Bauen in Frankfurt - der rechtliche Rahmen

  • Bauen in Frankfurt - der rechtliche Rahmen

    Ab dem 6. Juli 2018 gilt in Hessen eine novellierte Bauordnung. Sozusagen der Evergreen des Bauordnungsrechts sind die Regelungen zu Abstandsflächen und Abständen. Und eben in dieser Hinsicht ergeben sich beachtliche Änderungen durch das Gesetz "zur Neufassung der Hessischen Bauordnung und zur Änderung landesplanungs- und straßenrechtlicher Vorschriften". Den Gesetzestext gibt es hier als PDF.


    Nach der neuen Rechtslage können etwa Hochhäuser künftig abgebrochen und neu errichtet werden, sofern der Neubau an gleicher Stelle entsteht und "gleichartig" ist. Es muss also nicht mehr unter allen Umständen ein alter Bau erhalten und und mit viel Aufwand und einigen Abstrichen umgebaut werden, wie dies in Vergangenheit oft geschehen ist. Voraussetzung ist allerdings, dass das Bestandsgebäude rechtmäßig errichtet wurde. Und natürlich sorgen die geänderten Regelungen für neue Unsicherheiten, vor allem wenn es um die Auslegung des Begriffs der Gleichartigkeit geht.


    Heute widmet sich die FAZ diesem Thema. In dem interessanten Artikel wird das Wohnhochhaus "Onyx" als Beispiel für die Risiken eines Umbau nach alter Rechtslage angeführt. Allerdings war bei diesem immer noch nicht fertig gestellten Umbauprojekt ein unerfahrener Entwickler tätig. Aus diesem Grund eignet sich das Hochhaus am Park womöglich besser, denn auch hier ist der Aufwand des derzeit laufenden Umbaus zum Wohn- und Hotelhochhaus "160 Park View" sehr hoch. RFR und Hines, die beiden Projektentwickler, schätzen den finanziellen Mehrwand auf 20 bis 30 Prozent gegenüber einem Neubau (Q). Doch der Knackpunkt wäre hier wahrscheinlich die Rechtmäßigkeit des Bestands. Das Hochhaus des Klempnermeisters Göbel war schon zur Bauzeit mit ganz erheblichen rechtlichen Problemen belastet, von tunnelklick an dieser Stelle näher erläutert.

  • Das dürfte ja dann auch andere Konversionen betreffen? Wenn ja könnten statt der Sanierung bei Alex 69, Phrix und Co. der Abriss und Neubau erfolgen. Voraussetzung wäre aber das die Kubatur durch den B-Plan und der Bestand nicht durch den Denkmalschutz gedeckt sind.
    Oder bin ich auf dem Holzweg? Wenn nicht wäre es um manche nicht ausgeführte Konversion schon schade.

  • Tatsächlich hat der Hessische Landtag am 28.5.2018 eine Neufassung der HBO beschlossen, die einige wichtige Änderungen enthält, die am 6.7.2018 in Kraft treten. Worauf sich der FAZ-Artikel bezieht ist ein neu eingefügter Abs. 12 in § 6 HBO, der das gesamte Abstandsflächenrecht regelt (wohl die am häufigsten geänderte Vorschrift überhaupt). Die neue Bestimmung lautet:


    (12) Bei rechtmäßig errichteten Gebäuden, die die erforderliche Tiefe der Abstandsfläche gegenüber Nachbargrenzen nicht einhalten, sind zulässig:
    1. Änderungen innerhalb des Gebäudes,
    2. sonstige Änderungen, wenn der Abstand des Gebäudes zu den Nachbargrenzen indestens 2,50 m beträgt, ohne Veränderung von Länge und Höhe der diesen Nachbargrenzen zugekehrten Wände und Dachflächen und ohne Einrichtung neuer Öffnungen oder Vergrößerung bestehender Öffnungen in diesen Wänden und Dachflächen,
    3. Nutzungsänderungen und
    4. die Neuerrichtung eines gleichartigen Gebäudes an gleicher Stelle.
    Darüber hinausgehende Änderungen und Nutzungsänderungen können unter Würdigung nachbarlicher Belange und der Belange des Brandschutzes zugelassen werden. Satz 1 und 2 gelten nicht für Gebäude nach Abs. 10.


