Auf den Spuren ehemaliger Dresdner Straßenbahnstrecken

  • Vom Postplatz nach Räcknitz (Teil I)

    Bei regnerischem Wetter begab ich mich auf die Fährten einer Strecke, die bereits 1933 das Zeitliche segnete und deren Spuren aufgrund Kriegszerstörungen, Überbauungen und diverser infrastruktureller Überformungen in den letzten Jahrzehnten mitunter nur noch schwerlich nachzuvollziehen sind.



    Am 30.11.1890 eröffnete die Deutsche Straßenbahn-Gesellschaft in Dresden als eine ihrer ersten Pferdebahnstrecken eine Linie von den Neustädter Bahnhöfen über die Albertbrücke, Terrassenufer, Elb- und Hasenberg, Pirnaischer Platz, weiter vom Postplatz durch die östliche Seevorstadt zum Bergkeller in der „Altstadt II. Später wurde diese Linie mit der vom Albertplatz zum Wilden Mann zusammengelegt, so dass eine bis 1931 befahrene durchgängige Verbindung Wilder Mann – Bergkeller, ab 1899 elektrisch und ab 1905 weiter nach Räcknitz, entstand, die spätere Linie 6. Als Linienkennung trugen die Wagen eine orangenen Stern mit einem „N“ auf dem Fahrzeugdach – „N“ für „Neustädter Bahnhöfe“.




    Die Grafik zeigt den südlichen Streckenabschnitt der Linie 6 vom Postplatz nach Räcknitz im Zustand von 1929, wenige Jahre vor Einstellung des Betriebes. In den letzten beiden Betriebsjahren (1931-33) wurde die nach Coschütz verlegte 6 noch von einer neuen Linie 8 Waldschlößchen-Räcknitz abgelöst, bevor der Straßenbahnverkehr zwischen Postplatz und Räcknitz aufgegeben wurde.



    Wie schon so oft ergab sich das Problem, dass die „Gelbe“ bereits alle irgendwie sinnvollen und direkten Wege in Richtung Süden bereits fest okkupiert hielt. Somit blieb wieder einmal eine eher abenteuerliche Führung westlich des Böhmischen Bahnhofs mit Überquerung des Bahnhofs-Vorfeldes, zunächst ebenerdig, bald aber auf der neu entstandenen und in den 1960er Jahren entschwundenen Hohen Brücke.



    Am Postplatz beginnen wir im Bereich der ehemaligen Haltestelle, die zuletzt bis zum großen Umbau vor wenigen Jahren noch von der Linie 11 bedient wurde. Die Käseglocke leistete auch schon den Fahrgästen unserer aus der Ostra-Allee kommenden alten 6 gute Dienste.




    Die Marienstraße ist zumindest in ihrem Straßenquerschnitt noch original erhalten, von der Bebauung kann man das leider nicht mehr sagen. Auch hier verschwanden die Straßenbahngleise erst vor wenigen Jahren und wurden durch die parallele Gleistrasse in der Wallstraße ersetzt.




    Wenig später in der Marienstraße folgen wir den Mauerresten der Oberpostdirektion, die wir in voller Pracht auf der alten Postkarte bewundern können.





    Die Architektur des neu entstehenden Gebäudekomplexes an der Ecke zur ehemaligen Breiten Straße lässt sicher keine ästhetisch bedingten freudbetonten Gefühlsausbrüche erwarten, dennoch ist schon zu erkennen, wie eminent wichtig der Bau für die strukturelle Gesundung einer der nach wie vor zahlreichen Zentrumsbrachen sein wird. Auf dem zweiten Bild blicken wir in das ehemalige Westende der Breiten Straße (heute ansonsten überbaut). Nach Stilllegung der Strecke nach Räcknitz lagen die Gleise nur noch bis zur schon damals vorhandenen, als Zwischenendpunkt genutzten Gleisschleife Breite Straße (nach dem Krieg Wallstraße), die in veränderter Form noch heute besteht. Ab 1947 wurde über diese Reststrecke die Prager Straße vom Postplatz kommend neu angebunden.





    Bis zur Zerstörung befand sich auf dem Areal die Kunstgewerbeschule, ehemals Gebäude der Technischen Bildungsanstalt und damit des Vorgängers der TU Dresden. Womit sich bereits ein Bogen zum zweiten Teil des Berichtes spannt. Im Vordergrund die Breite Straße.




    Wir nähern uns dem Dippoldiswalder Platz und blicken gen Rathausturm, leider durch die unschöne Fahrleitungsanlage der Gleisschleife in Mitleidenschaft gezogen. Die Bahn im Hintergrund befährt die Ersatzstrecke in der Wallstraße.




    Der Dippoldiswaldaer Platz (so die einstige Schreibweise) war bekannt als Standort einer gastronomischen Dresdner Institution, des Trompeterschlößchens. Für das Vergleichsbild aus fast identischer Perspektive braucht man zugegebener Maßen besonders starke Nerven. Unfassbar, dass die monströs-widerwärtige Tiefgaragenspindel der Centrum Galerie sich am exakt gleichen Standort befindet. Da helfen auch keine replizierten Silberwaben.





    Gegenüber befindet sich noch immer das 1966 errichtete Hochhaus des Wirtschaftsrates des Bezirkes Dresden in seiner 1990er-Version mit der unter Denkmalschutz stehenden Margon-Werbung, weshalb es im Volksmund auch als Margon-Haus bekannt ist. Links daneben mündete einst die anders als ihr Name es vermuten lässt sehr enge Große Plauensche Straße ein, der unsere Sechs weitergehend folgte.




    In der heutigen Hinterhof-Tristesse der westlichen Seevorstadt ist das wie so oft hübsch gestaltete Drewag-Häuschen ein kleiner Lichtblick. Irgendwo hier verlief unsere Straße.




    Wir blicken zurück auf den Bereich der einstigen Einmündung der Großen Plauenschen Straße auf den Dippoldiswald(a)er Platz und erkennen in Bildmitte die Westfassade des einzigen Altbaus weit und breit, des Bankhauses am heutigen Dr.-Külz-Ring.




    Könnten wir die Große Plauensche Straße noch in Anspruch nehmen, würden wir in Bälde das Josephinenstift flankieren. Bis 1933 wäre dies natürlich auch noch mit der Straßenbahn möglich gewesen. Vor dem Stift befand sich eine Ausweiche, ansonsten war die Strecke aufgrund der Enge der Straße bis zum Plauenschen Platz eingleisig.




    Nach einigen Irrungen und Wirrungen durch die Hinterhof-Einöde der innerstädtischen Vorstadt-Siedlung (ein typisch dresdnerisches Paradox) treffen wir an der Josephinenstraße dann doch noch auf den letzten kläglichen Rest der einstigen Hauptverbindungsstraße zwischen der Residenz und dem Dorfe Plauen, wie das Schild verrät. Der Blick zurück zeigt die gesichtslose Wohnzeile, die ihr heute den Weg in Richtung Stadt verstellt.





    Und hier offenbart sich Überraschendes: Im originalen Straßenplanum ist der Grobpflasterstreifen des am nördlichen Fußweg entlangtrassierten Gleises noch deutlich erkennbar.




    Bald darauf wäre von der Großen Plauenschen Straße die Feldgasse abgegangen, heute geht erstere nahtlos in selbige über. Die Ansicht erinnert nicht von ungefähr an Prora, denn wir sehen die Hinteransicht der ehemaligen Reichsbahndirektion, 1936-38 für die Landesbauernschaft Sachsen errichtet. Davor ein typischer 90er-Jahre-Bürobau.




    Wir stehen auf der wegen des Hochstraßenbaus der Budapester Straße heute fehlenden Anbindung an den ebenso fehlenden Plauenschen Platz und blicken zurück.




    Dieser präsentierte sich in nordöstliche Richtung geblickt dergestalt, es kreuzt die Ammonstraße mit einer Straßenbahn auf dem „26er Ring“, ganz rechts die Einmündung der Großen Plauenschen Straße. Einst befand sich am gleichen Standort der „Plauensche Schlag“ – die Zolleinnahmestation. Weiter nach Plauen ging es über die spätere Chemnitzer Straße, heute in Teilen Budapester Straße.




    Auch hier möchte ich dem geneigten Betrachter ein Vergleichsbild nicht vorenthalten, bei dem man beim besten Willen nicht erkennen kann, dass ich exakt die gleiche Perspektive gewählt habe. Erschütternd.




    Drehen wir uns um 180° und blicken über die Grünfläche, unter der die ehemalige Kohlschütterstraße und damit unsere Straßenbahntrasse verschüttet liegt, in Richtung Hauptbahnhof. Die Strecke näherte sich nun schnurstracks der Hohen Brücke, deren Fehlen im Folgenden einen nicht unerheblichen Umweg nötig machen wird.




    Vergleichsbild mit Stadtmotiv gefällig? Die Südostseite des Plauenschen Platzes, hinter dessen Nummer 1 die Mittelhalle des Hauptbahnhofes hervorlugt. Linkerhand die Ammonstraße, rechts die Kohlschütterstraße. Der Gleisverlauf der Kurve gibt mir allerdings Rätsel auf, offensichtlich hat hier jemand schlecht retuschiert. In Richtung der Brücke Chemnitzer Straße führten sie im Original jedenfalls definitiv nicht.




    Ja, da drüben wären wir angekommen… Zu erkennen ist das südliche Widerlager der Hohen Brücke an der Bismarckstraße (Bayrische Straße) und ebenso die Notwendigkeit ihrer Beseitigung in den 1960er Jahren – sie war für die damals errichteten Oberleitungsanlagen der Bahn einfach viel zu niedrig.




    Im zweiten Teil geht es dann jenseits der Bahnanlagen weiter.

  • Vom Postplatz nach Räcknitz (Teil II)

    Zum Kreuzen der Bahnanlagen gibt es heute für den Besucher zwei Möglichkeiten: Entweder der Umweg über die Brücke Budapester Straße oder quer durch den Hauptbahnhof. Ich entschied mich für letzteres. Vom westlichen Ende der Nordhalle bietet sich dieser Blick auf die Reste der Hohen Brücke.




    Hinter dem Hauptbahnhof verläuft die Bayrische Straße, ex Bismarckstraße. Hier zeigen sich unter dem dahinbröckelnden Asphalt die bis 1909 dem Linienverkehr dienenden Gleise der ehedem „roten“ Strecke von der Hohen Brücke über Bismarck- und Strehlener Straße zur Ackermannstraße und später weiter nach Zschertnitz. Eine Nutzung der gelb okkupierten Brückendurchfahrt war für die roten Züge erst nach Bildung der Städtischen Straßenbahn möglich. Es kann vermutet werden, dass die Gleise nach 1909 noch als Betriebsstrecke dienten.




    Stellen wir uns für einen kurzen Moment vor, wir sitzen nach einer netten Sonntagspartie zur Babisnauer Pappel in unserer „26“ und fahren heimwärts gen Antonstadt. Dann hätte sich vom offenen Perron diese Perspektive geboten.




    Das südliche Widerlager der Hohen Brücke ist noch gut zu erkennen. Die 26 wäre jetzt nach rechts auf die Brücke abgebogen. Wir springen jedoch ab und warten auf unsere entgegen kommende 6.




    Die Achse der einstigen Brückenführung; die nördliche Anlandung ist noch erkennbar und hinter der hohen Spundwand verborgen. Halblinks schloss sich die Kohlschütterstraße an, über die der Plauensche Platz erreicht wurde.




    Wir betrachten derweil die imposante Hallenfront des Hauptbahnhofs…




    …und begeben uns imaginär einige Jahrzehnte und Schritte zurück auf die Hohe Brücke, von wo sich dieser Blick bot.




    Weiter geht’s im Zuge der Linie 6, nunmehr bergab.




    Am Zwickel Bergstraße/Bayrische Straße lag einst der Abzweig: Sechs schnurstracks geradeaus in die Bergstraße, Sechsundzwanzig nach links zum Bahnhof, zumindest bis 1909.




    Ein letzter Blick auf die Hallen des Hauptbahnhofs.




    Die letzten gut zwei Kilometer ging es schnurrgerade die Bergstraße hinauf. Fern am Horizont lässt sich das Ziel zumindest schon erahnen.




    Da die Bergstraße im unteren Teil recht schmal war und ist, lag das Doppelgeis am linken Straßenrand, was sich immer noch untrüglich an der Pflasterung ablesen lässt. Hier im Bereich der Haltestelle Bernhardstraße.




    Langsam verlassen wir die Totalzerstörungszone und begegnen in zunehmendem Maße aufgelockerter villenartiger Bebauung, wie sie für diesen Teil der „Altstadt II“, des Schweizer Viertels, üblich gewesen ist. Das einstige Fremdenheim Strauß an der Ecke zur Lindenaustraße.





    Und einige weitere Beispiele, alle am linken Straßenrand:






    Gemeinsam mit den strukturell angepassten Neubauten unterschiedlicher Qualiät ergibt sich langsam aber sicher wieder ein geschlossenes Straßenbild.




    Bereich der Haltestelle Schorrstraße; im Hintergrund die in der Südvorstadt dominierende Art der Bebauung aus den 1950ern und 60ern.




    Seitlicher Blick in die Rugestraße, einst Bendemannstraße, mit schön sanierten Villen.




    Unmittelbar darauf erreichen wir den Reichsplatz, aka Juri-Gagarin-Platz aka Fritz-Löffler-Platz. Im Hintergrund kreuzt eine aus Coschütz und Plauen kommende „Drei“. Als 1933 die Todesglocke für unsere Strecke läutete, verwies man die Fahrgäste der damaligen Linie 8 der Einfachheit halber auf die Busse und Straßenbahnen in der Reichsstraße. Weder auf dem unteren Teil der Bergstraße noch auf dem Seevorstädter Streckenast wurde ein Ersatzverkehr angeboten, lediglich auf dem nun folgenden oberen Streckenast konnte die parallel geführte und bereits bestehende Omnibuslinie E genutzt werden. Die daraus resultierenden Löcher im ansonsten doch sehr engmaschigen Dresdner Nahverkehrsnetz bestehen unverändert bis heute.




    Neben dem Fritz-Löffler-Platz thront noch immer die Russisch-Orthodoxe Kirche. Von der benachbarten Amerikanischen Kirche hingegen ist nichts geblieben.




    Ein Blick zurück gen Hauptbahnhof.




    Nach Querung der stadtautobahnähnlichen Rennstrecke genannt Nürnberger Straße befinden wir uns jetzt im Bereich des „Bergkellers“. Hier endeten die Bahnen zwischen 1890 und 1905, bevor die Streckenverlängerung bergan ins drei Jahre zuvor einverleibte Räcknitz in Betrieb genommen wurde. Die Bahn konnte das im 19. Jahrhundert noch sehr beliebte Ausflugslokal aber auch nicht mehr retten: Die zunehmende Bebauung der Umgebung nahm ihm den ländlichen Reiz, und so musste es 1914 endgültig seine Pforten schließen. Kaum vorstellbar, dass hier sich heute jemand zwischen Nürnberger und Bergstraße, umtost vom Verkehr, sein Bierchen oder „Schälsch‘n Heeß‘n“ gönnen würde…





    Wir laufen bergan und passieren das ehemalige Postamt 32.




    Der Sedanplatz, unsere nächste Haltestelle, heißt heute Fritz-Förster-Platz. Seine einstige Rundplatzform ist zumindest noch zu erahnen. Hinter dem Bus der alte Audimax der Technischen Universität.




    Am Platze existiert rudimentär noch die Vorkriegsbebauung in Form dieses Eckhauses, das Anfang der 1990er als Ortsamt Südvorstadt diente.




    Der stolze Beyer-Bau von 1910-1313 mit dem Observatorium – Wahrzeichen der TU. Auch er nimmt die ursprünglich geplante, aber nie vollständig umgesetzte Rundplatzform auf.




