Dresdner Busgeschichte(n)

  • MIt dem Kraftomnibus ins Ostragehege (Teil III und Schluss)

    An der Maxstraße bestand ab 1979 der offizielle Übergang zur nach Friedrichstadt eingekürzten Linie 10, ab 1983 zur Linie 15. Die Straßenbahnhalte „Maxstraße“ ist ebenfalls entschwunden, sie befand sich in beiden Richtungen vor dem Eckhaus.




    Und das bekamen die umsteigenden Fahrgäste 1979 in der Straßenbahn zu sehen: Aus dem Drucksieb zum letzten „Schlachthof“-Schild der Linie 10 gebastelt war die Erstausgabe von Seitenschildern für die verkürzte Streckenführung zur Vorwerkstraße.





    Aber zurück zum Bus. Retour zum Schlachthof ging es über die Weißeritzstraße an der Yenidze vorbei.



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    1998 schloss sich der Vorhang für unsere 74, jedoch noch längst nicht für den Busverkehr ins Ostra-Gehege. Die 82 übernahm, dabei entfiel die Schleifenfahrt, und die Busse fuhren nun in beiden Richtungen über die Ostra-Allee zum Postplatz. Später wurde die Streckenführung über den Bahnhof Mitte gelegt, und eine neue Haltestelle am Heinz-Steyer-Stadion kam hinzu. Diese existiert noch, aber ebenfalls als Phantomhalt der ominösen 99.




    Ab Januar 2006 entfiel die Streckenführung über die Pieschener Allee. Die Eröffnung der neuen Eissporthalle warf ihre Schatten voraus, außerdem versprach man sich von der Verlegung in die Magdeburger Straße eine verbesserte Anbindung des Alberthafens, der eine eigene Haltestelle erhielt, die 2011 von der Straßenbahn übernommen wurde. Die Ballsporthalle an der Magdeburger Straße gab es aber damals natürlich noch nicht.




    Die Haltestelle „Heinz-Steyer-Stadion“ wurde in der Magdeburger Straße neu eingerichtet. Bedient wurde sie zunächst von der 82, aber noch 2006 folgte der Endpunkttausch der Linien 82 und 75. Letztere übernahm nun für die letzten fünf Jahre den Omnibusverkehr ins Ostra-Gehege.




    Linie 75, nördlicher Abschnitt, Betriebszustand 2009 zur Einführung des neuen Busnetzes.




    Blick aus der Magdeburger Straße an der Ballsporthalle vorbei auf die Yenidze.




    Mit der Zurücknahme des Omnibusverkehrs zugunsten der Straßenbahn entfiel auch die Direktanbindung der neuen Eissporthalle. Das alte Haltestellenschild dient nun dem „Ersatzverkehr“ (?) und verweist unmissverständlich auf den Fußmarsch in Richtung Friedrichstraße.




    Überredet! Mit diesem Blick durch die Würfelei „Am Bramschkontor“ entlang zum Palais Marcolini in der Friedrichstraße beenden wir die Exkursion auf den Spuren des Busverkehrs im Großen Ostragehege.



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    Und die 74? Die Liniennummer selbst verschwand 1998, aber nicht für lange. Bereits 2000 gab es eine neue Verbindung gleichen Namens, die als Wurmfortsatz der 83 vom Fetscherplatz nach Johannstadt verkehrte – und damit die gleichzeitig eingestellte Straßenbahnstrecke der 26 in die Johannstadt beerbte.


    Diese 74 (3) war schon 2009 Geschichte, wurde aber umgehend abgelöst. Das neue Busnetz kannte, als Vorlaufbetrieb zur Waldschlößchenbrücke, eine von Johannstadt über die Zwinglistraße nach Reick verkehrende völlig neue Verbindung gleichen Namens, die 2013 nach Brückeneröffnung an die 64 überging.


    Und auch das war es noch nicht, denn gleichzeitig mit der feindlichen Übernahme durch die 64 ging eine kleine, eher unfeine kurze Vorstadtverbindung von der Marienallee in den Jägerpark in Betrieb, die die Linienbezeichnung aus fünfter Hand umgehend erbte. Dabei ist es bislang geblieben…

  • Mit der 88 von Luga nach Dobritz (Teil I)

    Heute begeben wir uns mal zur Abwechslung in den äußersten Südosten des Dresdner Stadtgebiets und folgen den Spuren der alten Linie 88 und damit auch einem Stückchen örtlicher Industriegeschichte.


