Staatsbibliothek Unter den Linden

  • Stimmt, in Anbetracht der fast vollständigen Rekonstruktion aller deutschen Innenstädte wird es extrem schwierig werden, in 20 Jahren noch nachzuvollziehen, dass es den Zweiten Weltkrieg überhaupt mal gegeben hat. Gut dass man uns in der Staatsbibliothek also nochmals dran erinnert:nono::nono:
    Mal im ernst, ich kann dieses Kriegsschädenkonserwierungsgeschwafel manchmal echt nicht mehr hören. Man begebe sich nur zum Großen Lesesaal oder man trete einfach aus der Stabi raus und dann sieht man genug, was der Krieg angerichtet hat.
    Es gibt kein zu wenig an sichtbaren Spuren, sondern ein zu wenig an Ästhetik und von Bauten, die mal ohne jeden Murks in ihrem originalen Kontext erlebt werden können. Aber wir sind in Deutschland, also was will man erwarten.

  • Man begebe sich nur zum Großen Lesesaal oder man trete einfach aus der Stabi raus und dann sieht man genug, was der Krieg angerichtet hat.


    Woher wird man in 100 Jahren als Unkundiger wissen wollen, dass der alte Lesesaal nicht einfach abgerissen wurde, oder dass, wie schon immer zuvor in der Geschichte, die Gebäude im Laufe der Zeit nicht einfach ausgetauscht wurden? Ein Einschussloch hingegen wird wohl niemand als ästhetisches Stilmittel hinzugefügt haben.


  • Mal im ernst, ich kann dieses Kriegsschädenkonserwierungsgeschwafel manchmal echt nicht mehr hören....
    Es gibt kein zu wenig an sichtbaren Spuren, sondern ein zu wenig an Ästhetik und von Bauten, die mal ohne jeden Murks in ihrem originalen Kontext erlebt werden können. Aber wir sind in Deutschland, also was will man erwarten.


    Wieso sollte das so sein? Das ist vergangen und vorbei! Der Kontext ist doch klar: Zwei Kriege begonnen und verloren. dabei noch nebenher den Kommunismus stark gemacht.
    Dafür ist der heutige Zustand des Landes im Allgemeines und des Gebäudes im Besonderen doch ganz gut...


    Ich finde das seltsame Tonnengewölbe auch nicht schön auf dem Foto, werde mir aber alsbald ein einen eigenen Eindruck verschaffen.

  • Aber wir sind in Deutschland, also was will man erwarten.


    Der Erhalt unterschiedlicher Zeitschichten ist ein allgemein anerkanntes Prinzip in der Denkmalpflege und wird auch in anderen Ländern so gehandhabt, daher sind z.B. die Einschusslöcher an der Sphinx von Giseh durch mamelukische Soldaten Napoleons nie komplett retuschiert worden.


    Also immer auf Deutschland rumhacken kann ICH nicht mehr hören..

  • Kennt sich jemand von Euch besser mit der Baugeschichte der Staatsbibliothek aus? Inbesondere mit der der Lesesäle?


    Ich finde im Netz nur die Info, dass der große Lesesaal im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde und dessen Ruinen dann in den 70ern abgerissen wurde; zumindest wird das so suggeriert ... zum Nachkriegsschicksal des angrenzenden Lesesaals der Uni hab ich gar nichts gefunden ...


    Durch Zufall hab ich aber auf einem Luftbild von Google Earth "entdeckt", dass die Staatsbibliothek ganz offensichtlich 1953 komplett wiederaufgebaut gewesen ist: Beide Lesesäle haben wieder ihre Dächer und insbesondere das Dach des großen Lesesaals sieht nun nicht nach einem Notdach aus ...


    Hat dafür jemand eine Erklärung?


    Die mögliche Erklärung, dass die Aufnahme von vor 1945 sein müsste, trifft nicht zu, da in einem größeren Ausschnitt (2. Bild) die weitläufigen Enttrümmerungsarbeiten noch deutlicher als auf dem Ausschnitt hier zu sehen sind:



    Bild: Google Earth



    Bild: Google Earth

  • ^ Du scheinst mir das sehr sicher zu sein ... Hättest Du einen Nachweis? Oder irgendeine Art Dokumentation? Muss auch nicht im Netz sein ...