    Sanierte Studentenwohnheime an der Nordseite des Platzes.




    Der obere Teil der Bergstraße ist nach dem „Ausbau“ der 2000er Jahre nur noch als abgrundtief hässlich, ja menschenfeindlich zu bezeichnen. Von der Fußgängerbrücke dieser Blick zurück in Richtung Stadt…




    …und der bergauf gen Süden. Weit ist es nicht mehr bis zur Endstelle.




    An der Ecke Mommsenstraße. Hier befand sich damals wie heute eine Haltestelle, für die Bahn war es die letzte vor dem Endpunkt, während sich die Busse weiter bergauf zur Südhöhe quälen. In Anbetracht der Lage schade um die schönen Häuser!




    Und wenig weiter kreuzen wir die Zeunerstraße mit dem allseits bekannten Café Müller. Es gab Zeiten, wo eine Vollverglasung der Terrasse noch nicht nötig war…




    Das Bienertsche Mustergut dient seit Beginn der 1990er als Automarkt.




    Schräg gegenüber machte unsere Strecke eine scharfe Linksbiegung, um direkt im Räcknitzer Dorfkern im Garten des Gasthofs Elysium (!!!) ihre beiden Endstellen-Stumpfgleise zu erreichen. Eine Straßenbahn im eigenen Biergarten, keine schlechte Geschäftsidee des umtriebigen Elysium-Wirtes, zumal es von hier nur noch wenige Schritte bis zum Moreau-Denkmal und dem Bismarck-Turm sind.




    Das Elysium wurde ein Bombenopfer, heute dient sein Gelände als schnöder Automarkt. Das Bild zeigt fast die gleiche Perspektive wie die Postkarte. Die Gleise führten in das Grundstück hinein, da die Straße „Alträcknitz“ gleich daneben für die Anlage eines Endpunkts zu schmal und die Bergstraße selbst hierfür zu steil war. Somit ergab sich für den Wirt die einmalige Chance, Horden an erholungsbedürftigen Sommerfrischlern gleich auf seinem eigenen Gelände in Empfang zu nehmen und diesen die Vorzüge der eigenen Lokalität schmackhaft zu machen, ganz zu schweigen von den willkommenen Nebeneinnahmen durch die Nutzungsgebühren seitens der Städtischen Straßenbahn.




    Oberhalb des einstigen Gastgartens und heutigen Autohofes, an der Ecke zur Räcknitzhöhe ex Moreaustraße, findet man diese Stele im Gedenken an die Schlacht bei Dresden 1813. Ein wahrlich geschichtsträchtiger Ort, auch wenn man ihm das zwischen all dem Beton und den Blechlawinen heute kaum noch anmerkt.





    Zu guter Letzt ein Blick bergab mit dem Bienertschen Mustergut zur Linken. Standort des Fotografen ist exakt die einstige Endstellenausfahrt.


  • Zur Ergänzung noch der Fahrplan der Linie 6 aus dem Jahre 1929. Beachtenswert der durchgehende Nachtverkehr.
    Bei der Linie 106 handelte es sich um eine Zwischenlinie vom Wilden Mann bis zur Breiten Straße.


  • In Gruna und Seidnitz (Teil I)

    Heute verschlägt es uns in den Dresdner Osten, genauer nach Gruna und Seidnitz.


    Wenig bekannt, da nur von kurzer Dauer, ist der Umstand, dass die von Beginn an elektrisch angetriebenen roten Wagen der Linie Neumarkt – Gruna der Deutschen Straßenbahngesellschaft in Dresden ursprünglich einen anderen Weg durch das zum Zeitpunkt der Eröffnung am 10. April des Jahres 1900 noch selbstständige Dorf nahmen als heutzutage.


    Da die Stübelallee noch an der damaligen Stadtgrenze an der Karcherallee endete nutzten die Bahnen ab hier die schräg in den Kreuzungsbereich Karcherallee/Stübelallee mündende Pirnaische Straße, die zur Vermeidung von Verwechslungen seit 1903 den Namen Bodenbacher Straße führt. Schon zwei Jahre zuvor, am 1. April 1901, bemächtigte sich die Residenz der Gemeinde Gruna und funktionierte sie zur schnöden Vorstadt um. Unbekannt ist, ob die Einwohner dies zunächst für einen Aprilscherz hielten.




    Situation der Grunaer und Seidnitzer Strecken im Jahre 1929. Eingezeichnet in grau die alte Streckenführung über die westliche Bodenbacher Straße, gestrichelt die Rennbahnschleife, die wir noch getrennt betrachten werden.
    Die recht kurzlebige „21“ wurde erst 1928 eingeführt. 1930 noch eine Haltestelle weiter zur Liebstädter Straße verlängert, verschwand sie bereits ein Jahr später aus dem Liniennetz, um bis heute nie wieder aufzutauchen.



    Der Endpunkt Gruna befand sich zunächst am Gasthof „Grüne Wiese“ am Versatz der Bodenbacher mit der Zwinglistraße. Die Verlängerung zur Rennplatzstraße im noch eigenständigen Seidnitz erfolgte schon 1905, 1908 schließlich die Verlegung auf die heutige Streckenführung entlang der nach Gruna hinein verlängerten Karcherallee und der Zwinglistraße. 1909 ging die Linie 14 zunächst in der 12 auf, sollte aber nach dem Krieg für viele Jahrzehnte gemeinsam mit letzterer wieder zum gewohnten Bild in Gruna und Seidnitz gehören. Hier der Fahrplan der ersten Linie 14 aus dem Dresdner Verkehrs-Buch 1908.




    Los geht’s. Nach Querung der Karcherallee befinden wir uns bereits in der Bodenbacher Straße und betrachten mit Interesse die Einfriedung der Nummer 7. Diese verläuft noch immer exakt im Winkel der alten Straßenführung; die Bodenbacher knickte einst an der Grundstücksgrenze ab und verlief in Richtung der heutigen Kreuzung Karcherallee/Stübelallee. Die heutige rechtwinklige Einmündung in die Karcherallee entstand erst in den 1970er Jahren im Zusammenhang mit der Errichtung der jetzigen Neubauten. Das ehemalige Straßenplanum dient seitdem als Parkplatz.




    Wie so zahlreiche Straßen am Rand der Totalzerstörungszone ist auch der westliche Teil der Bodenbacher von einem bunten Mischmasch an verschonten Altbauten, zum teil vereinfacht wiederaufgebaut, DDR-Neubaublöcken und nachwendezeitlichen Schöpfungen, die aber zumindest die historischen Grundstücksgrenzen beachten, geprägt. Wir blicken nach Osten, in Richtung Zwinglistraße.



    Bodenbacher/Ecke Tetschener Straße, einst Seminar für Haushaltungslehrerinnen, heute Wohnblock. Viele Straßen in dem Gebiet sind nach böhmischen Städten benannt. Interessanterweise hat zu DDR-Zeiten niemand an der Weiterverwendung der deutschen Ortsnamen Anstoß genommen…





    Wenige Schritte weiter, an der Ecke zur Beilstraße, die kleine Thomaskirche von 1891/92. Der Wiederaufbau erfolgte stark vereinfacht, wie ein Bildabgleich beweist. Als erste kriegszerstörte Dresdner Kirche konnte sie am 29. Oktober 1950 neu geweiht werden.






    Die Ecke schräg gegenüber präsentierte sich damals wie heute in dieser Form:




    Nur die Bäume sind deutlich gewachsen.



    Kurz darauf kreuzt die Zwinglistraße, und die Bodenbacher verläuft südlich versetzt weiter. Einst befand sich an der Ecke der Gasthof „Zur Grünen Wiese“, bis zur Zerstörung am 13./14. Februar 1945 eine gastwirtschaftliche Institution mit jahrhundertealter Tradition. Zu Beginn lag hier der Endpunkt, und die Gleise biegen noch rechts vorn in die Bodenbacher Straße ab.




    Heute präsentiert sich die Ecke immer noch unbebaut und dient als Parkplatz. Die Gleise verlaufen heute geradeaus weiter in der Zwinglistraße, seit den 1990ern mit „Zentralhaltestelle“.




    Noch einmal die „Grüne Wiese“, diesmal von Süden. Der Wagen der Linie 12 kommt aus Seidnitz und fährt Richtung Stadtzentrum und weiter zum Sankt-Pauli-Friedhof in Trachenberge.




    Der gleiche Blick heute, ohne „Grüne Wiese“. Ganz rechts das gastronomisch genutzte Ladenlokal des Eckhauses Zwinglistraße/Bodenbacher Straße.




    Wir schauen noch einmal zurück in die westliche Bodenbacher Straße…




    …und werfen einen letzten ungewöhnlichen Blick auf den Turm der Thomaskirche.




    Weiter geht es ins Nachbardorf, nach Seidnitz.

  • In Gruna und Seidnitz (Teil II: Die Rennbahnschleife)

    Seidnitz erreichte die damalige 14 erst 1905, nur um vier Jahre später der 12 zu weichen, die hier den Ton bis 1931 und wieder ab 1947 angab. Hier sehen wir deren Fahrplan aus dem Jahr 1910, also ein Jahr nach Zusammenlegung der 12 und 14.




    Der Endpunkt befand sich zunächst „ums Eck“ am Gasthof Seidnitz in der Rennplatzstraße, dieser Abzweig wurde wenig später zu einem Teil der großen Rennbahnschleife, die uns in diesem Teil besonders interessieren wird.




    Heutige Situation. Im Gasthof Seidnitz wird schon längst kein Bier mehr kredenzt, zumindest aber wurde mit der letzten Sanierung eine Wiederannäherung an den ursprünglichen Zustand versucht.




    Im Bereich der Bushaltestelle links befand sich bis Ende der 1990er Jahre ein Wendedreieck, das den letzten Rest der einstigen Rennbahnschleife vereinnahmte.




    Was hat es nun mit der ominösen Rennbahnschleife auf sich? Im Jahr 1909 wurde in Reick direkt neben dem Gaswerk der Stadt Dresden, das schließlich für die vorzeitige Einverleibung genannter Ortschaft im Jahre 1912 sorgen sollte, eine große Radrennbahn angelegt, die bis in die dreißiger Jahre hinein riesige Menschenmassen zu Radrennen, aber auch anderen spektakulären Sportereignissen anzog. Da der Weg zu dieser Sportstätte von der Haltestelle Liebstädter Straße aus doch recht lang und beschwerlich war und außerdem hier keine Möglichkeiten zur Aufstellung unbedingt benötigter Sonderzüge bestand, wurde zunächst eine eingleisige Zubringerstrecke durch die Liebstädter Straße mit einer großen Aufstellanlage auf der Winterbergstraße angelegt, heute in Höhe der Einmündung Gasanstaltstraße. Damals wie heute befanden sich die Gleisanlagen in relativem Niemandsland und wurden daher auch nur bei sportlichen Großereignissen genutzt.


    Daneben bestand ja bereits seit 1891 die auch heute noch existierende Galopprennbahn in Seidnitz. Diese konnte zwar seit 1905 über die neue Endstelle in der Rennplatzstraße relativ günstig erreicht werden, doch ergaben sich wohl auch hier größere logistische Probleme beim An- und Abtransport Tausender Zuschauer, die damals noch nahezu ausschließlich auf die Nutzung der Straßenbahn angewiesen waren. Es lag daher nahe, die beiden Stumpfendstellen in der Winterbergstraße und der Rennplatzstraße miteinander zu verbinden, um einerseits die Rangierbewegungen zu erleichtern, andererseits zusätzlichen Platz für die Aufstellung der zahlreichen Straßenbahn-Sonderzüge zu schaffen. Somit entstand eine in wesentlichen Teilen eingleisige große Gleisschleife durch die Rennplatz-, Winterberg- und Liebstädter Straße, die über lange zweigleisige Aufstellanlagen mit zahlreichen Gleiswechseln zum Rangieren verfügte. Gleichzeitig wurde das Streckengleis auf der Bodenbacher Straße so umgebaut, dass es ebenfalls zum Abstellen von Sonderzügen genutzt werden konnte.


    Am 17.7.1910 konnten die neuen Gleisanlagen in Betrieb genommen werden. Die folgenden Grafiken aus einem Handbuch für das Fahrpersonal aus dem Jahr 1929 mögen bezeugen, welch logistische Großleistungen durch das Fahr- und Betriebspersonal der damaligen Zeit zu bewältigen waren; es wäre heute jedenfalls wohl undenkbar, bei einem sportlichen Großereignis gleichzeitig(!) 65 Straßenbahnwagen, also auf vermutlich mehr als 30 Straßenbahnzüge, zur Verfügung zu stellen, ungeachtet des daneben weiterhin stattfindenden Planverkehrs!





    Wir begehen die Schleife in „Abfahrtsrichtung“, also beginnend am alten Endpunkt Seidnitz. Dort bietet sich folgender Blick durch die Rennplatzstraße entlang nichtssagender Wohnblöcke aus den späten Zwanzigern.




    Die Einmündung der Rennplatzstraße in die Winterbergstraße; hier schwenkte die eingleisige Strecke nach rechts, wo sich die Haltestelle „Pferderennbahn“ befand. Zuschauer der Pferderennen mussten den Rest des Weges fußläufig zurücklegen.




    Wir tun das Gleiche und sehen an der Ecke zur Oskar-Röder-Straße, einst Teil der Rennplatzstraße, dieses thematisch einschlägig gestaltete Drewag-Häuschen.




    Ein kurzer Blick auf die Rennbahn soll uns genügen, und wir kehren zur Ecke Rennplatzstraße/Winterbergstraße zurück.




    Auf der anderen Straßenseite rückt das Hotel An der Rennbahn in den Blick. ehemals „Gasthof zum Deutschen Sport“.





    Gegenüber typische vorstädtische Mietvillen, wie sie in Dresden oft anzutreffen sind.




    Bemerkenswert ist die Ende der 1920er Jahre entstandene Wohnsiedlung an der Winterberg- und Zschachwitzer Straße. Sie zeigt sich mustergültig saniert.




    Hauptachse der Siedlung mit Torbogen zur Winterbergstraße:






    Gekreuzt wir diese von der Zschachwitzer Straße, ebenfalls mit interessantem Torbogen und Art-Deco-Decor:





    Zurück an der Winterbergstraße. Es kreuzt die Nätherstraße, an der sich seit 2009 wieder eine Haltestelle befindet, allerdings nur für Busse im Umleitungsverkehr. Damals wie heute hält man hier also nur „gelegentlich“.




    Am nördlichen Ende der Nätherstraße bietet sich dieser Blick über die Senke des südlichen Altelbarms mit Blick zu den Neubauten an der Bodenbacher Straße. Deutlich ist der Niveauunterschied erkennbar.




    Wir wenden uns südwärts und machen einen kurzen Abstecher auf Reicker Flur. An der Nätherstraße kommt der letzte intakte Großgasometer ins Bild, jener, der das Panometer beherbergt. Leider nur als grelle Gegenlichtaufnahme, mit der tief stehenden Sonne hatte ich bisweilen so meine Probleme.




    Reicker Industrieromantik. Die ersten beiden Gasbehälter, von denen nur der linke erhalten ist, entstanden 1887 bis 1891, der Erlweinsche große Gasometer 1909.




    Zu seinen Blütezeiten präsentierte sich das Werk so:




    Noch ein Blick auf die restaurierte Eingangsachse des Panometers, diesmal ist die Sonne im Rücken.




    Zurück an der Winterbergstraße werfen wir einen Blick auf den völlig unspektakulären Standort der Aufstellanlage der Radrennbahn, zwischen Gasanstaltstraße (Ampel vorn) und Liebstädter Straße (Ampel hinten).




