Dimension des Stadtschlosswiederaufbaus

  • Ich bin zunächst einmal unglaublich traurig, dass ein Weltkulturerbe ersten Ranges wie Notre Dame abgebrannt ist und nur um ein Haar der völligen Zerstörung entgangen ist. Man sollte sich in Demut verneigen vor dem Einsatz der Feuerwehrleute, die ihr Leben riskiert haben, um diesen Schatz europäischer Kultur zu bewahren. Wenn man zum Beispiel die aktuelle Diskussion im APH verfolgt und auch in Teilen der sozialen Medien, dann wird einem fast schlecht, welch krude Theorien hier zur Brandursache unters Volk gebracht werden. Ich für meinen Teil bin sehr dankbar, dass man die wesentliche Struktur der Kirche retten konnte und dass ein so ikonischer Bau wie Notre Dame nicht verloren ist und der Menschheit in weiten Teilen erhalten bleibt.


    Doch bei allem Aufatmen wiegen auch die Verluste schwer, denn gerade Dinge, die man ja auch immer wieder beim Wiederaufbau des Schlosses kritisiert, sind jetzt auch bei Notre Dame in Teilen verloren, nämlich Authentizität. Gerade der Dachstuhl aus der Entstehungszeit wird so nie wieder zu rekonstuieren sein und die Geschichte und die Schaffenskraft, die darin erzählt wurde, ist für immer verloren. Ohne Zweifel wird die Kirche als 1:1 Kopie wieder entstehen, den typisch deutschen Reflex, Spuren von Katastrophen zu konservieren oder Kontraste oder Neuinterpretationen zu schaffen, traue ich den Franzosen nicht zu. Zum Glück. Aber trotzdem wird Notre Dame nicht mehr die gleiche Kirche sein.


    Um zum Stadtschloss zurück zu kommen, muss man hier gezogene Vergleiche zur Spendensumme aber auch etwas einordnen. Erstens ist Notre Dame eines der ikonischsten Bauwerke der Welt, wenn man 5 Kirchen, die man weltwelt kennt, aufzählen soll, wäre sie bei fast jedem immer dabei. Und zweitens ist es etwas völlig anderes, ob ein bestehender, seit Jahrhunderten existenter Bau beschädigt wird oder ob ein Bau nach 70 Jahren Verschwinden völlig neu gebaut wird. Fast niemand, der heute noch lebt, hat das Schloss je live gesehen. Somit verbietet sich ein Vergleich eigentlich. Und bei aller Liebe zum Berliner Schloss, aber Notre Dame ist dann auch von der Bedeutung her nochmal eine andere Hausnummer.


    In Deutschland ist da wirklich nur der Vergleich zum Kölner Dom zu ziehen und ich kenne so viele Kölner und glaubt mir, wenn da nur eine Spitze abbrechen würde, jeder Kölner würde die Arbeit stehen und liegen lassen und erst wieder heim gehen, wenn der Dom wieder steht. Ich habe mit einem gebürtigen Kölner gestern drüber gesprochen und er meinte, in Köln hätte der Wiederaufbau noch in der Nacht der Zerstörung begonnen. Aufgrund der föderalen Struktur gibt es in Deutschland diese starke Verbindung zu einer Hauptstadt eben nicht, wie es diese in Frankreich gibt, aber dafür ist der Regionalstolz viel stärker ausgeprägt, was durch die geschichtlichen Entwicklungen im 20. Jahrhundert nochmal verstärkt wurde.


    Der Kölner an sich ist viel mehr an den Menschen interessiert und am Kölner Lebensgefühl. Daher sieht die Stadt auch aus, wie sie aussieht, aber das gilt nicht für den Dom. Köln ohne den Dom ist undenkbar, ich prophezeihe, dass im Härtefall die Kölner aus sich heraus 1 Milliarde oder mehr für den Dom zusammen bringen würden, wenn es nötig wäre. Niemals würde man in Köln den Dom aufgeben.


    Vor diesem Hintergrund finde ich es daher umso bemerkenswerter, dass es gelungen ist, im Falle des Berliner Schlosses über 100 mio für einen Bau zusammen zu bringen, der seit fast einem dreiviertel Jahrhundert aus dem Bewusstsein der Menschen verschwunden war, der emotional nie den Stellenwert hatte, wie z.B. der Dom in Köln und der insbesondere in der Anfangszeit sehr stark von Spenden aus dem gesamten Bundesgebiet finanziert wurde. Mir ist weltweit kein einziger Fall bei ähnlicher Voraussetzung bekannt, wo dies so gelungen ist. Das Geld für die Dresdner Frauenkirche wurde zentral über emotionale Werte eingesammelt. Dieser entscheidene Faktor fehlte in Berlin vollkommen.


    Und der Wiederaufbau in Dresden kam aus der Stadtgesellschaft selber, in Berlin war es lange eine recht teilnahmslose und eher sogar sehr kritische Haltung. Von daher sehe ich die gesammelte Spendensumme als extrem beachtlich. Wobei es natürlich schon schön gewesen wäre, wenn sich einige der reichsten deutschen Familien in ähnlicher Art und Weise an diesem nationalen Projekt beteiligt hätten, wie es entsprechende Familien nun in Frankreich tun. Das schließt auch die großen deutschen Unternehmen ein.


