Hannover: Landtag - Verlust eines Denkmals

  • Dan liegt das an mir. Kann auch Zufall gewesen sein, aber ich bin immer am Pförtnerhaus vorbei direkt in den Landtag. Wart aber auch nur ein oder zwei mal. Mir ist am Ende meines Beitragschreibens aufgefallen, dass es in den Plänen eine eingezeichnete Trennung gibt. Leider gibt es ja keinen Bestandsplan, dass man das praktisch in der gleichen Grafik vergleichen könnte, aber da hast Du trotzdem Recht. Nur habe ich beim Oesterlehn-Bau doch noch eher das Gefühl, dass die Trennung etwas selbstverständlicher ist.


    Man schaut nicht auf die Technik, in dem Sinne, dass man Kabel von der Straße aus sieht, aber der Technikbereich ist immer unattraktiv.



    Wie schon erwähnt, gilt für mich beim Umgang mit Denkmälern, dass man möglichst weitgehend auf den Bestand Rücksicht nimmt. Es gab deutlich Rücksichtsvollere Umbauvorschläge, diese wären eigentlich zu bevorzugen gewesen. Ein Privater Bauherr hätte in jedem Fall die bestandsnaheste Umbauvariante umsetzen müssen - Landtagsabgeordnete erlauben sich da halt einfach mehr, als es das Volk darf.

  • Inzwischen ist der Umbau des Landtages in vollem Gange, und vom alten Plenarsaal ist nicht mehr viel übrig. Die Landtagsverwaltung dokumentiert den Baufortschritt anhand des Plenarsaals in einer allmählich wachsenden Bildergalerie. Ich muss sagen: Als Person, die fünf Jahre (auch) in diesem Raum gearbeitet hat, finde ich die Bilder fast ein bisschen surreal. Vor allem die Fotos der entkleideten Deckenkonstruktion haben nichts mehr mit dem Erscheinungsbild zu tun, den ich mit diesem Haus verbinde. Bin sehr gespannt, wie es weitergeht, und dem Landtag dankbar für die regelmäßige Dokumentation.

  • Vor allem die Fotos der entkleideten Deckenkonstruktion haben nichts mehr mit dem Erscheinungsbild zu tun, den ich mit diesem Haus verbinde.


    Jetzt, nachdem ich die Fotos gesehen habe, hätte ich sie lieber nciht gesehen. Der alte Plenarsaal hatte, insbesondere durch die Deckenkonstruktion und das Oberlicht einen ganz anderen Charakter. Wenn ich mir die Pläne des Umbaus ansehe, kann ich da keine architektonische Idee erkennen, sondern leider nur Funktionen, die im Gebäude verteilt werden. Sehr schae finde ich das alles.
    Besonders die Verbindung zum Platz der Göttinger Sieben finde ich nicht gelungen. Weder habe ich wirklich einen Blick in den Plenarsaal, weil dieser zu weit enternt von der Fassade liegt und daher die Blickachse vom Platz aus die Abgeordneten oder Redner nicht trifft, noch finde ich die Anordnung der Besprechungräume in diesem Bereich gut. Nutzungen wie Besprechungsräume (ohne Fenster), ein Lager und ein Raum für die Elektro-Unterverteilung (!!!) werden wohl kaum den transparenten Eindruck vermitteln, mit dem man lange argumentiert hat. Hier war meiner Meinung nach der alte Oesterlehn-Bau mit der Lobby gelungener.

  • Ich finde den Plenarsaal einfach zu groß/ungegliedert vom Raumeindruck her. In einer "Turnhalle" kommt einfach nicht die nötige Atmosphäre auf, die ein lebendiges Plenum braucht, meine ich (das beste Gegenbeispiel ist das britische Unterhaus, wo nicht zuletzt die räumliche Nähe von Abgeordneten und Regierungsvertretern zu sehr lebendigen Aussprachen führt - genau das also, wozu ein Plenum da ist).