    Die 1939 endgültig geschlossene Radrennbahn wurde in den 1970er vollständig mit dem Heizkraftwerk Reick überbaut, so dass wir uns einen Abstecher gespart haben. Daher werfen wir einen Blick in östliche Richtung auf die einstige Kurve der Rennbahnschleife; links ging es in die Liebstädter Straße, auf der Winterbergstraße befand sich die Aufstellanlage.



    Durch die Liebstädter Straße geht es zurück zur Bodenbacher und damit nach Gruna.




    Typische Vorstadtbebauung an der Liebstädter Straße.




    An der Bodenbacher Straße mündete die Schleife rechts in stadtwärtiger Richtung in die Hauptstrecke ein. Die Befahrungsrichtung war bei An- und Abreise entgegengesetzt – siehe Auszug aus dem Handbuch von 1929. Das Eckhaus wird heute durch ein Indisches Restaurant genutzt…




    …und beweist damit eine außergewöhnliche Kontinuität bezüglich seiner gastronomischen Nutzung. Bei Haubolds wird das kulinarische Angebot vermutlich weniger exotisch gewesen sein, ebenso die Fassadenfarbe.




    Was ist nun aus unserer Rennbahnschleife geworden? Sie wurde, wie auch so mancher nicht unbedingt benötigter Streckenabschnitt des Regelverkehrs, ein Opfer des akuten Materialmangels der Nachkriegszeit. Da neue Gleise nicht beschaffbar waren mussten notwendige Reparaturen mit andernorts ausgebautem Altmaterial durchgeführt werden. Somit verblieb bis auf den erwähnten Stumpf an der Rennplatzstraße, der zum Gleisdreieck umfunktioniert wurde, nichts von einer der wohl betriebstechnisch interessantesten Dresdner Straßenbahnstrecken. Und auch dieser ist ja nun seit bald zwanzig Jahren Geschichte.

  • Vom Postplatz nach Plauen (Teil 1)

    Auch wenn das Wetter am letzten Wochenende eher lausiger Natur war, begab ich mich mal wieder auf Bildexkursion. Wir folgen diesmal der 1880 eröffneten einstigen Pferdebahnlinie Postplatz-Plauen, die nach erfolgter Elektrifizierung im Jahre 1900 seit 1905 unter der Nummer 15 firmierte. Dabei übernahm die aus der Annen- und Falkenstraße kommende Verbindung nach Überquerung der Bahngleise ab der Einmündung An der Falkenbrücke/Chemnitzer Straße den Endast einer der ersten Dresdner Straßenbahnstrecken überhaupt, der schon 1873 in Betrieb gegangenen Verlängerung der Linie Blasewitz-Böhmischer Bahnhof über Plauenscher Platz und Chemnitzer Straße.




    Nach nördlicher Verlängerung gen Mickten 1909 durch Übernahme der Linie 17 ergab sich eine durchgehende Verbindung Mickten-Plauen unter der gemeinsamen Liniennummer 15 bis Oktober 1931, als im Zuge einer Linienreform die 6 den Abschnitt Postplatz-Plauen-Coschütz (die Streckenverlängerung erfolgte 1927) übernahm.



    Fahrplan von 1908, vor der Linienreform




    Allerhöchstwahrscheinlich würde es unsere Strecke, die immerhin den südlichen Hauptast des Dresdner Straßenbahnnetzes bildete, heute noch geben, wenn nicht am 13. Februar 1945 das durchfahrene Gebiet in der Wilsdruffer Vorstadt und Plauen nahezu vollständig dem Erdboden gleichgemacht worden wäre und damit für viele Jahrzehnte ein Verkehrsbedürfnis in dieser Relation entfiel. Erst seit 1998, also mehr als vierzig Jahre nach dem abrupten Ende, ersetzt eine Buslinie die einstige Straßenbahn, und zwar derart erfolgreich, dass heute ernsthaft über eine Renaissance selbiger als Linie 5 debattiert wird. Doch dazu am Ende mehr. Für uns steht natürlich wieder einmal die städtebauliche Komponente im Vordergrund, ist dies hier doch ein Architektur- und kein Nahverkehrsforum.
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    Am Postplatz nähern wir uns dem Ausgangspunkt der Linie 15 auf ihrer Fahrt nach Süden und blicken auf die Westseite des Platzes, linkerhand die Oberpostdirektion in unversehrter Gestalt. Außerdem erkennbar die reklameverzierte Brandwand des Vorgängerbaus des Modehauses Robert Bernhard und die Flachbauten, die dem Platz bis zum bitteren Ende ein zwar pittoreskes, aber städtebaulich doch reichlich chaotisches Aussehen verliehen. Interessante Parallelen zur Jetztzeit tun sich auf…




    Der gleiche Blick vom Januar 2016, nur die Annenkirche kann noch als Anhaltspunkt dienen. Mag man den anstehenden Veränderungen an dieser Stelle aus architektonischer Sicht kritisch gegenüber stehen, aus städtebaulicher Sicht kann man sie gar nicht genug begrüßen.




    Der Blick aus der Nähe macht es nicht besser. Die Annenstraße, noch exakt im historischen Verlauf, wird flankiert vom Torso des Fernmeldeamts rechts, dahinter die Dresden International School in saniertem 50er-Jahre-Schulbau, links ein nichtssagender und ambitionsloser 90er-Jahre-Abschreibungsschuppen, davor die Ruine der Oberpostdirektion zwischen Am See und Marienstraße…




    …wo sich wohl nicht mehr lange diese interessanten Fensterblicke ergeben:





    Noch teilerhaltene Fassade des Postgebäudes Am See, diese soll in den Neubau der CG integriert werden.




    Von der einst hochrepräsentativen Ecke Am See/Annenstraße sind nur diese kläglichen Reste geblieben; zum Vergleich die Vorzerstörungssituation:





    Kurz darauf nähern wir uns der Annenkirche, errichtet 1764 bis 69, der Thormeyersche Turm stammt von 1824. Die Turmhaube wurde nach den Kriegszerstörungen erst 1997 wieder ergänzt.




    Wir werden links an ihr vorbei weiter der Annenstraße folgen. Vor der Kirche zweigte nach rechts in den Freiberger Platz die Strecke nach Wölfnitz ab, die 1963 durch die heute bestehende Neubaustrecke durch die verlängerte Freiberger Straße ersetzt wurde. Seitdem gehören Straßenbahnen in der inneren Annenstraße und an der Kirche der Vergangenheit an.




    Mit Gleisen stellte sich die Situation so dar. Man beachte das städtische Ambiente rund um die Kirche, die heute recht einsam und unbeachtet ihr Dasein fristet.




    Detailaufnahmen der Kirche: Hauptportal, historische Einfriedung an der Nordostecke:





    Der Turm aus der Ameisenperspektive:




    Zurückblickend offenbart sich der Bereich der ehemaligen Umsteigehaltestelle „Annenkirche“. Wir wenden uns jedoch schnell schaudernd ab und besteigen wieder unsere imaginäre 15, um zum Sternplatz zu gelangen, unserer nächsten Station.




    Auf dem weiteren Weg offenbart die Annenkirche ihr Hinterteil. Die Westerhebung des Langhauses wurde beim großen Umbau 1906 bis 1909 völlig neu aufgeführt, wobei Jugendstilelemente zum Einsatz kamen. Auch hier ein historischer Vergleich, der die Kirche in ihrem einstigen Umfeld der dicht an dicht bebauten Wilsdruffer Vorstadt zeigt.





    Vor uns taucht der Sternplatz auf. Der relativ neue Asphalt wurde einfach über das alte Straßenpflaster gepampt, das ansonsten noch deutlich den Gleisverlauf offenbaren würde und dies vor wenigen Jahren auch noch tat. Welch eine Schlafstadttristesse in diesem einst dicht an dicht besiedelten Viertel, in dem das proletarische Leben in all seinen Facetten nur so tobte. Nein, eine Feine-Leute-Gegend war die Wilsdruffer Vorstadt nie.




    Und dennoch ließ die Ortskrankenkasse hier zwischen 1912 und 1914 von Schilling und Graebner ihren recht pompösen Hauptsitz in die ärmliche Umgebung stampfen, der offenbar so solide errichtet wurde, dass er im Gegensatz aller umgebenden Gebäude die Zerstörung recht glimpflich überstand. Hier der Haupteingang nebst Turmbekrönung.






    In der Josephinenstraße gelang es der Krankenkasse offensichtlich nicht, alle Grundstücke zu erwerben. Die niedrigen Häuschen überlebten hier bis 1945 und müssen einen bizarren Kontrast zu dem repräsentativen Verwaltungsbau gebildet haben. Nach 1990 wurde die nunmehrige Baulücke durch einen in meinen Augen recht gelungenen Erweiterungsbau gefüllt.




    Aus der Ferne präsentiert der Bau damals wie heute seine ganze Pracht. Vermutlich hat sich die werte Kundschaft schon damals über die Zweckgebundenheit der zu entrichtenden Beiträge gründlich die Mäuler zerfetzt…





    Weniger erfreulich ist die Gestaltung der nördlichen Platzseite, wo noch immer die „Herkuleskeule“ in recht rustikalem Ambiente residiert. Der Gaststätten- und Veranstaltungskomplex wurde einfach auf die ehemalige Grünanlage des Platzes gesetzt.




    Wir machen einen Abstecher zum „Poppitz“, gleich hinter der Nordwestecke des Sternplatzes. Das Dorf bildete einst gemeinsam mit Fischersdorf (der gleichsam entschwundene Fischhofplatz) den historischen Kern der Wilsdruffer Vorstadt. Mit der Neubebauung verschwand das Poppitz in den 1960er Jahren von den Stadtplänen, den einstigen Dorfplatz nimmt heute ein Kinderspielplatz ein.




    Die Haltestelle Sternplatz hörte schon am Abend des 13. Februar 1945 auf zu existieren. Seitdem herrscht hier nicht nur städtebauliche, sondern auch nahverkehrliche Ödnis. Der 1998 eingerichtete Busverkehr nimmt stattdessen die parallele Schneise der 1965 eröffneten Budapester Straße, gleich hinter dem AOK-Gebäude. Rechts an der Ecke zur Maternistraße grüßt ein Punkthochhaus, wie es auch andernorts in Dresden zu finden ist. Durch die Falkenstraße blicken wir auf den „Ammonhof“, einem gläsernen 1990er-Jahre-Bürokomplex, der die stadtseitige Rampe der Falkenbrücke markiert, auf der früher die Bahngleise überquert wurden. Davor kreuzt der 26er Ring in Form der Ammonstraße, heute zur Stadtautobahn aufgeblasen.




    Blick in die Maternistraße zum World-Trade-Center. Das typische Straßenbild der aktuellen Wilsdruffer Vorstadt, die wohl nie mehr zu einem lebendigen Innenstadtviertel werden wird.




    Das Ende der Falkenstraße und ihre Einmündung auf den Ring. Der Bildvergleich bereitet physische Schmerzen…





    Wir stehen im Bereich der Rampe der Falkenbrücke und blicken in die Falkenstraße, aus der einst die Straßenbahnwagen gen Plauen den inneren Stadtkern verließen. Dem weiteren Streckenverlauf widmen wir uns im zweiten Teil.


  • Vom Postplatz nach Plauen (Teil II)

    Zurück zur Falkenbrücke: Zum Überqueren der Eisenbahn diente seit 1895 eine im Zuge der Umgestaltung der Dresdner Bahnanlagen anstelle eines Vorgängerbaus errichtete Stahlbogenbrücke, die bis 1965 genutzt wurde und erst mit der Fertigstellung der benachbarten Hochstraße der Budapester Straße aufgegeben und anschließend abgerissen wurde, ebenso wie die Brücke der Chemnitzer Straße zum (mittlerweile völlig annihilierten) Plauenschen Platz und die bereits besprochene Hohe Brücke.



    In Blickrichtung Bahnanlagen befinden wir uns nun genau in der Brückenachse, wo unterhalb der Studentenwohnheime das westliche Brückenwiderlager sichtbar wird.




    Das Ganze aus etwas geänderter Perspektive. Auffällig die Rohrbahn, die den einstigen bogenförmigen Brückenverlauf mit elegantem Schwung noch heute genau nachvollzieht, wurde sie doch der südlichen Brückenseite vorgelagert (vermutlich nach dem Krieg), wie das verlinkte Fotothek-Bild beweist.


    http://fotothek.slub-dresden.d…_hauptkatalog_0156602.jpg




    Etwa die gleiche Perspektive auf einer alten Postkarte. Nicht nur die Brückenrampe ist verschwunden, sondern auch die sie umgebenden Straßen. So liegt die Gärtnergasse unter der Brücke, parallel zur Eisenbahn, heute unter dem RVD-Betriebshof begraben.




    Da ein Begehen der Falkenbrücke heute mangels physischen Vorhandenseins derselben nur noch schwerlich möglich erscheint, mussten wir den kurzen Umweg über den 1965 errichteten Ersatzbau der Budapester Straße auf uns nehmen. Zumindest ließ dieser interessante Blicke auf den ehemaligen Verlauf des Vorgängerbaus zu. Zunächst eine Totale mit dem darunter befindlichen Vorfeld des Hauptbahnhofes und der linksseitigen Ausfädelung der Strecke Richtung Freiberg und Chemnitz.




    einstige Rampe gen Stadt, heute durch die Auffahrt der Budapester Straße nur noch mit viel Mühe nachvollziehbar:




    Das westliche Widerlager, hier schloss sich An der Falkenbrücke als Verbindung zur Chemnitzer Straße an.




    Was wir uns natürlich gern näher betrachten wollen. Zunächst einmal ein historischer Blick über die Brücke in die entgegengesetzte Richtung, also gen Stadt.




    Da uns das große Eckhaus, aus dem die Aufnahme gemacht wurde, nicht mehr zur Verfügung steht, muss die Bodenperspektive genügen. Blick vom westlichen Widerlager der Falkenbrücke Richtung Innenstadt. Die Rohrbahn markiert die Höhe der Brückenfahrbahn.




    Aus der Distanz präsentiert sich das Brückenlager heute so, hier endet nunmehr die Zwickauer Straße im Nichts, bis in die 1960er Jahre gehörte dieser Straßenabschnitt zu An der Falkenbrücke. Interessant die Pflasterung: Die Strecke nach Plauen war durchgehend zweigleisig, hier sieht es jedoch so aus, als ob zuletzt nur ein Gleis gelegen hätte. Möglicherweise ein Hinweis auf eine Nachnutzung der stillgelegten Strecke zur Trümmerabfuhr?




    Auch wenn es auf den ersten Blick sehr unspektakulär wirkt, für mich sind die folgenden Impressionen der absolute Höhepunkt meiner Begehung. Wir nähern uns dem einstigen spitzen Winkel zwischen der Zwickauer Straße (rechts) und An der Falkenbrücke (geradeaus berghoch)…




    Und das Ganze aus der Nähe. Ich hätte nie geglaubt, dass die nach dem Bau der Budapester Straße aus dem Stadtplan getilgte Straße „An der Falkenbrücke“ derart prägnante physische Spuren im Stadtgefüge hinterlassen hat. Selbst der Granitplattenfußweg ist noch rudimentär vorhanden!




    Vor der Zerstörung präsentierte sich derselbe Zwickel mit diesem pompösen Eckhaus, aus dem auch die alte Aufnahme der Falkenbrücke entstanden sein muss; zu beachten ist auch die völlig ausradierte Wohnbebauung an der Zwickauer Straße. Kein Wunder, dass man hier jahrzehntelang keinen Nahverkehr mehr benötigte.