    Natürlich geht es primär darum, den Nachbarschutz zu beschneiden. Aber wie immer steckt der Teufel im Detail. Schon der erste Satz "bei rechtmäßig errichteten Gebäuden" hat's in sich, denn die Baugenehmigungspraxis der 60er-80er Jahre war oft nicht rechtmäßig. Rechtmäßig errichtet heißt bisher, die Gebäude mussten materiell-rechtlich zulässig sein und über eine formell rechtmäßige Baugenehmigung verfügen. Was aber wenn die alte Baugenehmigung etwa rechtswidrige Befreiungen enthielt? Wird dann die alte Baugenehmigung geprüft? Oder wird deren Rechtmäßigkeit einfach fingiert? Das Trianon z.B. hat eine Baugenehmigung, die eine nichtige Klausel enthält, die im Parallelfall "Campanile" zur Nichtigkeit der ganzen Baugenehmigung geführt hat. Das bedeutet, das Trianon hat im Grunde keine Baugenehmigung, denn nichtig heißt, es gibt sie nicht, sie wurde nicht geschrieben und ist rechtlich nicht existent. Würde die neue Regelung dann auch dort gelten? Oder für den Euro-Tower, der planungsrechtlich nicht abgesichert ist? Fragen über Fragen...

  • Der Pragmatismus des neuen Absatzes 12 im §6 HBO ist erfreulich. Für so manche nicht mehr marktfähige Immobilie könnte das den notwendigen Impuls bedeuten, abzubrechen und neu zu bauen. Hätte es den Absatz 2011 schon gegeben, was hätte nicht alles aus der Ex-Nicht-Diamantenbörse (jetzt MA*) werden können...?


    ^ Ähnlich dem Trianon dürfte die Lage beim Turmcenter sein. Seine Revitalisierungsversuche führten bekanntermaßen sogar zu einer größeren Eskalation.

  • Eine weitere Neuerung in der HBO ist dies:


    § 6 Abs. 5 Satz 4
    An bei Inkrafttreten dieses Gesetzes bestehenden Gebäuden dürfen in die Abstandsfläche hineinragen:
    1. nachträglich angebaute Aufzüge, die nicht mehr als 1,70 m vor die Außenwand vortreten und von Nachbargrenzen mindestens 2 m entfernt bleiben und die Höhe der Außenwand nicht überschreiten,
    ...


    Damit erhalten Aufzüge ein Abstandsflächenprivileg, d.h. Aufzugstürme selbst brauchen keine Abstandsfläche einzuhalten und sie dürfen in die Abstandsfläche des Bestandsgebäudes gestellt werden. Es gab immer wieder Konflikte (mit der Bauaufsicht und mit den Nachbarn), weil bei der Modernisierung in beengten Verhältnissen in der Regel der Nachweis nicht gelang, dass die Abstandsflächen des Aufzugsturms auf dem Baugrundstück liegen. In der Regel ragen sie teilweise in die Nachbargrundstücke, wodurch Aufzüge in der Regel nicht genehmigungsfähig waren. Ein 15 m hoher Aufzugsturm z.B. erzeugt nach drei Seiten eine reguläre 6 m tiefe Abstandsfläche - geht nicht in den gründerzeitlichen Vierteln und auch sonst eher selten, weil derart tiefe Abstandsflächen nicht mehr auf dem Baugrundstück liegen oder sich mit den Abstandsflächen anderer Gebäude, etwa Hinterhäuser, überlagern.


    Damit waren Modernisierungen, Dachausbauten und Aufstockungen nicht barrierefrei herzustellen, es bedurfte entsprechender Befreiungen. Die Gesetzesänderung stärkt folglich das barrierefreie Bauen, den Milieuschutz, die "Luxusmodernisierung" und entschärft Nachbarkonlikte - eine gute Lösung.


    Ich frage mich zwar, wie sie auf 1,70 m gekomen sind, aber egal.