    Als in meinen Augen optimales Muster möchte ich daher die Modernisierung des Plenarsaales des bayerischen Landtages beispielhaft vorstellen:


    https://www.bayern.landtag.de/…m/saeleraeume/plenarsaal/ (mit Vorher/Nachher-Fotos - wie man sieht, wurde nicht einfach nur umdekoriert, sondern konzeptionell viel verändert)


    1. viel Tageslicht von oben
    2. Regierungsbank nahe an den Abgeordneten, alle Fraktionen nah beinander
    3. schließlich die Besuchertribüne, die weder zu weit nach hinten versetzt ist, noch zu hoch (vgl. die Situation im Bundestag, wo man sich eher wie in einem "Auskuck" fühlt, denn als Besucher von Parlamentsdebatten), von der man annähernd eine Perspektive wie ein Abgeordneter, der weiter hinten sitzt, hat


    All das fehlt mir im Landtag in Hannover.

    7 Mal editiert, zuletzt von Eisber ()

  • ^ Was Du auf den Bildern siehst, ist der ausgeweidete, alte Plenarsaal. Der neue besteht noch nicht, sondern wird an ganz anderer Stelle und mit anderem Zuschnitt im Gebäude neu errichtet werden. Von daher gibt es noch keinen Raumeindruck des neuen Saales, der ein ernsthaftes Urteil zuließe. Gundsätzlich fürchte ich allerdings, Dvorak könnte rechtbehalten mit seiner Kritik, hier würde keine Architektur gestaltet, sondern nur Funktion verteilt.


    Andererseits bleibt meine Erinnerung an den alten Plenarsaal bei aller Nostalgie doch ambivalent: Die skulpturale, sich über dem Rednerpult nach oben ziehende und dann über den Abgeordneten ausbreitende Deckenkonstruktion war beeindruckend – die künstlichen Oberlichter ringsum waren es nicht: Durch deren Milchglasverkleidung strahlte nicht die Sonne, sondern heißlaufende Scheinwerfer, die Tageslicht imitieren sollten, ohne dass sie es wirklich konnten. Und die holzvertäfelten Wände mit den eingelassenen Besucher- und Pressetribünen hatten angesichts ihrer Höhe eine bedrückende, einengende Wirkung.


    Dazu kommt, dass der Saal schlicht und einfach heruntergekommen war: Die Oberlichter waren gesprungen, der Teppich war versifft wie in einer Kiffer-WG, das Holz war ausgeblichen und aufgesprungen und das Lüftungssystem war faktisch nicht mehr in Betrieb. Außerdem waren wohl die Rohrleitungen unter dem Saal durchgemodert, denn manchmal stank es im Hohen Hause derart nach Scheiße, dass die Plenarsitzungen unterbrochen werden mussten (bitte verzeiht mir die Ausdrucksweise). All das hätte man natürlich auch durch eine Generalsanierung ohne Umbau beheben können; die oben genannten Mängel des Saales wären dann aber geblieben. Stärker tut es mir um die Lobby leid. Die war wirklich etwas Besonderes, und nun ist sie weg...

    2 Mal editiert, zuletzt von Architektenkind ()

  • P.S.: Ich sehe gerade ein Detail an den Umbaufotos, das mir gestern entgangen war – offensichtlich gab es eine Bauphase, in der das Dach bereits entfernt war, die Oberlichter des Plenarsaals aber noch nicht. Der Effekt war, wenn man den Fotos glauben darf, fantastisch: Auf einmal durchflutet das Licht eines blauen Himmels den Saal, der zuvor nur von Theaterlicht erhellt wurde. Zumindest auf den Bildern erzeugt die veränderte Beleuchtung eine Optik, die es so im realen Betrieb nie gegeben hat. Schade eigentlich...

  • Ich habe mir ja auch die Visu auf der Website angeschaut und im Prinzip, wenn man die optische Gestaltung soweit wegabstrahiert, dass nur noch die Strukturen übrig bleiben, ist es doch der selbe, alte Plenarsaal. "Turnhalle" mit seitlichen, viel zu hohen, Besuchersitzen. Oder sehe ich das falsch? Das Konzept des bayr. Landtages finde ich da eben wesentlich überzeugender, unabhängig vom expliziten Material an der Wand usw. Dort mag auch geholfen haben, dass der neue Plenarsaal in die gegebene räumliche Struktur des Maximilianeums passen musste. Architekten sind häufig dann am kreativsten, wenn sie mit einem begrenzten Rahmen umgehen müssen.