    In den 1960er Jahren hatten sich der Fahrzeugpark und der Personalbestand des Omnibussektors soweit konsolidiert, dass man abseits der Hauptstrecken auch über periphere Erschließungen nachdenken konnte, die oftmals zweckgebunden dem Arbeiterverkehr dienten. So auch in Niedersedlitz.


    Ins Leben gerufen wurde die Linie X im Jahre 1964, um den Anwohnern von Luga und der Niedersedlitzer Kolonie ganz im Süden der bis 1950 selbstständigen Gemeinde einen direkten Weg zu den Arbeitsstätten im Niedersedlitzer Industriegebiet rund um den dortigen Bahnhof zu ermöglichen. Damit entfielen die aufwendigen Umwege über Lockwitz und der Umstieg in die damalige Lockwitztalbahn mittels der Linie D. Zunächst pendelte die „X“ nur zwischen NIedersedlitz, wo in einer Blockschleife von Bosewitzer, Werk- und Schweizstraße gewendet wurde, und Großluga, wo ein gemeinsamer Endpunkt mit der Linie D bestand. Die Einsatzzeiten waren auf die Schichtzeiten abgestimmt.



    Fahrplan der Linie 88, ex X, von 1965. Man beachte die Sonntagsfahrten, die alsbald entfielen.



    1967 wurde die 88 dann über die Edgar-André-Straße (heute wieder Bismarckstraße) über deren gesamte Länge bis Dobritz geführt, wodurch sich die Erschließung des Industriegebietes südlich der Sächsisch-Böhmischen Eisenbahn deutlich verbesserte. Allerdings entfiel nunmehr der Sonntagsverkehr, auch die Taktzeiten im Berufsverkehr wurden auf eine halbe Stunde gestreckt, wohl um die Umläufe mit einem Bus bedienen zu können. Offenbar hatte man den ursprünglichen Bedarf doch höher eingeschätzt, als er sich schließlich darstellte. Später mit Wegfall der Samstagsarbeit wurde nur noch montags bis freitags im Berufsverkehr gefahren. In dieser Form bestand die 88 bis 1999, doch dazu später mehr…


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    Wir beginnen die Begehung am südöstlichsten Endpunkt des Dresdner Stadtbusnetzes in Großluga. Heute enden hier die Luga-Fahrten der Linie 65, die Verbindung von und nach Prohlis wird seit 2009 nur noch durch die Pirna-Heidenauer Stadtbuslinie H/S sichergestellt.




    Großluga, Lugaer Straße mit dem Busendpunkt, der ehedem den Linien 72 (bis 1965 D) und 88 (ehemals X) diente.




    Schilderhistorie darf in einem echten Antonstädter-Beitrag natürlich nicht fehlen 😉 : Recht spartanisch gestaltete sich die Fensterbeschilderung unserer 88, die ab Mitte der 70er Jahre die üblichen großen Schilder erhielt. Ich darf mich glücklich schätzen, eines dieser sehr seltenen Exemplare in meiner Sammlung zu wissen: Im eigentlichen Betrieb wurde nämlich nie mehr als ein Exemplar benötigt, denn es gab früh und am Nachmittag jeweils nur einen Kurs, auf dem übrigens sehr häufig auch gerade nicht benötigte Reisebusse des Sonderverkehrs zum Einsatz kamen. Dann wurde das eigentliche Seitenschild einfach hinter die Frontscheibe geklemmt…




    In Luga bestand wie erwähnt Anschluss aus und Richtung Innenstadt an die wesentlich ältere Linie D, ab 1965 als 72 bezeichnet. In der Praxis war dieser jedoch wohl von wenig Relevanz, denn die 88 nutzten wie beschrieben vor allem Werktätige als Punkt-zu-Punkt-Verbindung zu ihren Arbeitsstellen in Niedersedlitz und später auch Dobritz. Das mag entschuldigen, dass man den 88er-Anschluss in Luga auf dem folgenden 72er-Linienschild schlicht vergessen hat. Dieses stammt vom Ende der 1970er Jahre – viele Busfahrer schmückten nicht nur ihre Stammfahrzeuge mit allerlei Wimpeln und anderem Klimbim, sondern bisweilen auch die zugehörige Beschilderung, die in der Regel auf den Fahrzeugen verblieb. Über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten…





    Überblick über die Situation des Nahverkehrs in Luga, Stadtplan von 1977. An der Konstellation änderte sich bis 1999 nichts Wesentliches, und auch heute noch erfolgt die Wendefahrt der 65 in fast identischer Weise.