    Das Mäzentum ist in Deutschland extrem ausbaufähig und im Vergleich zu anderen Ländern nur als rudimantär zu bezeichnen, zum großen Nachteil für den öffentlichen Kultursektor, der aus sich heraus kaum noch in der Lage ist, Sammlungen oder Projekte eigenverantwortlich zu finanzieren. Diese fatale Lage sieht man beispielhaft auf dem Kunstmarkt, wo Meisterwerke europäischer Kunst reihenweise vom Markt verschwinden, weil europäische Museen nicht mehr in der Lage sind, auch hier nur ansatzweise die aktuellen Preise am Kunstmarkt zu zahlen, mit der Folge, dass viele Werke nicht mehr in Museen hängen und der Allgemeinheit zugänglich sind sondern in Depots als Geldanlage oder in privaten Palästen landen. Eine weitere traurige Entwicklung!

    4 Mal editiert, zuletzt von Odysseus ()

  • ^ Hier sind wir uns mal weitgehend einig. Was noch dazukommt, ist der Spektakel-Charakter eines globalen Medienereignisses: Die Welt war live dabei, als die Kirche brannte; in Paris gab es zehntausende Augenzeugen. So etwas löst eine ganz andere Dynamik aus als der Aufruf, für die Rekonstruktion des verlorenen Stadtschlosses zu spenden oder die Renovierung des Berliner Domes zu unterstützen - Camondo hat ja schon darauf hingewiesen, dass auch für die regulären Restaurierungsarbeiten an Notre Dame keine Ströme an Spendengeldern geflossen sind.


    Genauso ist es übrigens bei Spenden für humanitäre Zwecke: Sammlungen gegen das alltägliche Elend laufen schleppend - gibt es aber ein Erdbeben oder einen Tsunami samt dramatischer Bilder aus dem Unglücksgebiet, wissen die Hilfsorganisationen manchmal gar nicht, wie sie das ganze Geld einsetzen sollen.

  • Ich glaube nicht, dass "die Kölner" im Falle eines Falles im Schnitt ca. 1000 Euro für den Dom spenden würden. Zum Vergleich: Würde man die bisherige Spendensumme für das Schloss, auf "die Berliner" umrechnen, kämen (trotz oder wegen des Unterschiedes zwischen Kirche und Schloss) nur ca. 25 Euro zusammen. Wir wissen aber, dass diese Summe noch viel zu hoch ist.


    Bei den aktuellen französischen Großspenden muss man berücksichtigen, dass dadurch die Kirche von nun an unumkehrbar mit den Spendern verbunden ist. Das kann auch schädlich sein. Ich kann mir sogar vorstellen, dass diese Großspenden vielleicht sogar abgelehnt werden, um Notre Dame nicht zu einem Werbeartikel für bestimmte Marken zu machen.


    Trotz meiner zunehmenden Skepsis gegenüber dem Förderverein des Berliner Schlosses, finde ich gerade durch ihn ermöglichte, weit gestreute und anonyme Spendenaufkommen sehr gut. Es wird halt nicht das Schloss von ein paar wenigen Großspendern oder Institutionen mit eigenen Interessen. Die Finanzierung eines Innenraumes durch das Land Baden-Würtemberg im Gegenzug für die Benennung des Saals nach dem Bundesland, wurde genau deswegen abgelehnt, was ich dem Förderverein hoch anrechne.


    Von Boddien sagte beim letzten Tag der offenen Baustelle, dass die anwesenden Konzertbesucher (waren 1500 oder 1800?) ungefähr 45 Millionen Euro für die Fassaden gespendet haben, also im Schnitt auch schon 30.000 Euro. Der Rest verteilt sich dann wohl auf zigtausend Mittelgroß- und Kleinspender.


    Für Notre Dame erwarte ich ein sehr hohes internationales Spendenaufkommen. Vielleicht sind dann die Großspenden im jetzigen Umfang gar nicht nötig. Die Kirche könnte dadurch zum Symbol für den Zusammenhalt der Menschen in Europa und der Welt werden.


    Off topic bitte dort unter Beachtung der Forennetiquette weiterführen.
    Bato

  • Eine durchaus interessante Debatte. Ich habe selten ernsthaft darüber nachgedacht, welche deutschen Bauwerke ich als echte nationale Symbole bezeichnen würde. Da ich eine solche Beschreibung intuitiv aber doch sehr, sehr hoch hängen und keinesfalls als inflationäres Etikett verteilen würde, wäre meine imaginäre Liste extrem kurz. Etwa die genannten Beispiele Berliner Dom und auch "Stadtschloss" sind für mich persönlich eher keine Bauwerke ersten nationalen Ranges (mehr). Auch etwa bei der Siegessäule oder dem Völkerschlachtsdenkmal würde ich dies nur (noch) sehr eingeschränkt behaupten. Dies alles in dem Wissen, dass viele dies sicher nach wie vor völlig anders empfinden.


