine Dickinson-Rolle angelegt wurde. Diese aufwendige Betriebsführung hatte naturgemäß keinen dauerhaften Bestand. Die Messinstrumente der ehrwürdigen Lehranstalt werden es verkraftet haben.




    Blick von der südlichen Brücke in die Reichsstraße, links die Technische Hochschule am Bismarckplatz. Man beachte die geschlossene Gründerzeitbebauung zur Rechten.




    Vergleichsbild mit ENSO-Hauptquartier. Seit der Jahrtausendwende liegt die Straßenbahntrasse nicht mehr in Straßenmitte, sondern als Rasengleis rechts daneben, geschuldet dem Ausbau der heutigen Fritz-Löffler-Straße als Zubringer zur BAB 17.




    Sprung zurück in die Pferdebahnzeit. Der Hoffotograf Ermenegildo Antonio Donadini hatte sein Domizil in der schicken Reichsstraße gewählt. Der Blick aus dem eigenen Fenster zeigt die noch eingleisige Linienführung der Pferdebahnstrecke vor 1890 in Höhe der Schnorrstraße. Im Hintergrund erkennen wir die Russische-Orthodoxe Kirche und die kriegsverlustige Amerikanische Kirche St. John am Reichsplatz, dahinter der damals noch sehr beliebte Bergkeller auf seinem künstlichen Hügel. (DFD)




    Eine noch nummernlose Straßenbahn der späteren Linie 1 fährt auf den Reichsplatz zu. Im Vordergrund links kreuzt die 1933 eingestellte „rote“ Strecke durch die Bergstraße zum Bergkeller und später weiter nach Räcknitz.




    Am Nürnberger Platz. Im Vordergrund hält eine „1“ an derselben Stelle, an der sich auch heute noch die Haltestelle befindet. Im hinteren Bereich der Münchner Straße haben sich einige der repräsentativen Jugendstilhäuser, zum Zeitpunkt der Aufnahme gerade erst errichtet, erhalten. Dahinter sehen wir den Turm des Landgerichtsgebäudes am Münchner Platz.




    Diagonal entgegengesetzt ist eine „1“ talwärts unterwegs. Der Blick schweift hinunter zum Reichsplatz, der heute von den Hochhäusern der Studentenwohnheime gesäumt wird.




    Detailplan der Bereiche um Reichs-, Nürnberger und Münchner Platz, 1911.




    Kurz nach der Erbauung seiner Platzwände 1905 zeigt sich der Münchner Platz direkt am Rand des bebauten Stadtgebietes mit Blick aufs freie Feld. Von Beginn an verfügte er über ein Straßenbahnanbindung, die Verlängerung von der Reichenbach- zur Bernhardstraße in Plauen wurde 1900 eröffnet.




    Münchner Platz mit der gleichnamigen Straße links und der George-Bähr-Straße. Die Bebauung im Hintergrund fehlt heute, die Häuser direkt am Platz sind aber noch erhalten.




    Landgericht am Münchner Platz (1902 bis 1907), heute als Georg-Schumann-Bau Teil der Technischen Universität und gleichzeitig Gedenkstätte für die Opfer politischer Strafjustiz im Dritten Reich und danach.




    1900 erhielt die Straßenbahn ihren Endpunkt direkt am Ausgang der Münchner Straße in Plauen. Da ein Weiterbau entlang der Nöthnitzer Straße von Beginn an geplant war, wurden die Richtungsgleise der Münchner Straße noch ums Eck gezogen und endeten mitten auf der Nöthnitzer.




    Der 1909 aufgenommene Straßenbahnverkehr durch die Nöthnitzer Straße endete schlagartig 1945. Erst seit 1953 wurde die Strecke zumindest durch die Münchner Straße wiederhergestellt und endete seitdem in der bekannten Gleisschleife Plauen (Nöthnitzer Straße).




    AB 1909 endete die Linie 1 am Rathaus Plauen am Chemnitzer Platz, wo Anschluss an die Linie 15 bestand. Damit schloss sich der Kreis, denn bei letzterer handelte es sich weitgehend um die Fortsetzung der Conti-Linie vom Böhmischen Bahnhof zum Plauener Westendschlößchen, eröffnet 1873.




    Ab 1927 wurde dann zur Habsburger Straße und später zeitweilig weiter nach Freital und Coßmannsdorf befahren. Diese Relation behalten wir uns aber für eine spätere Betrachtung der Linie 22 vor. In den letzten Betriebsjahren war die Zwillingslinie 1/16 fest in der Hand der nagelneuen „Kleinen Hechtwagen.“ Nummer 1832 zeigt sich hier vor dem Straßenbahnhof Tolkewitz, der die Linie 1 nach Stilllegung des Bahnhofs Neugruna beherbergte.




    Der Sommerfahrplan der Zwillingslinie 1/16 zeigt die kriegsbedingten Betriebseinschränkungen. Unsere 1 sollte nur noch zwei weitere Sommer erleben, bevor das Inferno über der Stadt hereinbrach und die ehemalige Conti-Linie nach über siebzig Jahren in die Annalen der Dresdner Straßenbahngeschichte eingehen ließ.





    LA FIN

  • Mit der "roten 16" zur Grenadierkaserne (Teil I)

    Heute widmen wir uns einer fast vergessenen Straßenbahnlinie, die ihren Ursprung in der Anfang der 1890er Jahre entstandenen Konkurrenz der neu gegründeten Deutschen Straßenbahngesellschaft zur althergebrachten englischen Tramways Company fand: der „roten“ späteren Linie 16.


    Bereits seit der Frühzeit des Dresdner Pferdebahnwesens war die östliche Antonstadt über zwei Strecken mit der linkselbischen Innenstadt verbunden. Die Bautzner Straße hinauf rumpelten die schweren Decksitzwagen der Linie zum Waldschlößchen (spätere 9), von der Albertbrücke kommend war es die spätere Linie 5, die zunächst die Kurfürstenstraße (Hoyerswerdaer Straße) und anschließend die Markgrafenstraße (Rothenburger Straße) passierte, um über eine große Blockschleife am Alaunplatz zu enden.


    Die „rote“ deutsche Gesellschaft sah sich also 1892 mit einem nicht zu unterschätzenden Problem konfrontiert. Die lukrative Verbindung zum gut situierten und damit wirtschaftlich sehr interessanten sogenannten „Preußischen Viertel“, das den Übergang von der Antonstadt in die westlichen Ausläufer des bis 1921 selbstständigen Loschwitz bildete, war durch die ältere englisch Konkurrenz bereits weitgehend blockiert. Da die Mitnutzung der vorhandenen Fremdgleise auf ein Minimum beschränkt werden musste, blieb für die neue Linie zur Jägerstraße nur eine äußerst abenteuerliche Linienführung übrig, musste man doch die Bautzner weitgehend umfahren:



    Böhmischer Bahnhof – Wiener Straße – Lüttichaustraße – Struvestraße – Victoriastraße –
    Friedrichsallee – Maximilliansallee – Pirnaischer Platz – Grunaer Straße – Kaulbachstraße – Cranachstraße – Schulgutstraße – Ziegelstraße – Lothringer Straße – Sachsenplatz – Albertbrücke – Glacisstraße – Melanchtonstraße – Carlstraße – Holzhofgasse – Löwenstraße – Bautzner Straße –
    Forststraße – Jägerstraße



    Stadtplan von 1893. Gut erkennbar ist die fantastische und äußerst kurvenreiche Streckenführung durch die Antonstadt. Die Albertbrücke wurde zunächst gemeinsam mit der „gelben“ Linie zum Alaunplatz befahren, doch unmittelbar danach trennten sich die Strecken beider Gesellschaften (gestrichelt gelb, Volllinie rot). Die spätere 16 zur Jägerstraße bog von der Neustädter-Bahnhof-Linie der „Roten“ in der Glacisstraße (später Teil der 26) in die Melanchthonstraße ab, bog dann scharf in die Carlsstraße, heute Lessingstraße, ein, und wechselte am heutigen Pferdebrunnen wiederum in einer sehr scharfen Kurve in die Holzhofgasse. Über die Löwenstraße wurde die Bautzner Straße erreicht, wo bis zum Linckeschen Bad die „gelben“ Gleise der Waldschlößchenlinie mitbenutzt wurden. In der Forststraße konnten schließlich wieder eigene Gleise befahren werden.



    1895 gab es die erste Bereinigung dieses streckentechnischen Monstrums. Vom Pirnaischen Platz ab durchfuhr unsere Linie nun die Moritzallee weiter Richtung Norden bis zum Elbberg und gelangte über diesen auf das Terrassenufer, wo die Gleise der elektrischen späteren Linie 18 mitbenutzt werden konnten. Den Streckenteil über die Grunaer Straße und den östlichen 26er Ring übernahm die Linie Böhmischer Bahnhof – Neustädter Bahnhöfe, eine Vorläuferin der späteren Ringlinie.
    Stillgelegt wurden die Schienen in der Holzhofgasse und Löwenstraße, dafür wurden nun die gelben Gleise auf der Bautzner Straße bereits ab der Einmündung der Carlstraße mitbenutzt.


    Mit Einrichtung des elektrischen Betriebs 1896 wurde die Linie stadtseitig bis zum Pirnaischen Platz, ein Jahr später bis zum Güntzplatz an der Kreuzkirche verkürzt, dafür aber bis zur Grenadierkaserne verlängert: Die starke Steigung der Marienallee verhinderte hier bislang die Weiterführung von der Jägerstraße. In dieser Konstellation blieb sie weitgehend bis 1909 erhalten und bekam ab 1906 die Nummer 16.



    Schilder der elektrischen Linie Grenadierkaserne – Güntzplatz, um 1905. Der heute überbaute Güntzplatz südlich der Kreuzkirche ist nicht zu verwechseln mit dem ehemaligen Eliasplatz in der Johannstadt, der diesen Namen seit 1938 trägt.


    ---


    Beginnen wir die Bereisung am südlichen Endpunkt mit einem Stadtplanausschnitt von 1904. Der Güntzplatz an der Friedrichsallee ist hier noch vorhanden, dort hatte die Linie bis 1909 ihren stadtwärtigen Endpunkt. Über die sehr komplexen „roten“ Gleisanlagen der südlichen Ringe verkehrten damals auch noch die Linien 4 (Neumarkt – Schnorrstraße – Theaterplatz) und 10 (Marienstraße – Neustädter Bahnhof über Carolabrücke und Albertplatz).




    Malerische Situation am Güntzplatz südlich der Kreuzkirche vor dem Abbruch des alten Stadtviertels zugunsten von Neuem Rathaus und Landständischer Bank.




    Die sehr komplexe Situation der Linien im Stadtzentrum vor der Reform von 1909, Stand 1908. Man suche die 16…





    Eine weitere Ansicht des ehemaligen Güntzplatzes. Die Gleise im Vordergrund gehören zur Linie 4 und kommen aus der Victoriastraße. Der Straßenbahnverkehr wurde hier 1920 eingestellt.




    Heute kommt die einstige Endpunktsituation eher unscheinbar daher. Blick in die Schulgasse. Anstelle der kriegszerstörten Landständischen Bank erhebt sich das Sparkassengebäude aus den 1990ern. Die Kreuzkirche zeigt sich fast verdeckt, nur die Apsis ist sichtbar.




    Neues Rathaus im Bau, um 1908. Im Vordergrund ein sechsbogenfenstriger roter Wagen der Linie 10 Marienstraße – Neustädter Bahnhof, diese ging 1909 in der Innenringlinie 4 auf. Man beachte das Streckengleis unmittelbar vor dem Südflügel des noch unfertigen Rathausbaus – wir kommen gleich darauf zurück.




    Dr.-Külz-Ring heute. Der ehemals durch regen Straßenbahnverkehr gekennzeichnete Straßenbereich vor dem Rathaus zeigt sich baumbestanden und verkehrsberuhigt.




    Bereits vereinfachte Gleislage auf den südlichen Ringen um 1911. Seit der Linienreform 1909 war das doppelte Streckengleis der alten 10 und 16 auf dem Friedrichsring überflüssig. Entfernt wurde aber nur das nördliche Gleis, das südliche bleib als Betriebsstrecke erhalten, ebenso der ehemalige Endpunkt der Linie 16 vor der Reformierten Kirche. Die Gleise des Innenrings in die Victoriastraße überdauerten die Stilllegung 1920 noch um etliche Jahre und wurde erst ab Ende der zwanziger Jahre sukzessive entfernt.




    Hochinteressant ist die nun folgende Aufnahme aus der Deutschen Fotothek in mehrerlei Hinsicht.


    Das Neue Rathaus zeigt sich noch im Bauzustand, die Uhren fehlen, und die Öffnungen sind entsprechend verbrettert. Auf dem späteren Rathausplatz steht noch das 1907 abgebrochene, 1825 errichtete Preußsche Haus, einem der bedeutendsten klassizistischen Bauten Dresdens. Man ging also schon damals nicht gerade zimperlich mit wertvoller Bausubstanz um, wenn sie dem vermeintlichen Fortschritt im Wege stand…


    Für uns von besonderem Reiz jedoch ist der kleine rote Triebwagen der Linie 16, der gerade seinen Endpunkt verlassen hat und nach dem Kreuzen des Strehlener Gleises im Vordergrund in den Maximiliansring abbiegen wird. Es handelt sich um den noch nicht umgenummerten roten Triebwagen 95, (ab 1906 städtische Nummer 757), gebaut 1893 als Erstausstattung für die legendäre erste elektrische Straßenbahnlinie im Königreich Sachsen vom Schloßplatz nach Blasewitz, der späteren 18. Da er aber schon die neue Linienbezeichnung trägt und außerdem bereits die Eigentumskennung der Deutschen Straßenbahngesellschaft fehlt, ist die Aufnahme mit ziemlicher Sicherheit auf 1906 zu datieren.