    Und sorry, das ist nun wirklich kein Notdach ... egal in welchem Zustand der Saal darunter gewesen sein sollte ...

  • ^ Da können wir uns jetzt lange über den Begriff "Notdach" streiten – die können aus Wellblech bestehen und auf einem Gerüst lagern, aber auch auf Dauer angelegt sein (der Nordturm der Braunschweiger Andreaskirche hat z.B. immer noch eines). Das Dach auf Deinem Foto können wir meinetwegen ein "Behelfsdach" nennen. Mein Punkt war: Darunter befand sich kein wieder hergestellter Saal, sondern die Ruine, wie der Krieg sie hinterlassen hatte. Zwar wurde der größte Teil des Gebäudes bis 1955 (zwei Jahre nach der Luftaufnahme) wieder aufgebaut, die Reste des Kuppelsaals waren aber nur notdürftig (!) überdacht. Sie wurden leider 1977 abgerissen, weil sich die DDR eine Rekonstruktion nicht leisten konnte.


    Diese und weitere Informationen zur Bau- und Rekonstruktionsgeschichte findest Du auf der Homepage der Bibliothek.

  • Danke, aber das hatte ich auch schon gefunden, allerdings bleiben da halt doch noch ein paar Fragen offen, da eine sehr verkürzte Darstellung.


    Auf der Homepage der Bibliothek (s.o.) findet man ein Foto, auf dem die "Sprengung der Kuppel der Lesesaalruine" 1975 fetgehalten wurde. Man sieht auf dem Foto das Stahlgerippe der Kuppel, das nun überhaupt nichts mit "Notdach" oder "Behelfsdach" zu tun hat, sondern eher so aussieht, als käme es dem Original recht nahe. Außerdem suggeriert das Foto und seine Unterschrift, dass es sich um den zerstörten Nachkriegszustand handelt, was aber nicht stimmen kann, da man ja auf dem Luftbild sehen kann, dass dieses Gerippe eingedeckt gewesen sein muss. Zudem sieht man doch wohl sehr gut, dass der Mauerkranz, auf dem die Kuppel "auflag", recht gut intakt gewesen sein muss.


    Und dass die DDR kein Geld für eine Rekonstruktion gehabt hätte, aber dann doch die Mittel, um an der selben Stelle die fetten Magazintürme zu bauen, klingt nicht gerade überzeugend. Viel sinnvoller erscheint doch, dass man den Platz der Lesesäle brauchte, um Magazin zu bauen und dafür halt "den Bestand", wie auch immer der ausgesehen haben mag, abgerissen hat ...


    Die Frage ist doch jetzt einfach, wie "der Bestand" aussah. Dazu findet man iwie kein Bildmaterial, sondern nur als Beschreibung "Ruine", aber das ist nun wirklich ein weites Feld ...


    Vielleicht weiß ja jemand, wo der Zustand der Lesesäle vor dem Abriss 1977 dokumentiert ist. Ich finde leider nur Bilder von 1945 und Bilder, die den bereits fortgeschrittenen Abriss dokumentieren ...

  • Bildbeweis

    Folgendes Bild aus dem Jahr 1967 liefert den traurigen Beweis, dass Kuppel und Außenwand zunächst wiederaufgebaut wurden:



    Quelle: Bundesarchiv, Bild 183-F0415-0001-003 / Koard, Peter / CC-BY-SA 3.0


    Zehn Jahre später wurden die Lesesäle dann leider für den Bau der hässlichen Magazintürme abgerissen.

  • ^ Oh, danke, das Bild kannte ich noch nicht ... und ist doch sehr erhellend. Der Zustand des Kuppeldaches kommt dem Original sehr nahe:


    http://staatsbibliothek-berlin…csm_UdLalt_c9d95a0dd7.jpg


    Wenn man dann in Rechnung stellt, dass der Zustand des Allgemeinen Lesesaals nach Angaben auf der Homepage der Staatsbibliothek bei Kriegsende als lediglich "unbenutzbar" beschrieben wird und folgendermaßen nach dem Einschlag der Luftmine illustriert wird:


    http://staatsbibliothek-berlin…5_feb_1944_441326dbd2.jpg


    Kann man sich schon fragen, wie denn der Zustand des Innenraumes vor dem Abriss 1977 aussah ...