    Nach wenigen Metern auf der Kleinlugaer Straße erreichen wir im Zuge der Wendefahrt die Dohnaer Straße, wo der frisch als Wohnstatt sanierte ehemalige Gasthof Großluga die Szenerie bestimmt. Klein- und Großluga wurden 1922 nach Niedersedlitz eingemeindet und gelangten mit diesem erst 1950 in die Fänge der Großstadt.




    Luga liegt trotz jahrzehntelanger Zugehörigkeit zu Dresden immer noch isoliert an der Heidenauer Stadtgrenze, und noch immer schweift der Blick in Richtung Lockwitz und Prohlis über freies Feld.




    Haltestelle „Krebser Straße“ auf der Dohnaer. Die Haltestelle der H/S und früher der 72 in Gegenrichtung befindet sich ums Eck auf der Peter-Vischer-Straße, die 65, die bis Niedersedlitz der ehemaligen 88 folgt, bedient heute beide.




    Peter-Vischer-Straße. Das Ortsbild von Großluga wird dominiert von Ein- und kleinen Mehrfamilienhäusern aus den 1930er Jahren.





    Peter-Vischer-Straße, Blick zurück zur Haltestelle „Krebser Straße“, die in Richtung Luga von der H/S angedient wird.




    Blick zurück in die Lugaer Straße zum Endpunkt. Mittlerweile hat sich hier eine 65 eingefunden. Die rundgelutschten Solaris-Busse der ersten Generation nennt man in Fachkreisen auch gern „Toaster“, erinnert die Gestaltung doch an Brotröstmaschinen im Retro-Design…




    Typische Bebauung der dreißiger Jahre an der Einmündung der Peter-Vischer-Straße in die Lugaer Straße.




    Blick hinüber über das Feld zur ehemaligen Lugaer Schule an der Kleinlugaer Straße, heute 90. Grundschule.




    Haltestelle „Krebser Straße Nord“ an der Einmündung der gleichnamigen Straße. Der Zusatz „Nord“ stammt vom Beginn der 1990er, um Konfusionen mit der eigentlichen „Krebser Straße“ weiter südlich zu vermeiden.





    Lugaer Straße, Blick über das Feld nach Niedersedlitz. Die bis 1922 bestehende Ortsgrenze von Großluga und Niedersedlitz ist auch fast einhundert Jahre später anhand der fehlenden Bebauung zwischen den Ortschaften noch immer unverkennbar.




    Villenkolonie am Niedersedlitzer Ortseingang, vor dem Ersten Weltkrieg errichtet.




    Haltestelle „Veilchenstraße“ mit der Kolonie Niedersedlitz im Hintergrund. Kaum vorstellbar, aber erst seit 1999 besteht hier ein regelmäßiges Nahverkehrsangebot im 20- oder 30-Minuten-Takt! In jenem Jahr erhielt die bis dato noch als eigentlich eher unnütz gewordenes DDR-Relikt vor sich hin dümpelnde Berufsverkehrs-88 ab Niedersedlitz eine neue Führung nach Prohlis und Nickern und wurde zu einer echten Stadtbuslinie aufgewertet. 2003 gab sie ihren historischen Lugaer Ast an die 73 ab, die wiederum 2009 in der neuen 65 aufging.




    Eine solche strebt hier unweit der Haltestelle „Veilchenstraße“ dem Ziel in Luga entgegen. Im HIntergrund Wohnblöcke aus den 1990er Jahren, die die Jahrzehnte vorher errichteten Bauten der Niedersedlitzer Kolonie ergänzen. Bis 1999 musste man außerhalb der Verkehrszeiten der 88 (also fast immer) gut zu Fuß sein, um nach einem beträchtlichen Fußmarsch den Nahverkehr am Bahnhof Niedersedlitz zu erreichen.