    Nur gegenüber hat an der Ecke zur Feldschlößchenstraße dieses Bahndienstgebäude wie durch ein Wunder überlebt:




    Heute endet An der Falkenbrücke namenlos im Nichts bzw. an der Aufschüttung der hoch gelegenen Budapester Straße. Früher mussten die Straßenbahnen, wie die Postkarte verrät, einen steilen Anstieg hinauf zum Hahneberg bewältigen, wo An der Falkenbrücke in die Chemnitzer Straße mündete. Noch heute ist die Steigung nachvollziehbar.




    Ein Blick zurück zur Falkenbrücke. Wann wird aus dieser innenstadtnahen Ödnis im Dornröschenschlaf wieder ein funktionierendes Stadtviertel?




    Die Reste von An der Falkenbrücke gesehen etwa vom einstigen Abzweig von der Chemnitzer Straße…




    …der sich genau am Standort des Fotografen befand. Heute wird dies alles von der Rampe der vierspurigen Budapester Straße überdeckt, deren Hochstraße sich genau zwischen der Brücke Chemnitzer Straße und der Falkenbrücke befindet. Der breite Grünstreifen war von Anfang an für die Anlage eines Straßenbahngleiskörpers vorgesehen. Nichts erinnert hier an die einst aufgelockerte Würfelhausbebauung im Striesener Stil, die vollständig ein Opfer der Luftangriffe wurde. Wenigstens erlebte die Haltestelle Schweizer Straße eine Wiederauferstehung…




    …allerdings erst nachträglich, wie das Originalschild der kurzlebigen 86 von 1998 beweist (diese Linie wich bereits ein Jahr später der Straßenbahnverlängerung von Plauen nach Coschütz).




    Die heutige Bebauung erinnert eher an an Wladiwostok oder Novosibirsk. Obwohl die Wohnblöcke bereits Anfang der 70er Jahre entstanden, mussten die zahllosen Bewohner noch bis 1998 (!!!) einen Fußmarsch von vielen hundert Metern bewältigen, um zum nächstgelegenen öffentlichen Verkehrsmittel zu gelangen.




    Nur das einstige Maschinenhaus der Feldschlößchen-Brauerei hat überlebt und empfängt heute als Feldschlößchen-Stammhaus dem Bierkonsum zugeneigte Gäste, umgeben von den monströsen Büroblöcken der Arbeitsagentur, denen die restlichen Brauereigebäude weichen mussten.






    Ansonsten existieren noch einige wenige, meist verfallene Vorkriegs-Fabrikbauten in den zur Zwickauer Straße abfallenden Nebenstraßen, hier an der Eisenstuckstraße. Für den unfotogen geparkten LKW kann ich leider nichts…




    An der Kreuzung mit der Nürnberger Straße/Nossener Brücke. Jenseits der Kreuzung Richtung Plauen grüßen erste Altbauten. Ab jetzt trägt die Chemnitzer Straße wieder ihren ursprünglichen Namen.




    Weiter nach Plauen geht’s im dritten Teil.

  • Vom Postplatz nach Plauen (Teil III und Schluss)

    Noch befinden wir uns in der „Altstadt II“, der Südvorstadt. Der Alte Annenfriedhof befindet sich genau auf der Flurgrenze zu Plauen.




    Die Zeichen der Zeit haben dem Friedhofseingang in malerischer Weise zugesetzt.




    Gegenüber die halbkreisförmige. platzartige Erweiterung der Bayreuther Straße. Bei dem Eckhaus zur Chemnitzer Straße wurden linksseitig Kriegsschäden nachwendlich geflickt:





    Blick in die Bayreuther Straße, zum Vergleich beide Eckhäuser (das linke war ein Kriegsverlust) in Vorkriegsaufnahmen:






    Im weiteren Verlauf nimmt die Dichte an Altbauten weiter zu. Hier zwei sanierte Mietvillen in Höhe der Haltestelle Bamberger Straße. Wir befinden uns nunmehr in Plauen.




    Direkt gegenüber, neben dem Alten Annenfriedhof an der Ecke zur Bamberger Straße, werden die Reste der Konservenfabrik Louis Hörmann heute bürotechnisch genutzt.



    (stadtwiki Dresden)




    Vom Plauenschen Lagerkeller, später Falkenbrauerei, wiederum später Falkenbrunnen, einem in und um Dresden zu DDR-Zeiten weit verbreiteten Mineralwasser, ist allerdings nichts mehr geblieben. Nach 1990 wurde hier Tabula Rasa gemacht und ein nichtssagender Bürokomplex namens Falkenbrunnen-Center errichtet. Beachtenswert die geschmackvollen historisierenden Details des griechischen Restaurants, besonders die weiß getünchten Betonformsteine wissen hellenistisch-mediterranes Flair zu erzeugen.





    An der Würzburger Straße, einst gab es hier eine Straßenbahnhaltestelle, blicken wir gen Eisenbahn und Weißeritz. Bemerkenswert, wie der hier ansässige allseits bekannte Lebensmittel-Vollsortimentler durch dezent-zurückhaltende Gestaltung seiner Geschäftshinweise sensibel Bezug auf das städtebauliche Umfeld zu nehmen weiß.




    Langsam aber sicher nähern wir uns dem Plauener Ortszentrum, im Hintergrund grüßt der Rathausturm.




    Die Gastwirtschaft Bruno Ehrlich befand sich im einstigen Plauener Zolleinnehmerhaus. Heute wird das hübsche Häuschen wieder gastronomisch genutzt.




    Wir befinden uns in etwa in Höhe des ersten Endpunktes am nicht mehr existenten Westendschlößchen, einer bei sommerfrischebedürftigen Städtern einst äußerst beliebten Lokalität, die ab 1873 auch sehr bequem zu erreichen war, hielt die Pferdebahn doch direkt vor dem Haus.




    Am F.-C.-Weiskopf-Platz, ex Chemnitzer Platz, exex Rathausplatz, sehen wir das mächtige, heute als Ortsamt fungierende ehemalige Plauener Rathaus. Lange konnte sich die Gemeinde nicht an ihrem neuen Juwel erfreuen, denn bereits 1903 wurde sie der Residenz einverleibt.




    Der Rathausplatz auf einer historischen Postkarte. Heute präsentiert sich der durch Kriegseinwirkungen stark perforierte Platz wieder rundum geschlossen und mag als altes und neues Plauener Ortszentrum durchaus zu überzeugen. Dies wird unterstützt durch die mittlerweile hervorragende Nahverkehrsanbindung mit drei Buslinien, auch wenn die Straßenbahn(wieder)anbindung wohl noch auf sich warten lassen wird.




    Auf dem Platz der Müllerbrunnen, der Bezug auf die große einschlägige Tradition des Ortes nimmt. Stichwort: Bienert.




    Der Turm des Rathauses, errichtet 1893/94 nach Plänen von Lossow und Viehweger.




    Fassadendetail:




    Blick zurück in die Chemnitzer Straße. Die kriegszerstörten Altbauten wurden in den 1990ern durch diese angepassten Neubauten ersetzt. Rechts in der Nöthnitzer Straße befand sich ab 1909 der Endpunkt der von der Münchner Straße hierher verlängerten Linie 1 (noch ohne Gleisverbindung), später wurde diese über Altplauen zur Tharandter Straße weitergeführt und kreuzte dabei unsere 15.




    Diese wiederum hatte nach ihrer Verlängerung vom Westendschlößchen zum Plauenschen Ring 1897 noch ein kurzes Stück bergan zurückzulegen, bog dann scharf nach links auf die Ringstraße ein,…




    …wo sich in Höhe der heutigen Haltestelle Coschützer Straße der Endpunkt befand.




    Ab 1927 ging es weiter bergauf nach Coschütz, nachdem bereits vorher eine direkte Busanbindung über die Chemnitzer Straße, parallel zur Straßenbahn, bestanden hatte. Diese wurde mit der Straßenbahnverlängerung obsolet.




    Fahrplan der Linie 15 von 1929.




    Da die Strecke durch die Chemnitzer Straße wie erwähnt nach 1945 nicht mehr befahrbar war, musste der Coschützer Ast von der Tharandter Straße aus über die enge und steile Reckestraße neu angebunden werden. Diese Betriebssituation bestand bis 1998, als der Straßenbahnverkehr über die Tharandter Straße und den Plauenschen Ring endgültig eingestellt wurde. Coschütz selbst ist seit 1999 von Plauen (Nöthnitzer Straße) aus wieder per Straßenbahn erreichbar. Den weiteren Strecken im Raum Plauen werden wir bei Gelegenheit noch einmal ein eigenes Kapitel widmen.




    Zum Abschluss blicken wir durch die Coschützer Straße zurück zum Rathaus Plauen, noch einmal in einem Damals-Jetzt-Vergleich.





    Das war der Besuch einer der ersten Dresdner Straßenbahnstrecken. Auch wenn das Umfeld heute auf den ersten Blick wenig einladend wirkt – es ist immer wieder erstaunlich, was sich so noch entdecken lässt – ich hoffe, daher, es war nicht zu langweilig.


    In diesem Sinne: Gute Nacht!

  • Durch den Plauenschen Grund (Teil I)

    Die 1902 mit dem noch heute im Bestand des Straßenbahnmuseums verweilenden Triebwagen 309 der Deutschen Straßenbahngesellschaft in Dresden eröffnete Staatsbahnstrecke von Plauen durch den Plauenschen Grund nach Deuben, später Hainsberg und Coßmannsdorf, ist bereits seit 1974 Geschichte.

    Betrieben wurde die im Volksmund als „Plauensche Grundbahn“ bekannte Strecke zunächst durch die „Rote“ Gesellschaft, später die Städtische Straßenbahn im Auftrag des sächsischen Staates durch Verlängerung der bestehenden Stadtlinie vom Postplatz nach Plauen über die heutige Tharandter Straße, seit 1905 als 22 bezeichnet. Diese Liniennummer sollte bis 1948 Bestand haben, danach fühlten sich über viele Jahre die 12 und später die 3 hier heimisch.



    Einen vereinfachten geschichtlichen Überblick über den Straßenbahnverkehr im Raum Plauen mag dieser Auszug aus einem Projekt vermitteln, an dem ich bereits seit geraumer Zeit werkle. Dick sind die betriebenen Strecken mit der momentanen Linienbelegung hervorgehoben, dünn mit Linienkennfarbe der letzten planmäßigen Bedienung die nach dem 2. Weltkrieg eingestellten Strecken, grau die bis 1945 eingestellten Verbindungen. Die Haltestellennamen entsprechen denen zum Zeitpunkt der Stilllegung. Farbig hinterlegte Liniennummern und Jahreszahlen weisen auf eine Eröffnung als Pferdebahn und spätere Elektrifizierung hin.




    Die zunächst sehr dichte Haltestellenverteilung im Grund sollte sich zu Beginn der 20er Jahre grundlegend ändern. Die beiden Grafiken vermitteln den Zustand 1911 (oben) mit der einzigen Linie 22 und 1929 (unten), als zeitweilig die verlängerte Linie 1 die 22 nach Freital verstärkte. Bis auf die entfallene Haltestelle Dölzschen (Bergstraße), der heutigen Serpentinstraße, blieb sie dann bis 1974 und darüber hinaus bis heute konstant, denn die als Ersatz eingeführte Buslinie 3A, heute A des Stadtverkehrs Freital, bedient noch immer exakt die alten Haltepunkte der Straßenbahn.





    Soviel zur Verkehrsgeschichte, wie gewohnt soll natürlich der Schwerpunkt auf der baulichen Umgebung liegen. Wir beginnen unsere Begehung an der Stadtgrenze zu Freital und blicken in Richtung der Bahnunterführung. Von dort ist es nicht mehr weit bis zum Potschappler Rathaus.




    Direkt an der seit der Eingemeindung von Dölzschen 1945 bestehenden unmittelbaren Stadtgrenze von Dresden und Freital befand sich bis 2013 der Dölzschener Eisenhammer bzw. dessen Nachfolgeunternehmen. Erhalten blieb das 1795 erbaute Hammerherrenhaus der späteren Friedrich-August-Hütte, bis vor kurzem als Gaststätte „Hüttenschänke“ genutzt.


    Zunächst auf einer historischen Postkarte…




    …und der Ist-Zustand.





    Dachreiter der Hüttenschänke:




    Häuser im Plauenschen Grund in Höhe der Haltestelle „Gitterseebrücke“. Reste der Straßenbahn sind hier spätestens seit der Sanierung der Talstraße nach den verheerenden Verwüstungen des Hochwassers 2002 nicht mehr zu sehen, als die reißenden Wassermassen der Weißeritz den Grund komplett ausfüllten und Straße, Eisenbahnstrecke und zahlreiche Gebäude zerstörten.




    Von der Gitterseebrücke blicken wir auf die heute friedlich nach Norden strömende Weißeritz und die sich am Fluss entlang windende Talstraße, die bis zur Eingemeindung Dölzschens den Namen „Dresdner Straße“ trug und dann mit der in Plauen endenden Tharandter Straße vereinigt wurde.




    Nach dem Hochwasser wollte zunächst niemand sich der verbliebenen Wohngebäude im Grund annehmen. Nunmehr scheint es jedoch so, als ob den zahlreichen Ruinen eine Renaissance bevorsteht.




    An der Tharandter Straße 162 prangt über der Dresdner noch die alte Dölzschener Hausnummer. Das Häuschen wurde erst vor kurzem wieder zum Leben erweckt.




    Der markante Siloturm der König-Friedrich-August-Mühlenwerke AG von 1917, dahinter das Massiv der Heidenschanze in Coschütz.




    Blick über Bahnstrecke und Weißeritz auf die einstigen Mühlenwerke, deren Umbau in eine Wohnanlage geplant ist.




    An der landwärtigen Haltestelle „Heidenschanze“, im Hintergrund die Brücke der BAB 17, darüber die „Begerburg“.




    Durch den Bau der Autobahnbrücke ist das klassische Begerburg-Motiv für immer verloren. Die Postkarte zeigt den Zustand der Straße zu Beginn des 20. Jahrhunderts, die Stahlgittermasten der Straßenbahn blieben hier allerdings bis tief in die neunziger Jahre erhalten.





    Blick von der Einmündung der einstigen Bergstraße, der heutigen Serpentinstraße, auf das Massiv der Heidenschanze, an der Steinbrüche und der Eisenbahnbau mächtig geknabbert haben. Hier gab es vor dem Krieg eine Straßenbahnhaltestelle.




    Dölzschener Tunnelportal der Nordfahrbahn der Autobahn. Sowohl Dölzschen als auch Coschütz auf der anderen Seite werden durch lange Tunnel unterquert.




    Hoch droben auf dem Dölzschener Plateau thront die „Begerburg“, eine Villa aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, die einst als Gasthof, Wohnhaus, der NSdAP, der FDJ und als Pension diente. Heute ist sie wieder profanen Wohnzwecken gewidmet.




    Und hier die zugehörige Straßenbahn- ähh Bushaltestelle tief im Tal. Es ist das typische Bild im Plauenschen Grund: rechts neben der Straße die Weißeritz, links erhöht am Dölzschener Hang die Wohnbebauung.




    Von der heute handwerklich genutzten Brauns Mühle sind noch Reste des trocken liegenden Mühlgrabens auszumachen.




    Noch regiert der Verfall im Grund. Die beiden offensichtlich zur Sanierung anstehenden ruinösen Häuser sind für uns aber verkehrstechnisch interessant, ist doch an beiden noch eine Fahrleitungsrosette der Straßenbahn sichtbar.




    Vor uns rechts der Klinkerbau der Königsmühle von 1878, links die Ruine des Gasthofes „Goldene Krone“, einst mit eigener Straßenbahnhaltestelle. Geradeaus das Südportal des in den 1990ern gebohrten „Ingridtunnels“, volksmundlich benannt nach der Gattin des damaligen Ministerpräsidenten.




    Der erbärmliche Anblick der „Goldenen Krone“ lässt wahrhaft keine royalen Gefühle aufkommen. Wenigstens wurden Schutzmaßnahmen durchgeführt.




