Leipzig: Matthäi-Viertel (Vergangenheit-Gegenwart-Zukunft)

  • In den letzten Tagen wurden verschiedene Ideen zur Umgestaltung des Matthäikirchgeländes laut:


    Der sächsische Justizminister Sebastian Gemkow (CDU) möchte hier nach Abriss der "Ohrenburg" aus den 1980er Jahren ein Archivgebäude für Stasi-Unterlagen errichten, "das die unfassbare Menge an Stasi-Berichten nach außen transparent werden lässt." Auch Roland Jahn, der Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, unterstützt das Vorhaben. Er begrüße die Leipziger Idee, das ehemalige Stasi-Areal im Matthäikirchhof zu einem „Campus der Demokratie“ zu machen. „Dies kann ein geeigneter Ort sein, um zu zeigen, dass sich die Freiheit durchgesetzt hat. Dazu gehören die Stasi-Unterlagen als ein Symbol der Friedlichen Revolution.“ Seine Behörde prüfe derzeit, „wie wir uns als Stasi-Unterlagen-Archiv auf dem Gelände einbringen können“, sagte Jahn.


    Eine Expertenkommission des Bundestages hatte 2016 eine Zusammenlegung von Außenstellen der Stasi-Unterlagen-Behörde unter dem Dach des Bundesarchivs vorgeschlagen. Damit gäbe es in jedem der fünf neuen Länder nur noch einen Standort einer Außenstelle. Gemkow will aber weiter an den Standorten der drei Außenstellen in Dresden, Chemnitz und Leipzig festhalten. Man soll dort weiterhin Akteneinsichten beantragen und vornehmen können, betonte er.


    LVZ online, 17. Februar 2017
    Freiheitsdenkmal
    Sachsens Stasi-Archiv bald in Leipzig: Die Zeichen verdichten sich
    Die Signale machen berechtigte Hoffnung: In Leipzig könnte bald ein moderner Archiv-Neubau für die sächsischen Stasi-Unterlagen errichtet werden.
    http://www.lvz.de/Leipzig/Loka…e-Zeichen-verdichten-sich


    OBM Jung hatte ebenfalls in dieser Woche vorgeschlagen, das zunächst auf dem Leuschner-Platz geplante Freiheits- und Einheitsdenkmal nun auf dem Matthäikirchgelände anzusiedeln. Die Stadt Leipzig schlage einen „Campus der Demokratie“ vor, auf dem die Bürger_innen ins Gespräch kommen können und verschiedene Akteure – vom Leipziger Stasi-Museum in der „Runden Ecke“ über die Stiftung Friedliche Revolution bis zum Schulmuseum – Angebote zu Diskussionen, Dialog und Bildung unterbreiten. Jung hoffe, dass das Denkmal bis zum 30. Jahrestag der friedlichen Revolution im Jahr 2019 zumindest als fertige Entwurfsplanung „greifbare Realität“ ist. Dabei solle Diskussion über die Art des Denkmals völlig offen geführt werden. „Von der Lichtinstallation über ein Objekt, das zum Beteiligen einlädt, bis zum klassischen Monument ist aus meiner Sicht alles vorstellbar.“ Ein Grund für das Scheitern des ersten künstlerischen Wettbewerb im Jahr 2014 wäre laut Jung gewesen, "dass ein historischer Bezug des Ortes beim Wilhelm-Leuschner-Platz von den Leipzigern nicht akzeptiert wurde.“ Der Matthäikirchhof böte nun bessere Voraussetzungen. „Dieses Areal hat die Chance, zu einem ganz wunderbaren Ort für das Gespräch über Freiheit, Demokratie und Bürgerrechte zu werden.“


    LVZ online, 16. Februar 2017
    OBM für Matthäikirchhof
    Neuer Termin, neuer Ort: Plötzlich wieder Bewegung beim Leipziger Freiheitsdenkmal
    http://www.lvz.de/Leipzig/Loka…eipziger-Freiheitsdenkmal