    Damals entstand auch der Niedersedlitzer Platz, der seitdem auch über eine eigene Haltestelle verfügt.




    Blick in die Professor-Billroth-Straße, die von Wohnblöcken aus den 1950ern dominiert wird. Unverkennbar ist die Anlehnung an die „Nationale Aufbautradition“ mit Dresdner Barockelementen – und dies weitab vom Stadtzentrum!






    Bald kreuzen wir die Heidenauer Straße. In Bahnhofsnähe dominiert gründerzeitliche Vorstadtbebauung das ehemalige Industriedorf Niedersedlitz.




    Durch die heute der Professor-Billroth-Straße zugeschlagene ehemalige Straße „Am Güterbahnhof“ strebte die 88 dem ehemaligen Endpunkt der Linie 31, der berühmten meterspurigen Lockwitztalbahn, südlich des Bahnhofes Niedersedlitz entgegen. Dieser habe ich ja letzten Sommer schon eine ausführliche Beitragsserie gewidmet.




    Hier trifft die heutige auf die Route der alten 88 und folgt dieser für einige hundert Meter entlang der Bismarckstraße.




    Dieser folgen wir ebenfalls. Bis 1967 bog die 88 unter die Eisenbahnbrücken ab und endete in der anfangs beschriebenen Blockumfahrung jenseits der Bahnanlagen.




    Stadtplanausschnitt von 1988. Die 31 ist seit Ende 1977 durch die 96 ersetzt. Die 88 besteht jedoch seit 1967 in unveränderter Form und hält am Bahnhof Niedersedlitz in der Bismarckstraße, damals noch Edgar-André-Straße, kurz nach dem im Bild sichtbaren Bahngebäude.




    Zum Abschluss des ersten Teils noch einmal etwas Schilderhistorie: Auf dem Exemplar der Linie 31 von 1969 fand auch die 88 Erwähnung.



  • Mit der 88 von Luga nach Dobritz (Teil II)

    Den zweiten Teil beginnen wir mit dem Linienschild der 88 von 1992. Dieses weist sogar eine Haltestellenliste auf und weicht gestalterisch vom damaligen Standard ab.





    Miet- und echte Villen in der Bismarckstraße. Niedersedlitz war durch die zahlreich vorhandene Industrie zur Jahrhundertwende ein sehr wohlhabender Flecken geworden.





    Pfaffendorfer Straße, Blick zur Bismarckstraße.




    Bismarckstraße, Einmündung „An der Post“. Die hiesige gleichnamige Haltestelle gibt es erst seit 1999. Bis dahin hielt die 88 entlang der langen Bismarckstraße nur einmal, nämlich an der Saydaer Straße mitten im Industriegebiet.




    Fernblick auf die markanten Schornsteine des Malzwerkes an der Straße des 17. Juni.




    An der Kreuzung Reisstraße/Bismarckstraße verlässt die „neue“ 88 seit 1999 ihre angestammte Route. Sie erschließt seitdem den Dorfkern von Niedersedlitz und bietet eine sehr praktische Direktverbindung nach Prohlis. Seitdem gibt es auch die Haltestelle „Reisstraße“.





    Wir folgen aber weiter der Bismarckstraße, seit fast zwanzig Jahren nahverkehrliche Diaspora. Aufgrund der weggebrochenen Industrieproduktion war eine weitere Erschließung schlicht unnötig geworden. Im Hintergrund der mächtige Gebäudekomplex der Kamerawerke, in denen dereinst auch die berühmte „Praktica“ montiert wurde.




    Vor den Kamerawerken, zuletzt Teil des Kombinats Pentacon, befand sich die Haltestelle Saydaer Straße. Hier herrschte zu Schichtwechsel Hochbetrieb.





    Gegenüber im Gebäudekomplex der Kunstdruck AG, zuletzt Teil des VEB Polypack und nach der Wende wie nahezu alle benachbarten Betriebe unter dubiosen Bedingungen abgewickelt, fand unsere 88 ebenfalls eine gewisse Nutzerklientel.




    Bei der Nummer 57 handelt es sich um die Gebäude der Schulbankfabrik Lickroth & Cie.