    In Richtung Ringe und Georgplatz fehlt heute über siebzig Jahre nach der Zerstörung der Stadt immer noch jedwede städtebauliche Einbindung des riesigen Rathaus-Komplexes. Der Georgplatz existiert nur noch dem Namen nach. Die Fassaden des Rathauses wurden beim langwierigen Wiederaufbau in den ersten Nachkriegsjahrzehnten stark vereinfacht.




    Über den Maximiliansring erreichte die „rote 16“ den Pirnaischen Platz. Im Vordergrund biegt ein roter Triebwagen, noch ohne Liniennummer, vom Friedrichs- auf den Maximiliansring ein, links auf dem späteren Rathausplatz noch immer das 1907 abgebrochene Preußsche Haus.




    Um 1910 schickt sich ein aus der König-Johann-Straße kommender roter Zug, vermutlich eine 2, an, den Platz zu überqueren. Links unten der Maximiliansring mit seinen Richtungsgleisen. An gleicher Stelle befindet sich heute die Haltestelle der Nord-Süd-Verbindung.




    Das südliche Pendant zum pompösen Kaiserpalast bildete die Mohrenapotheke. Rechts wiederum der Maximiliansring. Genau auf dem Grundstück des unscheinbaren Gebäudes verläuft heute die Fahrbahn in Richtung Straßburger Platz.




    Um 1907 wurde dieses Motiv aufgenommen. Der Rathausturm zeigt sich noch unfertig. Am unteren Bildrand eine der ganz seltenen Aufnahmen eines Wagens der Linie 30 (Altmarkt – Altenberger Straße), die 1909 in der verlängerten 22 aufging.




    Auf dem Weg zum Elbufer durchfuhr die 16 die „rote“ Strecke durch den Moritzring und gelangte zum Amalienplatz. Seit 1896 überspannte ab hier die Königin-Carola-Brücke die Elbe. Die Zufahrt zum Terrassenufer wurde entsprechend angepasst und über die seitlich der Brückenrampe arrangierten Straßen geführt: In nördlicher Richtung ging es über den Elbberg, erkennbar in der Bildmitte, in südlicher über den parallelen Hasenberg, hier ganz links. Ab 1909 wurden die beiden eingleisigen Verbindungsstrecken zum Terrassenufer linienmäßig nicht mehr befahren, waren aber noch mindestens bis Anfang der dreißiger Jahre als Betriebsstrecken vorhanden und wurden auch bei Umleitungen genutzt.




    Elbberg mit Güntzbad (1903 bis 1905) und der „Ruhigen Elbe“ (Fr. Offermann, 1907) – die beiden allegorischen Figuren der Elbe sind noch heute vorhanden und fristen ein eher unbeachtetes Dasein innerhalb der zur Stadtautobahn ausgebauten Nord-Süd-Verbindung. Vergleichsbild von 2016. Die beiden Straßenzüge neben der Brückenrampe wurden im Zuge der Enttrümmerung zugeschüttet und die Topografie des Elbhanges an dieser Stelle bis zur Unkenntlichkeit verändert. Der Brückenbau Ende der sechziger Jahre tat sein Übriges. Der heutige Hasenberg entlang des Gondelhafens hat mit dem alten nur den Namen und die ungefähre Richtung gemein.






    Das Gegenstück der „Bewegten Elbe“, im Hintergrund die Neue Synagoge.




    Stadtwärtiger Blick mit Hasenberg, Moritzring und Amalienplatz.




    Elbberg vom Terrassenufer, links das Venezianische Haus. Ungefähr an dieser Stelle befinden sich heute die Treppen zur Haltestelle „Synagoge“. Noch scheint wie vor dem Brückenbau, der Verkehr in beiden Richtungen über den Elbberg zu rollen, wie der zweigleisige Abzweig verrät. Den Hasenberg gab es bis zum Brückenbau noch nicht, er wurde erst 1892 mit dem Brückenbau angelegt.




    Aus der Deutschen Fotothek: So sah es um 1870 am Terrassenufer aus, lange vor dem Bau der Carolabrücke. Wenige Schritte von hier, oberhalb des Hanges am späteren Amalienplatz, sollten alsbald die ersten Wagen der „Conti-Linie“ für Furore sorgen. Man beachte das rege Treiben am Elbufer – der Lastentransport mittels Flussschiffahrt sollte in den folgenden Jahrzehnten zugunsten der Eisenbahn dramatische Einbrüche erleben.




    Am Hasenberg passierte die Linie 16 auch die 1838 bis 1840 nach Plänen von Gottfried Semper errichtete Synagoge. Blick über den ehemaligen Gondelhafen unterhalb der Bastion Jupiter, im Hintergrund ist die Carolabrücke im Bau.




    Synagoge, Blick von der Zeughausstraße. Der Bau wurde wie zahlreiche andere jüdische Gotteshäuser in der „Reichskristallnacht“ in Brand gesteckt und anschließend abgebrochen. Ungefähr am Standort des Fotografen befindet sich heute das Mahnmal für die Synagoge und die ermordeten Dresdner Juden.




    Noch einmal das Venezianische Haus am Elbberg/Ecke Terrassenufer. Es führt nur noch ein Gleis auf das Terrassenufer hinab, die Gegenrichtung läuft bereits über den Hasenberg.




    Terrassenufer im Vergleich, einst und 2015. Blick von der Carolabrücke in östliche Richtung.






    Zum Abschied von der Carolabrücke noch einmal das Venezianische Haus und der Elbberg, davor ein ganz besonderer Zug auf der späteren Linie 18 zum Schloßplatz: Bei Beiwagen 123 handelt es sich um einen der ehemaligen Lührigschen Gasmotorwagen des Versuchsbetriebes zum Wilden Mann…




    Zwei stimmungsvolle Bilder des Terrassenufers, aufgenommen durch den Hoffotografen Ermenegildo Antonio Donadini vor 1900, finden sich in der Deutschen Fotothek. Im Hintergrund die gerade fertiggestellte Carolabrücke und die Silhouette der Altstadt. Von der Carolabrücke bis zum Sachsenplatz nutzte die Linie 16 die Gleise von Sachsens erster elektrischer Straßenbahnlinie, der späteren 18. Der Planverkehr auf dem Terrassenufer endete 1922, doch als Betriebsstrecke blieb die Strecke bis in die dreißiger Jahre hinein nutzbar.





    Vergleichsbild von 2015. Von der einstigen urbanen Dichte der Pirnaischen Vorstadt und der repräsentativen Bebauung am Terrassenufer ist heute nichts mehr übrig.




    Vom Terrassenufer blicken wir um 1890 auf die Albertbrücke (E. A. Donadini, Deutsche Fotothek). Noch herrscht hier Pferdebetrieb, und es fehlt die Oberleitung. Wir wechseln die Elbseite und lassen den Sachsenplatz rechterhand liegen.


  • Mit der "roten 16" zur Grenadierkaserne (Teil II)

    Der zweite Teil beginnt mit einem Stadtplanausschnitt von 1904. Die mittlerweile elektrische Linie befährt noch immer die Melanchthon- und Carlstraße, der Schlenker durch die Holzhofgasse und Löwenstraße hat den elektrischen Betrieb jedoch nicht mehr erlebt.




    Linie 16 im „Dresdner ABC“ von 1905. Die erst mit Beginn des Folgejahres offiziellen Liniennummern sind hier bereits berücksichtigt. Noch verkehrt die Linie auf alten Gleisen durch die Melanchthonstraße.




    Blick zurück vom Neustädter Ufer über die Albertbrücke zum Sachsenplatz mit der markanten Jägerkaserne. Der gelbe Zug der Linie 5 am Neustädter Brückenkopf kam gerade links unten aus der damaligen Kurfürstenstraße (Hoyerswerdaer Straße), rechts die roten Gleise in die Glacisstraße. Die Albertbrücke nutzten gelbe und rote Gesellschaft gleichermaßen. Ab Ende 1906 wurde die abenteuerliche „rote“ Streckenführung der Linie 16 dann aufgegeben, und sie verkehrte von nun ab
    wie die Linie 5 zur Bautzner Straße und bog dort direkt in die Bautzner Straße ab: Die Vereinigung der privaten Gesellschaften unter Ägide der Stadt ab 1906 machte es möglich.




    Kurfürstenplatz (Rosa-Luxemburg-Platz) mit der erwähnten Gabelung, E. A. Donadini um 1900, wieder aus den Beständen der Deutschen Fotothek. Das Gerichtsgebäude in der Lothringer Straße, das heute die Szenerie beherrscht, zeigt sich eingebaut hinter den prachtvollen Gründerzeitblöcken –nicht eines dieser Häuser hat die Bombennacht des 13. Februar überstanden.




    Kurfürstenplatz, rechts Blick in die Kurfürstenstraße, links aus der Glacisstraße kommend ein Rundbahnwagen der späteren Linie 26, noch ohne Liniennummer.




    Unmittelbar darauf bog die Strecke bis 1906 von der Glacisstraße in die Melanchthonstraße ab, kreuzte die gelben Gleise in der Kurfürstenstraße und folgte der Melanchthonstraße bis zu deren Ende an der heutigen Lessing-, damals Carlstraße. Das Erlweinsche Gebäude der 4. Knabenberufsschule existierte damals noch nicht, es wurde erst 1914 bis 1916 errichtet.




    Blick zurück zur Glacisstraße vom Haupteingang der Berufsschule, links der Erweiterungsbau des Romain-Rolland-Gymnasiums.




    Foto um 1920. Beachtenswert, dass die seit Jahren ungenutzten Gleise der Linie 16 noch immer im Pflaster der Melanchthonstraße liegen. Der alte Oberleitungsmast dient als Halterung für eine Freileitung.




    Vergleichsbild (2015). Links angeschnitten die ebenfalls von Hans Erlwein stammende Höhere Mädchenschule, erbaut 1913 bis 1915, heute als Romain-Rolland-Gymnasium für seine zweisprachige deutsch-französische Ausbildung weit über die Grenzen Dresdens hinaus bekannt.




    Auf der östlichen Melanchthonstraße ist der ehemalige Gleiskörper noch an der unregelmäßigen Straßenpflasterung erkennbar. Am Ende der Straße bog die Strecke nach links in die ehemalige Carlstraße.




    Nicht weit ist es bis zum namenlosen Platz am Pferdebrunnen an der Bautzner Straße. Von 1892 bis 1895 traf die Pferdebahnstrecke hier aber noch nicht auf die gelben Gleise in der Bautzner, sondern bog vorher noch einmal in die Holzhofgasse ein, um den Feindkontakt auf ein Minimum zu beschränken.




    Die Bautzner Straße mit all der bis 1906 bestehenden Herrlichkeit am „Goldenen Löwen“ zwischen Bautzner Straße und Holzhofgasse: Auf den Fotografen zu fährt ein vom Waldschlößchen kommender gelber Zug der späteren Linie 9. Ein roter Wagen zur Grenadierkaserne schickt sich an, aus der Carlstraße in die Bautzner einzubiegen und für wenige hundert Meter die Gleise der Konkurrenzgesellschaft mitzunutzen. Diese Situation war schon 1906 Geschichte, und die 16 folgte der 9 bis zur heutigen Kreuzung Bautzner/Rothenburger Straße, letztere damals noch Markgrafenstraße.




    Vergleichsbild, 2018.




    Ein weiteres Postkartenmotiv wenige Jahre nach dem ersten. Die Gleise in die Carlstraße sind verschwunden.




    Nach Bedienung der gemeinsamen Haltestelle an der Wolfsgasse führte die Route am Diakonissenkrankenhaus vorbei.




    Zwickel zwischen Bautzner und Prießnitzstraße. Die noch dörflich anmutende Bebauung an dieser Stelle hat die Zeiten nicht überstanden. Aktuell folgt hier der Neubau eines Wohn- und Geschäftsgebäudes, nachdem sich Pläne für ein Hundertwasserhaus zum Ende der 1990er Jahre durch den Tod des Künstlers leider zerschlagen haben.




    Ein ungewöhnlicher Blick aus der Prießnitzstraße zur Bautzner, im Hintergrund die Diakonissenanstalt.



    Nach dem Überqueren der Prießnitz bog die Strecke zur Grenadierkaserne in die Forststraße ein. Die Strecke bestand bis in die ersten Nachkriegsjahre, wurde aber nie mehr vollständig in Betrieb genommen. Von 1945 bis 1947 diente die Haltestelle Bischofsweg/Forststraße als Endpunkt der Linie 2, danach endete der Straßenbahnbetrieb auf der Forststraße. Ein letzter Gleisrest erinnerte 2016 noch an die alte Strecke.




    Strecke zur Grenadierkaserne auf einem Stadtplan von 1904.




    Schematische Darstellung der Strecke 1908. Die Durchfahrung der Melanchthonstraße endete zwei Jahre zuvor.




    Fahrplan von 1908 aus dem einschlägigen „Verkehrsbuch“.




    Auf der Forststraße ist der Gleisverlauf anhand der Pflasterung noch immer gut zu erkennen.




    Annäherung an die Haltestelle „Jägerstraße“ mit dem Beginn der Ausweiche. Der Pferdebahn-Endpunkt befand sich bis 1896 direkt in der Jägerstraße, dazu wurde vor dem weißen Eckhaus rechts abgebogen.





    Das vorher hier befindliche Restaurant Albertpark ist unter Kriegsverlust zu verbuchen.




    Das gegenüberliegende Eckhaus zur Marienallee hat die Bombardements überlebt. Man beachte rechts im Straßenpflaster den ehemaligen Gleisverlauf, selbst die ehemalige Ausfahrtsweiche der Ausweiche lässt sich im Pflaster gut erkennen.





