Hamburg Gängeviertel

  • Städtebau ist ja nicht nur pure Baumasse, sondern auch Gebäudetypologie und Denkmalschutz. Wenn historische Baumasse geopfert wird, ist sie durch nichts gleichwertig zu erstetzen, daher ist die Grabmetapher nicht unpassend


    Gebäudetypologie beziht sich wie der name schon sagt auf das Gebäude und Denkmalschutz ist, bis auf Ensembles, auch meistens auf einzelne Gebäude bezogen. (auf farbe und fassade gehe ich mal gar nicht erst ein)
    Städtebau bezieht sich meines Erachtens eher auf die Stadtmorphologie, d.h. Baumassen, freiflächen, Zentren usw. als auf konkret architektonische Details.

  • Im Städtebau gibt es mehrere Dimensionen, das geht vom Gebäudelevel bis rauf zur regionalen Ebene. Wenn man von der These ausgeht, dass Haut, Kleidung, Haus, Viertel, Stadt, Region in dieser Reihenfolge die Schutzhüllen des Menschen darstellen, lässt sich der Städtebau nicht ohne das einzelne Gebäude als Ausgangspunkt denken. Ist also ein Gebäude unersetzbar abgerissen, und entsteht an seiner Stelle ein anderer Gebäudetypus, wirkt sich dies zwangsweise auf die weitere bauliche Entwicklung der Umgebung aus. Auch wenn der Neubau sich in Masse und Kubatur an das Gewesene anlehnt, sogar diesem entspricht, so geht doch von der Moderne ein anderes Signal aus als von der Gründerzeit. Zugegeben, das klingt ziemlich nach akademischem Geschwafel, aber mir leuchtet das einfach ein. Insofern gut, dass wenigstens die Fassade erhalten bleibt, auch wenn durch die Entkernung eine ganz andere Nutzung bevorsteht, was den Charakter des Gebäudes zerstören wird.
    Stadtplanung ist eben nicht nur Planung von Gebäuden und Freiflächen, sondern hat jeden Aspekt städtischer Entwicklung zu berücksichtigen. Durch solche Abrissorgien wird das historische Gedächtnis der Stadt dezimiert.

  • Das Projekt "scheint" laut Abendblatt mal wieder weiter zu gehen.


    Hanzevast Ontwikkeling und die Hamburger Bauunternehmen Pit und Implan


    Ab Oktober soll es los gehen.
    Und dann auch nur in einer Bauphase.


    Fertigstellung Juni 2011


  • Stadtplanung ist eben nicht nur Planung von Gebäuden und Freiflächen, sondern hat jeden Aspekt städtischer Entwicklung zu berücksichtigen.


    Das mag sein... ich rede ja auch vom Städtebau und nicht von stadtplanung

  • Das Schmierentheater geht in die nächste Runde.

    Abendblatt Print Ausgabe:


    Der Investor die Niederländische Hanzevast hat noch 7 Tage Zeit einen Bauantrag zu stellen, dann soll das Projekt neuausgeschrieben werden.




    Ich tippe ja, der Investor bekommt mal wieder eine Fristverlängerung bis die Gebäude zusammenbrechen und da ein, maximale Fläche, auf minimalen Grund Gebäude hingebaut werden kann.

  • Ich glaube das mit dem Abriß ist nur Panikmache.


    Kann man den Investor nicht, für die bis jetzt entstandenen Schäden an der Bausubstanz haftbar machen?


    Er hat der Stadt ja nun Jahrelang etwas vorgemacht und die Bausubstanz verrotten lassen.


    Neu verkaufen, weniger Geld dafür verlangen und einen großen Investor wie Quantum ins Boot holen.

  • Mich irritiert der Begriff Gängeviertel in diesem Thread irgendwie. Das Gängeviertel ist doch längst abgerissen. Die 5 Häuser die dort noch stehen kann man wohl kaum als Viertel bezeichen.

  • Mittlerweile könnte man das wirklich schon "Gängeachtel" nennen.


    Auf jeden Fall wirklich furchtbare Neuigkeiten, wenn das denn wirklich weiter so ausgeräubert wird. Freie- und Abrißstadt Hamburg... ich habe nur wenig Hoffnung auf eine glückliche Wendung der Ereignisse.

  • Mich irritiert der Begriff Gängeviertel in diesem Thread irgendwie. Das Gängeviertel ist doch längst abgerissen. Die 5 Häuser die dort noch stehen kann man wohl kaum als Viertel bezeichen.


    Sehe ich genauso. Man kann doch kein Viertel abreissen, dass nur auf alten Fotos existiert, und der Bäckerbreitergang der steht sowieso nicht zur Diskussion, genauso wie einige Häuser am Valentinskamp.
    Sonst, nur ein Gebäude unter dem halben, übriggebliebenen Dutzend finde ich sehr interessant, und da darf die Abrissbirne auf keinen Fall ran. Der Rest wäre mir ehrlich gesagt pretty Wurscht.


    Nach diesem ganzen Theater muss allerdings jetzt jedem klar sein, dass an erstklassigen Bauflächen in der hamburger Innenstadt in der Tat kein grosses Interesse besteht, sonst würden potenzielle Investoren schon seit Jahren kilometerlange Schlange stehen, und was eine eventuelle neue "Szene" dort angeht, da gibt's ausreichend viele andere Alternativen in der Stadt, sogar mit echtem Traditionshintergrund, wenn ich nur an die Speicherstadt denke.