    Fassade der Schokoladenfabrik Emerka, Bismarckstraße 66.




    Industriedenkmal am Eingang der Kleinen Straße: Kugeldrehkocher aus der ehemaligen Firma Otto Kauffmann in der Niedersedlitzer Bahnhofstraße.




    Ehemaliges Gaswerk Niedersedlitz. Bis nach Dobritz zur nächsten Haltestelle an der Mügelner Straße wurde die Bismarckstraße von der 88 ohne Halt durchfahren.




    Blicke über die Bahnanlagen zur Gardinenfabrik an der Breitscheidstraße. Hier werden auch Szenen für den Dresdner „Tatort“ gedreht: Das Gebäude fungiert als Polizeipräsidium.






    Vorbei an der Brache der nach der Wende abgewickelten Milchwerke erreichen wir den Langen Weg und damit die Flurgrenze zu Dobritz, 1921 bis 1950 gleichbedeutend mit der Dresdner Stadtgrenze.





    Mügelner Straße, Bildungszentrum der IHK Dresden in den Gebäuden der ICA AG, vordem Camerafabrik Emil Wünsche und später Teil der vereingten Dresdner Kameraindustrie. Zuletzt beherbergte die Mügelner Straße 40 die Betriebsberufsschule des VEB Pentacon. Davor befand sich bis zur Aufhebung 2003 die Haltestelle „Mügelner Straße“.




    Diese bot einen Übergang von der 88 zur Hauptlinie 85, aus der 2009 die 65 hervorging. Mal wieder etwas Schilderkunde mit einem 85er-Exemplar von etwa 1981 (aufgrund der Anschlüsse) – die ursprüngliche Siebvorlage dürfte aber auf 1975 zurückzudatieren sein.





    Vor sich hin verfällt das ehemalige Konstruktionsgebäude des VEB Mikromat, ein herausragender Vertreter der Industriearchitektur in der DDR, errichtet von 1970 bis 1973.




    Den neuen Haltepunkt Dobritz verfehlte die 1999 eingestampfte „alte“ 88 um gerade einmal vier Jahre. An den heutigen Knotenpunkt war damals noch nicht zu denken: Der Haltepunkt befand sich östlich der Straße (linkerhand des Bildmotivs), die Straßenbahn hielt erst an der Breitscheidstraße, und einzige Buslinie war unsere 88, denn die 85 fuhr am Haltepunkt vorbei.




    Ein weiteres unbedingt erwähnenswertes Objekt folgt an der Breitscheidstraße/ Ecke Moränenende (bis 1993 Ernst-Schneller-Straße): Das gerade in abschließender Sanierung befindliche Schokopack-Hochhaus, errichtet bereits 1957 bis 1963 als einer der frühesten Vertreter der internationalen Moderne in Dresden, kann mit Fug und Recht als ein herausragendes Industrie- und Architekturdenkmal gelten.





    Auf dem letzten Stück Wegs zum Endpunkt passierte die 88 noch das „Tröbbl“ und bog in die Breitscheidstraße ein. Die Verlängerung des Moränenendes erfolgte erst in den 2000ern, zuvor führte die Straßenbahntrasse eingleisig durch eine Gartenanlange zum Abzweig nach Reick.



    Lage des ehemaligen Endpunkts „Dobritz“ in der Breitscheidstraße. Hier bestand Übergang zur Straßenbahnlinie 9.




    Stadtplanausschnitt von 1969. An die Prohliser Strecke und die war damals noch nicht zu denken, ebenso fehlt noch der 1971 eröffnete Haltepunkt Dobritz, damals westlich der Ernst-Schneller-Straße (Moränenende) gelegen.




    Zur „9“ gesellte sich ab 1981 noch die 17, eingeführt mit der Eröffnung der Straßenbahnstrecke nach Prohlis.





    Zurück ging es in einer Wendefahrt über die Wilhelm-Liebknecht-Straße. Dabei umkurvte die 88 die Wohnblöcke vom Ende der zwanziger Jahre.





    Gesamtsituation des ehemaligen Endpunktbereichs, aufgenommen vom Haltepunkt Dobritz: Links Schokopack, rechts der Wohnblock am Moränenende, vor dem sich einst die Straßenbahnhaltestelle „Breitscheidstraße“ befand, davor die Wilhelm-Liebknecht-Straße einmündend, im Hintergrund neben der Straßenbahn das „Tröbbl“ und die Breitscheidstraße.