    In der Marienallee lag das Gleis am linken Fußwegrand. Die etwas wilde Pflasterung aus der Nachkriegszeit lässt seine Lage erahnen. Die Steigung war der Grund dafür, dass der Betrieb hier erst mit Einführung der elektrischen Traktion aufgenommen wurde.




    Die Strecke passierte hier das Freiherr von Fletchersche Lehrerseminar, dessen ausgebaute Kriegsruine nach dem Krieg als Polytechnische Oberschule diente und heute die Waldorfschule beherbergt. (Deutsche Fotothek).




    Bald darauf traf die 1896 verlängerte Strecke auf die Carola-Allee, heute Teil der Stauffenbergallee. In der Kurve lag bis 1945 die Haltestelle „Marienallee“. Von den beiden identischen riesigen Grenadierkasernen hat nur die rechte am östlichen Ende der Allee zum Waldschlößchen hin die Zerstörungen überstanden. Pläne für eine Wohnbebauung sehen eine Wiederaufnahme der historischen Kubatur vor.





    Am Wachgebäude zwischen den beiden Kasernengebäuden hatte die Straßenbahn von 1896 bis 1945 ihren Endpunkt.





    Endpunkt Grenadierkaserne, wohl unmittelbar nach Betriebsaufnahme. Der sechsbogenfenstrige Triebwagen befindet sich noch im Originalzustand mit der ersten Lackierung der Deutschen Straßenbahn-Gesellschaft, die den Schriftzug noch unter dem Fensterband aufwies. Später wanderte er (auf weißem Grund) unter die Scheuerleise des Wagenkastens.




    1909 wurde die Linie 16 im Zuge der Linienreform grundlegenden Änderungen unterzogen. Bis auf den Endast zur Grenadierkaserne verkehrte sie nunmehr ausschließlich auf ehedem „gelben“ Gleisen in die Stadt, mit folgender Streckenführung:


    Grenadierkaserne – Carola-Allee – Marienallee – Forststraße – Bautzner Straße – Albertplatz – Hauptstraße – Neustädter Markt – Augustusbrücke – Schloßplatz – Augustusstraße – Neumarkt – Georgplatz – Waisenhausstraße – Prager Straße – Hauptbahnhof – Reichsstraße – Reichenbachstraße.


    Linie 16 im „Verzeichnis der Straßenbahnlinien der Stadt Dresden“, Paul Zscharnack 1909:




    Fahrplan von 1910:




    Die „rote 16“ überdauerte bis 1922. Dann übernahm die Linie 9 den Verkehr zur Grenadierkaserne und blieb hier bis 1945 heimisch. Die Nummer 16 feierte 1928 auf völlig veränderter Streckenführung eine Wiederauferstehung als Zwischenlinie zur 1.




    Frohe Weihnachten!

  • Mit der "Dreieckslinie" durch die Antonstadt (Teil I)

    Auch die nächste Begehung auf den Spuren der Dresdner Straßenbahngeschichte beginnt in meiner heimatlichen Antonstadt.


    Seit 1882 verband eine Pferdebahnlinie der Tramways Company of Germany Ltd. die Bautzner Straße mit dem Georgplatz und wenig später der Reichenbachstraße in der Südvorstadt. Damit wurde erstmals die kurz zuvor im Jahre 1877 eingeweihte Albertbrücke von einer Straßenbahnlinie befahren. Die heutige 13 ist zwischen der Bautzner Straße und dem Sachsenplatz also auf sehr historischen Gleisen unterwegs…



    Fahrplan der Linie Bautzner Straße – Reichsstraße (Reichenbachstraße), 1883.



    1887 wurde unsere Linie nordwärts durch die Markgrafenstraße (Rothenburger Straße) und Görlitzer Straße bis zum Alaunplatz verändert, auf dem Rückweg nahmen die Wagen eine große Blockschleife über Kamenzer Straße und Louisenstraße zurück zur Markgrafenstraße.




    Fahrplan aus Pässlers „Übersichtsplan der Dresdner Straßenbahnen“, 1887. Die Verlängerung zum Alaunplatz ist bereits berücksichtigt, im zugehörigen Plan fehlt sie noch.




    Daher der Kartenausschnitt von 1888 aus der gleichen Publikation ein Jahr später mit Streckenführungen der Linien der Tramways Company of Germany Ltd., die rote Konkurrenz war noch nicht ins Geschehen eingestiegen. Gut erkennbar ist die Blockschleife.



    Kurz vor der Elektrifizierung 1896 wurde der Richtungssinn der Blockschleife gedreht; in diesem Zustand blieb sie bis 1948 erhalten, als die Gleise in der Louisen- und Kamenzer Straße zur Materialgewinnung abgebaut wurden. Der dadurch entstandene und betriebstechnisch nicht unproblematische eingleisige Streckenabschnitt in der Görlitzer Straße besteht noch immer – Provisorien währen bekanntlich am längsten.


    Mit Einführung des elektrischen Betriebes wurde die ab 1906 als Linie 5 bezeichnete Route, die bis dato an ihrer orangegelben Beschilderung und einem auf dem Wagendach angebrachten roten Dreieck zu identifizieren war, wieder bis Georgplatz verkürzt und die Strecke in die Südvorstadt übernahm die Linie Blasewitz – Böhmischer Bahnhof, aus jener ging später die bereits dokumentierte Linie 1 hervor. Im Gegenzug allerdings konnte die spätere 5 im Jahre 1900 über den Bischofsweg, den Bischofsplatz und die Hechtstraße bis Höhe Buchenstraße verlängert werden, wobei in der Hechtstraße Gleise genutzt werden konnten, die die „rote“ Konkurrenz bereits 1892 bis 1894 in weiser Voraussicht verlegt hatte, aber mangels Anschlusstrecke nicht in Betrieb nehmen konnte: Offenbar ward hier an eine Verbindung über die gerade entstehende Fritz-Reuter-Straße zur Großenhainer gedacht, diese allerdings sollte noch lange Jahre auf sich warten lassen…



    Beschilderung der „Dreieckslinie“.



    Mit der Linienreform 1909 erfolgte die Verlängerung zum Hauptbahnhof und weiter nach Zschertnitz. Bis auf den südlichen Endpunkt, der mehrfach zwischen Zschertnitz, der Nürnberger Straße und dem Hauptbahnhof wechselte, blieb diese Streckenführung bis zum Angriff am 13. Februar 1945 erstaunlich konstant.


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    Wir konzentrieren uns in der folgenden Reihe auf die Streckenführung der ehemaligen Pferdebahnlinie und lassen die Verlängerung zur Hechtstraße erst einmal außen vor – ihr soll demnächst ein eigener Beitrag gewidmet werden. Raus aus der Tür und Annäherung an das Forschungsobjekt vom Alaunplatz her. Der passende Straßenbahnzug der Linie 13 mit seiner VVO-Werbung kommt wie bestellt.




    Der Blick geht auf den ehemaligen Endpunkt auf dem Bischofsweg.




    Erreicht wurde dieser bis 1896 über die Görlitzer Straße, die seit 1948 das einzige Streckengleis beherbergt. Dann wurde der Richtungssinn der Blockschleife gedreht.




    Stadtplanausschnitt von 1888. Das Pferdebahn-Netz der Tramways Company hat fast seine endgültige Ausdehnung erreicht.




    Die heutige Haltestelle Alaunplatz befindet sich etwa 100 Meter weiter westlich auf der 1900 in Betrieb genommenen Verlängerung Richtung Königsbrücker Straße. Nötig wurde die teilweise Verlegung durch die Stilllegung der Gleise der Blockschleife, denn bis 1948 lag die Haltestelle in Richtung Mickten in Höhe des ehemaligen Pferdebahnendpunkts jenseits der Einmündung der Görlitzer Straße. Die 13 ist seit Wiederinbetriebnahme der Strecken in der Antonstadt nach zerstörungsbedingter Unterbrechung 1947 eine Institution auf diesem Streckenabschnitt, auch wenn sie zwischen 1951 und 1969 hier durch eine neue Linie 5, später von 1976 bis 1992 durch die 16 begleitet wurde, und hier somit bereits wesentlich länger unterwegs als ihre Vorgängerin.



    Eine gern gesehene Fahrgastgruppe waren in den frühen Jahren der Straßenbahn die in den Kasernen der Albertstadt und in zahlreichen Wohnungen der nördlichen und östlichen Antonstadt anzutreffenden Militärs, vorzugsweise Offiziere. Oberhalb des als Exerzierplatz dienenden Alaunplatzes erhob sich die 1868 bis 1871 im Tudorstil errichtete Schützenkaserne, die erst 1885 ihre charakteristischen Schmucktürme erhielt. Die riesige Kriegsruine wurde 1954 beseitigt, heute stehen hier die Neubauten der „Oberen Neustadt“, im Volksmund in Anspielung an die dort ansässige Gentrifizierungs-Klientel und die gesichtslose Architektur als Volvograd bezeichnet. Zumindest ist die ehemalige sandige Einöde der Platzfläche seit den fünfziger Jahren einer satten Begrünung gewichen – wohl jedem Dresdner ist der „A-Park“ ein Begriff, wenn auch mit recht unterschiedlicher Konnotierung. Im Hintergrund rechts der Turm der Garnisonkirche, auf der Postkarte fast herausretuschiert.





    In den 2000ern errichtetes Wohn- und Geschäftsgebäude am Bischofsweg/Ecke Görlitzer Straße. Bis etwa zur Jahrtausendwende befand sich hier das Gleisdreieck Alaunplatz (zwischenzeitlich bis 1990 Platz der Thälmann-Pioniere), welches im Bischofweg einen Rest des aus der Kamenzer Straße kommenden ehemaligen Streckengleises Richtung Mickten einbezog.




    Der unscheinbare vorgründerzeitliche Vorgängerbau überlebte zwar die Wende, musste dann aber wegen Baufälligkeit weichen. Für Straßenbahnen bestand hier in den letzten Jahren eine Langsamfahrstelle, die nicht nur der scharfen Kurve geschuldet war: Die auch zur Oberleitungsabspannung herangezogene Wand des Hauses vibrierte bei Vorbeifahrt verdächtig…




    Einige Fahrleitungsrosetten haben sich im Bischofsweg erhalten, sie dienten bis zuletzt der Abspannung der Oberleitung über dem als Dreiecks-Auszugsgleis genutzten ehemaligen Blockumfahrungsrest.




    Ehemaliges Ende des Dreiecksgleises. Rechts sind noch einige Beton-Oberleitungsmasten aus DDR-Zeiten erhalten.




    Der aufmerksame Leser mag es bemerkt haben: Wir folgen der Blockschleife nicht in der späteren, sondern der von 1887 bis 1896 als Pferdebahnstrecke gültigen Fahrtrichtung. Vor uns die Kreuzung mit der Sebnitzer Straße, hier bog die Schleife in die Kamenzer Straße ein. Man beachte die Bolzen der verschwundenen Fahrleitungsrosette am rechten Eckhaus.




    Das Eckhaus wurde damals wie heute gastronomisch genutzt, auch wenn sich der Schwerpunkt des kulinarischen Angebotes geografisch etwas verschoben hat. Man beachte die Gleiskurve unserer Blockschleife auf der Postkarte!





    Brauchbare Ansichten aus der Kamenzer Straße mit Straßenbahn sind mir leider nicht bekannt. Auch die Spurensuche gestaltet sich schwierig: Die Straße hatte einige bauliche Bombenabgänge zu verzeichnen, und die Sanierungen der 1990er und 2000er Jahre haben so gut wie alle Spuren ehemaliger Rosetten getilgt. Bis vor etwa zehn Jahren war aber noch der Pflasterstreifen des Streckengleises gut erkennbar, wich dann aber der grundhaften Straßensanierung.


    In Höhe Sebnitzer Straße befand sich ab Anfang der zwanziger Jahre eine Haltestelle, die naturgemäß nur in Richtung Mickten bzw. Hechtstraße bedient wurde. Sie ersetzte die Haltestellen „Martin-Luther-Straße“ und „Bischofsweg/Kamenzer Straße“, die jeweils an den Ecken der Blockumfahrung lagen.




    Wir nähern uns dem südlichen Ende der Kamenzer Straße an der Louisenstraße.




    Eine städtebaulich sehr fotogene Situation bietet sich an der Ecke Kamenzer und Louisenstraße, denn mit etwas Versatz beginnt hier auch die Martin-Luther-Straße, die über den gleichnamigen Platz zur Bautzner führt. Rechts das „Stadt Rendsburg“. Der dunkle Pflasterstreifen in Bildmitte ist der Überrest des ehemaligen Gleiskörpers, wie wir gleich sehen werden.




    Postkartenmotiv mit dem auf dem Vorbild mittig zu sehenden Eckhaus zur Martin-Luther-Straße. Man beachte wiederum das Streckengleis.




    Das Straßenpflaster in der Louisenstraße verrät noch immer den weiten Ausschlag, den das Gleis zur Bewältigung der engen Kurve nehmen musste. Kaum vorstellbar, dass sich hier heute ein Niederflurwagen hindurchquälen könnte…




    Die Vergleichsansicht des „Stadt Rendsburg“, heute Hostel „Mondpalast“, ist wiederum wegen der erkennbaren Gleislage von Interesse; die Postkarte belegt die weit ausschweifende Biegung.





    Die ehemalige Kurve aus der Louisen- in die Kamenzer Straße aus beiden Blickrichtungen.





    Nur wenige Schritte, und wir treffen wieder auf aktive Gleise. Annäherung an das infamöse „Assi-Eck“, der versetzten Kreuzung zwischen Rothenburger/Görlitzer und Louisenstraße. Erkennbar im Pflaster ist die einstige Kurve in die (bzw. aus der) Rothenburger Straße. Der Fußweg am Eck wurde erst nach Stilllegung vorgezogen und überdeckt den Gleis-Pflasterstreifen somit teilweise.