    LVZ online, 17. Februar 2017
    Pläne für Matthäikirchhof
    Leipziger Stadträte einig: Bei Einheitsdenkmal muss Bürgerschaft beteiligt werden
    http://www.lvz.de/Leipzig/Loka…erschaft-beteiligt-werden


    MDR, 17. Februar 2017
    Rückenwind aus Berlin
    Neuer Anlauf für Leipziger Einheitsdenkmal?
    http://www.mdr.de/sachsen/leip…mal-neuer-anlauf-100.html


    Sachsen-Fernsehen, 17. Februar 2017
    EINHEITSDENKMAL AUF EHEMALIGEM STASI-GELÄNDE
    http://www.sachsen-fernsehen.d…em-stasi-gelaende-336896/


    BILD, 16.02.2017
    SPITZEL-PLATTE SOLL WEICHEN
    Jetzt kommt die Stasi wirklich weg!
    http://www.bild.de/regional/le…ch-weg-50470794.bild.html


    mephisto976.de, 16.02.2017
    Denkmal für Einheit und Freiheit
    Erinnerung neu konzipiert
    https://mephisto976.de/news/erinnerung-neu-konzipiert-59405

  • PM CDU-Fraktion, 16. Februar 2017


  • Matthäikirchhof als Erinnerungs-, Forschungs- und Bildungsort

    LVZ, 28. April 2017
    Ex-Stasi-Zentrale soll Bildungsort werden
    Weichen für Zukunft des Matthäikirchhofs in der Leipziger City gestellt
    Die Pläne für den Matthäikirchhof zwischen Runder Ecke und Großer Fleischergasse nehmen konkrete Formen an. Auf dem Gelände in der City soll Bildungsort entstehen. Bald soll der Stadtrat entscheiden.
    http://www.lvz.de/Leipzig/Stad…r-Leipziger-City-gestellt


    Der LVZ zufolge teilte die Stadt teilte mit, dass auf dem Areal der früheren Bezirksverwaltung zwischen Runder Ecke und Großer Fleischergasse bald ein Platz für die Gedenkstättenarbeit, Ausstellungen, politische Bildung und Archivarbeit entstehen soll. Darauf hätten sich Vertreter_innen des Archivs Bürgerbewegung, der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“, der BStU-Außenstelle Leipzig (Bundesbeauftragter für Stasi-Unterlagen), des Schulmuseums Leipzig und der Stiftung Friedliche Revolution in einem Grundlagenpapier geeinigt. Kernpunkt des neuen Plans ist der Archivneubau des BStU. Eine entsprechende PM lässt sich auf der Website der Stadt jedoch noch nicht finden.


    Die LVZ zitiert aus dem Grundlagenpapier: „Die Vielfalt und unterschiedlichen Ansätze der beteiligten Einrichtungen begreifen wir als große Chance und keinesfalls als Hindernis. ... Es ist eine faszinierende Idee, an einem Ort der Diktatur, in der Auseinandersetzung mit authentischen Räumen und Zeugnissen dieser spezifischen Vergangenheit, vielfältiges historisches Lernen zu ermöglichen, Gegenwartsprobleme und Zukunftsfragen unseres Gemeinwesens, im Sinne der Förderung der Demokratie, gegen Extremismus und Gewalt zu thematisieren.“


    Seit Donnerstag liegt das Grundlagenpapier dem OBM vor. Er hatte die Bürgerrechtler_innen im März beauftragt, dieses auszuarbeiten. Die so vorgelegte Idee begrüßte Jung: „Dieser Ort inmitten des Stadtzentrums bietet wie kein anderer in Deutschland die Möglichkeit, aus der Erfahrung der Friedlichen Revolution von 1989 heraus über die Zukunft der Demokratie nachzudenken.“ Nun soll daraus zusammen mit den Fraktionsvorsitzenden im Stadtrat eine Vorlage zur Abstimmung in der Ratsversammlung erarbeitet werden.