    Zum Abschluss zwei weitere Fahrpläne: Zunächst der aus der „Wendezeit“ von 1989/90, anschließend der letzte Plan der „alten“ 88 von 1998. Es bleibt bemerkenswert, dass die eigentlich ausschließlich auf den Berufsverkehr ausgerichtete Linie ohne größere Umwälzungen die DDR um fast zehn Jahre überlebte, und das, obwohl seit spätestens 1992/93 mit der Abwicklung sämtlicher (!) Betriebe entlang ihrer Route eigentlich keine Notwendigkeit für die Fortführung bestand. Seit 1999 können die Lugaer und Niedersedlitzer dafür aber auf einen zuverlässigen und regelmäßigen Busverkehr zurückgreifen, und das sogar mittlerweile bis tief in die Nacht …



  • Vielen Dank für den Link!


    Der angesprochene Wagen trug in seiner sehr kurzen Lebenszeit drei verschiedene Wagennummern: Zunächst hieß er 100, dann 101, zuletzt 201. Er verbrannte am Abend des 13. Februar 1945 wie ein Gutteil des KOM-Fuhrparkes der Vorkriegszeit in der unglücklicherweise als Holzkonstruktion errichteten Wagenhalle des Bushofes Naußlitz.


    Von den im SZ-Beitrag angesprochenen Eindecker-Sattelschleppern (vier Stück), ebenfalls auf Opel-Blitz-Basis, überlebten zwei Wagen den Brand und kamen noch im Straßenbahn-Ersatzverkehr der unmittelbaren Nachkriegszeit zum Einsatz. Dann wurden sie bei der BVG (Ost) gegen für die Durchführung des Obus-Betriebes ab 1947 dringend benötigte Reifen ausgetauscht und erlebten die Wiedereröffnung des planmäßigen KOM-Verkehres 1949 nicht mehr.


    Der Doppeldeck-Sattelschlepper erwies sich übrigens als Fehlkonstruktion: Obwohl der Auflieger in Leichtbauweise gefertigt war, erwies sich die Opel-Blitz-Zugmaschine als viel zu schwach für die komplexe Dresdner Topografie. Ein Einsatz auf den Bergstrecken nach Rochwitz oder die Bergstraße hinauf fiel somit flach. Beim Personal war er entsprechend unbeliebt.



    Zur Illustration noch zwei Bilder Bild aus dem DVB-Archiv:


    Der Doppelstockwagen mit seiner zweiten Nummer 101 vor dem Straßenbahnhof Waltherstraße auf einem Präsentationsfoto. Elegant anzuschauen war er jedenfalls...




    Eindecker, Baujahr 1942. Es waren die letzten Fahrzeug-Neubeschaffungen der Dresdner Straßenbahn AG vor der Zerstörung der Stadt. Sehr schnell bekamen die Wagen die im Artikel angesprochenen Stadtgasaufbauten auf dem Dach - offenbar handelt es sich auch hier um eine Präsentationsaufnahme. Ob er wirklich noch im Zubringerverkehr der letzten Auflage der althergebrachten Johannstädter Vogelwiese 1942 zum Einsatz kam...?


  • Abschied von der Linie 94

    In wenigen Wochen wird die Buslinie 94 nun Geschichte sein und in der neuen verlängerten 75 aufgehen. Als Ersatzverkehr für die am 2. Dezember 1990 stillgelegte Straßenbahnstrecke nach Cossebaude dürfte sie wohl nie einen Platz im Herzen eines eingefleischten Nahverkehrsfreundes erobert haben. Und dennoch hat sie die Nachwendezeit des Dresdner Stadtverkehrs mitgeprägt, vor allem wohl auch deshalb, da sie seit ihrer Eröffnung vor achtundzwanzigeinhalb Jahren kaum größere Änderungen über sich ergehen lassen musste – trotz vierer grundlegender Linienreformen in den Jahren 1992, 1995, 2000 und 2009. Von meiner Seite gibt es, wie sollte es auch anders sein, eine kleine Rückschau in Form mittlerweile historischer Dokumente.