  • Speziell für den Wohnungsbau wurde unter dem Kostensenkungsaspekt das Gebot des barrierefreien Bauens stark eingeschränkt. Bisher hieß es,


    "Bauliche Anlagen und andere Anlagen und Einrichtungen nach § 1 Abs. 1 Satz 2, die öffentlich zugänglich sind, müssen in den dem allgemeinen Besucherverkehr dienenden Teilen so errichtet und instand gehalten werden, dass sie von Menschen mit Behinderungen, alten Menschen und Personen
    mit Kleinkindern barrierefrei erreicht und ohne fremde Hilfe zweckentsprechend genutzt werden kön-nen. ..." (§ 46 HBO a.F.)


    Jetzt heißt es in § 54 HBO n.F.:


    "1) In Gebäuden mit mehr als zwei Wohnungen müssen mindestens 20 Prozent der Wohnungen barrierefrei erreichbar und zugänglich sein, höchstens jedoch 20 Wohnungen. In diesen Wohnungen müssen die Wohn- und Schlafräume, eine Toilette, ein Bad sowie die Küche oder die Kochnische barrierefrei zugänglich sein. Die Räume nach Satz 2 sind so herzustellen und vorzubereiten, dass sie für eine barrierefreie Nutzung leicht einzurichten und auszustatten sind. ..."


    Es muss jetzt also nur noch eine kleine Zahl von Wohnungen barrierefrei sei, wobei es ausreicht, dass die Barrierefreiheit vorbereitet ist, sie muss nicht von Anbeginn hergestellt werden. Wer mehr will, darf das, muss es aber nicht.

  • Mir ist auf die Schnelle kein besserer Strang eingefallen, deshalb hier:


    Allgemein werden hohe Baukosten beklagt durch Bauvorschriften wie etwa die EnergieeinsparVO. Rein zufällig ist mir dieser Tage ein Objekt vor die Linse gekommen, wo man sehr gut sehen kann, welche Mehrkosten WDVS beim Abriss erzeugen. Nachstehende Bilder entstanden beim Abriss eines Hauses auf der Riederwaldtunnelbaustelle. Dass man vorher Fenster, Türen Heizkörper usw. ausbaut, kennen wir schon. Hier ahnen wir, welchen Aufwand die Wärmedämmung verursacht. Hier wurde die Dämmschicht mit einer Art "Longfront-Spachtel" von der Wand gekratzt, sehr mühsam, viele zusätzliche Maschinenstunden und Manntage, ich schätze hier mal mindestens eine Woche. Die Nachbarn freuen sich über die Berieselung durch verwehte Styroporkrümel. Und die Entsorger finden kein sortenreines Dämmmaterial vor, sondern ein Gemisch aus Dämmstoff, Kleber, Armiergitter, Putz und Farbe. :nono:








    Bilder von mir


    Soviel zu der These, man könne das WDVS recyceln...

  • Kann schlechte Architektur zur Ablehnung des Bauantrages führen?

    Nein meint der Magistrat. Der OBR 2 hatte sich auf Antrag der CDU-Fraktion aufgrund öffentlicher Kritik an der Fassadengestaltung des Flag (Bockenheimer Ldstr. 38-40) mit dieser Frage an den Magistrat gewandt:



    Q



    Q

    Einmal editiert, zuletzt von tunnelklick () aus folgendem Grund: ? hat gefehlt

  • Betr.: Abstandsflächen


    Die seit langem erhobenen Forderungen nach Reduzierung der Abstandsflächen zur Erleichterung von Bauvorhaben im bebauten Ortszusammenhang hatte den hessischen Landesgesetzgeber zu einer baufreundlichen Änderung der HBO veranlasst. Mit der Neufassung der HBO im Jahr 2018 wurde eine recht radikale Regelung eingefügt, die allmählich Wirkung zeigt.


    Ganz früher hatten Gebäude von der Grundstückgrenze zurückzuweichen. Der Bauwich, also das Maß, um das es zurückzuweichen galt, war in Metern angegeben und betrug mindestens 3,00 m, bei höheren Gebäuden 6,00 m, die Höhe bezog sich auf die Zahl der Vollgeschosse. Als die Häuser in den 50er Jahren höher wurden, gab es verschiedene Versuche, den Abstand flexibel zu gestalten, bis mit der HBO1990 der Bauwich abgeschafft und durch die Abstandsfläche ersetzt wurde.


