Messen, Messegelände und -gesellschaften

  • In der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS) ist heute ein großer Artikel zum Messeplatz Deutschland. Auf Seite 45 im Wirtschaftsteil steht unter der Überschrift "Das seltsame Wachstum des Messeplatzes Deutschland" u. a.:


    "...Rund 670 Millionen Euro Steuergelder verschlingt das Projekt Neue Messe (gemeint ist Stuttgart).100 000 Quadratmeter neue Hallenflächen entstehen so bis April 2007 in Deutschland, wo ohnehin schon mindestens jeder fünfte Messehallen-Quadratmeter der Welt steht. Seltsamerweise ist sich die Branche einschließlich der Stuttgarter völlig einig in einer Analyse: Es herrschen Überkapazitäten hierzulande. Schon von 2001 bis 2004 war das Flächenangebot um 8 Prozent gestiegen, während die Nachfrage um 9 Prozent schrumpfte.


    Die Folge ist klar: Den Messegesellschaften gelingt es immer seltener, ihre Hallen zu auskömmlichen Preisen zu füllen. Viele schreiben Verluste oder kaschieren ihre Subventionen, um positive Ergebnisse zeigen zu können. Schuld sind die öffentlichen Eigentümer der Messegesellschaften, sagt der Münchner Ökonom Robert von Weizsäcker. Die Messegesellschaften samt Gelände gehören meist den jeweiligen Großstädten, an den größeren Ausstellungsunternehmen sind zusätzlich häufig die Bundesländer beteiligt.


    Diese Eigentümer sorgen dafür, daß eines nie passiert: die Insolvenz einer betriebswirtschaftlich maroden Messegesellschaft. "In der gesamten Messelandschaft wären Stoßseufzer der Erleichterung zu vernehmen, würde endlich einmal eine unwirtschaftliche Messegesellschaft in die Pleite entlassen", sagt der Frankfurter Messechef Michael von Zitzewitz, der das in Deutschland profitabelste Messeunternehmen führt. "Nicht Leistungsfähigkeit und Marktorientierung entscheiden über den Erfolg, sondern die individuell unterschiedliche Bereitschaft der öffentlichen Eigentümer, Steuergelder einzusetzen", schimpft der Ökonom der Münchner TU, Weizsäcker. Er hat deshalb in einem Brief die EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes alarmiert. Sie soll den Beihilfen ein Ende machen.


    Die großzügige Messehallen-Landschaft zwingt alle Messegeschäftsführungen, neue Veranstaltungen aus dem Boden zu stampfen und dabei schwer kalkulierbare Risiken einzugehen. Der Karlsruher Messechef wurde gefeuert, nachdem er sich mit einem Mariah-Carey-Konzert gnadenlos verkalkulierte. Die Alternative der Manager: Sie akquirieren den Konkurrenten Messeveranstaltungen weg. "Das machen alle", sagt der Chef der Nürnberger Messe, Bernd Diederichs. Es ist ein hart geführter Kampf um Veranstaltungen, der mit Steuermitteln finanziert wird und "gesamtwirtschaftlich in höchstem Maß ineffizient ist", wie Weizsäcker beklagt.


    Die Messe Stuttgart lockte den privaten Messeveranstalter Schall mit einem großen Rabatt nach Stuttgart - ein Fall, der als "Messeraub an der A 6" in die Geschichte der Branche eingehen wird. Schalls alter Stammplatz in Sinsheim, ebenfalls ein öffentlich gefördertes Messegelände, ist deshalb von 2007 an weitgehend verwaist.


    Die notorisch rot schreibende Messe Berlin erkämpfte sich die Popkomm von Köln, mit Geldgeschenken, wie man am Rhein vermutet und an der Spree stets dementiert. Auch den Düsseldorfer Modemessen machen die Berliner das Leben schwer. Berlin will zudem die Internationale Funkausstellung im Jahresrhythmus statt im Zwei-Jahres-Rhythmus veranstalten, um die Hannoveraner Cebit zurückzudrängen. Und Düsseldorf will den armen Offenbachern an die Ledermesse.


    Branchenverbände, die selbst Messen veranstalten, pressen den Messegesellschaften Geld und Zugeständnisse allein für die Zusicherung ab, die Hallen zu füllen. Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels drohte mit dem Wegzug der Buchmesse, bis die Lokalpolitik eingriff. Die riesigen Hallenkapazitäten machen die Messegesellschaften erpreßbar.


    Die Folge ist, daß die Standmieten in Deutschland auf Aldi-Niveau angelangt sind (Aldi allerdings verdient Geld). In fast allen europäischen Ländern ist es teurer, in den Vereinigten Staaten fast viermal so teuer, Standflächen zu mieten.