    Detailansichten der Kurve. Derartige verkehrsarchäologische Spuren werden immer seltener – zum Glück aus Sicht der Autofahrer, aber sehr zum Bedauern des Hobby-Verkehrshistorikers…





    Kurzer Abstecher in die Görlitzer Straße, Blick nach Süden. An dieser Stelle, also noch im Eingleisigen, befand sich noch bis um die „Wende“ (ja wann genau eigentlich?) die Haltestelle Louisenstraße in Richtung Bautzner Straße – ein Relikt aus jener Zeit, als das landwärtige Streckengleis noch kurz vorher in die Louisenstraße abbog und die Bahnen an dieser Stelle nur in Richtung Innenstadt unterwegs waren. Später wurde die Lage geändert und die 13 hält heute hinter der Kreuzung nach Verlassen des eingleisigen Abschnitts – verkehrstechnologisch sicher wesentlich sinnvoller.




    Blick nach Norden die Görlitzer Straße entlang, in der Blickachse der Turm der Garnisonkirche.




    Zeit für eine Vergleichsansicht. Die Linie 14 wurde 1926 als Zwischenlinie zur 5 eingeführt und befuhr die Neubaustrecke durch die Fritz-Reuter-Straße und Bürgerstraße nach Mickten. Die komplette Verbindung vom Rosa-Luxemburg-Platz durch die Antonstadt und Leipziger Vorstadt nach Mickten wurde nach den Angriffen zunächst eingestellt und erst seit 1947 wieder befahren: durch eine gewisse Linie 13.




    Weiter im zweiten Teil.

  • Mit der "Dreieckslinie" durch die Antonstadt (Teil II)

    Den Auftakt zum zweiten Teil bildet ein Ausschnitt aus einer Grafik zur Geschichte des Straßenbahnverkehrs in der Antonstadt, die ich vor einiger Zeit erstellt habe. Sie gibt meinen aus den diversen Quellen rekonstruierten aktuellen „Forschungsstand“ wieder – es können also durchaus noch Ungereimtheiten vorhanden sein. Zu erkennen auch die in der letzten Reihe beschriebene mäandernde Strecke der „roten“ Linie 16 durch Melanchthon- und Lessingstraße – die an der tatsächlichen Topografie orientierte Grafik verdeutlicht das Nebeneinander der beiden Privatgesellschaften nach 1890 bis zur Vereinigung unter städtischer Ägide 1905/06.




    Weiter geht es am „Assi-Eck“, oder nennen wir es doch besser bei seinem früheren volkstümlichen Namen „Musikhaus-Eck“. Noch einmal die einstige Kurve der Blockumfahrung in die Louisenstraße aus der Gegenrichtung. Wer weiß, wie lange ein solches Bild noch möglich sein wird…





    Klassische „Musikhaus-Eck“-Ansicht aus der Rothenburger Straße mit einfahrender Linie 13: Standort ist der heutige Bereich der Haltestelle „Görlitzer Straße“, ehemals „Louisenstraße“.




    Betrachten wir als nächstes die Kreuzung Bautzner/Rothenburger Straße etwas näher. Von Beginn an bestand hier ein Anschluss unserer Dreieckslinie an die ein Jahr eher in Betrieb genommene Waldschlößchenlinie, Vorgängerin der 9. Heute bedienen den Knoten neben der 13 die kreuzende 11 und die hier zu sehende 6, die auf dem nördlichen Ring die Aufgaben der aufgelassenen Linie 26 übernommen hat.




    Das ursprüngliche Eckhaus zählt unter die örtlichen Kriegsopfer, bis Ende der 1990er bestand hier eine sehr langlebige Baulücke. Auf der historischen Postkarte sehen wir die Vorkriegsbebauung und zwei gelbe Straßenbahnzüge noch vor Übernahme durch die Stadt und Einführung der Liniennummerierung: Auf der Bautzner Straße ist eine spätere 9 auf dem Weg vom Waldschlößchen nach Leubnitz-Neuostra unterwegs, und in der Haltestelle in der Kurfürstenstraße (Hoyerswerdaer Straße) steht ein Triebwagen der Dreieckslinie mi seinem markanten Symbol auf dem Dach, der gleich seine Fahrt in die Antonstadt und zur Hechtstraße fortsetzen wird; dabei wird er wenige Minuten später auch die im ersten Teil vorgestellte Blockumfahrung durch die Louisen- und Kamenzer Straße passieren.




    Das die Kurfürstenstraße einengende kleine Häuschen gegenüber wird bald Geschichte sein und durch einen zeitgemäßen Neubau ersetzt werden. Dahinter erkennen wir das große Mietshaus, welches das „Bautzner Tor“ beherbergt.




    Vergleichsbild. Auch das Nachbarhaus in der „kleinen Bautzner Straße“ musste noch vor dem Ersten Weltkrieg einem deutlich imposanteren Neubau weichen.




    Weitgehend unverändert zeigt sich der Mündungsbereich der heutigen Rothenburger Straße, ehemals Markgrafenstraße. Der gelbe Triebwagen der Dreieckslinie hat auf seiner Fahrt zum Georgplatz die Bautzner Straße erreicht.





    Zwei Blicke in die damalige Markgrafenstraße zum Versatz an der Louisenstraße. Die erste Ansicht zeigt ebenfalls einen Wagen der Dresdner Straßenbahn AG als Nachfolgerin der Tramways Company auf der Dreieckslinie, die zweite bereits einen Wagen mit städtischer Nummer und Linienscheibe auf dem Dach.





    Blick in die Rothenburger Straße heute. An just jener Stelle befand sich von 1882 bis 1887 der Endpunkt der Linie bis zur Verlängerung zum Alaunplatz.




    Wir folgen der Strecke weiter in Richtung Albertbrücke und passieren dabei die Tieckstraße.





    Einfahrende 13 an der Haltestelle „Rosa-Luxemburg-Platz“. Diese hat schon zahlreiche Namensänderungen hinter sich, unter anderem hieß sie bereits Köbisplatz, Kurfürstenplatz oder Wasserstraße.




    In Elbufernähe nehmen die Bombenschäden und entsprechend die Lücken in der historischen Bebauung deutlich zu. Kaum wiederzuerkennen ist der südliche Eingang der Hoyerswerdaer Straße am Rosa-Luxemburg-Platz.





    Eine weitere historische Ansicht des damaligen Kurfürstenplatzes. Rechts das Brückenzoll-Einnehmerhäuschen.




    Blick über die Albertbrücke zum gegenüberliegenden Elbufer in Johannstadt und der Pirnaischen Vorstadt. Links neben der Brücke die Jägerkaserne am Sachsenplatz.




    Mangels erhöhten Standpunktes ist dieses Bild nur annähernd reproduzierbar. Von der Vorkriegsbebauung des linken Elbufers ist nichts mehr vorhanden.




    Auf der Albertbrücke kommt uns eine 6 entgegen. Im Hintergrund das heute frei sichtbare Gerichtsgebäude an der Lothringer Straße als letztem Vorkriegsbau rund um den Sachsenplatz, früher kaum sichtbar zwischen Gründerzeitblöcken versteckt.




    Die 1881/82 errichtete Jägerkaserne am Sachsenplatz aus der Nähe. Heute bestimmen Hochhäuser die Szenerie, nur die alte Ufermauer erlaubt eine vergleichende Einordnung. Dieser Uferabschnitt gehört bereits zur Johannstadt.





    Dafür entschädigen diese beiden Seitenblicke über das mittlerweile zweifelhaft berühmte Doppelgeländer der sanierten Albertbrücke auf Dresdens atemberaubende Altstadtsilhouette – auch ohne jeden Lokalpatriotismus kann man diesen Anblick mit Fug und Recht als eines der wertvollsten städtebaulichen Raumbilder bezeichnen, welches dieses Land aufzuweisen hat.





    Sachsenplatz und –allee, einst umstanden von prachtvollen Gründerzeithäusern, zeigen sich heute völlig unbebaut, sind aber strukturell noch im Vorkriegszustand vorhanden.





    Die Haltestelle auf dem Sachsenplatz wurde mit der Auflassung der Strecke in der Marschallstraße 1948 überflüssig und Anfang der fünfziger Jahre in die Sachsenallee zum heutigen Standort verlegt. Die Aufnahme aus dem DVB-Archiv stammt aus den dreißiger Jahren und zeigt die damals hier verkehrenden drei Linien: die 5 und 14 bildeten ein vertaktetes Linienbündel mit identischer Streckenführung zwischen Bischofsplatz und Hauptbahnhof und werden gleich hinter der Haltestelle links in die Marschallstraße zum Rathenauplatz einbiegen. Die 3 folgt bis zur Augsburger Straße der Linie 1 und erreicht dann über den „Striesener Block“, den Barbarossaplatz und die Augsburger Straße ihren südöstlichen Endpunkt an der Altenberger Straße.




    Heute fahren die Linien 6 und 13 hier durch, und der Abzweig in die Marschallstraße ist schon längst Geschichte.




    Blick vom Sachsenplatz in die Marschallstraße mit einer Linie 5 in Richtung Hechtstraße, im Vordergrund erkennbar das Gleisdreieck der „gelben“ Strecken. Die 5 wird gleich rechts in Richtung Albertbrücke abbiegen. Hinter der Straßenbahn ist die Seitenfassade des Gerichtsgebäudes zu erkennen.




    Ansicht zum Silvestertag 2018, Blick in die Roßbachstraße als Überbleibsel der Marschallstraße. Ab hier folgte die 5 der Linie 1 bis zum Hauptbahnhof.




    Wir begeben uns noch einmal zum Rathenauplatz, dem damaligen Amalienplatz, wo sich ein Wagen der Dreieckslinie vor 1906 gerade anschickt, aus der Amalien- in die Marschallstraße abzubiegen.




    Massenveranstaltungen waren schon zu Königs und Kaisers Zeiten Anlass für operative Umleitungen, wie dieses Bild vom 1. November 1908 verrät. Gleich zwei Fünfen befinden sich auf Abwegen in den Moritzring, eigentlich ehedem rote Gleise; normalerweise wurde die angestammte „gelbe“ Trasse in der parallelen Amalienstraße genutzt. Die Vereinigung beider Betriebe unter städtischer Ägide macht’s möglich. Der achtfenstrige gelbe Wagen 94 im Vordergrund ist unverkennbar ein ehemaliger Pferdebahn-Decksitzwagen der Tramways Company und trägt eigentlich seit über zwei Jahren die städtische Nummer 589(I), zeigt sich hier aber, abgesehen vom städtischen „Bonbon“ auf der Seitenwand, das ihn als Eigentum der Stadt Dresden ausweist, noch komplett im alten Privatgewand. Da er spätestens 1910 ausgemustert wurde, kann es gut sein, dass er seine neue Wagennummer nie angeschrieben bekam – offenbar ließ man bei der Umzeichnung ein gutes Maß an sächsischer Gemütlichkeit walten…




    Sei’s drum. Wir verlassen unsere 5 an dieser Stelle und schließen uns der Demonstration an. Schließlich wurde die restliche Strecke bis zum Georgplatz bereits ausgiebig in den Beiträgen zu den Linien 30 und 1 dargestellt, so dass wir hier getrost darauf verzichten können.


    Gesundes Neues Jahr!

  • Mit der Linie 5 zur Hechtstraße (Teil I)

    Mit einiger Verspätung begeben wir uns heute wieder auf die Spuren der Linie 5, diesmal widmen wir uns der Verlängerung der ehemaligen Pferdebahnstrecke vom Alaunplatz über den Bischofsweg zur Hechtstraße.


    Bereits seit 1896 wurde auf der „Dreiecksline“ elektrisch gefahren. Mittlerweile brachte sich die Stadt Dresden deutlich spürbarer in die Streckenplanungen und -konzessionierungen der beiden Privatgesellschaften ein, eine Entwicklung, die nur wenige Jahre später in der Übernahme und Kommunalisierung der bisherigen Konkurrenten gipfeln sollte. In diesem Zusammenhang ist auch die am 2. September 1900 erfolgte Verlängerung unserer Linie in die Hechtstraße hinein zu sehen. Die dortigen Gleise waren bereits Jahre vorher von der roten Konkurrenz verlegt worden, gingen aber mangels einer geeigneten Anschlussstrecke nie in Betrieb. Geplant war diese, wie ich mittlerweile in Erfahrung bringen konnte, nicht über die Fritz-Reuter-Straße (wie die noch heute existierende Querverbindung aus dem Jahre 1926), sondern über die Conradstraße zur Großenhainer und weiter sicher zum Albertplatz oder über die Carolabrücke in die Innenstadt. Hierfür wäre aber wohl ein durchgehender Ausbau der Conradstraße vonnöten gewesen, inklusive Verfüllung und Begradigung des Altelbarms in den Scheunenhöfen (Rudolfstraße) – die dortige Vorkriegsbebauung lässt diese Planungen gut erkennen, denn in der Senke befinden sich die Hauseingänge noch immer „provisorisch“ in den Kellergeschossen, und das Erdgeschoss hoch oben in eigentlicher Höhe der ersten Etage…



    Übersicht über die Strecke zur Hechtstraße aus eigener Grafikwerkstatt.