    Die Tiefe der Abstandsfläche beträgt seitdem das 0,4-fache der Gebäudehöhe, mindestens aber 3,00 m. Das führte bei Hochhäusern zu unpraktikabel großen Gebäudeabständen. Bei einem Hochhaus von 150 m Höhe wäre eine Abstandsfläche von 60 m einzuhalten; da sich die Abstandsflächen benachbarter Gebäude nicht überlagern dürfen, hätten z.B. zwei benachbarte 150-Meter-Gebäude einen Abstand von 120 m einzuhalten. Dass dies unter den gegebenen Platzverhältnissen in den Großstädten schon bei deutlich geringeren Gebäudehöhen nicht praktikabel ist, liegt auf der Hand.


    Deshalb wurde im Zuge der Umstellung von Bauwich auf Abstandsfläche bestimmt, dass die Abstandsregeln nach § 6 Abs. 1-10 nicht gelten, wenn ein B-Plan die Abstände abweichend – größer oder kleiner - festsetzt. Dieser Dispens vom Abstandsflächenrecht durch B-Plan ermöglichte die Bildung von Hochhausclustern, wo die Gebäude statt regulärer 60 oder 80 m nur 6,00 oder 12,00 m Abstand haben – aber eben nur mit B-Plan.


    Bei Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes (BBauG, seit 1987 heißt es BauGB) war man überzeugt, dass überall alsbald B-Pläne erlassen würden. Eine Auffangregel für die bis dahin unbeplanten Ortsteile bestimmte, dass im unbeplanten Innenbereich ein Gebäude planungsrechtlich zulässig ist, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung in die nähere Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist (§ 34 BBauG/BauGB). Das war 1961.


    Die Planungseuphorie der 60er und 70er Jahre hat sich gelegt, B-Pläne zu erstellen, erwies sich als komplizierter, langwieriger, teurer als gedacht. Von der Vorstellung des Gesetzgebers, die Städte und Ortschaften wären alsbald überplant, sind wir heute meilenweit entfernt, so dass der „Übergangs“-§ 34 BauGB heute wichtiger ist denn je. Das Baugeschehen war und ist viel dynamischer als dass es mit dem Instrument des Bebauungsplans überall und jederzeit vorausschauend gesteuert werden könnte. Das wirkt sich natürlich auch bei der Nachverdichtung im unbeplanten Innenbereich aus, also bei vereinzelten Bauvorhaben, für die nicht jedes Mal ein kleinflächiger B-Plan aufgestellt oder ein vorhandener B-Plan geändert werden kann.


    Seit dem 1.7.2018 gilt im unbeplanten Innenbereich § 6 Abs. 11 HBO n.F. :


    „Die Abs. 1 bis 10 gelten nicht, soweit

    1. …

    2. nach der umgebenden Bebauung im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 des Baugesetzbuches abweichende Gebäudeabstände zulässig sind.“


    Das bedeutet m. a. W., dass das Abstandsflächenrecht auch außerhalb von B-Plänen für Neubauvorhaben nicht gilt, wenn in der näheren Umgebung keine Abstandsflächen vorhanden waren oder sind, ein Gebäude ohne Grenzabstand sich also in die nähere Umgebung einfügt.


    Wenn ein bestehendes Gebäude direkt an der Grenze steht, durfte der Nachbar schon immer ebenfalls unmittelbar anbauen. Jetzt aber kann selbst dann ohne Abstand zur Grundstückgrenze gebaut werden, wenn der oder die unmittelbare(n) Nachbar(n) ihrerseits einen Abstand einhalten. Voraussetzung ist, dass in der näheren Umgebung grenzständige Bebauung ein die Bebauung prägendes Merkmal ist. Der Begriff der näheren Umgebung ergibt sich aus

    § 34 Abs. 1 BauGB.


    Die hessische Regelung ist bundesweit bisher ein Unikat. Die anderen Bundesländer lassen Ausnahmen nur innerhalb des Abstandsflächenrechts im Ermessenswege zu, fünf Bauordnungen kennen immerhin den Vorrang des Bebauungsplans. Die hessische Regelung hingegen suspendiert das Abstandsflächenrecht auch außerhalb von B-Plänen, wenn das Vorhaben nach § 34 BauGB zu beurteilen ist und sich in die nähere Umgebung einfügt.