  • ^ Naja, Du hast das Bild doch selbst verlinkt – 30 Jahre später wird der Saal leergeräumt und die Substanz mangels Nutzung in schlechterem Zustand gewesen sein. Ich verstehe nicht ganz, warum Ihr der kurzen (nicht "verkürzten") Zusammenfassung auf der Homepage soviel Misstrauen entgegenbringt. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz ist nun wahrlich keine postkommunistische Kader-Organisation, die ein Interesse daran hätte, Bausünden der DDR-Zeit schönzureden.


    Ich finde, die Sache liegt auf der Hand: Man hat nach dem Krieg die Dächer wieder geschlossen und die Bibliothek in damals zeitgemäßer Weise wieder aufgebaut. Der Kuppelsaal blieb leer, hatte weder einen Boden noch eine Decke, und war vermutlich auch statisch in einem fragwürdigen Zustand. Als eine Generation später die nächste Grundsanierung anlag, standen die Planer vor Frage, wie mit der leeren Mitte umzugehen sei: Rekonstruktion des Originalzustands oder Nutzung des Platzes für prosaischere Zwecke. Angesichts der horrenden Kosten einer Wiederherstellung wird man sich für die Tabula-Rasa-Methode entschieden haben.


    Ideologische Motive für einen Abbruch halte ich für unwahrscheinlich. So etwas hätte die SED-Führung 1950 oder 1960 angeordnet, und es hätte das ganze Gebäude erwischt. 1977 dürfte eher Desinteresse am Erhalt kaiserzeitlicher Bausubstanz der Grund für die Entscheidung gewesen sein. Vielleicht wäre es anders gekommen, wenn die 70er-Sanierung der StaBi ein paar Jahre später begonnen hätte: In den Achtzigerjahren wurden in der DDR bekanntlich die Semperoper und das Schauspielhaus am Gendarmenmarkt rekonstruiert. Man hat dafür viel Geld (Divisen) in die Hand genommen. Der Zeitgeschmack hatte sich geändert – das hätte auch den alten Lesesaal betreffen können.

  • An einen Abriss aus Geldgründen glaube ich auch nicht. Die rasche Schließung der Kuppel nach dem Krieg deutet doch auf eine zunächst vorgesehene Wiederherstellung hin, in welcher Form auch immer. Nach dem Krieg war das nicht so selbstverständlich und die Ressourcen dafür insbesondere im Osten äußerst knapp.
    Für den Abriss dürften letztendlich Nützlichkeitserwägungen ausschlaggebend gewesen sein, die damals wohl für Magazine und gegen den Lesesaal sprachen. Zur etwa gleichen Zeit wurde in Leipzig der Magazinturm für die Deutsche Bücherei gebaut. Da die Staatsbibliothek mit ähnlichen Platzproblemen gekämpft haben dürfte, war eine solche Lösung naheliegend und der Platz des ohnehin zerstörten Saales bot sich an.

    Einmal editiert, zuletzt von Saxonia ()

  • Ich finde, die Sache liegt auf der Hand: Man hat nach dem Krieg die Dächer wieder geschlossen und die Bibliothek in damals zeitgemäßer Weise wieder aufgebaut. Der Kuppelsaal blieb leer, hatte weder einen Boden noch eine Decke, und war vermutlich auch statisch in einem fragwürdigen Zustand.[...]


    1977 dürfte eher Desinteresse am Erhalt kaiserzeitlicher Bausubstanz der Grund für die Entscheidung gewesen sein.


    So könnte es gewesen sein, aber Spekulationen ersetzen halt keine Fakten und vielleicht gibt es ja irgendwo eine Dokumentation oder Fotos ...