    Historisch war das natürlich auch objektiv einmal erheblich anders. Aber die realgesellschaftliche Bedeutsamkeit von Monarchie und Staatskirche hat sich längst überlebt. Nationale Geschichte wirft sicherlich immer auch irgendwo einen Schatten auf die nationale Gegenwart aber eine echte national bedeutsame Symbolik muss mE Generation für Generation im gesamtgesellschaftlichen Diskurs neu belebt oder ggf. neu definiert werden, sonst verblasst sie. Auch einstmals herausragende, historisch und politisch sowie auch kulturell vielschichtige Bauten wie die Paulskirche in Frankfurt funktionieren heute mE kaum noch ohne entsprechend hartnäckige Vermittlung als lebendiges nationales Symbol.


    In ganz Deutschland fallen mir überhaupt wenige Bauwerke ein, die neben überregionaler Bekanntheit und Strahlkraft auch eine fortlebend auch nur annähernd universell anerkannte, tiefgreifende nationale Symbolik besitzen würden. Selbst für die Hauptsradt Berlin sehe ich da mit Brandenburger Tor und Reichstag zunächst nur zwei ganz sichere Kandidaten, eventuell inzwischen eingeschränkt auch noch das Band des Bundes. Der genannte Berliner Dom ist hingegen nicht mal der bedeutendste Sakralbau der Republik und das "Schloss" eben nurmehr die optische Hülle für eine (immerhin potentiell national bedeutsame) kulturelle Institution. Da würde ich intuitiv den genannten Kölner Dom oder selbst die rekonstruierte Dresdner Frauenkirche als bedeutsamer beschreiben.


    Wie ElleDeBE richtig anmerkt, hat die abstrakte Lücke des vernichteten Schlosses keine Spendenexzesse bewirkt. Auch nach der vollendeten Rekonstruktion der Schlossfassaden wird sich mE nichts Entsprechendes entwickeln. Steinerner Anstoß zur Reflektion über die bewegte deutsche Geschichte: Sicherlich. Weithin akzeptiertes lebendes Symbol für die moderne Bundesrepublik: Wohl kaum. Ich sehe für das Humboldtforum mit seinen Fassadenrekos in erster Linie immerhin eine reale Bedeutung für das rudimentäre Stadtbild des historischen Berlins und eine wichtige institutionelle Ergänzung der Museumsinsel. Beides wird gewiss auch entsprechende nationale Resonanz erzeugen aber sehr viel mehr dann auch nicht. Ich finde das aber auch gar nicht weiter dramatisch.


    OT: Übrigens hatte nach einigen Historikern wohl auch Notre Dame längere Zeit lang eine weitaus blassere Bedeutung als heute und wurde wohl u.a. durch Victor Hugo für Frankreich (und bezeichnenderweise u.a. von Disney für die Welt als kulturelle Ikone wieder "entdeckt". Und ob sich tatsächlich "ganz Frankreich" hinter dem Wiederaufbauprojekt vereint, sollte man zumindest erst mal abwarten. Ein paar reiche Familien stehen jedenfalls zunächst mal für einen - gleichwohl gewichtigen - Teil Frankreichs. Auch die durchaus ergreifenden Gesänge sind zunächst einmal ein zarter Ansatz, der ein Signal für mehr darstellen KANN. Ich nehme die diversen Spannungen in der französischen Gesellschaft jedoch als äußerst nachhaltig und komplex wahr, weshalb man mE nicht alles zu sehr verklären sollte. Zugleich spüre ich jedoch auch eine tiefe Verbundenheit mit Frankreich und empfinde auch die Schäden an Notre Dame durchaus als sehr schmerzhaft. Zugleich würde es mich extrem freuen, wenn durch diesen Verlust immerhin tatsächlich die Menschen zueinander finden (vielleicht entgegen des ersten Eindrucks ja auch über Grenzen und Gräben hinweg). Dennoch kommt mir der mitunter sehr heftige Pathos teilweise als etwas übersteigert vor. Brände passieren leider und sind kein gezielter Kulturfrevel. Glücklicherweise kamen ja auch keine menschlichen Opfer hinzu und sogar die bauliche Substanz ist offenbar in großen Teilen zu retten.

  • ^ Deutschland und Frankreich sind hier wirklich schwer zu vergleichen. Paris war schon im Mittelalter eine Metropole und hatte im 12. Jahrhundert über 100.000 Einwohner. Köln, die damals größte deutsche Stadt, war nicht mal ein Drittel so groß. Wichtiger ist aber der Umstand, dass es in Deutschland bis 1871 überhaupt keinen Nationalstaat und entsprechend keine nationale Hauptstadt gab.


    Stattdessen entstanden auf dem Gebiet des Heiligen Römischen Reiches ein Haufen Residenzstädte lokaler und regionaler Herrscherdynastien, die sich allmählich zu politischen und kulturellen Schwerpunkten entwickelten (München, Dresden, Hannover, etc.), es gab die Habsburger-Metropole Wien, es gab die Freien Reichsstädte wie Nürnberg oder Frankfurt und die Handelsmetropolen wie Hamburg, Augsburg oder Bremen. All diese Städte haben gebaut, um den eigenen Ruhm (oder den ihrer Dynastien) fördern. Eine Zentrale wie in Frankreich gab es nicht. Auch die Hohenzollern haben das Stadtschloss in Berlin nicht als "Hauptschloss" Deutschlands konzipiert, sondern als Residenz einer jungen Mittelmacht, deren Ländereien zu großen Teilen nicht einmal zum Reich gehörten.