    Es wäre wirklich höchst schade um das historische Gasthaus, das sich in besseren Tagen so präsentierte:




    Rechts des südlichen Tunnelportals ist der alte Straßenverlauf um den Bergsporn herum erkennbar.
    Ganz rechts die Fassade des Speichergebäudes der Königsmühle.




    Wir stehen mitten auf der alten Straße und blicken auf die Felsenkellerbrauerei. Anstelle des Asphaltstreifens in Straßenmitte befanden sich bis vor kurzem die letzten Gleisreste der alten Straßenbahnstrecke.




    Im zweiten Teil widmen wir uns intensiver der Brauerei und setzen unseren Weg entlang der alten Dresdner Straße fort.

  • Durch den Plauenschen Grund (Teil II)

    Weiter geht’s durch den Plauenschen Grund. Zu Beginn noch einmal etwas Verkehrsgeschichte…


    Der Fahrplan von 1908 zeigt die Linie 22 noch in ihrer ursprünglichen Linienführung nur bis zum Postplatz.




    Wir befinden uns am gerade geschlossenen Bahnübergang am Felsenkeller und blicken auf Gebäude der Felsenkeller-Brauerei. Hier befand sich bis 1857 die „Villa Grassi“, die zuletzt als beliebtes Kaffeehaus diente und die Städter zahlreich in den damals noch romantischen Grund zog, wie die Zeichnung von J.C.A. Richter belegt.





    Nach Passieren des Zuges ein kurzer Abstecher auf die einstige Terrasse der vor sich hin verfallenden Felsenkeller-Gaststätte. Hier bietet sich dieser Blick zurück in den Grund, mit den voluminösen Gebäuden der Königsmühle im Mittelpunkt.




    Das Wappentier der Felsenkellerbrauerei war der Eiswurm, dessen Legende man hier


    http://www.barockquelle.de/unt…/die-eiswurm-legende.html


    nachlesen kann.




    Die Felsenkellerbrauerei entstand ab 1857 in mehreren Bauabschnitten und nahm dabei auch die ehemalige Buschmühle mit auf. Bis 1990 wurde hier das gleichnamige Bier gebraut, das seitdem wenig weiter oben auf dem Berge in Coschütz produziert wird. Die Brauereigebäude überbrücken die die Weißeritz und das ehemalige Buschmühlenwehr.





    Die Straße „Am Eiswurmlager“ erinnert an die verkaufsfördernde Brauereilegende.




    Im Folgenden einige Impressionen des ausgedehnten Brauereikomplexes, der heute vielfältig genutzt wird.







    Hoch über der Brauerei thront der Aussichtsturm auf dem Hohen Stein:





    Der Hohe Stein auf einer historischen Postkarte:




    Gesamtansichten der Felsenkellerbrauerei auf historischen Postkarten:





    Blick zurück zum Felsenkeller:




    Bis 1923 befand sich die Plauener Bahnstation fernab vom Ort mitten im Plauenschen Grund neben der Felsenkellerbrauerei. Erst die Hochlegung der Bahnanlagen in der Ortslage ermöglichte den Neubau am jetzigen Standort an der Bienertmühle. Bis dahin konnte man wenigstens mit der Straßenbahn bis zum Bahnhof gelangen. Das heute als Kunstbahnhof genutzte Empfangsgebäude blieb erhalten – es handelt sich um einen Klinker-Typenbau der Königlich-Sächsischen Staatseisenbahn, der so oft anzutreffen war, u.a. auch an wichtigen Schmalspurbahnhöfen.





    Blick von oben auf Felsenkeller und Plauener Bahnhof zu dessen aktiven Zeiten:




    Vor dem Bahnhof dient ein letzter Gittermast der Straßenbahn als Kunstobjekt.




    Informationstafel zur Geschichte des Bahnhofs, eine der wenigen noch nicht vandalisierten auf dem Weißeritzwanderweg.



    Bis 1821 bog die Straße rechts auf die Hegereiterbrücke ab, seit 1921 führt sie auf dem linken Weißeritzufer am Ratssteinbruch vorbei bis zur Habsburgerstraße (Fritz-Schulze-Straße). Letzterer verfügte sogar über ein Straßenbahn-Güteranschlussgleis!




    Das Terrain der alten Straße wurde vor wenigen Jahren begehbar gemacht und ist heute ein beliebter Wanderweg. Im dritten Teil werden wir hierfür wie einst die alte 22 die Hegereiterbrücke überqueren.




    Vorher jedoch noch ein Blick auf das nach dem Hochwasser wiederaufgebaute kleine Kraftwerk am Bienertwehr unterhalb der Brücke.





    Weiter also im dritten Teil.

  • Durch den Plauenschen Grund (Teil III)

    Auch hier möchte ich noch einmal mit einem kurzen verkehrsgeschichtlichen Diskurs beginnen.


    Der Sommerfahrplan von 1944 zeigt die nach Laubegast verlängerte Linie 22 kurz vor der Zerstörung der Stadt mit allen kriegsbedingten Einschränkungen. Der zwischenzeitlich rege Nachtverkehr entfiel, die dick umrandeten Abendfahrten waren vorrangig für Nachtarbeiter bestimmt. Die Verdunkelung fordert ihren Tribut, und die Taktzeiten wurden stark gedehnt – zum Ausgleich gab es Zwischenwagen mit der um 100 erhöhten Liniennummer 122.
    Die Linie 22 wurde am 25. Februar 1948 endgültig eingestellt und durch die Linie 12 Hainsberg-Kleinzschachwitz ersetzt. Seitdem hat es diese Liniennummer in Dresden nie wieder gegeben.



    Doch zurück zum Bienertwehr, hier noch einmal von der rechten Flusseite, dahinter der Ratssteinbruch, wie erwähnt einst mit Gleisanschluss der Straßenbahn.





    Die historische Hegereiterbrücke wurde bereits 1779 errichtet. Neben ihr befand sich bis 1964 das Hegereiterhaus, später als „Forsthaus“ eine beliebte Ausflugsgaststätte. Auf der Zeichnung von J.C.A. Richter steht es noch mitten im Grünen neben der Brücke. Wenige Jahrzehnte später war vom Flair des durch die Romantiker gerühmten idyllischen Plauenschen Grundes durch Eisenbahnbau, Steinbrüche und industrielle Nutzung nur noch wenig geblieben.





    Wir stehen auf der Hegereiterbrücke und blicken über die nach dem Hochwasser 2002 neu gebaute Eisenbahnbrücke zur Felsenkellerbrauerei und den alten Plauenschen Bahnhof.




    Unterhalb der Brücke zweigte der heute trockene und teilweise verfüllte Mühlgraben der Bienertmühle ab.





    Sehr eng muss es am rechtsweißeritzschen Knick der alten Straße auf die Hegereiterbrücke zugegangen sein. Noch heute findet der schmale Weg kaum Platz neben den Eisenbahngleisen.




    Der 2006 angelegte Wanderweg verläuft teilweise im Bereich des ehemaligen Straßenplanums, teils auf dem alten Fußweg, teils innerhalb des Bienertschen Gartens, von dessen einstiger Grundstückseinzäunung die ehedem ziegelgedeckten Sandsteinsäulen noch weitgehend erhalten sind.





    Links kommen die Reste des Bienertschen Tanzhauses in Sicht. Daneben befand sich bis in die 1980er Jahre das Hoch- oder Hohenplauensche Wasserhaus, von dem aus Weißeritzwasser durch die „Hochplauensche Wasserleitung“ zur Bewässerung der Zwingeranlagen abgezweigt wurde.




    Letzte Reste der schmiedeeisernen Grundstückseinfriedung, davor Reste des originalen Straßenplanums nebst Fußweg.




    Die alte Straße nähert sich der Plauener Weißeritzbrücke, deren historischer Vorgängerbau ein Hochwasseropfer wurde.




    Blick zurück in den Plauenschen Grund. Rechts neben der Weißeritz die 1921 eröffnete neue Straße. Im Anschluss wurde die alte Straße teilweise abgebaggert, überdeckt und somit unnutzbar gemacht, so dass die Natur von ihr weitgehend Besitz ergreifen konnte.




    Hofmühlenstraße mit dem ehemaligen „Tharandter Hof“.




    Die sanierten Gebäude der Bienertmühle, der einstigen Hofmühle, davor die alte Straße.




    Zum Vergleich: Auf der Postkarte ist die enge S-Kurve der Straßenbahn über die Weißeritzbrücke zu erkennen, mit der die alte Dresdner Straße erreicht werden konnte. Noch fehlt der Bahndamm mit dem neuen Plauener Haltepunkt, die Eisenbahn quert noch ebenerdig zwischen den Gebäuden der Bienertmühle. Darunter die heutige Situation, mit hochliegendem Haltepunkt, aber ohne Straßenbahn, die hier seit 1998 verschwunden ist.





    In der Ufermauer an der Hofmühlenstraße ist der vermauerte Ausgang des Mühlgrabens gut zu erkennen.




    An der Habsburgerstraße (Fritz-Schulze-Straße) traf die Bahn auf Plauener, seit 1903 Dresdner Flur, denn Dölzschen gehört erst seit 1945 zur Stadt. Ab hier bestand noch bis 1998 Straßenbahnverkehr nach Coschütz, der Streckenast über den Plauenschen Ring wurde 1946 provisorisch unter Verwendung des Restes der Querverbindung über die Nöthnitzer Straße zur Tharandter Straße durchgebunden, da die Chemnitzer Straße nach den Kriegszerstörungen nicht mehr befahrbar war.
    Diesem Abschnitt werden wir uns zu gegebener Zeit noch einmal getrennt widmen.




    In Altplauen (Fritz-Schulze-Straße) bestand bis 1998 eine als Blockumfahrung durch die Bienert- und Agnes-Smedley-Straße gestaltete Gleisschleife, die ursprünglich den vom Chemnitzer Platz kommenden Wagen der Linie 1 als Endpunkt diente und zum Schluss als Betriebsstrecke erhalten blieb. In den 1970ern endeten hier noch Berufsverkehrs-Verstärkerzüger der Linie E12. In der Agnes-Smedley-Straße finden sich auch die allerletzten Gleisreste der „Plauenschen Grundbahn“, die einstigen Aufstellgleise der Schleife.




    Frisch saniertes Eckhaus an der Ecke zur Weißeritz, an dem noch Fahrleitungsrosetten zu erkennen sind. Hier befand sich bis 1891 auf dem Gelände des Reisewitzschen Gartens, direkt an der Ufermauer der Weißeritz, das Wasserpalais des Anwesens, das zeitweilig der skurrilen Gräfin von Kielmannsegg (auf der Karte Kielmannseck) als Wohnstatt diente, weswegen die heutige Agnes-Smedley-Straße auch bis Ende der 1940er Jahre den Namen Kielmannseggstraße trug.





    Szenerie an der Habsburgerstraße mit der Keilmannseggstraße im Hintergrund, noch nimmt die Straßenbahn den kurvigen Weg zur alten Straße in den Plauenschen Grund.




    Historischer Blick Ende der zwanziger Jahre in die Gegenrichtung. Die alte Straße ist verschwunden, und der Zug der Linie 16 aus großen MAN-Wagen hat sich aus der Schleife Altplauen gerade auf die lange Reise über Chemnitzer Platz, Nöthnitzer und Münchner Straße, Hauptbahnhof, Prager Straße, Pirnaischer und Rathenauplatz, Marschallstraße, Johannstadt und Blasewitz zur Ludwig-Hartmann-Straße in Neugruna begeben.



    Machen wir noch einmal einen Abstecher in das Gelände der Bienertmühle.




    Hier finden sich noch immer Gleisreste der firmeneigenen Güterstraßenbahn, mit der u.a. die Verbindung zur Bienertschen Hafenmühle in der Friedrichstadt aufrecht erhalten wurde. Der Wagenkasten eines Beiwagens der Bienertbahn befindet sich heute in der Sammlung des Straßenbahnmuseums Dresden. Im Hintergrund die Bienertsche Villa in der Sanierung – eine Rettung quasi in letzter Sekunde.




    Blick aus dem Hof auf das besagte Eckhaus an der Weißeritz.




    Zum Ende ein größerer Sprung an den Dreikaiserhof in Löbtau. An die 1998 eingestellte Straßenbahn durch die obere Tharandter Straße erinnert noch immer die als „Husch-Halle“ stadtbekannte ehemalige Wartehalle, einer der (wenn nicht sogar der) letzte Vertreter der einst im ganzen Stadtgebiet vertretenen gleichartigen repräsentativen Nutzbauten der Städtischen Straßenbahn.




    Die letzten Reste der Gleiskreuzung der „Plauenschen Grundbahn“ mit der aus der Kesselsdorfer Straße kommenden Wölfnitzer Strecke.





    Wir verabschieden uns mit einem Auszug aus dem „Handbuch für den Dresdner Straßenbahn-Verkehr“, Oktober 1909, welches uns eine vollständige Liste der zahlreichen Haltestellen der Linie 22 vermittelt.


  • Durch den Plauenschen Grund (Ergänzung)

    Hallöle,


    da ich davon ausgehe, dass es hier neben meinereiner auch noch andere verkehrlich interessierte Foristen gibt, noch ein bildlicher Nachtrag zu obiger Beitragsserie aus dem romantischen Plauenschen Grunde. Zu sehen ist ein Linienschild der zuletzt hier verkehrenden Drei, die Grunddurchfahrt erstreckt sich auf den Bereich zwischen Fichtestraße (letzter Haltestelle auf Freitaler Gebiet) und Fritz-Schulze-Straße. Auf die damals wie heute gültigen Haltestellenbezeichnungen dazwischen nehmen auch die Beiträge explizit Bezug.




    Derartige Schilder aus robustem lackiertem Pressspan zierten die hier bis zuletzt ausschließlich verkehrenden "MAN"-Vorkriegswagen von 1969 bis 1974, als sie von Ikarus-Gelenkbussen des VEB Kraftverkehr Dresden unter der Linienbezeichnung "3A" abgelöst wurden - eine Hybridbezeichnung aus der ehemaligen DVB-Linie 3 und der kraftverkehrstypischen Buchstaben-Stadtbuskennung, eine andere Stadtbuslinie existierte zu diesem Zeitpunkt in Freital noch nicht (daher das "A"). Unter alleiniger letzterer Bezeichnung firmiert die Linie seit 1992 bis heute.

  • Durch die Nöthnitzer Straße nach Altplauen (Teil I)

    Weiter geht es heute in und durch Plauen, wobei wir am ehemaligen Endpunkt an der Nöthnitzer Straße beginnen und zunächst die seit 1945 nicht mehr existente Verbindung nach Altplauen begehen wollen.


    Die Straßenbahn erreichte von der Reichenbachstraße kommend die Ecke Bernhardstraße/Nöthnitzer Straße, unweit der heutigen Gleisschleife, im Jahre 1900. Die seit 1905 als Linie 1 firmierende Verbindung von Plauen nach Blasewitz, Loschwitz und Neugruna wurde 1909 zunächst durch die Nöthnitzer Straße bis zum Rathaus Plauen verlängert, wobei hier kein Anschluss an die bestehende Strecke vom Westendring der Linie 15 bestand (siehe betreffender Beitrag).


    Ab 1926 kreuzte die Linie 1 die 15 auf dem Chemnitzer Platz und setzte ihre Fahrt durch Altplauen bis zur neuen Gleisschleife Habsburgerstraße, bis 1998 Fritz-Schulze-Straße, fort, ab 1928 erhielten die nach Neugruna verkehrenden Wagenzüge die Nummer 16. Dabei blieb es bis zum 13. Februar 1945. Obwohl Plauen selbst relativ glimpflich davongekommen war, erfolgte die Wiederinbetriebnahme des Straßenbahnverkehrs durch die Nöthnitzer Straße nicht mehr, und erst 1953 sollten die ersten Züge der Linie 15 die neu gebaute Gleisschleife Nöthnitzer Straße erreichen. Die Plauener erhielten somit zumindest die Verbindung zum Hauptbahnhof wieder, auch wenn der Weg zur Straßenbahn nun mit längeren Fußmärschen verbunden war.