    Den regionalen Politikern geht es um die lokale Wirtschaft, die sie durch Messen gefördert sehen, ob sich diese nun rechnen oder nicht. Die Logik geht so: Messegäste und Aussteller schlafen in den regionalen Hotels, nutzen die Gastwirtschaften und bestellen gelegentlich Taxis. Auch Schreinern, Malern und Elektrikern winken Aufträge. Aus lokaler Perspektive ist das Kalkül der Politiker nachvollziehbar. Und dann gibt es dazu noch das Bauchgefühl der Regionalpolitiker, daß zu einer anständigen Großstadt auch eine anständige Messe gehört. "Wir sind schließlich nicht Kleinkleckersdorf", sagt der Stuttgarter Messesprecher. Die Messe der Schwabenmetropole wird in den nächsten Jahren erst mal keine schwarze Zahlen mehr liefern, hat aber dank vorzüglicher Lage am Flughafen gute Aussichten, die Hallen mittelfristig zu füllen - zu Lasten anderer öffentlich gepäppelter Messeplätze. "Warum soll Stuttgart bluten?" fragt der Messesprecher.


    Doch die Provinzperspektive verstellt den Blick für das große Bild. Denn jetzt droht der Abstieg des Messelandes: "Wenn wir nicht aufpassen, passiert mit den deutschen Messegesellschaften dasselbe wie mit den Banken: Sie werden von der Champions League in die Regionalliga abrutschen", glaubt Zitzewitz. Es ist das Sparkassenproblem. Die öffentlichen Institute verdarben der privaten Konkurrenz das Geschäft. Dazu kommt, daß die lokalen Politiker grenzüberschreitende Fusionen bremsen. Das hindert die Unternehmen an der Entfaltung. Gefesselt durch kommunales Kalkül, müssen sie zugleich zusehen, wie im Ausland die Konkurrenz erblüht. In Paris wächst ein neuer Messeriese heran, bald werden Asiaten verstärkt auf den Markt drängen, erwartet Zitzewitz. Und das angelsächsische Unternehmen Reed ist jetzt schon Weltmarktführer."


    Ich denke dieser Artikel untermauert meine frühreren Aussagen recht eindeutig. Würde mich freuen wenn die Subventionsfreunde dieses Forums sich dazu äußern würden.

  • Zitat von Schmittchen

    Die Fläche des Freigeländes ist doch ausdrücklich angegeben:


    Das habe ich auch gesehen, aber mir geht immer noch nicht eindeutig hervor, ob die Freifläche in der Bruttofläche mit enthalten ist oder nicht. Ist nur eine Frage der Formulierung. Ein "davon" oder im umgekehrten Fall "außerdem", "zusätzlich" in der Formulierung würde es auch für mich klar machen.
    Ich kann mir nämlich auch vorstellen, dass unter Bruttofläche die Ausstellungsfläche in den Hallen inklusive Wegen/Gängen gemeint ist, während die "Nettofläche" die reine Ausstellungsfläche ohne Wege/Gänge bezeichnen würde.


    EDIT: Jetzt hab ich mal alle Hallen der "Neuen Messe" zusammenaddiert und komme auf knapp 80.000 qm. Ergo ist die Freifläche (15.000 qm) nicht in der Bruttofläche enthalten. Frage selbst beantwortet.

  • Zitat von garcia

    Ich denke dieser Artikel untermauert meine frühreren Aussagen recht eindeutig. Würde mich freuen wenn die Subventionsfreunde dieses Forums sich dazu äußern würden.

    Lieber garcia:


    Selbst bist Du nicht in der Lage eine Quelle zur Untermauerung Deiner gewagten These herbeizuschaffen. Nun postet jemand anderes eine Quelle, die Dir ins Konzept zu passen scheint, und Du machst hier den Dicken.


    Nichts in diesem interessanten Artikel widerspricht meiner Argumentation zur Stuttgarter Messe. Komme damit klar, daß es hier Kräfte gibt, die ein Interesse an qualitativ hochwertiger und bedarfsweise differenzierter Diskussion haben.


    Die Aussage, die Frankfurter Messe sei das profitabelste Messeunternehmen , wurde weder bestritten noch untermauert sie recht eindeutig, daß alle anderen deutschen Messeplätze "in Ihrer Form und Größe überflüssig" sind.


    Wenn Du das daraus folgerst liegt ein Denkfehler vor.


    Solltst Du mich mit "Subventionsfreund" meinen, liegt abermals ein gedanklicher Fehler Deinerseits vor.



    Bei der Gelegenheit: Du zitierst schlecht, nämlich erstens ohne andere Formatierung und zweitens komplett.


    Grüße

  • eine interessante perspektive zum deutschen messemarkt;die financial times deutschland schreibt:


    ...Eine prominente Klage der Chinesen gegenüber der Delegation des deutschen Wirtschaftsministeriums hingegen war, dass es nicht genug Messekapazitäten in Deutschland gebe. Chinas Firmen bräuchten künftig mehr Platz, um ihre Produkte anzupreisen.


    ftd-artikel



    die chinesen sehen die (momentanen) deutschen messeüberkapazitäten ziehmlich relativ....