    Sei’s drum, die „Rote“ kam so nie in den Genuss einer Verbindung in die östliche Leipziger Vorstadt, im Volksmund damals als „Oppellvorstadt“ und heute als „Hechtviertel“ bekannt. Dafür trat nun die Konkurrenz auf den Plan: Was lag denn näher, als die ungenutzten Gleise in der Hechtstraße zu übernehmen und über den Bischofsweg an die bestehende Strecke am Alaunplatz anzuschließen? Außerdem bot sich so eine äußerst kommode Umsteigebeziehung zur Arsenal-Linie an der Königsbrücker Straße. Gesagt, getan, und über eine nur etwa achthundert Meter lange Neubaustrecke entlang des Bischofsweges erreichte die „Dreieckslinie“ ab dem 2. September 1900 die Hechtstraße, mit Endpunkt an der damaligen Bebauungsgrenze Höhe Buchenstraße. Machen wir uns also in die Spur…



    Fahrplan der seit 1906 als „5“ bezeichneten Linie im Verkehrsbuch von 1908.




    Die Linienreform von 1909 brachte die Übernahme des Astes nach Zschertnitz von der Linie 26. Ab den zwanziger Jahren wechselte der Endpunkt im Süden mehrfach, so erreichte die Linie 5 bis 1945 wahlweise nur den Hauptbahnhof, die Nürnberger Straße, wiederum Zschertnitz oder den Strehlener Platz… Man beachte die dichte Haltestellenlage zwischen Endpunkt Hechtstraße und Alaunplatz!




    Stadtplanausschnitt von 1911. Noch fehlt am Bischofsplatz die Querverbindung zur Liststraße, heute von Linie 13 befahren.




    Begeben wir uns auf die Pirsch und stärken uns erst einmal virtuell an einem Pils in der anno dunnemals von einheimischen Arbeitern und der Soldateska der nahen Kasernen gern frequentierten „Alaunburg“, Förstereistraße/Ecke Bischofsweg. Hier gab es tatsächlich einmal eine Zwischenhaltestelle!




    Derlei gastronomische Verlockungen bieten sich an dieser Stelle heute nicht mehr. Statt der Eingangstür findet man für die Antonstadt ortstypische Kunst am Bau.




    Blick von den nicht mehr vorhandenen Stufen der „Alaunburg“ zurück in Richtung Alaunplatz, die damalige Neubaustrecke entlang.




    Ein Katzensprung ist es bis zur Kreuzung mit der Königsbrücker Straße. Die Postkarte muss um 1906 entstanden sein, denn der zum Arsenal fahrende gelbe Triebwagen 533 trägt bereits die Liniennummer 7 auf dem Dach. Im Bild kreuzt die Strecke der heutigen Linie 13, damals allein der 5 vorbehalten. Ganz am rechten Bildrand fehlt noch die Schauburg, Buschwerk dominiert deren unbebautes Grundstück.




    Das schlichte Eckgebäude musste 1910 einem stattlichen Neubau weichen, der heute eine schicke Hipster-Location und diverse Ferien-Appartements beinhaltet. Würg!




    Gegenüber befand sich bis in die 1990er Jahre die „Reichskrone“, nach 1945 als „Aktiv“ bekannt. Das denkmalgeschützte Gebäude musste trotz heftiger Proteste einem der typischen Nachwende-Abschreibungsobjekte weichen, in diesem Fall ein besonders mächtiger Klopper. Das Fotothek-Bild zeigt die Reichskrone irgendwann zwischen 1913 und 1922, wie die Linie 13 nach Altcotta in der Königsbrücker Straße beweist: Diese ist nicht zu verwechseln mit der heute kreuzenden Linie gleicher Nummer, sondern es handelte sich um eine kurzlebige Zwischenlinie zur 7, unterwegs zwischen Arsenal und Altcotta.




    Die gleiche Ecke heute. Doppelwürg!




    Wie es der Zufall will, verschönert ein Fahrzeug des aktuellen Fuhrparks unseren weiteren Weg gen Bischofsplatz. Im Hintergrund die Bahnunterführungen der Schlesischen Bahn – fast hätte ich noch eine S-Bahn mit erwischt…




    Es dürfte sich um eine der letzten historischen Eisenbahn-Überfahrten auf Dresdner Stadtgebiet handeln, die noch nicht durch eine zeitgenössische DB-Monstrosität ersetzt wurde. Die Höherlegung der Bahnanlagen um die Jahrhundertwende war eine der Voraussetzungen für den Lückenschluss zum Bischofsplatz, was die verspätete Anbindung des schon längst eng bebauten Hechtviertels von den nahe liegenden „gelben“ Strecken aus erklären mag. Links eines der letzten alten Stellwerke im Vorfeld des Neustädter Bahnhofs.




    Blick zurück zur Königsbrücker Straße. Wir verlassen die Antonstadt und befinden uns nach Unterquerung der Schlesischen Bahn bereits in der Leipziger Vorstadt.




    Erhöhte Ansicht des Bischofsplatzes, der seit der Jahrhundertwende von der neu gebauten Verbindungskurve der Leipziger Bahn zum Neustädter Bahnhof in zwei Teile geschnitten wird. Genau hier befindet sich seit wenigen Jahren der S-Bahnhof Bischofsplatz. Unsere 5 bedient gerade die Haltestelle und biegt gleich in die Hechtstraße ein – die Fritz-Reuter-Straße als Fortsetzung des Bischofsweges ist bis 1926 gleislos. Im Hintergrund die Platzfront zwischen Conradstraße und Fritz-Reuter-Straße, die ein Raub der Bomben wurde; aktuell wird die Baulücke geschlossen. Man beachte auch das Pissoir auf der Verkehrsinsel!




    Der heutige S-Bahnhof Bischofsplatz. Die Einmündung der Hechtstraße liegt fast versteckt halb unter den neuen Brücken direkt hinter der Straßenbahnhaltestelle.




    Blick vom Bahnsteig des S-Bahn-Haltepunktes. Ganz rechts die vor dem Ersten Weltkrieg errichteten „Römmler-Häuser“ zwischen Bahndamm und Johann-Meyer-Straße, auf der Postkartenaufnahme fehlen diese noch.




    Conradstraße vom Bahnsteig gesehen. Aus dieser wären die Gleise der geplanten und nur zum Teil ausgeführten „roten“ Strecke in den 1890er Jahren gekommen.




    Die entgegengesetzte Perspektive mit einem Vorortzug in Richtung Radebeul auf dem Verbindungsbogen: Hinter dem Packwagen das fehlende Eckhaus zur Hechtstraße, auch hier wird gerade an einer Ersatzbebauung gewerkelt.




    Zurück auf den Platz. Einmündung der Oppellstraße, heute Rudolf-Leonhardt-Straße, im historischen Vergleich.





    Manche Dinge sind erstaunlich langlebig: Tabakladen am Bischofsplatz vor dem Ersten Weltkrieg und 2019.





    Historisches Einstiegshäuschen am Bischofsplatz.




    Wir klettern noch einmal zurück auf den Bahnsteig. Eckhaus zur Rudolf-Leonhardt-Straße und die Brücken der Schlesischen Bahn von oben. Ganz links die Baustelle, die die Baulücke zur Hechtstraße wieder schließen wird.




    Blick in die Hechtstraße, der unsere ehemalige Strecke nun auf fast ganzer Länge folgen wird.




    Und wir natürlich auch.


  • Mit der Linie 5 zur Hechtstraße (Teil II)

    Im zweiten Teil folgen wir der Hechtstraße bis zum ersten Endpunkt von 1900.




    Typisch für die Antonstadt und Leipziger Vorstadt waren eine Vielzahl kleinerer Firmen, die oft in den Hinterhöfen produzierten. So auch die Drebifa-Keksfabrik in der Hechtstraße 27 (Deutsche Fotothek).
    Der Firmenname war ein Akronym aus „Dresdner Biscuit-Fabrik“ Schneider & Co.




    Heute kann man hier in einem Familienhostel nächtigen.




    Blick die Hechtstraße hinauf. Am Horizont die Häuser an der Kreuzung mit der Buchenstraße, von 1900 bis 1926 Endpunkt der Strecke. Wir befinden uns in Höhe Fichtenstraße, wo bis zum Ende der Strecke 1945 eine Haltestelle bestand.




    Blick zurück von der Kreuzung mit der Fichtenstraße zum Bischofsplatz mit haltender S-Bahn.




    Eine hochinteressante Vergleichsaufnahme aus dem Jahre 1946 findet sich im Fundus der Deutschen Fotothek. Die gleiche Perspektive, vor allem erkennbar an dem spitzen Turm des Eckhauses im Hintergrund, offenbart, dass zumindest im unteren Teil der Hechtstraße die Gleise zur Wiederinbetriebnahme der Strecke verblieben. So ist sie auch noch im Stadtplan von 1947 eingezeichnet. Verschwunden dagegen ist bereits die Fahrleitungsanlage, die wohl zur Materialgewinnung abgebaut worden war – heute finden sich noch nicht einmal mehr Reste der Oberleitungsaufhängungen an den durchweg sanierten Fassaden.




    Sehr altes Straßenschild noch aus dem 19. Jahrhundert an der Hechtstraße 34.




    Stadtplanausschnitt von 1911 mit der mittleren Hechtstraße und dem Endpunkt der Linie 5.




    Völlig zerstört wurde der mittlere Abschnitt der Hechtstraße zwischen Fichtenstraße und Buchenstraße. Nur das Straßenraster blieb hier erhalten, die Baulücken wurden zum Teil bereits in den 1950er Jahren in großzügiger Form gefüllt. Die heutige 30. Grundschule wurde 1964/65 anstelle des zerstörten Gründerzeit-Vorgängerbaus errichtet.




    Deren Hauptgebäude zog sich entlang der Windmühlenstraße, heute Seitenstraße. Ein Bildvergleich von der Johann-Meyer-Straße gesehen.





    Seitenstraße, im Hintergrund die Hechtstraße. Die letzten Kriegslücken werden geschlossen.




    Der zerstörte Straßenabschnitt mit Nachkriegsbebauung. Diese Verwüstungen dürften ursächlich für die ausbleibende Wiederinbetriebnahme der Strecke nach 1945 sein. Damit ergab sich allerdings eine noch heute sehr empfindliche Lücke im Dresdner Nahverkehrsnetz: Das Hechtviertel wird heute nur noch südlich durch die Linie 13 und im Norden die Buslinie 64 tangiert, eine wirkliche nahverkehrliche Erschließung aber fehlt und verlangt, auch in Anbetracht der unterentwickelten Nahversorgung, zum Teil beträchtliche Fußmärsche. Dies ist umso bemerkenswerter, da das Hechtviertel ähnlich wie die benachbarte Antonstadt vor allem von jungen Familien bevölkert wird, die nicht selten auf einen eigenen PKW verzichten.




    Wir nähern uns der Buchenstraße, und damit dem ehemaligen Endpunkt der Strecke.




    Der Bereich des ehemaligen Endpunkts in der verlängerten Hechtstraße, bis 1928 Friedhofstraße. Abrupt endet die Zerstörungszone, und die historische Bebauung ist im Kreuzungsbereich wieder vollständig vorhanden.




    Vergleichsbild aus dem DVB-Archiv aus den dreißiger Jahren. Im Jahre 1926 ist die Strecke zum Sankt-Pauli-Friedhof verlängert worden. An die ehemalige Umsetzanlage schließt sich ein damals hochmoderner zweigleisiger Bahnkörper an der ehemaligen Friedhofstraße an.




    Haltestelle Buchenstraße, Blick aus letzterer in die Hechtstraße, in Höhe des ehemaligen Endpunkts. Die eckigen Haltestellenschilder fanden sich besonders an Vorortstrecken vereinzelt noch bis in die ersten Nachkriegsjahre. (DVB-Archiv)




    An exakt derselben Stelle befindet sich seit 1998 eine gleichnamige Haltestelle der Linie 91, heute 64. Vorher fuhr der Bus hier jahrzehntelang durch.





    Rekonstruktion eines historischen Haltestellenschilds der Linie 5 im Straßenbahnmuseum. Die Befestigung an Gaslaternen war durchaus üblich, die rote Markierung wies den Weg zur Haltestelle in der Dunkelheit.




    Die Szenerie aus der entgegengesetzten Richtung, ebenfalls aus dem DVB-Archiv.




    Vergleichsbild der Kreuzung mit der Buchenstraße heute Wenig hat sich an der umgebenden Bebauung geändert.




    Wir befinden uns am Streckenende bis zur Verlängerung 1926, der wir im letzten Teil folgen.


  • Mit der Linie 5 zur Hechtstraße (Teil III)

    Der letzte Teil widmet sich der Streckenverlängerung von 1926 zum Sankt-Pauli-Friedhof. Der Stadtplanausschnitt von 1929 (Plan zum Adressbuch) zeigt die verlängerte Linie 5 mit Haltestellen.




    Die Linie 5 im Fahrzeitenverzeichnis von 1928.





    Vierundsiebzig Jahre nach der kriegsbedingten Stilllegung der Strecke ruht der ehemalige Bahnkörper noch immer sanft und unberührt neben der Hechtstraße. Die straßenseitigen Beton-Oberleitungsmasten standen noch bis nach der Jahrtausendwende und dienten der Straßenbeleuchtung. Die bergseitigen Pendants zum Hechtpark waren allerdings nicht mehr vorhanden, man darf annehmen, dass sie andernorts eine neue Verwendung gefunden haben – vielleicht auch zum Aufbau der Obusstrecke?




    Anlass der Streckenverlängerung war der Bau der großen Siedlung des Dresdner Kleinwohnungs-Bauvereins an Hecht- und Bärwalder Straße. Mustergültig saniert zeigen die sich die Häuser heute.




    Die Bahn entstand zeitgleich mit den ersten Wohnhäusern der Großsiedlung – ganzheitliche Stadtentwicklung der 1920er Jahre!




    Blick zurück über den brachliegenden Bahnkörper zum alten Endpunkt in Höhe Buchenstraße.




    Haltestelle Bärwalder Straße heute und damals. Die 1926 bis 1929 erbaute Punktdominante an der Einmündung der gleichnamigen Straße in die Hechtstraße bildet den städtebaulichen Fixpunkt des Quartiers und beherbergte zu Beginn eine Verkaufsstelle des Konsumverein Vorwärts.