    Die Linie 15 wurde mit der Linienreform 1969 zunächst beerdigt, und für die nächsten 26 Jahre sollte die 11 an der Nöthnitzer Straße heimisch werden, zwischenzeitlich begleitet durch die Linie 3, später die 5. Seit 1995 ist schließlich erneut die Drei die Linie der Plauener, seit 1999 verlängert den Berg hinauf bis nach Coschütz.




    Linienschilder der 11 (Mitte der 70er Jahre) und der 5 (von 1989), beide Linien teilten sich den Endpunkt Nöthnitzer Straße zwischen 1977 und 1992.



    Beginnen wollen wir mit dieser merkwürdigen Skulptur am Endpunkt Plauen. Was hat es damit auf sich…?




    An der Münchner Straße hat sich eine kürzlich sanierte Wohnzeile im typischen expressionistischen Endzwanziger-Stil erhalten. Blick gen Norden im Bereich der Ausstiegshaltestelle der heute nur noch als Zwischenendpunkt genutzten Gleisschleife Nöthnitzer Straße.




    Hierzu zwei Eingangsportale:





    Bis 1945 vereinten sich die getrennten Richtungsgleise in der Münchner Straße an deren südlichen Ende und bogen rechts in die Nöthnitzer Straße zum einstigen Endpunkt ab. Heute nimmt die Gleisschleife die platzartige Erweiterung ein.





    Bereich des ehemaligen Endpunktes an der Bernhardstraße, jetzt und einst.





    Blick durch die Nöthnitzer Straße in Richtung Rathaus Plauen. Jetzt und einst.





    Blick zurück zur Münchner Straße. Typisch für Plauen ist hier die Mischung aus Mietvillen, Vorstadthäusern und Nachkriegs-Lückenbauten.




    Erst seit 2009 wird die Nöthnitzer Straße wieder von öffentlichen Verkehrsmitteln durchfahren, und zwar in Form der Buslinie 85. Hier an der Haltestelle Kaitzer Straße, die es einst auch für die Straßenbahn gab.




    Ein Blick in die Kaitzer Straße hangaufwärts nach Süden, und nordwärts gen Hauptbahnhof. Kilometerlang geht es schnurgeradeaus, man könnte fast meinen, die Römer hätten ihre Hände im Spiel gehabt… Die Bilder vermitteln recht gut das typische gutbürgerliche Plauener Ortsbild, gerade einmal 10 Minuten vom Hauptbahnhof entfernt. Eine Arbeitervorstadt war dies hier nie.





    Gebäude der 55. Oberschule „Gottlieb Traugott Bienert“, einst 1882 als Höhere Volksschule erbaut. Der heutige Namensgeber und umtriebige Mühlenbesitzer stiftete das Grundstück für das Schulgebäude. Dahinter bereits das Plauener Rathaus, unser „Zwischenendpunkt“.




    Mittelrisalit des Schulgebäudes mit Haupteingang:




    Rathaus Plauen, Front zur Nöthnitzer Straße. Hier befand sich ab 1909 der Endpunkt der verlängerten Linie 1.




    Südseite der Nöthnitzer Straße mit Schulgebäude:




    Blick zum F.-C.-Weiskopf-Platz, einst Münchner Platz, davor Rathausplatz. Hier werden wir im nächsten Beitrag unseren Weg jenseits der Chemnitzer Straße fortsetzen.




    Abschließend noch einige Impressionen der Nordseite des Plauener Rathauses.





  • Durch die Nöthnitzer Straße nach Altplauen (Teil II)

    Beginnen wir den zweiten Teil mit dieser lauschigen Ansicht des Rathauses Plauen. Links davon die Nöthnitzer Straße, wo wir gerade waren.




    Nordseite des heutigen F.-C.-Weiskopf-Platzes mit Lückenbebauungen, auch hier ein historischer Vergleich. Die merklich gesprossenen Bäumchen verstellen heute den Blick, verleihen dem Platz jedoch eine sehr angenehme Atmosphäre.





    Die aktuelle Westseite mit dem Müllerbrunnen, dazu der Einst-Vergleich mit dem Restaurant Müllerbrunnen, das wie große Teile der Platzbebauung der Kriegszerstörung anheim fiel.





    Blick zurück zum Rathaus mit der zuletzt gebauten Südseite des Platzes von eher nichtssagender Natur.




    Die 1926 verlängerte Straßenbahnstrecke bog nun in einer eleganten S-Kurve nach Altplauen ein.




    Blick zur Auferstehungskirche, im Hintergrund die Einmündung der Reckestraße. Die Straßenbahn setzte vor der Stützmauer ihre S-Kurve nach rechts fort und wurde eingleisig.




    Gemeindehaus der Auferstehungskirche, von links trifft die Reckestraße auf Altplauen. Von 1945 bis 1998 wurde hier durch diese sehr enge und steile Straße die Coschützer Strecke „provisorisch“ an das Reststück der Altplauener Querverbindung angebunden, der Straßenbahnverkehr auf dem bisher begangenen Streckenabschnitt endete wie bereits beschrieben kriegsbedingt 1945. Seit 1998 ist die Straßenbahn auch auf dem Plauenschen Ring und dem Reststück der Verlängerung von 1926 Geschichte, doch dazu später mehr.




    Der nun folgende Abschnitt entlang der Stützmauer des Plauener Friedhofs und weiter durch die Reckestraße galt sicher nicht zu Unrecht als einer der schönsten und interessantesten Streckenabschnitte der Dresdner Straßenbahn. Leider ist es damit seit 18 Jahren vorbei.





    An der Bienertmühle kommt der Plauener Haltepunkt bereits in Sichtweite.




    Zunächst widmen wir uns jedoch der bis ins tiefe Mittelalter zurückgehenden Auferstehungskirche,
    die ihr heutiges Aussehen 1900 bis 1902 nach Plänen von Lossow und Viehweger erhielt, die auch für das Plauener Rathaus verantwortlich zeichnen.




    Einige Impressionen des Kirchbaus.







    Das im mittelalterlichen Turmstumpf befindliche einstige gotische Westportal ist heute zugesetzt.




    Friedhofs-Impressionen, blick nach Altplauen und zur Bienertmühle.





    Blick durch das Friedhofsportal zurück über Altplauen zum F.-C.-Weiskopf-Platz.




    Zum Abschied noch einmal der Turm der Kirche durchs Friedhofsgeäst.




    Auf dem weiteren Weg Richtung Haltepunkt Plauen passieren wir die Zwickauer Straße, das Eckhaus weist deutliche Kriegsbeschädigungen auf, die vereinfacht behoben wurden.




    Das heute als Kinder- und Jugendhaus genutzte Empfangsgebäude des neuen Plauener Bahnhofes. Den alten haben wir auf unserem Gang durch den Plauenschen Grund passiert.




    Wir blicken durch die Brücke unter dem Haltepunkt zur Weißeritzbrücke, da wo vor wenigen Wochen die Reise durch den Plauenschen Grund endete. Damit verabschieden wir uns fürs Erste, denn nun heißt es kehrt machen…




    …es bleibt ja noch der Restabschnitt gen Coschütz.

  • Von Altplauen zur Westendkurve




    ---Vorbetrachtung---


    Durch die totale Zerstörung entlang der Chemnitzer Straße war an eine Wiederinbetriebnahme der zweitältesten Dresdner Straßenbahnstrecke zwischen Plauen und Postplatz nicht zu denken. - Wir haben dies ja bereits im Beitrag über die Linie 15 näher beschrieben.


    Die besagte Strecke war 1927 über den Plauenschen und Westendring nach Coschütz verlängert worden und erfüllte ein dringendes Verkehrsbedürfnis für die hoch über dem Elbtal gelegenen Vororte Coschütz, Hohendölzschen und Hohenplauen. Somit wurde der unbeschädigt gebliebene Bergabschnitt bereits 1945 ab der einstigen Endstelle der Linie 15 auf dem Plauenschen Ring über die Reckestraße an die noch bestehende Gleisanlage der ebenfalls stillgelegten Altplauener Querverbindung angeschlossen, so dass nach Coschütz fahrende Züge nunmehr wenigstens mit dem Umweg über die Tharandter und Löbtauer Straße das Stadtzentrum erreichen konnten. Bei diesem Zustand sollte es bis zur Einstellung des Straßenbahnverkehrs auf der Tharandter Straße und dem anschließenden Abschnitt nach Coschütz 1998 bleiben, auch wenn die Liniennummern wechselten: aus der 6 wurde die 11, dann die 1, dann die 12, zuletzt befuhr von 1995 bis 1998 die Linie 8 die bereits stark verschlissenen Gleise.


    Nicht erst aus heutiger Sicht war diese Stilllegung ein großer Fehler. Bereits vor 18 Jahren sorgte sie nicht nur bei den Anwohnern für völliges Unverständnis. Während Coschütz seit 1999 über die neu gebaute Westendkurve wieder erreichbar ist, hat das Plauener Ortszentrum keinerlei Straßenbahnanschluss mehr. Das ist umso unverständlicher, als es sich um einen sehr begehrten, dichtbevölkerten und zentrumsnahen Stadtteil handelt, dessen reine Busanbindung sich als zunehmend unzulänglich erweist. Die selten verkehrende S-Bahn kann nicht wirklich als adäquater Ersatz gelten. Man kann nur hoffen, dass es zu der von den DVB angestrebten Wiederbelebung der Straßenbahnstrecke über die Chemnitzer Straße kommt – es würde die wohl nach der Pfotenhauerstraße empfindlichste Lücke im Dresdner Straßenbahnnetz endlich wieder geschlossen…


    ---



    Haltestellenseite eines 12er-Schildes, Mitte der siebziger Jahre. An der Fritz-Schulze-Straße ist bereits der Anschluss der Straßenbahn-Ersatzlinie 3A ausgewiesen. Die Linie 12 befuhr die Strecke von 1972 bis 1995. Das Schild muss aber noch vor 1977 gedruckt worden sein, denn am Bahnhof Niedersedlitz besteht Anschluss zur Ende jenen Jahres eingestelllten Lockwitztalbahn (Linie 31). Diese ist noch ein gesondertes Kapitel wert…



    Wir beginnen wieder am Plauener Bahnhof. Seit 1926 befindet er sich in seiner heutigen Hochlage, vorher kreuzten hier die Gleise der Eisenbahn ebenerdig. Heute hält hier sinnigerweise wieder der Bus, die betreffende Straßenbahnhaltestelle wurde aus unerfindlichen Gründen nach dem Krieg eingezogen und tauchte bis 1998 nicht wieder auf, wie ein Blick auf das obige Schild verrät.




    Blick durch die Brücke zur Zwickauer Straße und nach Altplauen. Die hier eingleisige Strecke lag direkt neben der Stützmauer auf der bergan gesehen rechten Straßenseite.




    Kurzer Abstecher in die Bienertmühlenhöfe, wo wir die noch vorhandenen Gleisreste der Güterstraßenbahn in Augenschein nehmen. Im Hintergrund jeweils die im Wiederaufbau befindliche Bienertsche Villa.





    Blick aus dem östlichen Hof in die Zwickauer Straße.




    Eckhaus an der Zwickauer Straße, deutlich wird die starke Steigung von Altplauen, die einst durch die Straßenbahn bewältigt werden musste.




    Streckenszene mit Friedhofs-Stützmauer. Bis zuletzt war dieser Streckenabschnitt für Niederflurfahrzeuge tabu, zuletzt fuhr hier die 8 mit TATRA-Traktionen. Die 12 bewältigte die Steigung zu ihren besten Zeiten mit Großzügen.




    An dem Wohnhaus in Altplauen ist noch eine bis vor 18 Jahren genutzte Vorkriegs-Fahrleitungsrosette sichtbar.




    Blick in die Reckestraße, die das über fünfzig Jahre anhaltende Verbindungs-Provisorium zweier vorher betrieblich völlig getrennter Strecken aufnahm. Links ging es bis 1945 weiter zum Chemnitzer Platz und zur Nöthnitzer Straße.




    Reckestraße, Blick talwärts, links das Gemeindehaus.




    Reckestraße, Blick auf den Plauenschen Ring. Von vorn kam das eingleisige Provisorium und wurde hier an die ehemals von links vor dem Eckhaus aus der Coschützer Straße abbiegende Hauptstrecke angeschlossen. Siehe auch der Beitrag über die Linie 15. Ab hier war die Strecke wieder zweigleisig.




    Seitenblick zum Rathaus. Irgendwie schließt sich der Kreis…




    Haltestelle Coschützer Straße. Die gab es auch schon im Schienenverkehr…




    Plauenscher Ring, Blick zurück zur Kreuzung mit der Coschützer Straße. Bis 1945 ging es hier rechts bergab zum Chemnitzer Platz, danach eingleisig durch die Reckestraße zum Bahnhof Plauen.




    Auf dem Plauenschen Ring sind die baumstammdicken Beton-Oberleitungsmasten der Straßenbahn aus DDR-Zeiten noch flächendeckend vorhanden und dienen der Straßenbeleuchtung. Die Gleise wurden bereits vor Jahren restlos entfernt.




    Plauenscher Ring/Ecke Kaitzer Straße. Eine eher ungewöhnliche Ecklösung für den Zwanziger-Jahre-Siedlungsbau…




    Für Plauen typische Mietvillen prägen den unteren Teil des Plauenschen Ringes.




    Froschvilla an der Ecke zur Westendstraße, einer der schönsten Jugendstilbauten der Stadt.





    Wo ist der namensgebende Frosch?




    Blick durch die Westendstraße zur Münchner Straße, im Hintergrund der Ausgangspunkt unseres Rundgangs. Da unten gibt es auch wieder eine Straßenbahn.




    Ach, da isser ja!




    Sonntägliche Ruhe am Westendring im Bereich der einstigen Straßenbahnhaltestelle Westendstraße. In Bildmitte noch einmal die Froschvilla.




    Der obere Bereich des Plauenschen Ringes wurde erst ab Ende der 20er Jahre bebaut. Gründerzeitliche Bauten findet man hier nicht mehr, dafür typische Vertreter der zwanziger und dreißiger Jahre.





    Wir nähern uns der Spitzkehre des Plauenschen und Westendrings. Diese dürfte wohl eine der meist fotografierten Stellen des Dresdner Straßenbahnnetzes gewesen sein.




    Der Blick geht noch einmal zurück den Plauenschen Ring hinab.




    Überblick über die „Westendkurve“ von der Liepsch-Bank über der Haltestelle Cämmerswalder Straße, ex Fußweg nach Kaitz. Statt der Straßenbahn dreht heute ein Bus der Linie 63 dort seine Runden. Die Straßenbahn verschwindet nunmehr von Coschütz kommend rechts im Hang, um in einer größeren Kurve den Ausgangspunkt unseres Rundgangs, die Gleisschleife an der Nöthnitzer Straße, zu erreichen.





    Diese durch die Linie 3 bediente Neubaustrecke mit Wiederanbindung der Fortführung nach Coschütz existiert seit 1999. Wir blicken Richtung Coschütz, ab hier befand sich die Strecke bereits seit Eröffnung 1927 nicht mehr im Straßenplanum, sondern auf besonderem Bahnkörper, das Rasengleis allerdings ist eine neuzeitliche Zugabe. Im Hintergrund der Fichteturm.