    Ehemaliger Straßenbahn-Endpunkt Cossebaude, Schulstraße.


    Eröffnet wurde die Linie 94 gleichzeitig mit der Stilllegung der alten Linie 1, die während des Baus der Hamburger Straße zuletzt von Wölfnitz über Cotta nach Cossebaude verkehrte, am Morgen des 2. Dezember 1990. Im bisherigen Tal der Ahnungslosen wurden an jenem Tag erstmals terrestrisch die heiß ersehnten West-Fernsehprogramme in den Äther geblasen, die zahllosen Straßenbahnfreunde aus Nah und Fern hatten die letzten Gotha-Züge in den Ruhestand verabschiedet und die Diskogänger aus den letzten Nachtzügen der „1“ kurierten ihren Kater aus, da dröhnten die Ikarus 260 des zunächst wenig gelittenen gummibereiften Ersatzverkehrs über die straßenbahntechnisch verwaiste Meißner Landstraße. Heiße Diskussionen gingen der Umstellung voraus, und das längst geplante Gleisdreieck in Cossebaude als Voraussetzung für die Umstellung der Linie 1 auf TATRA-Betrieb wurde letztlich nicht mehr errichtet – und das, obwohl man voreilig den Fahrplan der durchgehenden 1 von Cossebaude nach Tolkewitz bereits im Fahrplanheft 1990 abgedruckt hatte!


    Wenigstens konnte man nun wieder in die Innenstadt durchfahren, wenngleich die 94 ihre Fahrgaste bereits am Bahnhof Mitte auskippte; zum Postplatz galt es umzusteigen, und das zunächst sogar im Nachtverkehr! Bis Ende Januar 1991 wurde anstelle der noch aufgerissenen Hamburger Straße die Bremer Straße befahren, danach fuhr die Linie 94 zwischen Cossebauder/Warthaer Straße und Waltherstraße parallel zur Straßenbahn – und tut dies bis heute.


    Das Linienschild der ersten Generation von 1990/91 wurde noch aus Hartplaste gefertigt und zeigt bereits das neue Design mit Antiqua-Schrift. Der Endpunkt am Bahnhof Mitte wurde in der Jahnstraße eingerichtet.





    Fahrplan der Linie 94 von 1991, der erste in einem offiziellen Heft veröffentlichte Plan der Linie überhaupt. Interessanterweise ist der Linienverlauf über die Bremer Straße eingezeichnet, nach meinen Aufzeichnungen fuhr die 94 aber mit Beendigung der Bauarbeiten auf der Hamburger Straße parallel zur Linie 14 (ab Mitte 1991 Linie 1). Vielleicht kann ja jemand etwas Erhellendes beitragen? Man beachte die üppige Taktung, die im Laufe der Jahre immer weiter ausgedünnt wurde – seit 2000 fährt die ehemalige Straßenbahnlinie nur noch aller zwanzig Minuten nach Cossebaude…




    Ausschnitt aus dem Liniennetzplan von 1991. Auch hier zweigt die Strecke bereits an der Haltestelle „Bremer Straße“ aus der Hamburger ab und setzt ihren Weg entlang der Bremer Straße direkt in die Friedrichstadt fort.




    Die erste große Nachwende-Linienreform von 1992 berührte die erst eineinhalb Jahre vorher eingeführte Linie nur am Rande. Im entsprechenden Fahrplanheft ist sie noch auf ihrer alten Route zwischen Bahnhof Mitte und Cossebaude eingezeichnet. Von Beginn an wurden einige wenige Fahrten nach Niederwartha verlängert, wenigstens eine Verbesserung im Vergleich zur Straßenbahnzeit…




    Die im Fahrplan erstaunlicherweise fehlende wichtigste Neuerung 1992 war die Verlängerung zum Postplatz im Nacht- und Wochenendfrühverkehr. Damit wurden die Umsteigebeziehungen vom und zum Anschlussverkehr des Postplatztreffens erheblich erleichtert. Es wurde eine ganze Batterie an neuen Schildern ausgegeben, die alle vier möglichen Fahrtrelationen der Linie berücksichtigte.