    Die Einbeziehung des Begriffs der näheren Umgebung nach § 34 Abs. 1 BauGB in das Bauordnungsrecht bringt prozessrechtlich einen gravierenden Unterschied insofern, als die Begriffe des Einfügens und der näheren Umgebung unbestimmte Rechtsbegriffe sind, deren Inhaltsbestimmung durch das Bauamt in vollem Umfang der gerichtlichen Überprüfung unterliegt. Fügt sich ein Vorhaben ein, besteht ein Rechtsanspruch auf Genehmigung, dem Bauamt steht kein Ermessen zu. Zum Begriff des Einfügens gibt es ausgiebige Rechtsprechung, auf die man sich im Einzelfall stützen kann.


    Ermessensentscheidungen sind demgegenüber gerichtlich nur sehr eingeschränkt überprüfbar, ein Verwaltungsgericht darf gerichtliches Ermessen nicht an die Stelle des Behördenermessens stellen, es darf bei Ermessensfehlern nur aufheben und die Neubescheidung durch das Bauamt anordnen. Wenn das Bauamt im Ermessenswege eine geringere oder gar keine Abstandsfläche nicht zulässt, ist dagegen in der Regel nichts auszurichten. Es gibt außerhalb Hessens also nur einen Rechtsanspruch auf fehlerfreie Ermessenausübung, aber keinen Rechtsanspruch auf geringere oder gar keine Abstandsfläche.


    Der nachbarliche Rechtsschutz reduziert sich auf das Rücksichtnahmegebot, auch dazu existiert eine umfangreiche Rechtsprechung. Bisher konnten in Hessen Nachbarn ein Vorhaben unter schlichtem Verweis auf die nachbarschützende Wirkung der Abstandsflächenregeln anfechten. Das reicht jetzt unter Umständen nicht mehr aus.


    Die erste veröffentlichte Entscheidung zu § 6 Abs. 11 HBO n.F. ist eine Beschwerdeentscheidung des HessVGH zu einem Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt zu einem BVH im Ortskern von Eckenheim (HessVGH, B.v. 17.11.2021 – 3 B 233/21 zu VG Frankfurt vom 14.1.2021 – 8 L 66/21.F).


    „B-2020-156-4 - Errichten von 2 Mehrfamilienhäusern mit insgesamt 11 Wohnungen, 3 Reihenhäusern und einer gemeinsamen Tiefgarage mit 8 Stellplätzen“ stand auf dem Bauschild. Dieses Bauprogramm auf einem trapezförmigen Grundstück mit einer Breite von 27,00 m an der Straße und 15,00 m rückwärtigen Bereich unterbringen, geht nicht ohne Grenzbebauung. Die Gebäude der zweiten Reihe jenseits der nördlichen und der südlichen Nachbargrenze stehen mit jeweils mindestens 3,00 m Abstand zur Grenze. Es wäre zu erwarten gewesen, dass auch das Neubauvorhaben einen Grenzabstand einhält. Tatsächlich aber wurde für alle drei Gebäude, die beiden Vorderhäuser und die rückwärtige Hausgruppe die Grenzbebauung genehmigt.


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    © Stadtvermessungsamt Frankfurt am Main, Stand 12.2022,© Hessische Verwaltung für Bodenmanagement und Geoinformation


    Nach der früheren Regelung hätte so nicht gebaut werden können, weil es keinen B-Plan gibt, der eine Grenzbebauung zulässt. Ein Vordergebäude hätte an der Grenze stehen dürfen, weil das Nachbarhaus ebenfalls an der Grenze steht, die andere Grenze hätte freibleiben müssen; und in der zweiten Reihe hätten nur zwei statt drei EFH gebaut werden können, weil zu beiden Seiten der Mindestabstand von 3,00 m hätte gewahrt werden müssen.


    Die Nachbarn zu beiden Seiten hatten jeweils im rückwärtigen Bereich 1999/2000 bzw. 2004/2005 Gebäude mit Grenzabstand neu errichtet, und sicherlich erwartet, dass der Neubau ebenfalls die Abstände einhält. Dem Rechtsbehelf gegen die Baugenehmigung blieb der Erfolg versagt, weil sich das Bauvorhaben in die nähere Umgebung einfügt und nicht gegen das Rücksichtnahmegebot verstößt. Streitig war die Abgrenzung der näheren Umgebung, die vom Gericht in etwa so vorgenommen wurde, wie vorstehend zu sehen. Zulässig ist demnach auch eine extreme Verdichtung, wenn sie nicht aus dem Rahmen der näheren Umgebung herausfällt; sie ist auch nicht rücksichtlos, wenn das Bauvorhaben die Nachbarn nicht mehr beeinträchtigt, als der abgerissene Bestand.