    Haltestelle Bärwalder Straße in der Gegenrichtung. Im Straßenverzeichnis der Städtischen Straßenbahn von 1926 fehlt diese noch und wurde wohl erst nachträglich mit Fortgang der städtebaulichen Entwicklung hinzugefügt.




    Bahnkörper zwischen Bärwalder Straße und dem Endpunkt am Sankt-Pauli-Friedhof.





    Nahverkehr im „Oberen Hecht“ in seiner aktuellen Form. Der Lion’s City GL der Linie 64 bietet allerdings keine direkte Zentrumsanbindung der Vorstadt – ganz im Gegenteil zur ehemaligen Straßenbahnverbindung über die Hechtstraße.




    Endpunkt am Sankt-Pauli-Friedhof. Zur Vermeidung von Verwechslungen heißt die Haltestelle seit Einführung des Busverkehrs der Linie B, spätere 71 bzw. 91, in den 1950er Jahren Oberauer Straße – schließlich gab es ja noch den bis Anfang der sechziger Jahre bestehenden anderen Endpunkt „Sankt-Pauli-Friedhof“ an der Radeburger Straße. Trotz der sicherlich gegebenen Verwechslungsgefahr gab es also von 1926 bis 1945 zwei voneinander getrennte Endpunkte gleichen Namens – eine durchgehende Gleisverbindung entlang des Friedhofs hat es nie gegeben.





    Der Endpunkt bot einen direkten Zugang zum Friedhof – das Tor lag unmittelbar hinter dem Streckenende.




    Oberauer Straße, Blick in die Hechtstraße mit der stadtwärtigen Bushaltestelle, im Hintergrund der Bahnkörper und der Höhenzug zur Stauffenbergallee mit dem Hechtpark.




    Diese fantastische Luftaufnahme aus der Deutschen Fotothek zeigt die Siedlung des Kleinwohnungsbauvereins und vor allem die Streckenverlängerung entlang der oberen Hechtstraße in Gänze. Am Endpunkt erkennen wir einen einzelnen Triebwagen der Linie 5, links unten der Sankt-Pauli-Friedhof. Oben links die noch heute existierenden Kasernen an der heutigen westlichen Stauffenbergallee, darüber die Arsenalgebäude an der Königsbrücker Straße. Rechts das noch intakte und heute stark perforierte Gründerzeitviertel der Oppellvorstadt („Unterer Hecht“) rund um Johann-Meyer-Straße, Hechtstraße und Königsbrücker Platz mit der Sankt-Pauli-Kirche, die heute als ausgebaute Ruine als Veranstaltungsstätte fungiert und ihren markanten Turmhelm eingebüßt hat.




    Zum Abschluss dieser Serie der Fahrplan der Linie 5 von 1929. Damit verabschieden wir uns von einer heute weitgehend in Vergessenheit geratenen Straßenbahnstrecke, von der außer dem Bahnkörper von 1926 keinerlei physische Reste mehr zeugen.



  • Straßenbahnen im und am Jägerhof

    Bereits vor zwei Jahren hatte ich im DAF einen einschlägigen Beitrag zum Jägerhof eingestellt, den ich hiermit noch einmal aufgreifen und durch aktuelle Bilder und Kenntnisse ergänzen möchte.


    Der Jägerhof, von dem nur noch der Westflügel erhalten ist, gilt heute gemeinhin als das älteste Gebäude der Neustadt. Ab 1569 wurde die ursprünglich großzügige und vierflügelige Anlage auf dem Gelände des im Zuge der Reformation säkularisierten Augustinerklosters angelegt und diente bis ins 18. Jahrhundert als Menagerie, Remise für allerlei Jagdutensilien und als einschlägige Vergnügungsstätte des Hofes. An das Kloster erinnerten bis zur Zerstörung die Große und Kleine Klostergasse und der Klosterplatz unweit des Neustädter Marktes.


    Im 19. Jahrhundert zog das Militär ein und in den folgenden Jahrzehnten fungierte der Jägerhof als Kavalleriekaserne. Mit dem Umzug der Armee in die neu entstandene Albertstadt und dem bevorstehenden Brückenbau mit Anlage des Carolaplatzes wurden die Gebäude sukzessive zurückgebaut, bis um 1910 nur noch der Süd- und Westflügel übrig waren. Letzterer wurde umfassend saniert und beherbergte ab 1913 das Museum für Sächsische Volkskunst. Nach Beseitigung der schweren Kriegszerstörungen wurde es als erstes Dresdner Museum nach der Zerstörung 1950 wiedereröffnet.


    Fast unbekannt ist die Nutzung des Jägerhofes als Straßenbahnhof der Tramways Company of Germany Ltd. ab 1881. Mit Eröffnung der rechtselbischen Linien fehlte hier eine geeignete Unterstellmöglichkeit für die den Neustädter Markt passierenden Linien. Der frei gewordene Jägerhof bot sich für den Bau einer hölzernen Wagenhalle und angeschlossener Stallungen förmlich an, und so wurde eine etwas abenteuerliche eingleisige Zufahrtsstrecke entlang der Ostseite des Neustädter Marktes und durch die Große Klostergasse gelegt, die im Linienverkehr nicht genutzt wurde. Gleisreste waren, wie Bilder beweisen, noch in den zwanziger Jahren vorhanden.



    Stadtplanausschnitt von 1893. Gut erkennbar ist die eingezeichnete Verbindungsstrecke vom Neustädter Markt zum Jägerhof.


    Bis wann genau der Bahnhof genutzt wurde konnte ich noch nicht in Erfahrung bringen. In den „Kutschern und Kondukteuren“ der DVB von 1997 ist von 1900 die Rede. Wahrscheinlicher scheint eine Schließung bereits 1897 mit der Elektrifizierung der Neustädter Straßenbahnstrecken. Elektrische Straßenbahnen beherbergte er jedenfalls nie – in Anbetracht der sehr engen Kurvenradien der Zufahrt wäre dies auch kaum möglich gewesen.


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    Das Zufahrtsgleis schloss an die noch bis 1974 vorhandene Gleisschleife am Goldenen Reiter an. Auf dieser Aufnahme (um 1890), die das Blockhaus noch vor seiner Aufstockung zeigt, ist es unten mit der Anschlussweiche erkennbar. (Deutsche Fotothek, E. A. Donadini)




    Vergleichsbild von exakt der gleichen Position heute. Beim Wiederaufbau des Blockhauses in den 1980ern wurde der gründerzeitliche Aufbau entfernt und es zeigt sich in der ursprünglichen spätbarocken Form. Der mitten im Bild stehende Brunnen zierte einst das Pan Coupé des abgebrochenen Bürgerhauses an der Ecke Hauptstraße/Neustädter Markt, Pendant zum Neustädter Rathaus an der westlichen Straßenseite.




    Hier sehen wir das besagte Eckhaus mit Brunnen, hinter dem Goldenen Reiter die Gleisschleife und das einmündende Betriebsgleis zum Jägerhof. Rechts mündet die heute überbaute Kasernenstraße in den Neustädter Markt ein. Der kleine Pferdebahnwagen ist auf der Strecke Albertplatz – Strehlen beschäftigt und bedient die „Kurzrelation“ zum Zoologischen Garten, erkennbar am Zielschild und dem Löwenkopf auf dem Wagendach. (Donadini, DFD)




    Der Blick schwenkt etwas weiter nach rechts, und wir folgen unserem Zuführgleis zur Großen Klostergasse, in die es mittels eines engen Radius‘ entlang der Fußwegecke einbog. Im Vordergrund begegnen sich zwei kleine Einspänner, der in Richtung Altstadt fahrende wieder auf der Strehlener Linie als Zwischenwagen zum Zoo (später Teil der Linie 9), der von der Brücke kommende und mit einem Schimmel bespannte bedient die „Briefchenlinie“ Reichenbachstraße – Georgplatz – Neumarkt – Augustusbrücke – Neustädter Markt – Neustädter Bahnhöfe. Diese rettete sich ebenfalls in das elektrische Zeitalter und trug ab 1906 die Nummer 25. (Donadini, DFD)




    Östliche Platzseite des Neustädter Marktes mit Großer Klostergasse in den 1890er Jahren. Im Hintergrund sehen wir das Finanzministerium an der Asterstraße im Bau. Man beachte die verschwenkte Gleisführung des Anschlussgleises in der Großen Klostergasse. In Höhe Klosterplatz ist doch wahrhaftig ein ausrückender Pferdebahnwagen-Decksitzwagen der Strehlener Linie zu erkennen!




    Vergleichsbild. Anstelle der engen Großen Klostergasse breitet sich seit den 1970er Jahren die Köpckestraße aus. Seit 1977 verkehren hier Straßenbahnen im Regelbetrieb zum Carolaplatz.




    Luftbild des Neustädter Marktes (1924). Am östlichen Platzrand (Bildmitte) sind noch Gleisreste des Zubringergleises zum Jägerhof zu erkennen. Die zweigleisige Strecke an der Westseite der Hauptstraße (unten im Bild) wich in den dreißiger Jahren den durchgehend eingleisigen Richtungsgleisen entlang der beiden Fahrbahnen, die noch bis 1974 vorhanden waren. Die Heinrichstraße konnte nun über das ursprünglich nur zum Albertplatz führende Gleis entlang der östlichen Fahrbahn erreicht werden, von dem eine neue Verbindungskurve über den Grünstreifen in Straßenmitte zur Heinrichstraße gelegt wurde. (DFD)




    Wenige Schritte nur waren es durch die Große Klostergasse zum Klosterplatz. Bis zuletzt hatte dieser seine mittelalterliche Anmutung behalten. (DFD)




    Heute befindet sich an gleicher Stelle die unwirtliche östliche Platzecke des erweiterten Neustädter Markts.




    Zwei weitere Fotothek-Aufnahmen: Nordseite des Klosterplatzes mit der Einmündung der Kleinen Klostergasse und Ostseite. Man beachte die wunderschönen typisch Dresdnerischen zweireihigen Emaille-Straßenschilder aus dem 19. Jahrhundert.





    Ähnlich heruntergekommen wie die Plattenbauten im Hintergrund zeigt sich der dortige Brunnen auf dem ehemaligen Klosterplatz. Dahinter wäre die Kleine Klostergasse eingemündet.




    Das Zubringergleis kreuzte noch die Wiesentorstraße, bevor es in den Jägerhof einbog. (DFD)




    Vergleichsbild heute. Das Bodenniveau der Köpckestraße liegt deutlich über dem historischen, so dass zum noch rudimentär vorhandenen Nordteil der Wiesentorstraße einige Treppenstufen zu überwinden sind.




    Wenden wir uns elbwärts. Großstadtidyll am Königsufer mit der ursprünglichen Bebauung an der Ecke zur Wiesentorstraße. Links außerhalb des Bildes das Finanzministerium.




    Die gleiche Situation heute mit der Frauenkirche im Hintergrund.




    Einfahrt in den Jägerhof. Der Westflügel musste mit einer abenteuerlichen S-Kurve umsteuert werden, um in den Innenhof zur Wagenhalle zu gelangen.





    Beim Umbau zum Museum wurde die Umfassungsmauer abgebrochen und der Westflügel mit einem neuen Eingangsbereich ausgestattet. Auch die Gleise sind verschwunden. Saniert und mit neuen Giebelseiten zeigt sich auch der ehemalige Südflügel des Jägerhofes entlang der Asterstraße. (DFD)




    Beim Wiederaufbau bis 1950 wurde das Dachgeschoss des nunmehrigen Volkskunstmuseums ausgebaut. Auch die Zwerchhäuser sind eine Nachkriegszutat.




    Lageplan des Pferdebahnhofes Wiesentorstraße (bzw. Jägerhof) aus den 1890er Jahren. (DVB-Archiv) Drehscheiben waren für die mit engen Achsabständen versehenen kleinen Pferdebahnwagen sicher kein Problem, für den elektrischen Betrieb aber denkbar ungeeignet.




    Ein faszinierender Blick in den Hof des Jägerhofes mit Gleisharfe der Pferdebahn in den 1890er Jahren, rechts angeschnitten die Wagenhalle. Der Nordflügel im Hintergrund ist noch vorhanden. (Donadini, DFD)




    Vergleichsbild mit dem heutigen Museumsgebäude.




    Jägerhof, Blick entlang des Nord- zum Westflügel, links die Rückseite der Wagenhalle (Donadini, DFD)




    Blick aus dem Innenhof entlang der Ausfahrt des ehemaligen Pferdebahnhofes, in Richtung Köpckestraße zum Finanzministerium. Am linken Bildrand die Lage der hölzernen Wagenhalle.




    Mit Beseitigung des Jägerhofes konnte der Carolaplatz als Neustädter Brückenkopf der gleichnamigen Brücke endlich sternförmig ausgebaut werden. Angelegt wurde nun auch die Briestraße diagonal über das Gelände des Jägerhofes. Der Erhalt des Westflügels bedingte aber ein Abknicken derselben in nördlicher Richtung. Auf dem neuentstandenen Dreiecks-Grundstück zwischen Abertstraße, Briestraße und Villiersstraße wurde 1911/12 das „Theater der 5000“ des Circus Sarrasani errichtet. Damit begann ein weiteres fast unbekanntes Kapitel in der Dresdner Nahverkehrsgeschichte: Bei genauerem Hinsehen erkennt man ein Gleisdreieck und ein Gleis in der Briestraße… (Luftaufnahme DFD)




    Das Dreieck aus der Gegenrichtung, 1910er Jahre. Auf der Albertstraße ist ein Wagen der Innenring-Linie 4 zu erkennen, und auch auf dem einstigen Jägerhof-Gelände links der Briestraße hat sich Sarrasani breit gemacht: Anstelle der Straßenbahn- parken hier nun Zirkuswagen. Die 5000 Zuschauer wollten nach Veranstaltungsschluss natürlich auch wieder heimtransportiert werden. Aus diesem Grunde erhielt die Briestraße ihr Gleis, denn hier konnten, ohne den Durchgangsverkehr der Linien 4 und 12 zu stören, die Veranstaltungswagen in Ruhe bereitgestellt werden.