    Schauen wir uns zunächst die des Tagesverkehrs vom Bahnhof Mitte aus näher an. Grafische Schönheiten waren es wahrlich nicht, und es fehlen sämtliche Anschlüsse zur damaligen Deutschen Reichsbahn entlang der Cossebauder Strecke: mit Ausnahme freilich des Haltepunkts Niederwartha.







    Die gleichartigen Schilder des Nacht- und Wochenend-Frühverkehrs vom Postplatz aus. Man vergleiche die zum Tagesverkehr deutlich ausgedünnten Anschlüsse.







    Betrachten wir die Geschichte der folgenden Jahre anhand einiger Netzplanausschnitte. Die Linie 94 auf dem Netzplan von 1993. Erstmals wurden die Strecken farbig codiert dargestellt, noch getrennt nach Bus und Straßenbahn.




    1994: Ein Jahr später wurden die Grafiken zusammengeführt – es fehlen allerdings einige Haltestellennamen. Die Busstrecken wurden für einige Jahre mit etwas merkwürdig anmutenden Punktlinien präsentiert.




    Der 1995 drei Jahre nach der ersten als Linienreform getarnten nachwendlichen Streichorgie von 1992 durchgeführten zweiten „Optimierung“ des Liniennetzes entkam die 94 erneut unversehrt. Obwohl die Ikarus 260, die sie zunächst bestückten, längst den Weg des alten Eisens (oder nach Osteuropa) gegangen waren, wurden noch einmal Fensterschilder ausgegeben. Der Einfachheit halber führte man nun die Postplatz- und Bahnhof-Mitte-Relationen zusammen. Ich verfüge über ein „Niederwartha“-Schild, vermute aber, dass es gleichartige „Cossebaude“-Schilder ebenso gab. Offenbar wurde das Schild sogar noch genutzt; neben den allgegenwärtigen Mercedes-Standardbussen verirrte sich offenbar auch der eine oder andere Ikarus 280 auf unsere 94. Es waren die letzten traditionellen Seitenschilder dieser Linie.





    Zugehöriger Netzplanausschnitt von 1995.




    Kräftig ausgedünnt wurden die Fahrpläne zur Jahrtausendwende. Seitdem gilt in Richtung Cossebaude ein 20-Minuten-Takt, nur im Sommer wird zwischen Cotta und Stauseebad verdichtet gefahren. Und dies, obwohl Cossebaude und Niederwartha seit 1999 zur Landeshauptstadt Dresden gehören! Netzplanausschnitt von 2001.




    Netzplanausschnitt 2007.




    Selbst die umfassende und einschneidende Reform des Busliniennetzes von 2009, die nach Jahren des Abbaus und der Einsparungen im Gegenteil erhebliche Verdichtungen und Lückenschließungen brachte, überlebte die 94 unverändert. Aus dem Handbuch für die neuen Linienführungen zeige ich hier die topografisch korrekte Linienverlaufsgrafik und die aktuell noch bestehende Schleifenfahrt am Postplatz.





    2009 wurde auch eine neue Netzplangrafik eingeführt, die aktuell noch immer verwendet wird, über deren Qualität ich aber bekanntermaßen geteilter Meinung bin. Stellvertretend ein Planausschnitt von 2011.



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    Noch einige persönliche Gedanken zum Schluss:


    Was ich nicht verstehe ist, warum man die neue Linie nicht 94 genannt hat. Und dies aus zweierlei Gründen: Zum einen sind die Neunziger-Linien seit 2009 im Dresdner Westen konzentriert, man bricht also völlig unnötig das vorhandene kohärente Cluster auf. Die 70er-Linien gehören eigentlich in den Norden, die 75 bildete hier seit zehn Jahren eine Ausnahme.


    Zum zweiten zeugt die Entscheidung von mangelnden nahverkehrsgeschichtlichen Kenntnissen in den verantwortlichen Stellen, denn da gab es doch einmal etwas…?





    Ältere Semester werden sich sicher noch an die in den 1980er Jahren in der 75 aufgegangenen „alten 94“ erinnern. Sei’s drum, in anderthalb Jahren werden derlei Überlegungen mit der Umwandlung der zusammengelegten Neu-75 in eine 60er-Linie ohnehin obsolet, und Cossebaude wird dann endlich wieder in einer angemessenen Taktfrequenz bedient werden. Darauf kann man sich doch freuen!



    Schönes Wochenende!