    Deshalb ist in Deutschland alles, was als "nationales Baudenkmal" im engeren Sinne gelten kann, auch erst im 19. Jahrhundert entstanden: Siegessäule, Hermannsdenkmal, Völkerschlachtdenkmal, Berliner Dom, etc. - selbst der Kölner Dom stammt zu großen Teilen aus dieser Zeit (weshalb er auch einen eisernen Dachstuhl hat). Im Ergebnis haben die kunsthistorisch wirklich bedeutenden Bauwerke in Deutschland alle einen regionalen Bezug, während die Bauwerke mit nationalem Bezug (den Kölner Dom ausgenommen) kunsthistorisch maximal Mittelmaß sind. Ich finde, das ist kein Manko. Es sorgt für eine ungeheure Vielfalt - man sehe sich nur die Verteilung der bedeutenden Schlösser und Kirchenbauten an, die große Zahl von Theatern, Museen und Repräsentationsbauten. Ist alles dem vielgescholtenen Städte- und Staatenteppich geschuldet, aus dem heute Deutschland geworden ist. Und da ich es mit dem Nationalen eh' nicht so habe, kann ich auf das große Identifikations-Bauwerk auch gut verzichten.


    P.S.: Wie gesagt, auch Notre Dame zieht keine Massenspenden an, wenn sie bloß von einem langen Leben mitgenommen und deshalb renovierungsbedürftig ist. Erst die live miterlebte Katastrophe löst einen derartigen Identifikationsmoment aus. Und der wird nicht ewig anhalten. Das Interesse wird nachlassen und auch mit der Einigkeit wird Schluss sein, wenn die Frage auftaucht, in welcher Form der Aufbau stattfinden soll. In diesem Zusammenhang finde ich Macrons Rolle grenzwertig. Ich nehme ihm ab, dass er wirklich schockiert ist. Er nutzt die Sache aber auch aus, um durch große Gesten vorübergehend seiner innenpolitischen Konflikte Herr zu werden. Dass er sich deshalb zu einem Fünf-Jahres-Aufbauversprechen hat hinreißen lassen, kann der Qualität der Rekonstruktion nur schaden.

  • Mir fällt als Bauwerk mit den Kriterien
    a) nationale Aufladung, b) älter als 1871, c) in Berlin


    spontan (und als einziges) das Brandenburger Tor ein. Ein schöneres Nationalsymbol kann man sich meines Erachtens nicht wünschen und es wurde glaube ich hier noch nicht erwähnt.


    Im übrigen bin ich – wie so oft – ganz bei Architektenkind. Mir fehlt sowas eher nicht so (obwohl ich wie wohl viele Urbanistik-Begeisterte mal eine Phase hatte, wo ich etwas neidisch auf eher zentrale Staaten geschielt habe) und die urige deutsche Vielfalt, die sich seit 1000 Jahren durch unzählige Interessen, Kriege und Zerreißproben immer wieder durchsetzt, finde ich sehr interessant und ansprechend.


    Macrons Verhalten bewerte ich nicht ganz so negativ wie Architektenkind – obwohl es natürlich ganz klar ist, dass le President da andere politische Themen mit einkalkuliert. Ich finde die derzeit grassierenden Konflikte zum Thema Europa, Arbeitskleidungsstücke einer bestimmten Farbe usw. furchterregend genug, dass man als Staatschef auch zu solchen Taktikten greifen darf bzw. muss.


    Was der 5-Jahresplan für Auswirkungen auf die Fachgerechtigkeit der Restauration hat, kann ich als relativer Laie nicht gut bewerten.


    Marco


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  • In meinem Beitrag, der leider mit in die Lounge verschoben wurde, erwähnte ich bereits das Brandenburger Tor, das ich aus meiner berlinfreundlichen Einstellung auch für ein gutes Symbol halte. Wie das allerdings in Süddeutschland empfunden wird, kann ich nicht einschätzen.


    Wenn man den Begriff Deutschland bei der Google Bildersuche eingibt erhält man neben einigem Stuss und Nazikacke, viele Karten und Grafiken aber auch ein paar Gebäude und Landschaften.


    Das Reichstagsgebäude, das Brandenburger Tor, der Kölner Dom, die Binnenalster, die Frankfurter Skyline, das Münchner Rathaus mit Frauenkirche, die Museumsinsel, Wald, die Alpen und das Rheintal.


    Da hat man doch einen schönen Querschnitt.

  • Ich denke, egal wie man zu Rekonstruktionen und historischer Architektur steht, so muss man doch feststellen, dass das Schloss einen unglaublichen Gewinn für die städtebauliche Struktur von Berlins Mitte darstellt.


    Es wird immer deutlicher, dass alle Bezugspunkte, alle wesentlichen Achsen auf diesen Bau ausgerichtet waren. Die Linden, die Museumsinsel, der Dom, das gesamte Herz des historischen Berlin ist erst mit und durch das Schloss verständlich. Der Effekt wird nochmal gesteigert werden, wenn die Kuppel endlich fertig gedeckt ist und die Korrespondenz von Dom und Schloss deutlich wird.


    Jedenfalls ein herzliches Dankeschön an Bato für die tollen Bilder. In 10 Jahren wird sich niemand mehr vorstelle können, dass das Schloss einmal nicht mehr da war!