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    © Stadtvermessungsamt Frankfurt am Main, Orthofotos 2021

    3 Mal editiert, zuletzt von tunnelklick () aus folgendem Grund: Korrektur: vorstehend statt nachstehend; einen Satz hinzugefügt.

  • Freiraumsatzung in Kraft getreten

    Die Stadt Frankfurt hat dieser Tage eine "Gestaltungssatzung Freiraum und Klima" (Freiraumsatzung) bekannt gemacht, die somit geltendes Ortsrecht ist. Eine Bauaufsicht, die mit normalen Bauantragsverfahren und allem, was dazu gehört, und der Vorgartensatzung schon gut ausgelastet ist, freut sich über ein neues Betätigungsfeld. Die Grundstückseigentümer wissen natürlich noch nicht, was auf sie zukommt, und werden ihre helle Freude haben. Lasst uns hoffen, dass der Fachkräftemangel bei der Bauaufsicht den Vollzug der Satzung torpediert.


    Die Satzung gilt für "Errichtungen, Änderungen und Nutzungsänderungen" von Grundstücksfreiflächen. Seit Jahr und Tag sollen die Bauordnungen entschlackt, die Verfahren vereinfacht werden. Für die andere Seite, Eigentümer, Bauherren, Architekten, ist es aber wie bei der Echternacher Springprozession: zwei Schritte vor, einer zurück. Was die HBO an Vereinfachungen vielleicht erzielt hat, wird zumindest in Frankfurt durchdas Aufhäufen weiterer bürokratischer Anforderungen durch kommunales Satzungsrecht wieder zunichte gemacht: Stellplatzsatzung (ok, war schon immer da), Vorgartensatzung (auch schon alt), Erhaltungssatzungen, gebietsbezogene Gestaltungssatzungen, Fernwärmesatzung und was sonst noch alles - und jetzt das.


    Die Satzung selbst kommt grundvernünftig daher, aber der Teufel steckt natürlich im Detail. Wer sich sich mal die Flurkarten der Siedlungsflächen anschaut, wird eine Vielgestaltigkeit von Grundstücksgrößen, Zuschnitten und Bebauungen erkennen. Man braucht keine Phantasie, um zu erkennen, dass den Anforderungen häufig nicht entsprochen werden kann. Es mag zwar sein, dass die Bauaufsicht dann auch ein Einsehen hat, aber erforderlich ist auf jeden Fall die Einleitung eines förmlichen Verfahrens, vermutlich dann auch mit Formularzwang (von digitaler Antragsellung keine Rede), ggf. ein Befreiungsantrag, dessen Bescheidung natürlich gebührenpflichtig ist. Es ist einfach nur gruselig.


    Es liegt auf der Hand, dass die Vorgaben der Freiraumsatzung mit dem privaten Nachbarrecht kollidieren können. Was nach der Freiraumsatzung machbar erscheint, kann nach dem HessNachbarrechtsgesetz privatrechtlich unzulässig sein und an nachbarlichen Abwehr- und Unterlassungsansprüchen scheitern. Natürlich werden, eiserner Grundsatz des Bauordnungsrechts, die Genehmigungen unbeschadet der privaten Rechte Dritter erteilt, d.h. die Auseinandersetzung mit Nachbarn um Grenzabstände von Pflanzungen, Verdunklung und Verschattung von Wohnungen hat man bei aller Gutwilligkeit dann auch noch an der Backe. Von technischen und rechtlichen Hindernissen (Kanäle. Leitungen, Geh- Fahr- und Leitungsrechte usw.) wollen wir gar nicht erst anfangen.