    Vielleicht noch einige Worte zur Westendkurve:


    Diese war nicht nur besonders malerisch, sondern auch besonders gefährlich. Mehrmals kam es hier zu Unfällen wegen Bremsversagens, so schon in recht drastischer Form im Jahr der Streckeneröffnung 1927.



    Das bislang schwerste Unglück in der Geschichte der Dresdner Straßenbahn ereignete sich allerdings am 9. Dezember 1959. Es gab 11 Todesopfer und über 70 Verletzte zu beklagen.


    ---Epilog---


    Nur drei Jahre sollte nach der bislang vorletzten großen Straßenbahn-Linienreform 1995 die Strecke von Altplauen nach Coschütz noch Bestand haben und durch die Linie 8 bedient werden. Die allerletzten Linienschilder für die noch unmodernisierten TATRA-Wagen trugen die Farbe orange, da zur gleichen Zeit die Autobahnbrücke in Hellerau gebaut wurde und die Linie 8 somit nur bis zum „Abzweig“ verkehrte, den Rest übernahm die Pendellinie 48.




    ---



    Damit möchte ich die Serie über die Strecken im Raum Plauen beschließen und wende mich demnächst anderen Gegenden zu. Ein schönes Rest-Wochenende!

  • Die Cottaer Blockumfahrung

    Why does it always rain on the photographer?


    Da will man schon einmal das Wochenende nutzen und einen weiteren Bildbeitrag produzieren, und dann ein solches Sauwetter…


    Eigentlich stand die Cossebauder Strecke auf dem Programm, aber angesichts der meteorologischen Begleitumstände musste ich dankend darauf verzichten. Um nicht völlig unverrichteter Dinge die Heimkehr über die Elbe anzutreten, wurde kurzfristig umdisponiert und einer Verkehrsanlage ein Besuch abgestattet, die ihre Nichtmehrexistenz eigentlich eher einem nahverkehrlich erfreulichen Ereignis verdankt…



    1928 erreichte die im Jahre zuvor von der Cottaer bis zur Kronprinzenstraße (Rudolf-Renner-Straße) verlängerte Linie 18 die Gegend des Hebbelplatzes, der sich bis dahin nur sehr einseitig bebaut darbot. Dabei wählte man eine größere Blockumfahrung durch die Steinbacher, Gottfried-Keller- und Hörigstraße zurück zum Hebbelplatz anstelle einer Umsetzanlage, mit einem zweigleisig ausgebauten Endpunkt in der Gottfried-Keller-Straße, die auch namensgebend für das Fahrtziel der Züge der Linie 18 wurde.




    Lange Jahre, genauer bis 1957, blieb die 18 in Cotta heimisch, als sie ihren Endast schließlich mit der Linie 20 tauschte und nach Leutewitz verlegt wurde. Wir sehen hier den Werktagsfahrplan aus dem Jahre 1929, also einem Jahr nach Streckeneröffnung, veröffentlicht im Fahrplanheft der Städtischen Straßenbahn.




    Ab Ende der 40er Jahre wurde der Endpunkt von der Gottfried-Keller-Straße in die Hörigstraße verlegt und entsprechend umgetauft. Wenig später erfolgte die Demontage des zweiten Gleises in der Gottfried-Keller-Straße, so dass die Schleife sich bis 1983 rundherum eingleisig darbot. Auf die 20 folgte ab 1969 bis 1986 die Linie 2, bis sich in den 80er Jahren durch den Bau des Gorbitzer Neubaugebietes alles ändern sollte…



    Fensterschild der Linie 2 von etwa 1980. Noch lag der Endpunkt in der westlichen Dresdner Vorstadtidylle, doch der Bau des Neubaugebietes wirft seine Schatten voraus…





    1983 erfolgte zur Erschließung des besagten Wohnbaustandortes die Eröffnung einer neuen Querverbindung von Cotta nach Wölfnitz durch die Wilhelm-Franz-Straße, die seitdem nur noch dem Straßenbahnverkehr vorbehalten ist. Der bestehende Bahnkörper auf dem Hebbelplatz wurde hierzu zweigleisig ausgebaut und die Schleife in das aus Wölfnitz kommende Streckengleis eingebunden. Durch die Verlängerung war die Blockumfahrung eigentlich hinfällig geworden, doch wendete hier weiterhin die Zwei, währenddessen die Linie 17 den neuen Abschnitt nach Wölfnitz übernahm. Drei Jahre später wurden aus betriebstechnologischen Gründen die Endpunkte getauscht, die 17 übernahm nun als letzte Linie den Planbetrieb zur Hörigstraße, die Zwei fuhr von nun an nach Wölfnitz. Als 1988 schließlich die Gorbitzer Strecke für die Linien 2, 7 und 10 eröffnet wurde, kehrte die 17 bis 1992 nach Wölfnitz zurück.



    Das letzte Planschild zur Hörigstraße. Die Aufnahmen durfte ich dankenswerterweise im Archiv des Straßenbahnmuseums Dresden machen, da ich leider kein solches Schild besitze. Nochmals vielen Dank!





    Die Schleife Hörigstraße verblieb nunmehr ohne Planbetrieb, wurde aber noch bis 1995 als Betriebsstrecke bei Umleitungen und Störungen gern genutzt. Dann wurde sie endgültig stillgelegt, und die Gleise und Oberleitungen verschwanden in den Folgejahren…



    Am Hebbelplatz beginnen wir unseren Rundgang bei strömendem Regen und blicken auf die Kurve aus der Steinbacher Straße auf den besagten Platz. Bis 1983 ging das linke, landwärtige Gleis nur geradeaus, dann lag hier bis 1995 eine Weiche.




    Einmal gedreht erblicken wir den seit 1928 zunächst eingleisigen Bahnkörper auf dem Hebbelplatz und blicken auf die Genossenschaftsbauten aus den späten Zwanzigern. Davor die vor Jahren neu gestaltete Haltestelle Hebbelplatz.




    Die historische Postkarte dürfte kurz nach Streckeneröffnung entstanden sein und zeigt den Hebbelplatz noch ohne die auf dem Vorbild zu sehenden Häuser, im Hintergrund das Punkthaus an der Steinbacher Straße. Der Straßenbahnwagen der Linie 18 hat gerade die stadtwärtige Haltestelle Hebbelplatz verlassen und begibt sich auf die lange Reise nach Pillnitz. Bemerkenswert ist in jedem Fall der Umspannturm.




    Blick in den oberen Abschnitt der Steinbacher Straße. Das Gleis der nunmehrigen Blockumfahrung lag bis zuletzt in Straßenmitte.




    Um 90 Grad nach links gedreht sowie etwa einhundert Jahre zurück: Das Eckhaus Hebbelplatz/Steinbacher Straße sah noch etwas gefälliger aus, das Straßenschild am Beginn des Beitrags dürfte aber schon in situ gehangen haben. Auf dem Hebbelplatz selbst ist an eine Straßenbahn noch nicht zu denken…




    Im Dauerregen durcheilen wir die Steinbacher Straße in Fahrtrichtung und sehen vor uns die Einmündung der Grillparzerstraße. Die Betonoberleitungsmasten dienen heute nur noch der Straßenbeleuchtung.




    Das markante Eckhaus zur Grillparzerstraße aus der Nähe…




    …und gegenüber das zum türkischen Gourmettempel umfunktionierte Turmhaus Cotta in zartem Schweinchenrosa.




    Die zeitgenössische Lithographie hatte da doch etwas mehr Charakter, zumal das Gebäude irgendwann seinen namensgebenden Turm eingebüßt hat.




    Das sehr unscheinbare und zudem totsanierte Haus in der Steinbacher Straße ist eigentlich kein Foto wert, aber es präsentiert stolz noch zwei Rosetten der Fahrleitungsaufhängung. Überhaupt sind an den nun folgenden Gebäuden zahlreiche Oberleitungsaufhängungen erhalten, sicherlich aufgrund der späten Stillegung der Strecke zu einem Zeitpunkt, als viele davon bereits ihre erste Nachwendesanierung hinter sich hatten.



    Blick von der Kreuzung Steinbacher/Gottfried-Keller-Straße zurück zum Turmhaus Cotta. Dieses Rosa…




    Eine ziemliche Steigung war an der Einfahrt in die Gottfried-Keller-Straße zu überwinden, rechts aus dem Bild verlässt uns die Steinbacher Straße in Richtung Omsewitz. Das Nachwendeeckhaus entstand bereits Anfang der 90er Jahre anstelle eines niedrigeren Vorgängerbaus und besitzt sogar noch zwei Oberleitungsaufhängungen!




    Typische Cottaer Würfelhausbebauung in der Gottfried-Keller-Straße. Auf der Straße davor befand sich bis Anfang der 50er Jahre die zweigleisige Aufstellanlage des Endpunktes Gottfried-Keller-Straße. Wenige Jahre zuvor war dieser ums Eck nach links weit weniger verkehrsbehindernd in die Hörigstraße verlegt worden…




    An der Ecke zur Hörigstraße ging es wie gesagt nach links, und das recht scharf. Niederflurwagen hat diese Kurve nicht mehr gesehen.




    Das gegenüberliegende Eckhaus zeigt sich in angenehmem Sanierungszustand und trägt eine schöne rote Klinkerfassade.




    Blick durch die Gottfried-Keller-Straße zurück zur Steinbacher, vor uns breitete sich einst der erste Endpunkt aus.




    Der zweite lag ums Eck in der Hörigstraße und bot, obwohl nur eingleisig, Platz für die Aufstellung mehrerer Züge. Das Gleis befand sich in Straßenmitte, links ist noch die originale Straßenpflasterung erkennbar. Die zahlreichen Pkws zeigen einen der Hauptgründe für die Aufgabe der Schleife 1995: die massiven Beschwerden der Anwohner, denn schließlich musste der Gleis- und Haltestellenbereich freigehalten werden. Dem heil’gen Blechle war natürlich eine höhere Priorität einzuräumen. Eine ähnliche Situation bietet sich heute noch in der Leubener Klettestraße, doch letztere Blockumfahrung hat, obwohl seit Jahrzehnten nur noch Betriebsstrecke, bis heute überlebt…




    Cottaer Würfelhausbebauung in der Hörigstraße.





    Blick in die Gegenrichtung, in den 80ern hätten wir genau in das Antlitz eines Tatra-Großzuges der Linie 2 oder 17 geschaut.




    Früher kam die Bahn in einem Bogen von rechts, heute aus der Wilhelm-Franz-Straße. Die Linie 2 hat am Hebbelplatz mittlerweile eine bis 1969 zurückreichende Tradition.




    Noch einmal blicken wir in die Hörigstraße, vor uns eine bahnübergangsähnliche Straßenquerung. Die Straßenbahnstrecke kommt heute eher daher wie eine Stadteisenbahn – von einer behutsamen Einordnung in das städtebauliche Umfeld kann man angesichts von Andreaskreuzen, Ampelanlagen, baumstammdicken Oberleitungsmasten und Kettenfahrleitung nun wirklich nicht sprechen.




    Die ältere Bebauung der Hebbelplatz-Ostseite, interessant ist ein Vergleich mit der weiter oben gezeigten Postkarte aus den Endzwanzigern. Damit beschließen wir unseren Rundgang und sehen zu, dass wir eine trockene Straßenbahn erreichen.




    Nachtrag: Zuletzt tauchte die Hörigstraße im Jahresfahrplan 1987/88 auf.




    Gern wurde die Cottaer Schleife auch für Umleitungen genutzt. So zum Beispiel für die notorische Erster-Mai-Variante der Linie 3, das zugehörige Pappschild stammt von 1982.


  • Auf den Spuren der Dresdner Haide-Bahn (Teil I)


    Quelle: http://www.germanpostalhistory.com/



    Der heutige Beitrag ist in diesem Strang eigentlich etwas deplatziert, denn weder handelt es sich bei dem Objekt unserer Betrachtungen um eine Straßenbahn im eigentlichen Sinne, noch ist die Verbindung zwischen dem Arsenal und Klotzsche „ehemalig“, denn die gute alte Sieben befördert die Bevölkerung des Dresdner Nordens seit nunmehr 105 Jahren zuverlässig und schnell von der Stadt auf die Höhen des Elbtals. Doch handelt es sich bei der Dresdner Haide-Bahn um ein zwar sehr kurzes, dafür um so interessanteres Kapitel in der Geschichte des Dresdner Nahverkehrs, so dass ihr durchaus ein eigenes Kapitel gewidmen werden sollte. (Abgesehen davon benötigte ich ganz pragmatisch auch einen triftigen Grund, den Dresdner Norden an dieser Stelle zu verewigen ;) )



    Zur Vorgeschichte:


    Die Klotzscher waren um die Jahrhundertwende stinksauer, denn die Verkehrsanbindung des aufstrebenden Örtchens an die Residenz ließ gelinde gesagt zu wünschen übrig. Zwar existierte längst eine lokale Eisenbahnhaltestelle, aber die Staatsbahn war teuer, zudem lag der Bahnhof im Ortsteil Königswald weit abgelegen vom eigentlichen Ortszentrum. Und die Dresdner Straßenbahn AG weigerte sich doch beharrlich, ihre existierende Linie vom Arsenal bis in die damals noch säuberlich von den Sanddünen des Hellers und der Dresdner Heide von der Stadt getrennten Gefilde des hübschen Heidefleckchens zu verlängern! „Unrentabel!“, hieß es da. „Kein Verkehrsbedürfnis!“, mussten sich die aufgebrachten Klotzscher abfertigen lassen. So hieß es nach wie vor, sich nach Verlassen der komfortablen Elektrischen am Arsenal in den engen Pferdeomnibus der Dresdner Fuhrwesen-Gesellschaft zu drängen, um sich über die holprige, unbefestigte Königsbrücker Chaussee durch den damals noch viel dichteren und finstereren Heidewald unter unmenschlicher Malträtierung des besten Körperteils den Berg hinauf kutschen zu lassen. Skandal!


    Da trat der umtriebige Dresdner Unternehmer Carl Stoll auf den Plan. Dieser hatte sich bereits einen Namen als Zulieferer für die Dresdner Straßenbahnbetriebe gemacht und besaß also neben einer exzellenten Expertise als Waggonhersteller zudem das Patent für eine „gleislose Bahn“, wie man den Oberleitungs-Omnibus damals noch bezeichnete. Der Herr Entrepreneur war auf der händeringenden Suche nach einer Referenzstrecke für sein System, bei dem der Motorwagen den als Kontaktwägelchen auf der zweipoligen Oberleitung rollenden Stromabnehmer hinter sich herzog.


    Die Gemeinde Klotzsche war angesichts dieser technischen Errungenschaft natürlich hellauf begeistert, und am 23. März 1903 konnte die 5,2 Kilometer lange Strecke vom Arsenal zur „Deutschen Eiche“ in Klotzsche-Königswald in Betrieb genommen werden. Es gab sieben Zwischenhaltestellen (gesichert sind die am Heller, dem Schänkhübel und Arndts Kurhaus in Klotzsche). Zunächst standen drei, später fünf Wagen in Betrieb. Wer brauchte jetzt noch die olle Straßenbahn, zumal der Herr Stoll die Bahn auf eigene Kosten selbst betrieb?



    Auszug aus dem Dresdner Adressbuch von 1903 mit den Tarifen der Haidebahn (hier zusammengeschrieben).