  • ^ Ja, das genau war von Anbeginn an mein stärkstes Argument gegen meine großteils rekonstruktionsfeindlich eingestellten Freunde. Mein Eindruck ist aber, dass nun, wo diese neue Sinnhaftigkeit des Ensembles Sichtbarkeit erlangt, die kritischen Stimmen sehr viel leiser geworden sind.


    Übrigens zeigt die Debatte über die größtzügige Spendenbereitschaft der Superreichen im Fall der Notre Dame bei gleichzeitigem Desinteresse gegenüber sozialen Verwerfungen, dass auch das gleichmäßige, aber vergleichsweise zurückhaltende und von breiteren Kreisen getragene Spendenaufkommen der Akzeptanz des Wiederaufbaus des stadtschlosses auf lange Sicht genutzt, nicht geschadet hat.

  • Es wird immer deutlicher, dass alle Bezugspunkte, alle wesentlichen Achsen auf diesen Bau ausgerichtet waren


    Also, das ist nun wirklich keine neue Erkenntnis. Das war doch bereits vor dem Wiederaufbau klar! Warum sollte das dann erst jetzt deutlich werden?


    Du kennst sicher den berühmten Satz von Wolf-Jobst Siedler: „Das Schloss lag nicht in Berlin, Berlin war das Schloss.“ Und diesen Satz hat Herr Siedler viele Jahre vor dem Wiederaufbau des Schlosses formuliert.

  • Nur wurde diese Erkenntnis von Teilen ja immer relativiert oder gar geleugnet. Wenn es so klar gewesen wäre, hätte es ja nie einen Zweifel am Wiederaufbau gegeben.


    Daher bin ich froh, dass man dies nun auch in der Realität sieht und der von dir zitierte Satz nun mit Anschauungsmaterial unterfüttert wird!

  • ... In 10 Jahren wird sich niemand mehr vorstelle können, dass das Schloss einmal nicht mehr da war!


    ... aber beinhaltet diese Aussage nicht genau die Gefahr, dass Geschichte austauschbar, reparierbar und am Ende nicht mehr ablesbar gar geklittert wird? ... und dass dies genau der Effekt ist den Einige erreichen wollten?
    Aus diesem und anderen Gründen hatte ich mir die totale Rekonstruktion des Schlosses ja auch als eine Art Generationenprojekt über Jahrzehnte hinweg gewünscht. Dann wäre es versönlicher, der Sache selbst gerechter und vielleicht zu einem einigenden nationalen Anliegen gediehen.

    2 Mal editiert, zuletzt von Camondo ()

  • Das widersprüchliche des Schlosses wird aber vermutlich immer bleiben.


    Einerseits und das ist wohl unbestritten, füllt es endlich wieder die schmerzliche städtebauliche Lücke, die die Geschichte dort geschlagen hatte und viele Unbeteiligte werden in weniger als 10 Jahren nicht merken, dass es eine Kopie ist.


    Aber anderereseits wird unter den informierten Gegnern und Förderern vermutlich noch viele Jahrzehnte die Diskussion um mögliche weitere oder nicht mehr mögliche Rekonstruktionen fortgesetzt.


    Ich befürchte, dass Letzteres der Sache eher abträglich ist und wünsche mir, dass es bald zu einer Akzeptanz des Erreichten von allen Seiten kommt.

  • ... aber beinhaltet diese Aussage nicht genau die Gefahr, dass Geschichte austauschbar, reparierbar und am Ende nicht mehr ablesbar gar geklittert wird? ... und dass dies genau der Effekt ist den Einige erreichen wollten?


    Die Frage ist dahingehend interessant, weil sie jene Kernpunkte tangiert, die gegen Rekos immer hervorgebracht werden. Eine Beantwortung ist daher nur wie bei Häuten einer Zwiebel möglich, um es mal mit Grass zu verbildlichen.


    Hierzu muss man meiner Meinung nach zunächst zwischen dem Bauwerk als Kunstwerk und dem Bau als Träger von geschichtlicher Bedeutung unterscheiden.


    Betrachtet man zunächst die künstlerische Komponente, dann sind wir beim ewigen Streitpunkt, was bei Architektur letzlich der Träger des künstlerischen Funkens ist, wenn man es mal so benennen will. Dazu ist es hilfreich, sich die weiteren drei klassischen Kunstgattungen anzuschauen, wo eine Beantwortung der Frage viel eher mehrheitsfähig ist. So ist in den Bildenden Künsten recht klar, dass es nur ein Original gibt. Wenn die Mona Lisa verbrennt, ist sie verloren, man kann sie noch so gut kopieren, es wird niemals die gleiche sein. Jede Reproduktion ist eben kein künstlerisches Original. Vollkommen anders verhält es sich in der Musik und in der Literatur. Niemand käme auf die Idee, dass nur ein von Mozart gespieltes Klavierkonzert ein Original ist oder man nur dann von einem Original-Faust reden kann, wenn Goethe ihn persönlich vorträgt. In der Musik liegt die Kunst wie selbstverständlich in der immer fortwährenden Reproduktion.