  • Ist es nicht mögliche solche Orte durch spenden, wie bei der Elbphilharmonie, zu retten und als Ort für kulturelle Veranstaltungen zu nutzen (wie zb Kampnagel oder Teile der Admiralitätsstrasse)? Könnte eine Frage der Initiative und des Konzepts sein, denn die Lage ist ideal

  • Laut Abendblatt verhandelt die Stadt immernoch mit der Hanzevast Gruppe...


    Als Möglichkeit zum Erhalt bringt das Abendblatt die Saga ins Spiel, wenn die Stadt das Ensemble selbst restauriert, müsste nicht langwiedrig ein neuer Investor über eine Neuausschreibung gesucht werden.


    Quelle

  • Der Versuch die Hamburger Ehre zwischen den Gängen zu retten geht also in die nächste Runde. Vergeblicher Versuch, wie ich meine, weil das was man in den 50er Jahren freiwillig und unwiederruflich zerstört hat, liesse sich unter den gegenwärtigen politischen und finanziellen Bedingungen nur sehr schwierig wiederherstellen.
    Klar aber auch, dass zumindest die Errungenschaften der Nachkriegszeit, damit meine ich grauen Blöcke, weg müssen:

    (Fotos An-Di)


    Beim Lesen des Artikels entsteht jedoch schon wieder der Eindruck als ob es dort noch dutzende Häuser von der Art des alten Geburtshauses des Johannes Brahms geben würde, was einfach nicht stimmt.

    Ein "Getty Images"-Foto. Das angegebene Aufnahmedatum stimmt nicht, behaupte ich (andere Getty Images hier).


    Viel Wirbel um fast nichts, wie ich meine, eben nur ein Versuch die Ehre im letzten Moment noch zu retten.


    Jedes Jahr fahre ich Anfang Juni beruflich nach Danzig/Polen, habe also die Gelegenheit mir immer wieder anzuschauen, wie nach dem Krieg die armen Polen ähnliche Probleme gelöst haben. Klar, dass sie vieles falsch gemacht haben und jetzt auch dabei sind ihre Fehler, soweit es geht, zu korrigieren, trotzdem aber lässt sich das Ergebnis sehen lassen. Vielleicht könnten auch paar Hamburger Beamten oder gar Investoren ein Mal im Leben ihren Urlaub in Danzig und nicht immer nur auf Sylt oder Mallorca machen?


    Paar Fotos vom Juni habe ich einer polnischen Bekannten zur Verfügung gestellt. Bei Interesse hier anklicken. (Danzig wurde von den Russen zu 100% zerstört, alles wurde also komplett neu errichtet).

  • Das, was noch zu retten ist, sollte gerettet werden - auch wenn es nur Fassaden sind. Möglicherweise lässt sich nach alten Plänen die schon verlorene Bausubstanz auf dem Gelände wiederherstellen.


    Der Wiederaufbau Danzigs ist politisch unverfänglicher gewesen. Hierzulande hatten die Nazis vieles für Ihre Zwecke vereinnahmt (Heimat-Kult). Mit der Nachkriegsmoderne wollte man einen Schlußstrich ziehen. Ein Wiederaufbau Hamburgs oder einiger Viertel im alten Stil, wäre den Alliierten wahrscheinlich sauer aufgestoßen.

  • Den Alliierten wäre das ziemlich schnurz gewesen. Es waren die einheimischen Architekten, die hier das Alte verdammten und sich selbst zu Menschheitserlösern erklärten.

  • Donjon05: es geht ja bei diesem Vergleich um Häuser aus z.T. dem 17. und 18. Jahhundert, also sogar noch vor der Preussen-Zeit. Vom falschen Nationalismus kann also keine Rede sein.


    Wenn es auch in Lübeck ging, warum nicht in Hamburg?


    In Hamburg hatte und hat immer noch das BSP die höchste Priorität.


    Jeder der sich überzeugen möchte was im GV eventuell noch zu retten ist, sollte sich das mit eigenen Augen anschauen. Es ist mir heute gelungen alle Höfe zu besuchen weil alle Tore offen waren, und ich bleibe dabei: vom alten GV, wie wir es beispielsweise aus den Vorkriegsfilmen kennen, ist praktisch nichts mehr übrig geblieben.

  • Paar Fotos vom Juni habe ich einer polnischen Bekannten zur Verfügung gestellt. Bei Interesse hier anklicken. (Danzig wurde von den Russen zu 100% zerstört, alles wurde also komplett neu errichtet).


    :daumen: Super Danzig-Fotos. Einmal mehr (also ungefähr zum tausendsten Mal) wird damit das nervtötende Hamburger Eigenlob von der "schönsten Stadt der Welt" ad absurdum geführt.

  • Dieses Eigenlob bezieht sich wahrscheinlich eher auf Eppendorf und einige Stadtteile direkt an der Altster als auf das Gaengeviertel :)


    Im Durchschnitt aller Stadtteile wird eine Stadt von der Groesse von Hamburg, Muenchen oder Berlin wohl nie die schoenste sein koennen, allein, weil durch die Heterogenitaet der Grossstadt immer viel dabei ist, was einem persoenlich nicht gefallen mag. Wer es gerne homogen mag ist denn in Heidelberg oder Luebeck wahrscheinlich besser aufgehoben. Also Micro, ab dafuer ;)

  • So wie Ihr immer auf meine kleinen Seitenhiebe gegen den Hamburger Lokalpatriotismus anspringt, treffe ich wohl einen wunden Punkt -- was mir zusätzlich Recht zu geben scheint. :lol:


    Vielleicht könnte jeder ein bisschen daran mitwirken, dass das Eigenlob in dieser Stadt aufhört, denn das ist wirklich peinlich und nicht normal. Erst danach können wir und andere die durchaus vorhandenen sehr schönen Seiten der Stadt richtig genießen. Finde ich zumindest ;)