    Alles hätte so schön sein können. Das gleislose Bähnchen hatte allerdings eine nur sehr kurze Halbwertszeit, genau genommen rumpelte es gerade mal ein Jahr, von 1903 bis 1904, auf der rechten Seite der noch unbefestigten Königsbrücker Chaussee den Hang hinauf. Denn das Stollsche System war derart "erfolgreich", dass die getätigten Investitionen die Firma so zügig ruinierten, dass nicht nur die schnell auftretenden diversen technischen Probleme nicht behoben werden konnten, sondern eine Weiterentwicklung des anfälligen Systems unmöglich wurde. So musste bei der Begegnung zweier Wagen der Kontaktwagen abgestöpselt und das Kabel an den nächsten Wagen übergeben werden, denn es gab nur ein Fahrleitungspaar; eine zeitraubende Prozedur. Außerdem fiel das leichte Wägelchen auch gern mal von der Oberleitung. Zudem litten die Wagen unter den katastrophalen Fahrbahnverhältnissen und vice versa. Zu guter Letzt verbreiteten die Antriebe der Fahrzeuge einen derart ohrenbetäubenden Lärm, dass die Anwohner auf die Barrikaden gingen. Dagegen war das Wiehern der fuhrweseneigenen Pferdchen geradezu eine akustische Wohltat!


    Ich habe mich bereits vor einiger Zeit der Haide-Bahn im Maßstab 1:87 gewidmet, wobei zwei Fahrzeuge entstanden: Wagen 1 verkehrt in normaler Ausführung mit Speichenrädern nach Klotzsche, während Wagen 5 die Winterkonfiguration mit Kufen und Eisreifen repräsentiert und die Gegenrichtung befährt; letzteres (die Eisreifen und Kufen, nicht die Fahrtrichtung!) wurde schnell polizeilich verboten, da die Spikes und Riffel die ohnehin nicht gerade ebene geschlämmte Chaussee vollends ruinierten. Das war insofern allerdings nur ein geringeres Problem, als die Bahn ohnehin nur einen Winter erleben sollte...



    Die Wägelchen von vorn, deutlich erkennbar das sattelschlepperähnliche System Stoll mit zweiachsigem Motorwägelchen, auf den der zweiachsige Personenwagen aufgesattelt wurde; auf eine Nachbildung des Kontaktwagens wurde (noch) verzichtet, dazu gilt es noch ein Diorama zu basteln. Der Fahrer thronte majestätisch hoch droben auf einer Art Kutschersitz und hatte somit alles im Blick.




    Und von hinten. Die Wagenkästen entsprachen den üblichen Stoll-Aufbauten für dreifenstrige Beiwagen, wie sie für die Dresdner Straßenbahn gefertigt wurden. Konstruktionsbedingt waren die Vehikel aber derart hochbeinig, dass die Heckplattformen als einziger Zugang zum Innenraum tiefer angesetzt werden mussten, der Zugang erfolgte von der rechten Seite.




    Am 19. März 1904 erfolgte nach gerade einmal einem Betriebsjahr die Einstellung der sonderbaren Bahn. Stoll hatte sich mit seinem Abenteuer derart verschuldet, dass er sich 1907 nach Eröffnung der Privatinsolvenz zur Flucht in den Freitod veranlasst sah. Obwohl neben der Haide-Bahn noch einige andere Anlagen nach dem gleichen System existierten, sollte es sich nie durchsetzen. Die Zukunft gehörte dem Trolleystromabnehmer des konkurrierenden Ingenieurs Schiemann, dass sich 1901 bereits bei der Biélatalbahn im sächsischen Königstein bewährt hatte…




    Auszug aus dem Dresdner Adressbuch von 1904. Bei Herausgabe des Buches dürfte der Eintrag bereits obsolet gewesen sein, denn die Haide-Bahn hatte aufgehört zu existieren.



    Ab Juni übernahm wieder die Fuhrwesen-Gesellschaft und mit ihr die animalische Traktion. Erst 1911 sah sich der sächsische Staat bemüßigt, die ewig geforderte Verlängerung der Straßenbahn nach Klotzsche in Eigenregie zu unternehmen und von der Städtischen Straßenbahn betreiben zu lassen, allerdings zunächst nur bis zum Schänkhübel.





    Wir beginnen unsere Tour am Arsenal-Hauptgebäude, dem heutigen Militärhistorischen Museum. Unweit begann einst die Haide-Bahn.



    Zum Vergleich eine historische Postkarte, ohne Libeskind-Keil.




    Torhaus aus der Nähe, beachtenswert die Überreste der historischen Ziergitteranlage.




    Blick über die Stauffenbergallee zum Turm der Garnisonkirche.




    Zunächst schauen wir uns noch ein wenig im Umfeld des ehemaligen Straßenbahn-Endpunktes „Arsenal“ um. Hier endete seit 1881 die direkte Vorläuferin der Linie 7, die Pferdebahnlinie Arsenal-Böhmischer Bahnhof. Die Steigung die Königsbrücker Straße hinauf war ab Bischofsweg nur mit Vorspannreitern zu bewältigen. Anstelle des Endpunktes befindet sich heute die Haltestelle „Stauffenbergallee“.




    Daneben das noch immer vor sich hin gammelnde stattliche ehemalige Gebäude der Städtischen Arbeits-Anstalt. Viel Arbeit ist hier noch in die Sanierung zu stecken, allerdings dann in wohl etwas freiwilligerer Art und Weise seitens der in der Örtlichkeit Beschäftigten…




    Wiederum daneben der einstige Lindengarten, der in den 1990ern diesem nichtssagenden Hotelneubau weichen musste. Wenigstens der alte Ballsaal wurde integriert. Einst war das volkstümliche Etablissement sehr beliebt, und sicher hat hier so mancher fesche Soldat beim Tanze sein Mädel abgeschleppt…





    Dann nähern wir uns auch schon dem Endpunkt der Haide-Bahn, die vor den imposanten Stützmauern unterhalb der Wagenschuppen des Arsenal-Komplexes ihren stadtwärtigen Endpunkt hatte. Die festungsartige Architektur ist reine Effekthascherei und diente der Glorifizierung des bekanntermaßen in seiner Geschichte überaus erfolgreichen sächsischen Militärs.






    Im Bestand der Deutschen Fotothek findet sich hierzu jenes wunderbare Postkartenmotiv mit Wagen 1, das sehr schön den technischen Aufbau der Vehikel demonstriert, und das ich hier hoffentlich erlaubter Weise gern einstellen möchte. Der Direktlink findet sich untendrunter.



    Link hier


    An gleicher Stelle wurde auch diese vermutliche Werksaufnahme der Winterkonfiguration getätigt, die mir als Vorbild für das entsprechende Modell diente. Der Urheber des Motives ist wie bei den folgenden Haidebahn-Aufnahmen unbekannt, ich habe es der Wiki entnommen.



    wikipedia



    An der Mauer bei der Sanierung wurde diese Inschrift aus dem Zweiten Weltkrieg gesichert , bei dem Sächsischen Soldatenheim handelt es sich um das heutige Goethe-Institut an der Ecke zur Tannenstraße, zu DDR-Zeiten Haus der NVA.




    Gegenüber auf der linken Straßenseite die Bauten der einstigen Militärarrestanstalt, denen auch die helle Fassadenfarbe nur wenig ihres grimmigen Gesamteindrucks nimmt.




    Das in direkter Verlängerung der Fabricestraße errichte Portal der Wagenschuppen ist auf der Haidebahn-Winterkonfigurationsaufnahme links am Bildrand gerade noch erkennbar und lässt erneut deutliche architektonische Anklänge an den Festungsbau des 18. Jahrhunderts erkennen.




    Blick die Königsbrücker Straße hinunter auf den ehemaligen Endpunktbereich der Haidebahn.




    Das markante Hochhaus der Zeitenströmung – ehemals VEB Strömungsmaschinen, kann mit Fug und Recht nebst der anschließenden Maschinenhalle als ein herausragender Vertreter der Moderne in Dresden gelten.





    Zum Gelände gehören ebenso die Baulichkeiten des einstigen Train-Depots.




    Gegenüber die Baulichkeiten des Proviantmagazins. Die unmittelbar nach der Reichsgründung errichteten Militärbauten der Albertstadt präsentieren sich heute fast durchgängig ansprechend saniert und sinnvollen Nutzungen zugeführt. Hier rumpelte schon die Haidebahn vorbei…




    Letzteres gilt allerdings nicht für die erst 1914 bis 15 errichteten Gebäude der ehemaligen Königlichen Artilleriewerkstatt im Industriegelände. Da gab es hier schon die Straßenbahn.





    Direkt daneben die riesigen Hallen der einstigen Hauptwerkstatt der KVG Sachsen, die hier ihre LKW und Omnibusse auf Vordermann bringen ließ.




    Blick von der Fußgängerbrücke am Haltepunkt Industriegelände auf die Eisenbahnüberführung, die in den 1980ern neu errichtet wurde. Die alte Brücke befand sich rechts daneben und kreuzte die Bahn wesentlich steiler.




    Die einst direkt neben der Brückenrampe angelegte Straße „An der Eisenbahn“ verdeutlicht mit ihrem geschwungenen Verlauf in etwa die ehemalige Kurve der Königsbrücker Straße. Diese befand sich links der Bäume.




    Über die Bahnstrecke geschaut, in etwa in der Achse der restlos beseitigten alten Brücke in Richtung Klotzsche.




    Somit bleibt dieser Blick zurück im Laufe der neuen Brücke auf die Artilleriewerkstatt mit dem markanten Schornstein. Zu dieser Zeit kämpfte der Fotografierende mit einem Graupelschauer.




    Unweit des Standpunktes des letzten Bildes ertappen wir Haidebahn-Wagen Nummer 3 beim Überqueren der alten Eisenbahnüberführung Richtung Dresden fahrend. Die Fahrleitungsanlage befand sich bergseitig gesehen immer auf der rechten Fahrbahnseite, währenddessen die Straßenbahn links trassiert ist.



    wikipedia


    Der Abzweig nach Hellerau existiert seit 1913, als die Hellerauer Strecke das Licht der Welt erblickte. Lange Jahre pendelte hier ein Wagen der Linie 7, seit 1937 bilden die 7 und 8 auf der Königsbrücker Straße ein untrennbares Pärchen.




    Unsere Haidebahn passierte hier noch unberührten Urwald, wie dieses Bild des bergan nach Klotzsche rumpelnden Wagens 3 beweist.



    wikipedia



    Am Sonntagmorgen wird wie einst zwischen Abzweig und Hellerau gependelt. Allerdings unter der Liniennummer 8!




    Zum Abschluss des ersten Teils noch einmal ein Griff in die Kuriositätenkiste. Die 7 gehört zu Klotzsche wie… …die Elf zu Bühlau. Undenkbar, dass hier jemals eine andere Straßenbahnlinie fuhr!
    Und dennoch begingen die Dresdner Verkehrsbetriebe 1992 das für unmöglich gehaltene Sakrileg, die Endpunkte der Linien 7 und 8 zu tauschen und die Klotzscher und Weixdorfer mit der „Acht“ zu beglücken. Man kann sich den Aufschrei der Entrüstung unter den Eingeborenen vorstellen, als sie sich plötzlich gezwungen sahen, die ungeliebte „Hellerauer“ 8 zu besteigen, die sie sonst mieden wie der Teufel das Weihwasser! Gerüchte allerdings, wonach die Fahrgastzahlen danach ins Uferlose fielen und sogar Untergrundbewegungen zur Rettung der „7“ ins Leben gerufen wurden, gehören wohl ins Reich der Legende…





    Weiter in Bälde in Teil 2.

    3 Mal editiert, zuletzt von antonstädter () aus folgendem Grund: fehlender Link und Bild eingefügt

  • Auf den Spuren der Dresdner Haide-Bahn (Teil II)

    1995 war die Welt wieder in Ordnung, als die DVB die nächstbeste Nachwende-„Linienoptimierung“ nutzten, um den unverzeihlichen Fehler von 1992 wieder auszubügeln. Wir sehen hier das entsprechende Fensterschild aus demselben Jahr – noch gehörten die TATRA-Großzüge zum gewohnten Bild auf der Linie.





    Wir stiefeln indes weiter bergan und schauen auf die schöne Gebäudegruppe in Höhe des einstigen Straßenbahnhofs Klotzsche.




    Dieser wurde wie die meisten kleinen Straßenbahnhöfe nach der „Wende“ abgewickelt und in diesem Fall nicht umgenutzt, sondern nach einer kurzen Zwischennutzung als Baumaschinenlager eingeebnet. Die vor Jahren abgerissene Halle befand sich hinter den Häusern im Grünen. Wir stehen in der einstigen Bahnhofseinfahrt und suchen vergeblich nach diversen Überresten.




    Doch halt, ein kleiner Rest der Grundstückseinfriedung zeugt noch vom einst kleinsten der Dresdner Straßenbahnhöfe.




    An gleicher Stelle befand sich schon die Wagenhalle der Haidebahn. Wir sehen sie hier auf einer launigen Postkarte, die als Zweitmotiv die Haltestelle am „Schänkhübel“ zeigt.




    Das traditionsreiche Gasthaus „Schänkhübel dient heute als Wohngebäude und schottet sich mit einer dicken Mauer vom Verkehr der an dieser Stelle mittlerweile gefühlt zwölfspurigen Königsbrücker Landstraße ab.




    Früher sah es hier so aus. Die Postkarte stammt von 1911, da musste natürlich die brandneue Straßenbahnverbindung, die hier ihren ersten Klotzscher Endpunkt hatte, mit aufs Bild!




    Natürlich gab es auch vom populären „Schänkhübel“ eine der zeitgenössischen Lithographien.




    Endpunkt der Straßenbahn als Postkartenmotiv!




    Und der Jetzt-Vergleich. Die Straßenbreite wurde dezent und einfühlsam den aktuellen Erfordernissen angepasst.




    Blick in die Klotzscher Hauptstraße, einst und jetzt.





    An der platzähnlichen Einmündung der Karl-Marx-Straße wird die Königsbrücker Straße auf eine gesunde Breite zurückgeführt. Wir betreten Klotzsche-Königswald.




    Impressionen von der Königsbrücker Landstraße; Villen wechseln sich mit typischer Vorstadtbebauung ab.







    Wir nähern uns in landwärtiger Richtung der Haltestelle „Zur neuen Brücke“ am Kurhaus Klotzsche. Die „Sieben“ strebt stadtwärts.




    Repräsentative Bebauung beherrscht das Königswalder Ortszentrum.




    Haltestelle „Zur Neuen Brücke“. Für genau ein Jahr, von 1925 bis 1926, befand sich hier der zweite Klotzscher Endpunkt der Linie 7, dann ging es weiter zur „Deutschen Eiche“, wie weiland bei der Haidebahn.




    „Weißes Roß“ und „Kurhaus“ gemeinsam mit Haidebahn-Wagen Nummer 5 auf dem Weg zur „Deutschen Eiche“.




    Das Kurhaus hinterlässt heute zum Teil einen etwas verlotterten Eindruck.-




    Die „guten alten Zeiten“: das Kurhaus Klotzsche auf einer historischen Postkarte.




    Kurhäusliche Perspektiven:






    Weiter geht’s entlang der Königsbrücker Landstraße gen „Deutsche Eiche“. Auch hier typische Königswalder Villen.





    Am heutigen Käthe-Kollwitz-Platz befand sich nicht nur der Endpunkt der Haidebahn, sondern von 1926 bis 1928 auch der der Linie 7, bis zu deren Verlängerung über die ehemalige straßenbegleitende Königsbrücker Schmalspurtrasse bis Lausa-Weixdorf.




    Der einstige Gasthof „Deutsche Eiche“ befriedigt heute eher die Liebhaber mediterraner Gaumenfreuden denn die Verehrer von Knödeln und Kartoffelpuffern.




    Natürlich durfte auf der zeitgenössischen Postkarte die neueste technische Errungenschaft nicht fehlen. Mit Vergleichsbild.





    Soweit der sonntägliche Ausflug auf den Spuren Carl Stolls und seiner Dresdner Haide-Bahn. Auch wenn weder ihm noch seiner Erfindung eine glorrreiche Zukunft beschieden war, so hat die Bahn doch ihren Platz in der Dresdner Nahverkehrsgeschichte gefunden. Schönes Rest-Wochenende!