    Literaur und Musik sind also Kunstformen, die nur über Reproduktion funktionieren und niemand käme auf die Idee, einem Faust-Band von 2019 die Originalität abzusprechen. Auf der anderen Seite kann eine Reproduktion eines Gemäldes niemals das Original ersetzen. Doch warum ist das eigentlich so? Und hier sind wir an dem Punkt, der für das Thema Architektur sehr entscheidend ist. Die entscheidende Frage ist nämlich, wo die künstlerische Leistung liegt? Liegt sie in der originalen Materialiät, also ist das wertvoll, was der Künstler mit eigener Hand plastisch geformt hat oder ist die künstlerische Leistung die Idee und egal ob sie dann vom Künstler selbst oder von Dritten ausgeführt wird, sie bleibt Kunst unabhängig vom Material oder der Produktion.


    Während man die Fragen bei den Themen Literatur, Bildender Kunst und Musik relativ leicht beantworten kann, fällt das bei der Architektur nicht so leicht. Denn man muss hier meiner Meinung nach differenzieren. Zunächst ist ein Gebäude eine Idee des Architekten. Es ist nichts anderes als eine Partitur, die man auch in der Musik spielt. Wie ein Musiker auch, sitzt ein Architekt am Tisch und erarbeitet einen Plan. Ausführen tut ihn aber in der Regel jemand anderer, bzw. viele andere. Somit liegt meiner Meinung nach die Kunst in der Idee, in den Plänen selbst, nicht in der Bauausführung. Daher kann man meiner Meinung nach einen Bau auch theoretisch beliebig oft rekonstruieren, solange der Geist des Baus nicht verändert wird. Beethovens 9. bleibt Beethovens 9. auch wenn er sie nicht persönlich spielt.


    Aber diese Sichtweise ist nicht unumstritten. Andere Sichtweisen fokussieren sich eher auf die originale Materialität und ordnen dieser den einmaligen künstlerischen Wert zu. Ich kann diese Sichtweise nur eingeschränkt nachvollzeihen, weil dann auch alte Bauten wie der Kölner Dom faktisch keine Kunstwerke mehr wären. Sie wurden zwar nicht auf einen Schlag rekonstruiert, ihre beständige Erneuerung führt aber dazu, dass irgendwann kein historischer Bau mehr einen Denkmalwert besitzen würde, weil über die Zeit naturgemäß immer weniger originale Sunstanz übrig bleibt. Wie sollte man dann unter dieser Maßgabe mit den Bauten verfahren? Sie nicht anrühren um bis zum letzmöglichen Zeitpunkt möglichst viel Originales zu bewahren um den Preis, dass es irgendwann zusammen stürzt und nicht mehr sind, dafür aber eben original bliebt? Oder Schäden immer wieder ersetzten, bis kaum mehr relevante Sunstanz bleibt und der Bau dann aber seinen künstlerischen Wert verliert? Ich finde, dieser Ansatz hat so viele Widersprüche, dass ich die Position viel überzeugender finde, dass der künsterische Wert von Architektur eher im Entwurf und nicht in seiner Ausführung liegt. Folglich habe ich mit Rekonstruktinen dann auch kein Problem, solage der Kontext des Baus gewahrt bleibt!


    Schwieriger wird es dann schon mit Kunst am Bau. Dies betrifft insbesondere Skupturen mit besonderer künstlerischer Leistung oder auch Deckengemälde oder Raumschöpfungen von besonderer Qualität. Kann man diese reproduzieren. Sind es dann Originale? Hier gebe ich zu, sind wir in einem Grenzbereich, wo auch ich keine einfache Antwort drauf habe. Handelt es sich beim Rittersaal noch um Architektur oder ordnet man das schon der Bildenden Kunst zu? Hier tue ich mich extrem schwer. Ich für meinen Teil tendiere trotzdem dazu, diese Dinge noch zum Bereich der Architektur zu zählen, kann aber auch jeden verstehen, der hiermit extreme Probleme hat. Letztlich werden Innenraumrekonstruktionen immer nur Annäherungen sein, aber nie den Verlust des Originals vollständig ersetzen können. Trotzdem bleibt ihre Grundidee eine Leistung des Architekten, auch wenn Details eher künsterlischen Ursprungs sind. Somit ist eine Reko für mich in Ordnung.


    Dies zweite Dimension ist dann die Frage, ob eine Rekonstruktion eines Gebäudes, gerade wenn sie aufgrund von Kriegseinwirungen entstanden ist, Geschichte ungeschehen machen kann? Ich gebe zu, ich fand diese Frage schon immer schwierig, weil sie einem Gebäude indirekt menschliche Eigenschaften zuschreibt und damit habe ich seit jeher Probleme. Denn es impliziert, dass Gebäude Träger von Eigenschaften sind, dass sie böse oder gut sind. Dürfen die Polen ihre Altstadt in Warschau wiederaufbauen, weil sie Opfer waren und die Deutschen das Stadtschloss nicht, weil sie Täter waren? Klittert man in Polen Geschichte, wenn man dies tut? Wird irgendwer in Polen das Leid vergessen, weil 100 Häuser wieder stehen? Wird man in Deutschland weniger Verantwortung spüren, wenn man drei Schlösser wiederaufbaut?