  • Großartig: Aus dem Artikel geht auch hervor, dass sich die Autoren dieses Positionspapiers gegen den Abriss des "Neubaus" der Stasi-Zentrale aussprechen. Zitat: „Der historische Stasi-Neubau mit verschiedenen noch original erhaltenen Räumlichkeiten, wie der Bunkeranlage im zweiten Keller, dem Büro des letzten Leipziger Stasi-Chefs, dem Wartebereich der Stasi-eigenen Poliklinik oder dem Paternoster-Aufzug, muss ebenso in die Neugestaltung einbezogen werden wie die Fassade mit der Treppenhausverkleidung (,Horchturm’).“


    Darauf warte ich seit Jahren, dass dieses architektonische Juwel als "einzigartiges historisches Zeugnis" klassifiziert wird und uns auf absehbare Zeit erhalten bleibt... Ich hoffe, dass es anders kommt und die städtebauliche Struktur des Matthäikirchhofs durch einen Abriss wiederhergestellt werden kann.

  • In der LVZ-Printausgabe steht auf S. 17 noch mal deutlich mehr:


    - Die Autor_innen des zehnseitigen Positionspapiers fordern darin die Stadt auf, das Projekt „unbedingt“ von der wieder aufgekommenen Debatte um ein Freiheits- und Einheitsdenkmal zu trennen.
    - Zu ihnen gehören Saskia Paul und Uwe Schwabe vom Archiv Bürgerbewegung, Tobias Hollitzer und Reinhard Bohse vom Bürgerkomitee und der Gedenkstätte „Museum in der Runden Ecke“ betreibt, Regina Schild und Niels Schwiderski von der Stasi-Unterlagenbehörde, Gisela Weiß und Thomas Töpfer vom Schulmuseum sowie Gesine Oltmanns und Michael Kölsch von der Stiftung Friedliche Revolution.
    - Sie sprechen sich gegen einen Abriss des Stasigebäudes aus: „Der historische Stasi-Neubau mit verschiedenen noch original erhaltenen Räumlichkeiten, wie der Bunkeranlage im zweiten Keller, dem Büro des letzten Leipziger Stasi-Chefs, dem Wartebereich der Stasi-eigenen Poliklinik oder dem Paternoster-Aufzug, muss ebenso in die Neugestaltung einbezogen werden wie die Fassade mit der Treppenhausverkleidung (,Horchturm’)“, fordern sie. „Diese Räume sollten thematisch adäquat genutzt werden. Der Stasi-Neubau sollte aus diesem Grund erhalten bleiben.“

  • Ich denke es ist nicht übertrieben zu behaupten, dass es sich bei der „Ohrenburg“ im Hinblick auf die Umfeldwirkung um eines der unglücklichsten Bauwerke in der Kernstadt handelt. Ich hoffe sehr, dass es der Stadt gelingt den Abriss dieses dunklen, höchst abweisenden Bauwerkes zu vollziehen. Mit der Runden Ecke hat man bereits einen umfassenden und eindrücklichen Ort der Erinnerung. Ein Büro und eine Treppenhausverkleidung kann man an einem Neubau (Stasi-Aktenarchiv) wieder anbringen bzw. ausstellen wenn diese geschichtlich bedeutsam sind. M.M.n. ist es im besten Sinne einer Stadtreparatur an dieser Stelle (der Keimzelle der Stadt) die alten Baufluchten bzw. Straßenzüge wiederherzustellen und eine möglichst kleinteilige heterogene Entwicklung voranzutreiben um das Matthäiviertel wieder vom „Un-Ort“ zu einem Stück Innenstadt mit Aufenthaltsqualität werden zu lassen. Von einer Reko einzelner Gebäude in diesem Zusammenhang wagt man ja kaum zu träumen auch wenn dies in anderen vergleichbaren Städten (Frankfurt, Dresden usw.) mittlerweile ein gangbarer Weg zu sein scheint.