    Wer z.B. heizungsmäßig modernen Ansprüchen genügen will und seine Liegenschaft - baugenehmigungsfrei - mit einer Wärmepumpe ausrüstet, wird bei der Wahl des Standortes für die Wärmepumpe im Abstandsflächenrecht nach HBO z.B. begünstigt, aber die Verlegung der Leitung von und zum Gebäude, sind eine Änderung der Freifläche des Grundstücks, fällt also in den sachlichen Geltungsbereich der Freiraumsatzung (§ 2 Abs. 2 und 3 der Satzung). Dann kann es passieren, dass die Stadt die Vorlage eines Freiflächenplans fordert (Abs. 4) und die Erfüllung der Anforderungen verlangt.


    Damit auch jeder versteht, was die Satzung will, wurde der eigentlich sehr schlichte Text mit einem 76-seitigen Handbuch garniert. Wenn ihr euch stark genug fühlt, dann lest selbst:


    Freiraumsatzung


    Handbuch Freiraumsatzung


    Es kann ja jeder mal vor seiner Hautür nachschauen, ob die Anforderungen der Satzung dort erfüllbar wären.

    2 Mal editiert, zuletzt von tunnelklick () aus folgendem Grund: Rechtschreibung

  • Alt Eschersheim 2 – 2c

    Dieses Vorhaben ist ein weiteres Beispiel für die Wirkung des neuen § 6 Abs. 11 Nr. 2 HBO2018, der Nachverdichtung ermöglicht durch Entfall der Abstandsflächen in Gebieten ohne qualifizierten B-Plan.


    Historisch war Alt Eschersheim 2 ein Flurstück (35) von 2.116 m². Der B-Plan NW 82b Nr. 1 zeigt diesen alten Zustand.


    © Stadtplanungsamt Frankfurt am Main, Auszug B-Plan NW 82b Nr. 1


    Vermutlich in den 1990er Jahren wurde das Flurstück 35 geteilt. Es entstanden 35/2 mit 856 m² und 35/3 mit 1.250 m². Neben dem Bestand (Haus Nr. 2) wäre an der Straße ein Gebäude möglich gewesen, das zu beiden Seiten einen Grenzabstand von 0,4 H, mindestens aber 3,00 m hätte einhalten müssen. Auf dem Flurstück 35/3 hätte so gebaut werden können wie heute, abgesehen von der Zahl der Vollgeschosse, der B-Plan sah nur zwei Vollgeschosse vor.


    © Stadtvermessungsamt Frankfurt am Main, Basiskarte, Stand 10/2023, historische Flurstücke


    Unter der Geltung der HBO2018 wurde dann eine weitere Grundstücksteilung vorgenommen: Flurstück 35/2 wurde zu

    - 35/4 (Gebäudebestand Haus Nr. 2 plus Zufahrt plus Freifläche - lila),

    - 35/5 (Freifläche - gelb)und

    - 35/6 (Bauplatz für Haus Nr. 2a - rot)


    Flurstück 35/3 wurde zu Flurstücken 35/7 und 35/8 (Bauplatz für Haus Nrn. 2b und 2c - ocker)


    © Stadtvermessungsamt Frankfurt am Main, Basiskarte, Stand 10/2023


    Haus Nr. 2c durfte ohne Abstand an Haus Nr. 2 angebaut werden, weil Nr. 2 an der Grenze steht; im Übrigen wahren Haus 2b und 2c die Abstandsflächen nach Süden und nach Osten. Haus 2a hält nur einen Abstand nach Osten zu Nr. 2, aber nicht nach Norden, hier wurde an die Grenze gebaut, weil das Abstandsflächenrecht nach dem neuen § 6 Abs. 11 Nr. 2 HBO2018 nicht anzuwenden war. Der Abstand von mindestens 3,00 m konnte entfallen, weil die planungsrechtliche Zulässigkeit nach § 34 BauGB beurteilt wurde; der B-Plan NW 82b Nr. 1 wird nicht mehr als qualifizierter B-Plan behandelt, weil er keine qualifizierten Festsetzungen zu Art und Maß der baulichen Nutzung enthält. Haus 2a nimmt teilweise die Lage des abgerissenen Vordergebäudes ein, insoweit wird der alte Abstand zwischen Gebäude und Grenze zu Nr. 6/6a beibehalten. Es wird dem Bauherrn abstandsmäßig nicht mehr gewährt als vorhanden war, den Nachbarn nicht mehr zugemutet als vorher.