    Ich habe mit diesen gedanklichen Konstrukten erhebliche Probleme. Hängt Erinnerung von Geschichte wirklich am Erscheinungsbild unserer Städte? Hat man in Frankreich den 2. Weltkrieg vergessen, weil sich dort die Zerstörungen in Grenzen hielten? Wird man in Deutschland den Krieg und die Verantwortung relativieren, wenn in jeder Stadt 10, 20 oder 30 Bauten rekonstruiert würden? Kann man bei dem Erscheinungsbild der deutschen Großstädte den Krieg überhaupt je vergessen und wäre es nicht moralisch verwerflich, wenn wir uns der Verantwortung mit einer Handvoll rekonstruierter Häuser entledigen könnten? Ginge das wirklich so leicht? Ich glaube nicht.


    Letztlich haben beide Dimensionen Potential für eine 1000-seitige wissenschaftliche Abhandlung und trotzdem wird es die eine Lösung nicht geben. Ich fürchte es ist auch eine Frage des Glaubens und der persönlichen Haltung.

    7 Mal editiert, zuletzt von Odysseus ()

  • Mit dem Kunstbegriff kommen wir aus meiner Sicht nicht weiter. War nicht auch der Palast der Republik ein Kunstwerk?


    Gebäude, egal ob Schloss oder Kiosk, haben einen Lebenszyklus der sich auf die Bewirtschaftung bezieht und irgendwann kann auch das HF wieder in der letzten Phase, der Verwertung, angelangen. Beim Palast wurde dies durch die politischen Veränderungen und notwenidgen Asbestsanierung forciert.


    Beim HF ist est natürlich kurz vor der Eröffnung übereilt, aber wir erleben auch hier im Forum ständig Meinungen, die genau davon sprechen, nämlich die Veränderung dessen was gerade erst gebaut wird (Stichwort Abriss Ostfassade). Das geht aber gedanklich genauso in die andere Richtung.


    Zwanzig Jahre und mehr wurde über Sinn und Zweck der teilweisen Schlossfassadenrekonstruktion diskutiert, wer kann heute schon sagen, dass in weiteren zwanzig Jahren die Diskussion nicht genau in die andere Richtung führt, gerade wenn man mit derartigen Gebäuden einen Kunstbegriff verbindet. Ich will damit nicht behaupten, man würde dass HF bald wieder abreissen, aber ich bin mir sicher, dass wir leider eine andauernde Diskussion um weitere Teilrekonstruktionen (von Fassaden und Räumen), um die Nutzung und auch um moderne Veränderungen und Ergänzungen haben werden.


    Bei Wünschen nach weiteren Rekonstruktionen halte ich es genauso wie beim Reiterstandbild von F-W III. Es geht keineswegs um die Frage: Warum soll man das nicht machen? Es muss stattdessen beantwortet werden warum und wozu Gebäude rekonstruiert werden sollten und was man damit bezwecken möchte!


    Die Frage, ob man Verantwortung für den Krieg relativieren würde, wenn mehr rekonstruiert werden würde, stellt sich m.E. so (noch) nicht. Aber: Es muss geklärt werden, ob die Relativierung historischer Ereignisse und der Wunsch nach mehr Rekonstruktion nicht evtl. Symptome der gleichen Krankheit sind. Das sollte gerade denen klar sein, die Rekonstruktionen wirklich nur wegen der Bedeutung für das Stadtbild bzw. des künstlerichen Wertes befürworten.

  • Ohne hier nochmals die endlosen Debatten um die Ostfassade zu reanimieren, diese Kombination mit dem Palast der Republik ist einfach nur gruselig.

    Ich kann es nicht mehr nachvollziehen, diese mitunter pathologische Konsenssehnsucht, die Architektur in aller Regel nur schlechter macht.

    Ganz ehrlich, entweder man hätte den Palast der Republik stehen lassen soll und eine Art Centre Pompidou Konzept erstellt oder man baut was Neues. Beides war nicht mehrheitsfähig. Der jetzige Hybrid ist zwar auch ein Kompromiss, aber ein für mich glaubwürdiger und architektonisch gelungen, wenn man die Vorgaben bedenkt. Die jetzige Ostfassade ist für mich wirklich gelungen und die beste Lösung und gewinnt für mich mehr und mehr beim Vergleich mit den ganzen Alternativen, denen immer wieder nachgetrauert wird, ob Baunfelsegotrip, Apothekerflügelträumen und jetzt noch diesem Quatsch.

  • ^ Ohne die Fundamentalkritik zum Thema "Konsensarchitektur" zu übernehmen, stimme ich Theseus532 zu, dass die Kombination mit dem Palast der Republik keine gute Idee gewesen wäre. Mal abgesehen davon, dass ich selber die Fassade des PdR schon immer hässlich fand, denke ich, dass die Ostfassade des PdR wie von Odysseus vorgeschlagen ein zu brutaler Bruch mit der barocken Fassade des Schlosses gewesen wäre. Die orange-verspiegelte Fensterwand harmoniert nicht nur strukturell, sonder auch farblich nicht mit den hell-blassen Tönen der barocken Schlossfassade. Da finde ich die Lösung von Stella schon besser gelungen: Diese nimmt nicht nur die horizonatale Gliederung der barocken Fassade auf, sondert korrespondiert auch farblich mit dieser, da der Farbton des Betons der Ostfassade dem des Sandsteins ziemlich nahe kommt. Dennoch ist auch an Stellas Entwurf der stilistische Bruch zwischen historischer, barocker Fassade und moderner Ostfassade, unübersehbar und lädt somit zur Beschäftigung mit der Geschichte des Stadtschlosses ein. Jedoch ist diese sensibilisierende Funktion auf, wie ich finde, sehr elegante Weise realisiert worden.