  • sehr gut formuliert. Erinnern und Konservieren von Ereignissen darf bei aller Notwendigkeit gegen Vergessen und Verdrängen nicht zum Stillstand eines ganzen Areals führen.

  • Die Erinnerung an die Regime der jüngeren deutschen Vergangenheit sollten nicht vergessen werden. Aber das Prinzip der Konservierung schließt eine kritische Auseinandersetzung damit ja nicht automatisch ein. Da liegt der Auftrag der Bildung und des Diskurses an anderer Stelle. Und dieser Auftrag wird mit dem für mich sehr positiven Ansatz des "Demokratie-Campuses", schon in der richtigen Richtung verfolgt.


    Wie sollte ein urbanes Gebilde aussehen, wenn jede Erinnerung durch Konservierung stattfindet? Eine mit verschiedenen physischen Lagen überzogene Erinnerungskultur a la der Stadt Rom? Wir wissen wozu das führt.


    In diesem Sinne fände ich einen neu enstehenden Ort mit den Kulissen alter im Krieg zerstörter Fassaden, a la dem Dresdener-Neumarkt und dem Frankfurter-Römer, aber genau so unpassend. Den Abriss der "Ohrenburg" zuzulassen aber Kulissen der vorkriegs Stadt zu bauen ist dabei nur inkonsequent. Eine Art Wahl, welcher geschichtlichen Epoche - obwohl hier explizit aufeinander aufbauend - eine städtebauliche Wichtigkeit bescheinigt wird. Als könnte sich die Stadt nicht erneuern und nur in einem geschichtlichen Kontext leben. Das ist nur negativ behaftet und sperrt den Weg zu Neuem (den Seitenhieb auf eine andere Kommune in Sachsen kann ich mir hier gerade noch verkneifen).


    Eine Neuinterpretation des ganzen Areals mit den Bestimmungen der Erinnerung ist eine wirkliche Weiterentwicklung.

  • Käme darauf an, wie eine Neuinterpretation ausfiele.


    Das Schöne an Rekonstruktionen ist ja nicht, dass sie alt sind oder aus einer bestimmten Epoche stammen - sondern, dass sie von vielen Menschen als ästhetisch ansprechender empfunden werden und/oder Gefühle von Nostalgie oder Verbundenheit mit der Stadtgeschichte wecken. Das sollte man beim Städtebau beachten, zumal an diesem zentralen und historisch doch recht aufgeladenen Ort.

  • Über die städtebauliche Notwendigkeit des Abrisses dürfte weitgehend Einigkeit bestehen. Aber auch errinnerungspolitisch sehe ich keinen wirklich Grund für einen Erhalt. Die Stasi-Gebäude sind erst in den 80er entstanden. Eignen sich also wenn überhaupt nur für eine sehr kurze Periode bis 1989 als authentischer Ort des Gedenkens. Viel wichtiger ist und war die Runde Ecke.

    Einmal editiert, zuletzt von Saxonia ()

  • hedges


    Warum nicht das beste aus drei „Welten“ nehmen um Vergangenheit und Gegenwart mit der Zukunft zu verbinden. Mit dem konservieren prägnanter Teile der Stasi-Zentrale (Büro usw.) im Kontext mit dem Demokratie-Campus wird der jüngeren Vergangenheit Rechnung getragen. Die Wiederaufnahme der alten Baufluchten und Straßenzüge beleuchtet den Blick in die Vorkriegssituation. Darüber hinaus könnte das Archiv angenähert an die Kubatur(!) der Matthäikirche entstehen sollte dieses auf selbigen Grundstück errichtet werden. Da die Leipziger Innenstadt wie bekannt eine überaus heterogene Mixtur historischer und moderner Baukörper darstellt ist es nicht weit gedacht dies auch im vorliegenden Areal wiederaufzugreifen. Mir geht es vor allem um eine kleinteilige Entwicklung. Ein weiteres kontextnegierendes Gebilde wie der Stasi-Bau wären diesem Ort nicht zuträglich. Die Rekonstruktion von zwei bis drei historischen Bauwerken am Ort eingebettet in qualitativ hochwertige Neubauten auf den ehem. Grundstücken wäre vom Umfang her weit entfernt von Projekten wie am Neumarkt. Eine Komplettreko des gesamten Matthäi-Viertels wird es ja auch nicht geben können.