    Stadtplanausschnitt, 1927. Das Dreieck in der Briestraße ist noch eingezeichnet. Es scheint aber bereits vor dem Zweiten Weltkrieg entfernt worden zu sein, denn in Stadtplänen der späten dreißiger Jahre ist es nicht mehr auffindbar.




    Blick vom Carolaplatz in der Flucht der ehemaligen Briestraße, heute unter dem Parkplatz vergraben.




    Das riesige Zirkusgebäude wurde ebenso wie die gesamte Umgebung 1945 zerstört und später abgerissen. Heute erinnern neben der Sarrasanistraße ein Brunnen und ein Gedenkstein an den berühmten Zirkus.





    Zum Abschluss dieses kurzen Exkurses in zwei eher unbekannte Kapitel der Neustädter Straßenbahngeschichte möchte ich noch einmal meine Überlagerungsskizze anfügen. Eingezeichnet rot punktiert die ehemaligen Strecken durch die Neustadt, wobei natürlich über die Albertstraße seit 1971 wieder Bahnen fahren, wenngleich in Seitenrandlage. Gelb punktiert die Zufahrtsstrecke zum Jägerhof durch die Große Klostergasse.




    Ich wünsche ein schönes Wochenende!

  • Straßenbahnen auf dem Altmarkt (Teil I)

    Der Altmarkt war seit der urkundlich nicht exakt überlieferten Anlage der kolonialen Planstadt Dresden irgendwann im Spätmittelalter bis zu seiner Zerstörung 1945 der unbestrittene Mittelpunkt des Geschäftslebens der Stadt. So nimmt es nicht Wunder, dass er auch in der Geschichte des hiesigen Nahverkehrs eine bedeutende Stellung einnahm, auch wenn er seit den 1940er Jahren zu einer reinen Durchgangsstation an der Ost-West-Verbindung der Straßenbahn abgestiegen ist.



    Buntes Treiben auf dem Altmarkt in den 1880er Jahren. In der unteren rechten Ecke das Streckengleis der Pferdebahn in Richtung Kreuzstraße.



    Hier hatten von alters her die Ratschaisenträger ihren Sitz, und hier lag zeitweilig auch die zentrale Abfahrtsstelle des 1839 eingeführten Pferdeomnibusnetzes des Dresdner Omnibusvereins.


    So wäre es eigentlich auch nur natürlich gewesen, wenn der zentralste Platz der Stadt auch im Straßenbahnverkehr der Residenz eine herausragende Rolle spielen würde. Dem standen allerdings einige für das spurgeführte Verkehrsmittel unüberwindliche physische Hindernisse entgegen: Eine Verbindung vom Altmarkt zum Pirnaischen Platz existierte damals noch nicht und verhinderte eine geradlinige Ost-West-Führung einer Straßenbahnlinie quer durch den mittelalterlichen Stadtkern. So musste die 1883 eröffnete Linie Schäferstraße – Striesen zunächst den kurvenreichen Umweg über den Altmarkt, durch die Kreuz- und Gewandhausstraße zum Georgplatz nehmen, um anschließend auf den schon existierenden Gleisen der Conti-Linie zum Pirnaischen Platz zu gelangen. Erst der Bau der König-Johann-Straße sollte dieses Kuriosum Jahre später beenden.


    Als völlig unmöglich hingegen erwies sich die Führung der Nord-Süd-Linien über den eigentlich hierfür prädestinierten decumanus der Stadt, den Straßenzug Schlossstraße – Altmarkt – Seestraße. Neben der besonderen Enge der betroffenen Gassen war es das Georgentor, was einen Straßenbahnverkehr direkt von der Augustusbrücke zum Altmarkt auf immer und ewig verhindern sollte. Nur für Pferde- und Kraftomnibusse sollte diese Verbindung einige Jahrzehnte lang zur Verfügung stehen. In Nord-Süd-Richtung fahrende Linien der Straßenbahn hingegen müssen bis heute einen Umweg über den Postplatz oder die östlichen Ringe in Kauf nehmen, hinzu kam die bis 1947 existente Strecke vom Schloßplatz über die Augustusstraße, den Neumarkt und die Moritzstraße zur Gewandhausstraße bzw. den Ringen. Somit übernahmen schon früh der Post- und später mit Abstrichen der Pirnaische Platz die eigentlich dem Altmarkt obliegende Rolle als zentrale Punkte des Dresdner Straßenbahnnetzes.


    Begeben wir uns also in die Frühzeit der Dresdner Straßenbahn ins Jahr 1883. Die Tramways Company hatte am 7. Oktober ihre brandneue Linie vom Fürstenplatz zur Kreuzstraße eröffnet, die schon am 19. des Monats über den Postplatz und die neue Wettinerstraße zur Schäferstraße verlängert werden konnte. Nicht einmal ein Jahr später konnte sie auf Striesener Flur bis zum Straßenbahnhof Geisingstraße geführt werden. Sie bildete den Kern der späteren Linie 19.




    Eintrag zur Striesener Linie in Pässlers „Neuestem Übersichtsplan der Dresdner Straßenbahnen“ von 1888.




    Da die schon geplante östliche Verlängerung der Wilsdruffer Straße, die spätere König-Johann-Straße, noch auf sich warten ließ (der Durchbruch erfolgte erst ab 1886), musste ein nicht unbeträchtlicher Umweg über die Kreuzstraße in Kauf genommen werden. Den Altmarkt umrundete die Linie auf Richtungsgleisen: Nach Friedrichstadt ging es entlang der Ost- und Nordseite, nach Striesen entlang der West- und Südseite. Damit bleib das damals sehr rege Marktgeschehen auf dem Marktplatz selbst vom Pferdebahnbetrieb unbehelligt. Erst in den 1890er Jahren wurde die Trasse zweigleisig auf die Ostseite verlegt, doch dazu später mehr…


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    Stadtplanausschnitt mit Altmarkt und Umgebung, 1885. Noch fehlt die König-Johann-Straße, an deren Stelle verebbt die Badergasse mitten im Häuser4ewühl des ehemaligen „Lochs“ im Osten der Altstadt. Unsere Pferdebahnstrecke ist bereits eingezeichnet.




    Stadtplanausschnitt von 1886. Die neue Straße ist nun bereits eingezeichnet. Wesentlich besser erkennbar als auf dem vorigen Plan ist die Pferdebahntrassierung aufgrund der roten Strichführung. Begeben wir uns einmal reihum um den Markt…




    Altmarkt-Westseite mit Altstädter Rathaus und alter Löwenapotheke, Motiv wohl aus den 1880er Jahren. Gut erkennbar, leider ohne Wagen, ist das Streckengleis in Richtung Striesen.




    Altstädter Rathaus, 1741 bis 1744 nach Plänen von J. C. Knöffel und J. G. Fehre errichtet. Nach dem Bau des Neuen Rathauses diente der elegante spätbarocke Bau bis zur Zerstörung als Stammsitz der Städtischen Straßenbahnverwaltung und später der Dresdner Straßenbahn AG. Leider zerschlug sich der ursprünglich angedachte Wiederaufbau. Die heutige Altmarkt-Westseite nimmt jedoch Bezug auf die barocke Architektur des Rathauses. (Deutsche Fotothek, nach 1900).




    Arkaden der Altmarkt-Westseite (2006).




    Altstädter Rathaus, 1890er Jahre. Mittlerweile gesellen sich die roten Wagen der Deutschen Straßenbahngesellschaft zu den gelben der Tramways Company und nutzen gemeinsam mit dieser die Gleise in der Wilsdruffer Straße. Allerdings ist dem Retuscheur ein folgenschwerer Fehler unterlaufen: Auch für die englische Gesellschaft galt in Dresden Rechtsverkehr!




    Reges Treiben auf dem Markt und die Bebauung der Altmarkt-Südseite, wohl 1890er Jahre. Im Vordergrund liegt bereits das auf der Ostseite neu verlegte Doppelgleis der „Gelben“, das die bisherigen Richtungsgleise entlang der Platzwände ersetzte. Weniger prägnant, aber dennoch gut erkennbar, ist der daneben liegende Zwischenendpunkt der „Roten“, auch wenn sich auf den Geleisen allerlei (hineinretuschiertes) Volks herumtreibt.




    Zwei Bilder von Hermann Krone aus der Deutschen Fotothek (1890er Jahre) fordern unsere besondere Aufmerksamkeit. Links die Westseite und die Mündung der Schloßstraße. Offenbar ist das Richtungsgleis nach Striesen bereits entfernt, aber es liegt noch der Gleisbogen aus der Wilsdruffer Straße auf den Markt. Rechts wiederum blicken wir entlang der Südseite des Marktes. Das offenbar bereits ungenutzte und zum Teil eingeteerte Streckengleis fällt ins Auge, und im Hintergrund ist bereits das neue Doppelgleis an der Westseite erkennbar.




    Östliche Südseite und Ostseite mit Kreuzkirche und einer Institution im alten Dresden: Das Kaufhaus Renner war für mancherlei Superlative gut. Zu Ende streckte es sich über beide Häuserblöcke links und rechts der Schreibergasse aus (DFD). Von 1883 bis 1896 zwängte sich die Striesener Linie hier an der Südostecke des Marktes in die Kreuzstraße hinein.




    Aktueller Blick aus dem Kulturpalast auf die Altmarkt-Südseite.




    An der Südseite des Altmarktes befand sich auch der Hauptsitz des ersten öffentlichen Verkehrsmittels der Stadt, das Häuschen der Ratschaisenträger. Es wurde bereits 1876 abgebrochen und erlebte die Straßenbahn damit nicht mehr.




    Blick auf die Nordostseite des Marktes zwischen Schössergasse und König-Johann-Straße. In der Mitte das omnipräsente Germania-Denkmal (Robert Henze, 1880), das nahezu unzerstört die Bombenangriffe überlebte und aus ideologischen Gründen beseitigt wurde. Sein Kopf ist heute im Stadtmuseum zu besichtigen. Etwas verdächtiger Vollbetrieb herrscht auf dem „roten“ Endpunkt, was den Verdacht der nachträglichen Manipulation nahelegt. Daneben sind die „gelben“ Gleise zur Kreuzstraße erkennbar.




    Viergleisig auf dem Altmarkt: Totale der Nordseite um 1900, heute durch den Kulturpalast eingenommen (DFD). Wieder sehen wir den „roten“ Endpunkt in Aktion und die Gleise der gelben Konkurrenz daneben. Sie sind mittlerweile ungenutzt, wie die Teerflicken verraten. Seit 1896 nutzt die „gelbe“ Striesener Linie die 1890 angelegten Gleise der Konkurrenz zum Pirnaischen Platz. Damit konnte der kurvenreiche Umweg über die Kreuzstraße entfallen.




    Vergleichsbild mit dem noch im Bau befindlichen Kulturpalast von 2016.




    Stadtplanausschnitt von 1893. „Gelbe“ Strecken der nunmehrigen Dresdner Straßenbahngesellschaft, ehedem Tramways Company, sind gestrichelt, die der „roten“ Deutschen Straßenbahngesellschaft durchgehend eingezeichnet. Erkennbar ist auch deren Zwischenendpunkt am Altmarkt neben den „gelben“ Gleisen.




    Aktuelles Bild. Die Brunnenbecken deuten den etwas spitzwinkligen Verlauf der ursprünglichen Altmarkt-Ostseite an. Die Zeile mit dem „Haus Altmarkt“ steht einige Meter weiter hinten und öffnet den Markt in Richtung der jetzigen Wilsdruffer Straße.




    Gut erkennbar sind die abgeschnittenen „gelben“ Gleise auf diesem Bild von der Südostecke des Marktes nach Norden. In diesem Zustand überdauerten die Pferdebahngleise, die nie einen elektrischen Wagen tragen mussten, mehr als ein Jahrhundert ungenutzt im Pflaster des Marktes. Sie fielen erst dem Tiefgaragenbau nach der Jahrtausendwende zum Opfer.




    Vom „roten“ Endpunkt existierte zuletzt immer noch der überteerte Gleisbogen an der Wilsdruffer Straße. Die Gleise auf dem Markt selbst waren anders als die der ehemaligen Konkurrenz längst verschwunden. Dafür fanden sich aber am Südende des Ausziehgleises noch gusseiserne Kästen der seitlichen unterirdischen Stromzuführung, die hier ebenso wie in der König-Johann-Straße in den ersten Betriebsjahren aus ästhetischen Gründen Verwendung fand. Leider dürften diese wertvollen nahverkehrlichen Relikte ohne Kenntnis von deren Bedeutung beim Tiefgaragenbau achtlos entsorgt worden sein.


    Als Zwischenendpunkt wurden die Gleise auf dem Altmarkt noch bis Ende der zwanziger Jahre genutzt, später dann aber abgeklemmt. Um 1919 steht hier ein kleiner Beiwagen als Pferdebahn-Ersatzverkehr für den wegen Kohlemangels eingestellten elektrischen Betrieb. (DVB-Archiv)




    Von 1905 bis 1909 war hier die „rote“ Linie 30 Altmarkt – Altenberger Straße als Zwischenlinie zur „2“ heimisch. Eintrag aus dem „ABC – Wegweiser durch alle Straßen“ von 1905. Die Liniennummern werden, abgesehen von ersten Versuchen, erst ab dem Folgejahr generell an den Fahrzeugen gezeigt, es dürfte sich also um eine der ersten Publikationen handeln, in denen sie offiziell Verwendung fanden.