    Ich denke auch, die Tatsache, dass man sich bei der Rekonstruktion des Daches nach dem Krieg relativ viel Mühe gab, könnte darauf hindeuten, dass man die Absicht hatte, den Lesesaal wieder zu eröffnen, in vereinfachter Form in Stand zu setzen, komplett zu rekonstruieren oder was auch immer ... und das fände ich für die Geschichte des Ortes interessant ... und auch die Gründe, warum es dann anders kam oder überhaupt wie es dann kam ... aber dazu findet sich leider nichts, nur die sehr verkürzte Aussage, dass da eine Ruine abgerissen wurde und das finde ich etwas arg dünn, vor allem wenn man bedenkt, wieviel Mühe und Aufwand man sich jetzt bei der Sanierung dieses Ortes inkl. Restaurierung Treppenhaus, Vestibül, wilhelminische Majolika etc. gibt.


    Übrigens ist das keine ideologische Frage oder eine spezifische DDR Sache ... Dass man auch im Westen die architektonischen Hinterlassenschaften der Gründerzeit im Allgemeinen und des Wilhelminismus im Speziellen nicht eben schätzte (mancherorts bis heute, Stichwort Senckenberg Frankfurt) und auch erhaltungsfähige Bausubstanz in größerem Umfang abriss, ist ja nun hinlänglich bekannt.


    Kurz gefasst: Mir geht es um die Architektur-Geschichte des Ortes und nicht um deren ideologische oder politische Deutung!

  • Und noch als kleine Ergänzung zum Thema "Misstrauen" gegen Darstellungen auf Homepages:


    Auf der Homepage der Uni-Bibliothek ist zu lesen, dass der alte Lesesaal, der direkt an den hier oft besprochenen Kuppelsaal der Staatsbibliothek angrenzte, im Zweiten Weltkrieg zerstört worden wäre. Dieser ist auf einer Abbildung von 1929 hier zu sehen:


    https://www.ub.hu-berlin.de/sh…eksgeschichte/ls_1929.jpg


    Nun kann sich jeder mal im ganz wörtlichen Sinne ein Bild davon machen machen, ob das so stimmt:


    https://bauten.hu-berlin.de/de…nd-arbeitsplatz-1950/view


    Der Saal ist sicherlich beschädigt, aber zerstört? Oder gar eine Ruine? Ich denke eher nein ... will heißen, man muss nicht immer alles glauben, was auf einer Homepage steht. Was aber nicht heißt, dass dabei irgenwelche Absichten verfolgt werden, vielleicht hat man nur irgendwo falsch abgeschrieben, soll sogar bei summa cum laude Doktorabeiten vorkommen :D

  • Es ist jedenfalls sehr schade, dass die wiederaufbaufähigen Lesesäle dann doch abgerissen wurden. In den 1980er-Jahren, als die DDR sich auf ihr kulturelles Erbe zurückbesinnte und bedeutende Bauwerke (Schauspielhaus, Friedrichswerdersche Kirche, Nikolaiviertel) rekonstruierte, wäre ein Abriss wahrscheinlich nicht mehr möglich gewesen.


    Der moderne Lesesaal von HG Merz ist an sich nicht schlecht, wirkt im ansonsten historischen Bibliotheksgebäude aber wie ein Fremdkörper. Eine Rekonstruktion des Ihneschen Lesesaals, der architektonisch in einer Reihe mit den berühmten "Reading Rooms" in London und Washington stand, wäre deshalb die bessere Lösung gewesen.

  • Ende der Sanierung nochmal ein Jahr später - Ende 2019

    Mitte 2017 beim Tag der Offenen Tür hieß es, die Sanierung der Staatsbibliothek würde Ende 2018 beendet. Im folgenden Artikel des Berliner Kuriers vom 9.4.2019 steht nun am Ende des zweiten Absatzes, dass die Sanierung Ende 2019 endet:


    https://www.berliner-kurier.de…weisgebuehren-ab-32351832




    Ich bin wirklich froh, wenn dann endlich mal die Baustelleneinhausung des Gehwegs Unter den Linden weg ist - die steht doch dort schon seit bestimmt zehn Jahren?

  • ^


    Dürfte bald soweit sein. Habe heute gesehen, dass der Bürgersteig gerade neu gepflastert wird. Sollte in ein paar Wochen fertig sein, und dann ist die Einhausung Geschichte.