  • Die Wertung seitens angefragter DDR-Bürgerrechtler ist eben nur eine, wenngleich verständliche, Interessenlage - sie gilt es mE würdig einzubinden in einen weiteren Prozess. Daneben gibts ganz andere Positionen, die mir letztlich gewichtiger erscheinen, zumal die Runde Ecke auch erhalten bleibt, wie erwähnt.
    Ich hoffe seit Langem auf Abriss der Ohrenburg - einer funktional-städtebaulichen Kröte sondergleichen. M.E. sollte bei einer Neubebauung kein "futuristischer Solitär" platziert werden, sondern die Quartiersbildung der City wieder gen Ring geführt werden. Ob kleinteilig sei dahingestellt, denn ich gestehe der wachsenden Stadt auch drängende Flächenbedürfnisse zur Vorhaltung bzw Umsetzung öffentlicher Nutzungen zu, die nun aber nicht gleich in einem popeligen Schulstandort münden sollten/müssen.


    Nungut, ich war hierzu Ende 2015 extra auf die "Feuerleiter" hinter der Runden Ecke geklettert, um für euch die folgenden Bilder zu erhaschen :) :



    Ansichten vom Ring - Runde Ecke...


    ... und mit etwas unpässlich hinterblendetem Wagner-Richard, wobei ich nicht seinen Schattenwurf meine.

  • Käme darauf an, wie eine Neuinterpretation ausfiele.


    Das Schöne an Rekonstruktionen ist ja nicht, dass sie alt sind oder aus einer bestimmten Epoche stammen - sondern, dass sie von vielen Menschen als ästhetisch ansprechender empfunden werden und/oder Gefühle von Nostalgie oder Verbundenheit mit der Stadtgeschichte wecken.


    Zur Frage von Architekturästhetik fand ich letztens diesen FAZ-Artikel sehr anregend - Rekonstruktionen sollten demnach tatsächlich dem Mehrheitsgeschmack in aller Regel bestens entsprechen. Das dürfte weitgehend auch durchaus für Altbauten außerhalb des Korsetts "Gründerzeithäuser" gelten.


    http://www.faz.net/aktuell/wir…loetze-stil-14983318.html


    Thießen ist Professor für Finanzwirtschaft an der TU Chemnitz und kommt in Stilstudien zu dem Ergebnis: „Menschen haben eine sehr dezidierte Vorstellung davon, was schöne Architektur ist. Und diese Vorstellung ist bei allen gleich, völlig egal, wie alt sie sind, wie einkommensstark, wie gebildet oder wo sie wohnen.“
    Legt man ihnen Fotos von Häuserzeilen vor und fragt, welche ihnen am besten gefallen, sagen fast alle: Gründerzeithäuser! Es sind Fassaden mit Verzierungen, Fenster mit Umrandungen und spitze Dächer, die mit großem Abstand als die schönsten bezeichnet werden. Die Gründerzeit trifft nicht nur den Massengeschmack, sondern überwältigende 95 Prozent der Befragten würden auch in solche Häuser einziehen wollen.


    Die Komplett-Reko eines praktisch verlorenen Viertels steht hier sicher nicht zur Debatte - aber was allein schon die Rekonstruktion eines markanten Einzelgebäudes bewirken kann, sieht man praktisch ja direkt auf der anderen Ringseite - wäre doch wünschenswert, wenn sich die Verantwortlichen davon etwas inspirieren lassen würden.
    http://www.deutsches-architekt…hp?p=535543&postcount=123

  • Danke für den FAZ-Link - sehr interessanter Artikel.