    Fahrplan der Linie 30 von 1908. Ein Jahr später wird sie mit der Linie 22 vereinigt. Seitdem war der Endpunkt Altmarkt linienmäßig obsolet und diente bis zu seiner Aufgabe Ende der zwanziger, Anfang der dreißiger Jahre nur noch betrieblichen Zwecken.




    Wir setzen unsere Runde fort. Eingang zur Badergasse an der Nordostecke des Altmarkts, vor dem Durchbruch der König-Johann-Straße ab 1885. Sie war der Grund für die verwinkelte ursprüngliche Streckenführung durch die Kreuzstraße.




    Zum Vergleich der Durchbruch der König-Johann-Straße mit dem Residenz-Café anstelle des 1886 abgebrochenen „Renner“, das anschließend zur Südseite übersiedelte und sich dort sukzessive ausbreitete. Trotz der starken Retuschen sind die Gleisanlagen um 1900 gut zu erkennen – inklusive der abgetrennten, bis nach 2000 existenten „gelben“ Gleise der Striesener Linie.




    Noch einmal viel breiter (und leider etwas schief) zeigt sich die heutige Wilsdruffer Straße mit dem „Haus Altmarkt“. Anstelle des Residenzcafés. Die Straßenbahn ist geblieben…




    Blick auf den Altmarkt zur Jahrhundertwende mit dem hier verwaisten Zwischenendpunkt und den alten Pferdebahngleisen. Der Altmarkt sollte bis zur Zerstörung besonders auf seiner Ostseite noch gravierende Veränderungen erfahren. Neben der Purifizierung des Residenz-Cafés im Art-Déco-Stil ist der Durchbruch der Marktstraße anstelle der großen Frohngasse, hier erkennbar neben dem eingerüsteten Haus mit Renaissancegiebeln, und dem damit verbundenen Neubau des DEFAKA 1934 zu nennen.




    Maßnahmen zur Straßenerweiterung erfolgten auch an der Nordwestecke. Weichen musste hierfür 1912 die alte Löwenapotheke, die einen unangenehmen Engpass für den stark zunehmenden Großstadtverkehr darstellte.




    Die unverkennbar von Hans Erlwein entworfene neue Löwenapotheke fügte sich sehr harmonisch ein. Ihre Arkaden dürften die Inspiration für die Neubebauung der fünfziger Jahre geboten haben, die trotz aller kulturhistorischer Verluste doch aus heutiger Sicht ein recht gelungenes Ensemble darstellt.




    Aktueller Vergleichsblick aus dem Kulturpalast.




    Zum Abschluss des ersten Teils noch ein Plan des Altmarkts aus den 1890er Jahren, bereits mit eingezeichneter König-Johann-Straße und vor Stilllegung der Kreuzstraße. Man beachte die eingezeichneten Gleisreste der alten Streckenführung an der Altmarkt-Südseite. Das Ausziehgleis des „roten“ Endpunktes wurde später in Richtung der Südseite verlängert.


  • Straßenbahnen auf dem Altmarkt (Teil II)

    Den zweiten Teil beginnen wir mit einer vom Kreuzkirchturm aufgenommenen Totale des nördlichen Altmarkts aus den zwanziger Jahren. Man beachte die großzügige Wartehalle (mit Geschäften) der Straßenbahn.




    Ein Bild aus den dreißiger Jahren aus dem DVB-Archiv, aufgenommen wohl vom Balkon des Resident-Café. Abgesehen von der Propaganda auf der Litfaßsäule zeigt sich eine friedliche Straßenszene mit einem “Kleinen Hecht“ auf der Fahrt nach Loschwitz. Die Linie 2 ist die direkte Nachfolgerin der „roten“ Pferdebahnlinie durch die König-Johann-Straße von 1890. Ganz rechts die Einmündung der Schössergasse, heute durch den Kulturpalast überbaut. Zu jenem Zeitpunkt gehört der Zwischenendpunk auf dem Markt bereits der Vergangenheit an.




    Fast nicht mehr wiederzuerkennen ist Ende der dreißiger Jahre die Ostseite des Platzes. Das Residenz-Café zeigt sich mit harmonischer Art-Déco-Fassade, das alte Kaufhaus der Gebrüder Eberstein musste dem sehr modernen DEFAKA (Deutsches Familien-Kaufhaus) weichen. Das Geschäftshaus Altmarkt 6 wurde bereits 1912 neu errichtet.




    Blick auf die große Wartehalle mitten auf dem Altmarkt, Ende der zwanziger / Anfang der dreißiger Jahre.




    Bevor wir uns vom Altmarkt verabschieden, wenden wir uns alternativen Verkehrsmitteln zu. Von 1899 bis 1913 kreuzte der „Fünf-Pfennig-Omnibus“ der Dresdner Fuhrwesen-Gesellschaft den Markt in Nord-Süd-Richtung, also genau auf der Achse, die wegen des Georgentores für die Straßenbahn unpassierbar blieb. Hier sehen wir ein solches Vehikel an der Einmündung der Schloßstraße.




    Dem Pferdeomnibus folgte 1914 für nur wenige Monate Dresdens erste Kraftomnibuslinie vom Neustädter Bahnhof über Hauptstraße – Augustusbrücke – Altmarkt – Prager Straße – Hauptbahnhof – Bernhardstraße zum Nürnberger Platz. Hier sehen wir einen der sechs NAG-Wagen (es gab weiterhin sechs fast identische Daimler-Fahrzeuge) an seiner Haltestelle vor dem Altstädter Rathaus. Dann war kriegsbedingt Schluss, denn die Wagen wurden für das Heer konfisziert.




    Erst 1925 konnte der KOM-Betrieb wieder aufgenommen werden. Anfänglich trugen die Busse, wie der Büssing-Hochrahmen auf dem Foto, noch keine Linienbezeichnungen. Später verkehrten auf der Nord-Süd-Achse die Linien A, J und E.




    Ausschnitt aus dem Liniennetzplan von 1926. Schwarz die Straßenbahn, in Rot die Kraftomnibuslinien.




    Von 1927 bis 1930 mutierte der Altmarkt noch einmal zum Endpunkt einer weiteren Buslinie, die zudem fast ausschließlich parallel zur Straßenbahn verkehrte. Die Linie F hielt dabei im Bereich des Straßenbahn-Zwischenendpunkts und ersetzte auf dem Weg nach Striesen die Jahre zuvor in der Inflationszeit eingestampfte 23. Beschildert ist der Wagen mit dem Ziel „Hepkestraße“.




    Fahrplan der Linie F von 1929. Seit Juni 1929 verkehrt sie nur noch an Werktagen, wie der sehr aussagekräftige Sonntagsfahrplan verrät.





    Linie F im Linienverzeichnis von 1929.




    Wir verlassen den Altmarkt und wenden uns der von 1883 bis 1896 betriebenen Pferdebahnstrecke in der Kreuzstraße zu.



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    Den Engpass zwischen Kreuzkirche und Altmarkt-Südseite musste auch die Pferdebahn passieren.




    An der Kreuzkirche. Dem Neubau des Neuen Rathauses (1905 bis 1910) musste 1907 nach gerade einmal fünfzig Jahren auch die spätklassizistische Königliche Superintendentur weichen.




    Vergleichsbild mit dem Rathaus-Westflügel, im Hintergrund die Kreuzstraße mit Einmündung der Weißen Gasse.




    Breslauer Zwerg am Hietzig-Brunnen (Georg Wrba, 1910) neben dem Rathaus, An der Kreuzkirche.
    Er erinnert an die Städtepartnerschaft zwischen Dresden und der schlesischen Metropole.




    Wegen der Enge der Fahrbahn war die Kreuzstraße ab Höhe Weiße Gasse eingleisig. Fotografie von Hermann Krone, 1880er Jahre.




    Vergleichsbild mit Nordflügel des Rathauses. Sämtliche Gebäude südlich der Kreuzstraße wurden um 1905 für den Rathaus-Neubau abgebrochen.




    So auch die Bibliothek in der Kreuzstraße 15. Beim Wiederaufbau nach dem Krieg erfuhr die Kreuzstraße eine deutliche Aufweitung.





    Blick über die Baustelle des Neuen Rathauses auf die Nordseite der Kreuzstraße. Im Hintergrund ist die Giebelwand der noch stehenden Superintendentur erkennbar. Von all diesen Gebäuden steht nur noch das Gewandhaus ganz rechts, damals als Abschluss der Häuserzeile. Seit dem Wiederaufbau als Hotel in den sechziger Jahren bildet es einen eigenständigen Baublock mit einem neuen Westflügel, und hinter ihm verläuft die verlegte Gewandhausstraße.




    An der Gewandhausstraße, die früher vor dem gleichnamigen Gebäude verlief (heute Teil der Ringstraße und Rathausplatz) mündete die Striesener Linie auf die über die heute überbaute Moritzstraße vom Neumarkt kommende Strehlener Linie. Rechts die Dohna’schen Fleischhallen, die nach 1900 dem Durchbruch der Kreuzstraße zum Ring und der Anlage des Rathausplatzes wichen. Ganz links zu erahnen die Fassade des Gewandhauses.




    Vergleichsbild heute, links das Gewandhaus.




    Um nach Norden zur Pillnitzer Straße zu gelangen, musste die Striesener Linie mangels geeigneter Straßen der Strehlener in südlicher Richtung bis zum Georgplatz folgen. Dort bog sie dann wieder nordwärts über die Johannesstraße zum Pirnaischen Platz ein. Diese komplizierte Streckenführung überdauerte bis 1896. Das Preuß’sche Haus (1825) galt bis zu seinem Abbruch 1907 als eines der bedeutendsten klassizistischen Gebäude der Stadt. Im Vordergrund die damalige Gewandhausstraße mit der Baustelle des Rathauses und ein Zug der Strehlener Linie (ab 1906 Linie 9) auf der Fahrt zum Waldschlößchen. Die Strecke über die Gewandhausstraße wurde 1906 ebenfalls stillgelegt und die „gelben“ Linien 9 und 25 über den parallelen „roten“ Maximiliansring zur Moritzstraße geschickt – die Übernahme der beiden Gesellschaften durch die Stadt machte es möglich.




    Blick entlang der Fleischhallen in die Kreuzstraße, 1890er Jahre, und ein aktuelles Vergleichsbild. Im Hintergrund links das Preuß’sche Haus, rechts der Kreuzkirchturm und die Kreuzstraße 15.





    Die Striesener Linie hatte als Nummer 19 noch bis 1969 Bestand und wird heute durch die Linien 1 und 4 abgedeckt. Der im Bestand des Verkehrsmuseums erhaltene Pferdebahnwagen Nummer 106, bald als Leihgabe in Döbeln zu sehen, bewahrt die Erinnerung an die Linie mit der grünen Scheibe mit dem weißen „S“, die irgendwie an das Berliner S-Bahn-Symbol der zwanziger Jahre erinnert. Ob das Dresdner Liniensignal hier als Inspiration gedient hat? Wie auch immer: Die folgende Grafik verdeutlicht das Nahverkehrsgeschehen rund um den Altmarkt in der Vorkriegszeit.




    Zum Abschluss eine Überblendungsskizze der inneren Altstadt um 1890 mit einem aktuellen Luftbild. Eingezeichnet ist auch die 1885 aufgelassene Badergasse sowie in orange die Umrisse der nach 1900 abgerissenen Bebauung auf dem Rathaus-Grundstück.




    Einen schönen Abend allerseits!





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  • Auch ich möchte mich dem Lob der Vorredner anschließen. Das Durchlesen dieses Threads ist eine wahre Freude, selbst 10 gespürt endlos lange Seiten machen bis zum Schluss Spaß. Für diesen Dank habe ich mich nun extra in diesem Forum angemeldet. Und auch ich habe mich schon gefragt, wie man dieses geballte Wissen einfacher verdaubar als im Forum erhalten könnte - denn interessant ist dies nicht nur für Architekten und Schienenküsser.


    Zwei kleine Korrekturen kann ich aber beitragen:

    Auf den Spuren ehemaliger Dresdner Straßenbahnstrecken


    Linie 4 am Goldenen Lamm. Bis zum Umzug in den Kristallpalast war hier nach dem Krieg auch das das Staatliche Puppentheater untergebracht.


    Das Puppentheater ist ins Rundkino gezogen, aber nicht in den Kristallpalast. Beide wurden zwar zeitweise als Einheit von Ufa betrieben, aber dennoch ist die Formulierung so etwas irreführend.


    Auf den Spuren ehemaliger Dresdner Straßenbahnstrecken


    Am 20. Februar 1985 nahm die „Filmbühne“ ein gleichartiges, durchaus filmreifes Ende: Während einer Kindermatinee entzündete sich die überhitzte Vorführmaschine, und in wenigen Minuten stand das ganze Haus in Flammen. Die Ruine wurde letztlich 1988 beseitigt. Mit durchaus schwerwiegenden Folgen: Die „Filmbühne“ war das einzige Kino des Dresdner Westens, der seitdem auf cineastische Hochgenüsse verzichten oder die weite Reise in die Stadt oder zum ElbePark antreten muss. Gottseidank gibt es die Straßenbahn…


    Das KIF ist im Dresdner Westen, seit dessen Eröffnung vor nunmehr 14 Jahren muss der Westen also weder zum Elbepark noch in die Stadt. Frank Apel sei Dank. (Leider ist er am 14. Jahrestag des Kinos verstorben, das KIF schloss an diesem Tag auch wegen der Corona-Einschränkungen. Hoffen wir, dass seine Familie den Betrieb wieder aufnehmen wird.)