    Mal von dem rein Ästhetischen abgesehen fände ich das Konservieren der Ostfassade auch einfach zu sehr "on the nose", zu aufmerksamkeitsgeil und effektheischerisch - bitte nicht persönlich nehmen, Odysseus! :-). Nach dem Motto "Ja, ich bin ein teilrekonstruiertes Schloss, ABER HIER STAND JA AUCH MAL...!". Dagegen wirbt Stellas Ostfassade dezent um die Neugier des Betrachters. Welcher der beiden Ansätze besser ist, das kann man jetzt sicher so oder so sehen, aber ich persönlich bevorzuge Stellas Ansatz um Meilen.

  • Ich muss nochmal sagen, dass es wirklich viel Freude macht, hier mitzulesen. Ich habe es schon mal in einem anderen thread erwähnt: Viele Forenmitglieder hier schreiben sehr erhellende Beiträge und formulieren überzeugende oder zumindest nachdenkenswerte Argumente. Da würde ich mir wirklich wünschen, dass auch Verantwortliche aus der Politik oder der Senatsverwaltung hier mal mitlesen würden, um ein paar neue Denkanstöße zu bekommen.


    Zum Thema:

    Ästhetik ist ja im Prinzip eine rein subjektive Wahrnehmung. Bezogen auf die Gestaltung der Ostfassade ist es dementsprechend auch nur logisch, dass es vermutlich fast genauso viele Meinungen wie hier Forenmitglieder gibt und das ist ja auch gut so.


    Ich denke, es geht darüber hinaus auch immer wieder um die Haltung im Umgang mit dem Vorgängerbauwerk. Gerade weil es um die Abbildung der historischen Zeitschichten geht (Danke Odysseus) hätte ich die Einbindung der Fassade des Palastes der Republik als mutig und folgerichtig angesehen. Gleichwohl ist Architektur aber auch immer ein Kompromiss aus verschiedenen Faktoren (Bauherr, Architekt, Ingenieur, Budget, Gesetze u.w). Bei einem Gebäude wie das Stadtschloss ist der Begriff Konsensarchitektur für mein Verständnis daher auch ziemlich passend und positiv besetzt. Ich kann mit dem Schloss in seiner jetzigen Gestaltung sehr gut leben, obwohl ich auch bezogen auf die Ästhetik eher zu der Palast-Fasssade tendiere.

  • Ich denke, eine lohnenswerte Diskussion ist auch die Frage, ob Bauten einen Eigentwert an sich haben oder ob Gebäude nur in Koabhängigkeit zu ihrem Erbauer und den damit verbundenen geschichtlichen Kontexten gesehen werden können.


    Gerade bei Bauten wie dem Stadtschloss oder dem Palast der Republik ist dieser Spannungsbogen immer eine präsente Frage. Rekonstruiert man hier ein Schloss oder nur ein Gebäude, das mal ein Schloss war, heute aber nur noch als barocker Zentralbau mit städtebaulicher Bedeutung gesehen werden soll. Ich war immer der Meinung, dass Bauten auch ein Recht auf ihren Selbstwert haben, losgelöst von historischen Kontexten, ich weiß aber auch, dass diese Frage von anderen anders beantwortet wird.


    Ist das Stadtschloss schuldig, weil von hier aus preußische Militäroperationen geplant wurden, ist die Garnisonkirche schuldig, weil Hitler hier an einem Tag diesen Bau als Bühne missbraucht hat? Ist der Palast der Republik antidemokratisch, weil hier unter anderem Beschlüsse gefasst wurden, die zu zahlreichen Mauertoten geführt haben? Kann ein Gebäude überhaupt gut oder böse, ja ein Träger von menschlichen Werten sein?


    Ich weiß, es ist eine sehr philosophische Frage, aber es ist eine wichtige, weil es ein Hauptargument für oder gegen Bauten wie das Stadtschloss ist.

    Einmal editiert, zuletzt von Odysseus ()

  • Mich haben Leute, die gegen das Schloss waren und stattdessen lieber den Palast der Republik erhalten hätten immer stark befremdet. Man kann nicht das Schloss ablehnen, weil es einem monarchisch-militaristischem System dienlich war und dann den PdR fordern, der einem autokratisch-militaristischem System dienlich war. Das ist eine Absurdität, zumal der Palast geschichtlich weitaus weniger in den Büchern stehen hat, schon allein, weil er nur etwa 30 Jahre lang stand und das (Kern)Schloss etwa 500 Jahre. Verglichen damit ist der Palast ja geradezu ein Neubau.


    Und aus ästhetischen Gesichtspunkten:

    Nicht mal wenn ich mir die grauenhaften Kupferton-Scheiben wegdenke und gedanklich durch eine modern-blaue Verglasung ersetze, nicht mal dann kann ich dem Gebäude irgendetwas abgewinnen. Das Teil ist ein massiver Fremdkörper gewesen, schob sich wie ein Riegel vor den Dom. Stellas Ost-Fassade hingegen, vor allem mit der großzügigen Treppe, würdigt dem Dom geradezu und lässt ihm den Raum, den er braucht.

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