    „Es ist weniger ein Stil, der sich da abzeichnet“, findet Architekt und Real-Estate-Manager Paul van der Kuil aus Berlin, „sondern vielmehr ein Prozess. Er ergibt sich daraus, dass sich die Auftraggeber und die Nutzer solcher Gebäude mehr und mehr voneinander entkoppeln.“


    Wie die Autorin des Artikels am Ende schreibt, sind die auch heute noch als schön empfundenen Gründerzeitbauten selbst schon Investorenarchitektur gewesen. Allerdings waren die Investoren damals oft "näher dran" an den Bewohnern, etwa wenn die Krupps Viertel wie die Margarethenhöhe in Essen gebaut haben. Es ist eine Ironie der Geschichte, dass Großkapitalisten im Kaiserreich sich um ein ansprechendes Stadtbild bemüht haben, während der demokratische Kapitalismus von heute (die Investoren sind ja oft Fonds) sich darum einen feuchten Kehricht schert.

  • Um Gottes willen lasst das stehen, streicht es mit Farbe und macht eine Schule draus. Wie sind hier in Leipzig und nicht im Baukulturellen Barbarenland Dresden, wo man viel hochwertigere DDR-Architektur als in Leipzig je gebaut wurde, einfach zeschreddert um ein gestalterisch minderwertiges Styrobomber-Schießscharten-Ghetto hochzuziehen. Dasselbe wird auch in Leipzig passieren dafür muss man sich nur mal anschauen was in den letzten Jahren dort die Arme Stadtlandschaft massakriert hat.
    Und wenn man solche Luxusprobleme hat, wie einen jungen Stahlbetonbau mit Nutzungsneutralen Grundrissen abzureißen (der langwierig und teuer abgerissen werden muss siehe Dresden), und das Städtebaulich und Ästhetisch begründen will missachtet das wirklich wichtige.
    Wenn dann sollte man sich aus eben diesen Argumentationen erstmal ein paar dringenderen Augen- und Stadtbildvergewaltigenden Gebäuden widmen:
    1. Galeria Kaufhof
    2. Höfe am Brühl (ohne den Blechbüchsenteil)
    3. Kulkas Schwarzer Würfel
    4. St. Trinitas
    5. Hugendubbel
    5. Stadtgeschichtliches Museum
    6. Alle Kaputtsanierungen der Innenstadt Sanieren,insbesondere das alte Kino, das Ägyptische Museum und die Petersstraße
    Es gibt wie man sieht einfach wichtigere Architektonische Probleme in Leipzig, die umgehender Bearbeitung bedürfen ...
    Und dann bleibt noch genügend Nachwendeschrott übrig den man weiterentwickeln muss wie Mäklers klitsche am Markt.


  • Es gibt wie man sieht einfach wichtigere Architektonische Probleme in Leipzig, die umgehender Bearbeitung bedürfen ...


    Der Klassiker unter den Nicht-Argumenten! Mag ja sein, dass es drängendere architektonische Probleme gibt*, aber wir sind keine mittelalterlichen Fürsten, die nach Gutdünken in der Bausubstanz rumfuhrwerken dürfen. Beim Matthäiviertel bietet sich nun eben die Gelegenheit der Verbesserung, die sollte man nutzen - statt mit dem Verweis darauf, dass es den Kindern in Afrika ja noch schlimmer gehe, nichts zu tun.


    *eine Einschätzung, die ich im übrigen nich teile!

  • Erstmal danke @Elli für die hinterhofidyllischen Bilder!


    @Whywolf


    Dein Duktus hier im Forum ist mitunter ziemlich anstrengend! „Baukulturelles Barbarenland“ sind so Aussagen die nicht wirklich zielführend sind. An der Elbe wird genauso gut und schlecht gebaut wie hier und andernorts. Warum man sich Deiner Liste nach z.B. so Bauten wie dem Ägyptischen Museum(?) oder dem Haus Marquette („Hugendubel“) annehmen sollte und dies als dringender erachtet als die Auseinandersetzung mit dem Stasi-Bau erschließt sich mir nicht. Diese Bauten sind teilweise erst wenige Jahre alt und stehen voll in Nutzung ganz zu schweigen davon, dass sie in keiner Weise sanierungsbedürftig sind. Ganz im Gegenteil zur Stasi-Zentrale bei der es mit einem Eimer Farbe und dann packen wir mal ne Horde Schüler rein und machen ne Schule draus nicht getan ist.


    In einem Punkt muss ich dir dann allerdings doch recht geben – Galeria Kaufhof hätte bei mir auch einen unrühmlichen ersten Platz in der Liste der zu schleifenden Gebäude inne.

  • Ich puste mal den Staub weg...


    Einer Beschlussvorlage des Stadtrats kann man entnehmen, dass die Entwicklung des Matthäikirchhofs vom Innenministerium in das Programm "Nationale Projekte des Städtebaus 2018/2019" aufgenommen wurde und somit die investitionsvorbereitenden Maßnahmen u. a. für das geplante "Forum für Freiheit und Bürgerrechte" durch den Bund gefördert werden. Konkrete Informationen zur angedachten Nutzungsmischung für das Quartier konnte ich zwar auf Anhieb noch nicht herauslesen, aber es ist offensichtlich, dass die Planungsmühle im Hintergrund ihre Arbeit verrichtet.

  • Aus dem Deutrichs-Hof-Thread:

    [...]

    Für das Zentrum steht die Frage dringender am Matthäikirchhof an. Weniger am Bauvolumen der Kirche selbst, eher bei den Bau- und Grundstücksstrukturen des vormaligen Hofes. In dem recht neuen Buch über die 100 verlorenen Bauten im Zentrum sind gute Übersichten zur westlichen Fleischergasse und dem Kirchhof enthalten. Eine Reko wäre gewiss "postkartenidyllisch", weit wichtiger fände ich persönlich das die Stadträume wieder so urban funktionieren. Das muss nicht mit schiefen Fachwerk sein... Und bestimmt auch nicht mit einem Ersatzklotz für den momentanen Stasi-Klotz.


    Da zitiere ich einfach mal aus dem Matthaei-thread. Welche Strukturen sollen's denn sein, welche Zeit ist genehm? Wegen der Ueberbauung wird eine Orientierung schwierig. Das gilt m.E. fuer Matthaei wie fuer Deutrichs.



    Ich würde dafür plädieren, nach Abriss des Ex-Stasi-Gebäudes die Straßen- und Grundstücksstrukturen in etwa wieder auf das Vorkriegsmaß zu bringen. An den Flurstücken kann man noch recht gut erkennen, wie das Ganze mal aussah. Ich würde allerdings im nördlichen Bereich ggf. eine weitere Verbindung zwischen Großer Fleischergasse und ehem. Töpferstraße schaffen. Das ehemalige Kirchengrundstück würde ich mit dem neuen "Forum für Freiheit und Bürgerrechte" bebauen. Für die Neubebauung sonst würde ich mich weitgehend an den alten Grundstücksmaßen orientieren und die Baufelder einzeln vergeben. Kleinteiliger Einzelhandel und Gastronomie und ansonsten Wohnraum - zum Teil gefördert. Ich würde den Architekten die Errichtung eines modernen, aber einladenden und multifunktionalen Viertels als Herausforderung mitgeben - ein Viertel, was nicht in erster Linie Investoren beeindrucken soll, sondern Passanten zum Verweilen einlädt.


    Dass das erstmal Geld kostet, ist klar. Mittel- und langfristig ist die damit einhergehende Vergrößerung des "bespielbaren" Innenstadtbereichs sicher eine lohnende Investition für ganz Leipzig.